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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_310/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 25. November 2014  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Mösching. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Lienhard, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,  
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.  
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 21. Februar 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1970, Staatsangehöriger der Türkei, reiste Mitte 2006 illegal in die Schweiz ein und ersuchte erfolglos um Asyl. Am 4. September 2007 heiratete er die 1960 geborene und im Kanton Zürich niedergelassene Brasilianerin B.________. In der Folge wurde ihm eine Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich erteilt und zunächst einmal verlängert.  
 
A.b. Ab Anfang 2009 lebten die Ehegatten getrennt. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich verweigerte daher am 8. September 2009 die weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. A.________ erhob dagegen Rekurs an den Regierungsrat, worin er geltend machte, er lebe seit März 2009 wieder mit seiner Ehefrau zusammen. Im Rahmen des Rekursverfahrens ersuchte die Staatskanzlei die Sicherheitsdirektion, die ehelichen Verhältnisse mittels polizeilicher Ermittlungen zu überprüfen. Daraufhin hob die Sicherheitsdirektion ihre Verfügung vom 8. September 2009 auf und verlängerte am 28. Oktober 2010 die Aufenthaltsbewilligung zunächst bis 3. September 2011, anschliessend noch einmal bis 3. September 2012. Das Rekursverfahren wurde am 14. Dezember 2010 abgeschrieben.  
 
A.c. Am 11./12. Juni 2012 beantragte A.________ die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung bzw. die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Das Migrationsamt des Kantons Zürich wies am 8. Juli 2013 das Gesuch ab und setzte A.________ eine Frist zum Verlassen der Schweiz.  
 
B.  
 
 Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion vom 24. September 2013, Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2014). 
 
C.  
 
 A.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern, eventuell sei die Sache an die Vorinstanz oder an das Migrationsamt zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. 
Das Verwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Das Migrationsamt des Kantons Zürich reicht keine Stellungnahme ein. Das Bundesamt für Migration beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer beruft sich in vertretbarer Weise auf einen Aufenthaltsanspruch gemäss Art. 50 AuG (SR 142.20), weshalb die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 [e contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG); der Beschwerdeführer ist als Gesuchsteller, dessen Gesuch abgewiesen wurde, dazu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Das Bundesgericht prüft frei und von Amtes wegen die richtige Anwendung des Bundesrechts (Art. 95 lit. a und Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts als unzutreffend kann nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig (d.h. willkürlich) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert vorzubringen ist (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.), setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Zur Sachverhaltsfeststellung gehört auch die auf Indizien gestützte Beweiswürdigung (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 265 ff.; Urteile des Bundesgerichts 2C_678/2013 vom 28. April 2014 E. 3.3; 2C_1273/2012 vom 13. Juni 2013 E. 1.7. In Bezug auf Scheinehe: Urteile des Bundesgerichts 2C_389/2014 vom 19. Mai 2014 E. 2.1; 2C_217/2014 vom 20. März 2014 E. 2.1; 2C_244/2010 vom 15. November 2010 E. 3.3).  
 
2.  
 
2.1. Ausländische Ehegatten von Personen mit Niederlassungsbewilligung haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 43 Abs. 1 AuG). Nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft besteht dieser Anspruch weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration vorliegt oder wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 AuG). Die Ansprüche nach den Artikeln 43 und 50 erlöschen, wenn sie rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werden, namentlich um Vorschriften dieses Gesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen über die Zulassung und den Aufenthalt zu umgehen (Art. 51 Abs. 2 lit. a AuG).  
 
2.2. Die Vorinstanz hat nicht ausdrücklich festgestellt, ob der Beschwerdeführer noch mit seiner Ehefrau zusammenlebt und ob diese überhaupt noch über eine Niederlassungsbewilligung verfügt und sich in der Schweiz aufhält. Der Beschwerdeführer geht selber davon aus, dass die Ehegemeinschaft aufgelöst ist. Ein Bewilligungsanspruch nach Art. 43 Abs. 1 AuG besteht demnach nicht mehr. Er beruft sich jedoch auf einen Anspruch nach Art. 50 AuG: Er war unbestritten vom 4. September 2007 bis 3. September 2012 im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung. Die Dreijahresdauer (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG) wäre damit formell erfüllt.  
 
2.3. Die Vorinstanz hat jedoch eine Scheinehe angenommen. Sie hat sich dabei auf folgende Indizien gestützt: Heirat während des laufenden Asylverfahrens und nach kurzer Bekanntschaft von bloss zwei Monaten; Altersunterschied von rund 9 Jahren; Ehefrau im Zeitpunkt der Heirat in argen Geldnöten (Konkurseröffnung 2. Oktober 2007); wenig Gemeinsamkeiten und gegenseitige Kenntnisse der Ehegatten; kaum Verständigungsmöglichkeiten aufgrund geringer Deutschkenntnisse; widersprüchliche oder nicht spontane Angaben zu eheprägenden Ereignissen (Heiratsantrag, Hochzeitsdatum); polizeiliche Kontrollen, welche darauf hinwiesen, dass kein eheliches Zusammenleben stattgefunden hat und den Eindruck hinterliessen, dass die angebliche Familienwohnung als Absteige für Prostituierte diene. Die Vorinstanz ging davon aus, dass es aufgrund dieser Indizien dem Beschwerdeführer obliege, den Bestand einer Scheinehe zu widerlegen; er bringe jedoch nichts vor, was einen echten Ehewillen belegen würde. Ein Bewilligungsanspruch falle daher ausser Betracht.  
 
2.4. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass Indizien, die das Eingehen einer Scheinehe und damit das Erschleichen einer Aufenthaltsbewilligung belegen würden, bereits im Zeitpunkt der Eheschliessung vorliegen müssten. Nach Eheschluss auftauchende Indizien könnten keinen Eheunwillen im Zeitpunkt der Heirat belegen. Sodann habe das Amt für Migration am 28. Oktober 2010 die Aufenthaltsbewilligung wieder verlängert. Die meisten der von der Vorinstanz genannten Indizien würden den Zeitraum vor diesem Datum betreffen und könnten nicht mehr berücksichtigt werden. Aus der Zeit nach der Verlängerung datierten nur fünf polizeiliche Kontrollen, die aber nicht belegten, dass die Eheleute bereits im Zeitpunkt der Eheschliessung keinen Willen gehabt hätten, effektiv eine eheliche Gemeinschaft zu führen.  
 
2.4.1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann eine Umgehungsehe nicht nur vorliegen, wenn von Anfang an der Ehewille fehlt. Der Tatbestand von Art. 51 Abs. 2 lit. a AuG kann auch erfüllt sein, wenn ein anfänglich bestehender Ehewille im Laufe der Zeit erloschen ist, aber die Ehegatten in rechtsmissbräuchlicher Weise allein zur Umgehung der ausländerrechtlichen Vorschriften noch am formellen Bestand der Ehe festhalten (BGE 130 II 113 E 4.2 S. 117; 128 II 145 E. 2 und 3 S. 151 ff.; Urteil des Bundesgerichts 2C_177/2013 vom 6. Juni 2013 E. 3.2 und 4).  
 
2.4.2. Dem Beschwerdeführer ist auch nicht beizupflichten, wenn er aufgrund der Bewilligungsverlängerung vom 28. Oktober 2010 davon ausgeht, dass die aus einem früheren Zeitraum datierenden Indizien für die Beurteilung einer Scheinehe nicht mehr herangezogen werden dürfen. Vor allem wenn der Ausländer im Bewilligungsverfahren täuschende oder unvollständige Angaben gemacht hat, kann er sich nicht darauf berufen, dass die Erteilung der Bewilligung die spätere Annahme einer Scheinehe ausschliesse (Art. 51 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 62 lit. a AuG; Urteile des Bundesgerichts 2C_699/2013 vom 23. Mai 2014 E. 3.3 und 3.4; 2C_682/2012 vom 7. Februar 2013 E. 6.2). Aus dem Umstand, dass die Behörde zunächst - allenfalls trotz gewisser Zweifel - die Bewilligung verlängert oder erteilt hat, lässt sich nicht ableiten, damit sei bis zum Bewilligungsdatum das Vorliegen einer Scheinehe rechtskräftig verneint worden. Eine nachträgliche Prüfung bleibt weiterhin möglich. Geht es um den Widerruf einer bereits bestehenden (Niederlassungs) bewilligung, ist dazu erforderlich, dass neue Tatsachen vorliegen, die der Behörde im Zeitpunkt der Erteilung noch nicht bekannt waren (Urteile des Bundesgerichts 2C_999/2011 vom 11. Juli 2012 E. 3.2; 2C_911/2011 vom 3. Mai 2012 E. 4.2). Handelt es sich hingegen wie vorliegend um die Verlängerung einer abgelaufenen Bewilligung, so gelangen nicht die Regeln über den Widerruf rechtskräftiger Bewilligungen zur Anwendung, sondern die Behörde kann aufgrund einer Gesamtwürdigung - unter Einbezug bereits früher bekannter und zusätzlicher neuer Erkenntnisse - das Vorliegen einer Scheinehe bejahen (Urteil des Bundesgerichts 2C_500/2011 vom 20. Dezember 2011 E. 2.5; vgl. auch z.B. Urteile des Bundesgerichts 2D_4/2013 vom 19. September 2013; 2C_328/2013 vom 14. Oktober 2013; 2C_431/2010 vom 25. Juli 2011). Insbesondere müssen die Behörden das Vorliegen einer Scheinehe noch einmal eingehend prüfen, falls der Ausländer um eine Niederlassungsbewilligung nachsucht, auch wenn vorher die Aufenthaltsbewilligung jeweils trotz gewisser Verdachtsmomente verlängert worden ist (Urteil des Bundesgerichts 2C_250/2014 vom 3. April 2014 E. 4.3).  
 
2.5. Bereits im Vorfeld der Verfügung vom 8. September 2009 bestand ein Verdacht auf Scheinehe. Eine Abklärung erübrigte sich letztlich, weil die Behörde davon ausging, dass die Ehegemeinschaft per Anfang 2009 aufgehoben worden sei und die notwendige Dreijahresfrist somit ohnehin nicht erfüllt war. Nachdem der Beschwerdeführer in seinem Rekurs vorgebracht hatte, er lebe seit März 2009 wieder mit seiner Ehefrau zusammen, wurden im Rekursverfahren Nachforschungen wegen Verdachts auf Scheinehe getroffen. Gemäss Ermittlungsbericht der Stadtpolizei vom 31. August 2010 bestand der dringende Verdacht einer Scheinehe. Trotzdem verlängerte das Migrationsamt am 28. Oktober 2010 die Aufenthaltsbewilligung, nachdem es vom Beschwerdeführer weitere Unterlagen eingeholt hatte. Im Nachgang zu dem im Jahre 2012 gestellten erneuten Verlängerungsgesuch fanden zusätzliche Abklärungen statt, die schliesslich - zusammen mit den bereits früher bekannten Umständen - zur Verweigerung der Bewilligung führten. Dieses Vorgehen ist nach dem Gesagten (E. 2.4) nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es nicht unzulässig, wenn die Vorinstanz in ihre Gesamtwürdigung nebst den zusätzlichen neuen auch die früher bereits bekannten Aspekte einbezogen hat.  
 
2.6. In der Sache gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die vorinstanzlichen Sachverhaltsdarstellungen und Beweiswürdigungen rechtsgenüglich (E. 1.2) in Frage zu stellen bzw. deren Willkürlichkeit darzulegen. Es ist von diesen auszugehen, obschon das angefochtene Urteil nur knapp genügend begründet erscheint (vgl. Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Bei der vorliegenden Sachlage besteht kein Bewilligungsanspruch, selbst wenn der Beschwerdeführer normal integriert ist.  
 
3.  
 
 Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
 
 Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
 
 Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer    auferlegt. 
 
3.  
 
 Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. November 2014 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Mösching