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[AZA 7] 
I 246/00 Gi 
 
III. Kammer 
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Urteil vom 26. April 2001 
 
in Sachen 
G.________, 1940, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Meier, Langstrasse 4, Zürich, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- G.________ (geboren 1940) war seit 1972 als selbstständiger Werbegrafiker tätig. 1991 gab er sein Geschäft aus gesundheitlichen Gründen auf. Er wurde von verschiedenen Ärzten untersucht, welche jedoch weder eine Diagnose stellen noch Arbeitsunfähigkeit attestieren konnten. 
Mit Anmeldung vom 20. November 1996 ersuchte er um eine Rente der Invalidenversicherung. Die IV-Stelle des Kantons Zürich teilte ihm mit Vorbescheid vom 20. Mai 1997 mit, dass keine Invalidität im Sinne des Gesetzes vorliege und sie sein Leistungsbegehren ablehnen werde. Auf Grund der Einwendungen von G.________ holte die IV-Stelle weitere Arztberichte ein. Gestützt darauf sowie auf Berichte der Berufsberatung vom 2. Februar und 11. März 1998 stellte die IV-Stelle fest, dass er ab 1. Januar 1992 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente habe, und sprach ihm diese infolge verspäteter Geltendmachung mit Wirkung ab 1. November 1995 zu (Verfügung vom 21. Juli 1998). 
 
B.- G.________ liess hiegegen Beschwerde erheben mit den Anträgen, es sei die Verfügung vom 21. Juli 1998 aufzuheben und ihm eine ganze Invalidenrente ab 1. Januar 1992 zuzusprechen. Zudem ersuchte er um unentgeltliche Verbeiständung. 
Mit Entscheid vom 8. März 2000 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich seine Beschwerde ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt G.________ die vorinstanzlichen Begehren erneuern. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Nach Art. 48 Abs. 2 IVG werden Leistungen lediglich für die zwölf der Anmeldung vorangegangenen Monate ausgerichtet, wenn sich ein Versicherter mehr als zwölf Monate nach Entstehung des Anspruchs anmeldet. Weitergehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innerhalb von zwölf Monaten seit Kenntnisnahme vornimmt. Unter dem anspruchsbegründenden Sachverhalt ist in Anlehnung an Art. 4 und 5 IVG der körperliche oder geistige Gesundheitsschaden zu verstehen, der eine voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit verursacht oder der den nichterwerbstätigen Versicherten in seinem bisherigen Aufgabenbereich beeinträchtigt. 
Mit der Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhaltes ist nicht das subjektive Einsichtsvermögen des Versicherten gemeint, sondern es geht nach dem Wortlaut von Art. 48 Abs. 2 Satz 2 IVG vielmehr darum, ob der anspruchsbegründende Sachverhalt objektiv feststellbar ist oder nicht. Eine weitergehende Nachzahlung im Sinne von Art. 48 Abs. 2 Satz 2 IVG muss aber auch dann gewährt werden, wenn der Versicherte wegen höherer Gewalt zu handeln objektiv verhindert ist und innerhalb angemessener Frist nach Wegfall des Hindernisses die Anmeldung vornimmt. Die Nachzahlung kann aber - wenn sie über die zwölf Monate hinaus zu gewähren ist - auf jeden Fall nach Art. 48 Abs. 1 IVG nur vom Monat der Anmeldung an auf fünf Jahre zurück erfolgen. 
Einem Nachzahlungsanspruch des Versicherten für mehr als zwölf Monate vor der Anmeldung steht der Umstand nicht entgegen, dass die in Art. 66 IVV genannten Drittpersonen bereits in einem früheren Zeitpunkt den leistungsbegründenden Sachverhalt gekannt haben (ZAK 1984 S. 404 Erw. 1 mit Hinweisen). 
 
2.- Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf eine ganze Invalidenrente ab 1. Januar 1992 hat. 
Streitig ist jedoch die Nachzahlung der Rente. 
 
a) Entgegen den rechtlichen Ausführungen der Vorinstanz kommt eine weitergehende Nachzahlung nach Art. 48 Abs. 2 Satz 2 IVG nicht nur in Frage, wenn der Versicherte wegen höherer Gewalt objektiv verhindert ist zu handeln, sondern auch wenn der anspruchsbegründende Sachverhalt objektiv nicht feststellbar war (oben Erw. 1). Objektive Feststellbarkeit bedingt, dass die Ärzte in der Lage sein müssen, die geklagten Beschwerden zu objektivieren und ihnen Krankheitswert zuzumessen. Denn erst mit Kenntnis eines Leidens, welches einen geistigen oder körperlichen Gesundheitsschaden im Sinne von Art. 4 IVG darstellen kann, ist der anspruchsbegründende Sachverhalt bekannt (vgl. hiezu BGE 120 V 94 Erw. 4b mit Hinweisen). 
 
b) Seit 1992 wurde der Beschwerdeführer von Spezialisten der verschiedensten Fachgebiete untersucht, welche jedoch seine Beschwerden nicht objektivieren konnten und ihm auch keine Arbeitsunfähigkeit bescheinigten (vgl. Schreiben Dr. med. T.________, Facharzt für Innere Medizin, vom 10. Februar 1998). Obwohl 1995 eine arterielle Durchblutungsstörung sowie eine chronische Bursitis olecrani rechts festgestellt wurde, kamen sowohl die neurologischen (Bericht des Dr. med. B.________, Facharzt für Neurologie, vom 23. Mai 1995) als auch die internistischen (vgl. Bericht des Dr. med. T.________, vom 26. Juli 1995) wie auch die rheumatologischen (Berichte des Dr. med. R.________, Facharzt für physikalische Medizin und Rehabilitation, speziell Rheumaerkrankungen, vom 11. August und 10. November 1995 und des PD Dr. med. S.________, vom 7. November 1995) und die angiologischen Untersuchungen (Bericht des Dr. med. 
 
 
F.________, Facharzt für Innere Medizin, speziell Angiologie, vom 25. August 1995) zu keinem Befund, welcher die geklagten Beschwerden (Schwäche in den Oberschenkeln, Oberarmen und den Händen, Hautveränderungen mit Juckreiz, Schwellungen und Schmerzen) zu erklären vermochte. Erst im Jahre 1996 konnten die Ärzte eine Diagnose stellen, welche die Beschwerden des Versicherten objektivierten, Leiden bestätigen, die im Jahr zuvor noch ausgeschlossen wurden (z.B. 
Claudicatio intermittens), sowie eine entsprechende Behandlung aufnehmen (Berichte des Dr. med. R.________ vom 10. Mai 1996, des Prof. Dr. med. O.________, Facharzt für Dermatologie, vom 20. Juni 1996, der Dres. med. X.________ und Y.________, Departement für Innere Medizin, Abteilung Angiologie, vom 3. Juli 1996 und des Dr. med. C.________, Facharzt für Innere Medizin, speziell Endokrinologie, vom 18. Juli 1996). 
 
 
 
c) Nach dem Gesagten war der Gesundheitsschaden erst 1996 objektiv feststellbar. Die Anmeldung vom 20. November 1996 erfolgte somit innerhalb von 12 Monaten seit Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts. Der Versicherte hat demnach Anspruch auf weitergehende Nachzahlung, d.h. auf eine ganze Invalidenrente mit Wirkung ab 1. Januar 1992. 
 
3.- Dem Ausgang des letztinstanzlichen Verfahrens entsprechend steht dem Versicherten eine Parteientschädigung zu (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 1 OG); damit erweist sich sein Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung als gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden 
der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des 
Kantons Zürich vom 8. März 2000 und die Verfügung der 
IV-Stelle des Kantons Zürich vom 21. Juli 1998 insoweit 
aufgehoben, als der Rentenbeginn auf den 1. November 
1995 festgesetzt wurde, und es wird festgestellt, 
dass der Beschwerdeführer mit Wirkung ab 
1. Januar 1992 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente 
hat. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
 
 
Fr. 2'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV.Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Parteientschädigung anstelle der unentgeltlichen Verbeiständung für das vorinstanzliche Verfahren 
 
 
zu befinden haben. 
 
V.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht 
des Kantons Zürich und dem Bundesamt für 
Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 26. April 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: