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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.238/2002 /pai 
 
Urteil vom 25. August 2003 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, 
Ersatzrichterin Pont Veuthey, 
Gerichtsschreiber Monn. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Robert Siegrist, Steinerhof / Seebahnstrasse 85, Postfach, 8036 Zürich und Rechtsanwalt lic.iur. Thomas Fingerhuth, Langstrasse 4, 8004 Zürich, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung (BetmG-Widerhandlung), 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 14. März 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Bezirksgericht Zürich sprach X.________ am 11. Dezember 1996 der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 bis 6 in Verbindung mit Art. 19 Ziff. 2 lit. a, b und c des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) sowie der Irreführung der Rechtspflege schuldig und bestrafte ihn mit sechs Jahren Zuchthaus und zwölf Jahren Landesverweisung. Vom Vorwurf gemäss Ziff. I lit. f der Anklage wurde der Angeklagte freigesprochen. 
 
Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte diesen Entscheid im Berufungsverfahren am 2. April 1997 im Schuld- und Strafpunkt. Es sah indessen von einer Landesverweisung ab. 
 
Nachdem das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 24. August 1998 das obergerichtliche Urteil aufgehoben hatte, wurde ein Belastungszeuge noch einmal untersuchungsrichterlich einvernommen. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 9. Juli 1999 erneut der mehrfachen Widerhandlung gegen das BetmG sowie der Irreführung der Rechtspflege schuldig und bestrafte ihn wieder mit sechs Jahren Zuchthaus. 
 
Auch dieses Urteil wurde durch das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 20. November 2000 aufgehoben, da die Aussagen des oben erwähnten Belastungszeugen, auf denen die Ziff. I lit. a, b und c der Anklage beruhen, nicht verwertbar seien. Das Kassationsgericht hatte den Angeklagten bereits mit Verfügung vom 7. Februar 2000 aus der Haft entlassen. 
B. 
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 14. März 2002 der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 bis 6 in Verbindung mit Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG (Ziff. I lit. d und e der Anklage) sowie der Irreführung der Rechtspflege schuldig und bestrafte ihn mit drei Jahren Zuchthaus (als Zusatzstrafe zu einem Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Bülach vom 23. Januar 1996). Von den Vorwürfen gemäss Ziff. I lit. a, b, c und f der Anklage wurde der Angeklagte freigesprochen. Für zu Unrecht erlittene Haft wurde ihm eine Genugtuung von Fr. 18'000.-- entrichtet. 
 
 
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hiess eine dagegen gerichtete kantonale Nichtigkeitsbeschwerde am 29. März 2003 gut und erhöhte die dem Angeklagten zugesprochene Genugtuung auf Fr. 30'400.--. 
C. 
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 14. März 2002 sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerde richtet sich nur gegen das Strafmass. 
 
Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat den angefochtenen Entscheid nur in Bezug auf die Genugtuung aufgehoben (act. 8 S. 15). Schuldpunkt und Strafmass blieben bestehen. Folglich ist auf die Beschwerde, die sich nur gegen das Strafmass richtet, einzutreten. 
2. 
Die Vorinstanz hat in Bezug auf das Strafmass grundsätzlich auf ihre Ausführungen im Urteil vom 2. April 1997 (als sie den Beschwerdeführer noch zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilte) verwiesen. Obschon von einem schweren Verschulden auszugehen und nach wie vor über den Handel mit der nicht unerheblichen Menge von 700 Gramm Heroin zu befinden sei, erscheine die von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragte, nunmehr reduzierte Strafe von 4 ½ Jahren Zuchthaus als eher hoch. Insbesondere sei einzuräumen, dass das Berufungsverfahren nach Eingang der abschliessenden Stellungnahmen der Parteien am 15. Mai 2001 bis zum angefochtenen Urteil zu lange gedauert habe. Diese Verzögerung, die nicht dem Beschwerdeführer angelastet werden könne, verletze das Beschleunigungsgebot gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Es sei deshalb erforderlich, die Strafe entsprechend zu reduzieren. Angemessen erscheine eine Strafe von drei Jahren Zuchthaus als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Bülach vom 23. Januar 1996 (angefochtener Entscheid S. 14). 
 
Im Urteil vom 2. April 1997 hatte die Vorinstanz unter Hinweis auf das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 11. Dezember 1996 ausgeführt, das Verschulden des Beschwerdeführers wiege schwer. Für seine Taten seien keine anderen Gründe als solche finanzieller Art ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer, der im Übrigen auch nicht drogensüchtig gewesen sei, zu Recht nicht geltend gemacht habe, dass er aus einer Notlage heraus delinquiert hätte. Er habe eine Position mindestens im mittleren Kader (der Bande) bekleidet und die Transaktionen überwacht. Des weiteren falle die relativ lange Deliktsdauer von rund einem Jahr ins Gewicht. Straferhöhend seien die Qualifikationsmerkmale lit. b und c von Art. 19 Ziff. 2 BetmG zu gewichten (Urteil vom 2. April 1997 S. 21 - 23). 
 
Das Bezirksgericht Zürich, auf dessen Ausführungen die Vorinstanz verweist, hatte am 11. Dezember 1996 überdies festgehalten, strafschärfend fielen die mehrfachen qualifizierten Widerhandlungen gegen das BetmG und die Erfüllung mehrerer Straftatbestände ins Gewicht. Der Beschwerdeführer sei am Umsatz einer grossen Menge harter Betäubungsmittel beteiligt gewesen, wodurch er die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen in Gefahr gebracht habe. In persönlicher Hinsicht sei von ihm bekannt, dass er im Kosovo als Sohn eines Landwirts aufgewachsen sei und dort die Schule besucht habe. Er habe sich zum Automechaniker ausbilden lassen, bis 1989 auf seinem Beruf gearbeitet und anschliessend in der serbischen Armee gedient. Als er erneut hätte einberufen werden sollen, sei er in die Schweiz geflüchtet, um hier um Asyl nachzusuchen. Er sei seit 1994 verheiratet, wobei seine Frau in ihrer Heimat lebe. Am 23. Januar 1996 sei er wegen einer Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer zur Rechenschaft gezogen worden. Straferhöhend falle die hartnäckige Uneinsichtigkeit trotz klarer Beweislage ins Gewicht (Urteil vom 11. Dezember 1996 S. 29 - 31). 
3. 
Der Beschwerdeführer bringt gegen diese Strafzumessung vor, die Begründung der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid sei mit Bezug auf wesentliche Strafzumessungsfaktoren nicht überprüfbar und zudem seien solche nicht berücksichtigt worden. Er sei am 24. Januar 1996 verhaftet worden, womit das Verfahren nunmehr seit annähernd 6 ½ Jahren andauere. Dies müsse zwingend eine massive Strafreduktion zur Folge haben. Die Vorinstanz habe demgegenüber zu Unrecht lediglich die Dauer ihres eigenen Verfahrens berücksichtigt, ohne sich zur Frage der überlangen Dauer des gesamten Verfahrens zu äussern (act. 1). 
4. 
Das Gericht hat in seinem Urteil die Überlegungen, die es bei der Bemessung der Strafe angestellt hat, in den Grundzügen darzustellen. Dabei muss es in der Regel die wesentlichen schuldrelevanten Tat- und Täterkomponenten so erörtern, dass festgestellt werden kann, ob alle rechtlich massgebenden Gesichtspunkte Berücksichtigung fanden und wie sie gewichtet wurden. Dabei müssen die einzelnen Strafzumessungsfaktoren nicht in allen Einzelheiten ausgebreitet werden und über Umstände ohne oder von ausgesprochen untergeordneter Bedeutung darf auch mit Stillschweigen hinweggegangen werden. Bei der Gewichtung der zu beachtenden Komponenten steht dem urteilenden Gericht ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift in dieses auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nur ein, wenn das kantonale Gericht den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn es von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn es wesentliche Komponenten ausser Acht gelassen bzw. falsch gewichtet hat oder wenn die Strafe in einem Masse unverhältnismässig streng bzw. mild erscheint, dass von einer Überschreitung oder einem Missbrauch des Ermessens gesprochen werden muss. Wenn es jedoch nur darum ginge, die Begründung der Strafzumessung zu verbessern oder zu ergänzen, kann allerdings auf die Aufhebung eines Urteils verzichtet werden, sofern sich dieses im Ergebnis als gerechtfertigt erweist (BGE 127 IV 101 E. 2; 124 IV 286 E. 4a; 123 IV 49 E. 2a; 122 IV 241 E. 1a; je mit Hinweisen). 
5. 
Die Vorinstanz reduzierte das Strafmass von sechs Jahren auf drei Jahre Zuchthaus, weil einerseits drei von fünf Anklageziffern wegfielen und weil anderseits im letzten Verfahren vor Vorinstanz nach dem Eingang der Stellungnahmen der Parteien bis zum Urteil zehn Monate verstrichen sind. Ansonsten hielt sie an ihren früheren Strafzumessungserwägungen fest. Diese Strafzumessung ist aus verschiedenen Gründen mangelhaft. 
 
In Bezug auf den Schuldpunkt geht die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass die Anklageziffern I lit. d und e den Handel mit der nach wie vor erheblichen Menge von 700 Gramm Heroin betreffen (vgl. Urteil vom 2. April 1997 S. 4/5). Um die Strafzumessung nachvollziehbar zu machen, hätte sie jedoch überdies mindestens angeben sollen, dass die Vorwürfe gemäss den Ziff. I lit. a, b und c, von denen der Beschwerdeführer nun freigesprochen worden ist, weitere 1850 Gramm Heroin betrafen (vgl. Urteil vom 2. April 1997 S. 3/4). Nur so wird ersichtlich, inwieweit die nachträglichen Freisprüche zu einer Strafreduktion führen müssen. 
 
In Bezug auf den Zeitablauf sind seit dem 11. Dezember 1996 bis zum angefochtenen Entscheid vom 14. März 2002 wegen der beiden Rückweisungen durch das Kassationsgericht und wegen weiterer Verzögerungen, die der Beschwerdeführer nicht zu verantworten hat, mehr als fünf Jahre vergangen. Eine solche Dauer des Berufungsverfahrens ist für einen Fall von lediglich beschränkter Komplexität eindeutig zu lang. Dies hat die Vorinstanz bei der Strafzumessung nur für die Dauer von zehn Monaten anerkannt. 
 
Dazu kommt, dass der Hinweis der Vorinstanz auf ihr Urteil vom 2. April 1997 in zwei Punkten verfehlt ist. 
 
Die Vorinstanz hatte am 2. April 1997 festgehalten, bei der Strafzumessung falle die relativ lange Deliktsdauer von rund einem Jahr (straferhöhend) ins Gewicht (Urteil vom 2. April 1997 S. 22). Nach den Freisprüchen wurde der Beschwerdeführer nun jedoch nur noch wegen der Anklageziffern I lit. d und e schuldig gesprochen, und diese Delikte hat er im Verlauf von nur rund einem Vierteljahr begangen (vgl. Urteil vom 2. April 1997 S. 4). Der von der Vorinstanz seinerzeit angenommene Straferhöhungsgrund ist heute insoweit zu relativieren. 
 
Von grösserer Bedeutung ist der zweite Punkt. Die Vorinstanz hatte am 2. April 1997 festgehalten, straferhöhend seien die Qualifikationsgründe von lit. b und c von Art. 19 Ziff. 2 BetmG zu gewichten (Urteil vom 2. April 1997 S. 22). Im angefochtenen Urteil wurde der Beschwerdeführer demgegenüber ausdrücklich nur noch im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG schuldig gesprochen (vgl. angefochtener Entscheid S. 13). Der Erhöhungsgrund des banden- und gewerbsmässigen Handels fällt also weg. 
6. 
Obwohl die angefochtene Strafzumessung aus den genannten Gründen mangelhaft ist, muss dies nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen, weil sich die ausgesprochene Strafe von drei Jahren Zuchthaus im Ergebnis als gerechtfertigt erweist. 
 
Dabei ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit der grossen Menge von 700 Gramm Heroin Handel getrieben hat. Bereits bei 12 Gramm reinem Heroin liegt ein schwerer Fall vor (BGE 120 IV 334 S. 338), der mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus oder Gefängnis bedroht ist (Art. 19 BetmG). Der Beschwerdeführer hat mit einem Vielfachen dieser Menge Handel getrieben. Erschwerend kommt dazu, dass er diesen Handel ausschliesslich betrieb, in der Absicht sich zu bereichern, ohne selber süchtig zu sein oder sich in einer Notlage zu befinden. Strafschärfend ist überdies die Irreführung der Rechtspflege zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer wurde nun allerdings vom Vorwurf des Handels mit 1850 Gramm Heroin freigesprochen, was zu einer Reduktion der früher ausgesprochenen Strafe von sechs Jahre Zuchthaus führen muss. Das Strafmass wird jedoch nicht vorrangig durch die gehandelte Drogenmenge, sondern in erster Linie durch das Verschulden des Täters bestimmt (BGE 118 IV 342 S. 348). Dieses ist im vorliegenden Fall nach wie vor sehr gross. Deshalb erscheinen trotz der erheblich geringeren Drogenmenge die von der Staatsanwaltschaft beantragten 4 ½ Jahre Zuchthaus als angemessene Grundstrafe. 
 
Zu Gunsten des Beschwerdeführers kann einzig berücksichtigt werden, dass das Berufungsverfahren zu lange gedauert hat. Wäre mit der Vorinstanz nur von einer Verzögerung um wenige Monate auszugehen, käme nur eine geringe Reduktion der Grundstrafe in Betracht. Das Berufungsverfahren dauerte jedoch aus Gründen, die der Beschwerdeführer nicht zu verantworten hat, mehr als fünf Jahre. Dem ist durch die Reduktion der Grundstrafe um einen Drittel auf drei Jahre Zuchthaus Rechnung zu tragen. 
 
Damit erweist sich das angefochtene Strafmass im Ergebnis als gerechtfertigt, weshalb es dabei sein Bewenden haben kann und die Beschwerde abzuweisen ist. 
7. 
Angesichts der Mängel im angefochtenen Entscheid hatte der Beschwerdeführer hinreichend Veranlassung, das Rechtsmittel zu ergreifen. Es kann daher auf eine Kostenauflage verzichtet werden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 25. August 2003 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: