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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_424/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 26. Januar 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Remo Wyss, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 14. April 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ war seit der Gründung der B.________ GmbH am 9. Dezember 2010 als deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift im Handelsregister eingetragen. Am 1. Juli 2013 unterzeichneten A.________ und C.________ eine "per sofort" in Kraft tretende Vereinbarung betreffend die Übergabe der Gesellschaft und der Geschäftsführung an Letzteren. Anlässlich der ausserordentlichen Gesellschafterversammlung vom 26. November 2013 wurden sämtliche Stammanteile der B.________ GmbH von A.________ an C.________ übertragen und die Änderung der Geschäftsführung beschlossen. Am 17. Dezember 2013 wurde C.________ als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift in das Handelsregister eingetragen. 
Nachdem am 11. August 2014 der Konkurs über die B.________ GmbH eröffnet und am 10. März 2015 mangels Aktiven eingestellt worden war, verlangte die Ausgleichskasse Schwyz, der die Gesellschaft als beitragspflichtige Arbeitgeberin angeschlossen war, von A.________ Schadenersatz in Höhe von Fr. 113'507.95 für unbezahlt gebliebene AHV-Beiträge betreffend die Jahre 2012 und 2013 (Verfügung vom 9. Juli 2015). Auf Einsprache hin reduzierte die Ausgleichskasse die Schadenersatzforderung auf Fr. 98'475.80 (Einspracheentscheid vom 26. November 2015). 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 14. April 2016 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei die Schadenersatzforderung auf die offenen Beiträge betreffend das Jahr 2012 zu beschränken und dementsprechend auf Fr. 48'900.85 zu reduzieren. 
 
Während die Ausgleichskasse Schwyz auf Abweisung der Beschwerde schliesst, beantragt A.________ in einer weiteren Eingabe sinngemäss eine Reduktion der Schadenersatzforderung betreffend das Jahr 2012 von Fr. 48'900.85 auf Fr. 32'600.55. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_101/2015 vom 30. November 2015 E. 1.1). Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (vgl. Urteil 9C_999/2010 vom 14. Februar 2011 E. 1). 
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Schadenersatzforderung der Ausgleichskasse in der Höhe von Fr. 98'475.80 geschützt hat. Die einzelnen Haftungsvoraussetzungen nach Art. 52 Abs. 1 (und Abs. 2 erster Satz) AHVG (Organschaft, Schaden, Widerrechtlichkeit [Missachtung von Vorschriften betreffend die Pflicht zur Abrechnung und Bezahlung der Beiträge], Verschulden und adäquater Kausalzusammenhang zwischen vorwerfbarem Verhalten und eingetretenem Schaden) und deren Konkretisierung durch die Rechtsprechung werden im angefochtenen Entscheid richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Insofern die Beschwerdeführerin (nach Ablauf der Beschwerdefrist) mit Stellungnahme vom 17. Oktober 2016 eine Reduktion der Schadenersatzforderung für die Beiträge betreffend das Jahr 2012 von Fr. 48'900.85 auf Fr. 32'600.55 beantragt, ist dies nicht zulässig. Das Bundesgericht ist an die Begehren der beschwerdeführenden Partei gebunden (Art. 107 Abs. 1 BGG).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat in Bestätigung des Einspracheentscheids vom 26. November 2015 erkannt, der Ausgleichskasse sei ein Schaden in Höhe von Fr. 98'475.80 (AHV-Beiträge für die Zeit von Januar 2012 bis Oktober 2013) entstanden, der durch die Beschwerdeführerin als für die fristgerechte Begleichung der - gemäss Art. 34 Abs. 1 lit. a AHVV monatlich zu entrichtenden - Sozialversicherungsbeiträge verantwortliches (einziges) Organ der Unternehmung schuldhaft verursacht worden sei.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin wendet ein, sie sei lediglich bis Ende Juni 2013 Geschäftsführerin der B.________ GmbH gewesen. Danach habe C.________ die Geschäftsführung (vorerst faktisch) übernommen. Dies gehe aus der Vereinbarung vom 1. Juli 2013 klar hervor. Für die Verfehlungen des neuen Geschäftsführers, welcher insbesondere im Jahre 2013 zu hohe Löhne entrichtet und dadurch die AHV-Beiträge nicht mehr habe bezahlen können, müsse sie nicht einstehen. Die Schadenersatzforderung sei deshalb auf die offenen Beiträge betreffend das Jahr 2012 zu reduzieren. Die Vorinstanz habe die Beweise einseitig gewürdigt, indem sie sich einzig auf das Protokoll der ausserordentlichen Gesellschafterversammlung vom 26. November 2013 gestützt und der Vereinbarung vom 1. Juli 2013 nicht Rechnung getragen habe. Damit habe das kantonale Gericht das rechtliche Gehör verletzt und den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt. Der angefochtene Entscheid setze sich des Weiteren nicht mit dem Einwand auseinander, aufgrund der faktischen Geschäftsführung durch C.________ sei von einem schweren Drittverschulden und von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs auszugehen.  
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz hat nach Würdigung sämtlicher Akten dargelegt, weshalb sie ein faktisches Ausscheiden der Beschwerdeführerin aus der Geschäftsleitung bereits per Ende Juni 2013 als nicht klar ausgewiesen erachte (zur Praxis, wonach für den Nachweis eines solchen Ausscheidens bei unverändert belassenem Handelsregistereintrag ein höherer Beweisgrad als eine überwiegende Wahrscheinlichkeit verlangt ist [das Ausscheiden muss "klar ausgewiesen" sein], vgl. Urteil 9C_109/2010 vom 28. April 2010 E. 3.3 mit Hinweis auf BGE 126 V 61 E. 4b S. 62). Dabei hat das kantonale Gericht - entgegen den Einwänden in der Beschwerde - auch die Vereinbarung vom 1. Juli 2013 in ihre Beweiswürdigung miteinbezogen und diese explizit als Indiz für ein vorzeitiges faktisches Ausscheiden bezeichnet. Im Ergebnis erachtete sie ein Ausscheiden indessen als nicht klar ausgewiesen, weil sich dem Protokoll vom 26. November 2013 gerade nicht entnehmen lasse, dass Stammanteile der B.________ GmbH bereits zuvor übertragen worden wären und/oder die Beschwerdeführerin bereits faktisch oder rechtlich aus der Gesellschaft ausgetreten sei. Im Gegenteil würden diese Rechtsvorgänge im Protokoll zeitlich explizit auf den Tag der Versammlung bezogen. Gegen ein vorzeitiges faktisches Ausscheiden spreche auch, dass sich die Beschwerdeführerin im Anschluss an die Vereinbarung vom 1. Juli 2013 nicht um Löschung des Handelsregistereintrags bemüht habe, obwohl sie dazu berechtigt gewesen wäre. Inwiefern diese - für das Bundesgericht grundsätzlich verbindliche (vgl. E. 1 hievor) - vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung offensichtlich unrichtig oder sonstwie rechtsfehlerhaft sein soll, ist weder ersichtlich noch in der Beschwerde substanziiert dargetan. Insbesondere fehlen in den Akten jegliche Hinweise auf tatsächliche Handlungen, welche C.________ bereits im Zeitraum vor der ausserordentlichen Gesellschafterversammlung vom 26. November 2013 als faktischer Geschäftsführer getätigt haben soll. Solche Handlungen werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Ein Blick in das Protokoll vom 26. November 2013 zeigt zudem auf, dass nicht C.________, sondern die Beschwerdeführerin - explizit als Geschäftsführerin bezeichnet - die Gesellschafterversammlung eröffnet und eigenständig deren Vorsitz übernommen hat.  
 
4.2. Bei diesem Ergebnis erübrigen sich Weiterungen zum Einwand, die faktische Geschäftsführung durch C.________ habe den erforderlichen Kausalzusammenhang unterbrochen. Dasselbe gilt in Bezug auf die Rüge, der eingetretene Schaden gründe auf einem schweren Drittverschulden.  
 
4.3. Die übrigen Voraussetzungen der subsidiären Haftung als Arbeitgeberorgan nach Art. 52 Abs. 1 AHVG werden nicht bestritten. Es besteht kein Anlass für eine nähere Prüfung von Amtes wegen (BGE 125 V 413 E. 1b und 2c S. 415 ff.). Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 26. Januar 2017 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner