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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4P.74/2004 /lma 
 
Urteil vom 26. April 2004 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichter Favre, Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiberin Charif Feller. 
 
Parteien 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat 
Dr. Nicolas Roulet, 
 
gegen 
 
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. 
 
Gegenstand 
Art. 29 Abs. 3 BV (Zivilprozess; unentgeltliche Rechtspflege), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 16. Februar 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 16. Januar 2003 wurde A.________ (Beschwerdeführer) an seinem Arbeitsort verhaftet, nachdem gegen ihn ein Strafverfahren wegen Körperverletzung und Morddrohung eröffnet worden war. Er wurde bis am 28. Januar 2003 in Untersuchungshaft genommen. Am 21. Januar 2003 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Beschwerdeführer ordentlich per 31. März 2003 und stellte ihn per sofort frei. 
 
Daraufhin reichte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer beim Gewerblichen Schiedsgericht Basel-Stadt gegen seine Arbeitgeberin Klage ein auf Zahlung von Fr. 18'000.-- nebst Zins wegen missbräuchlicher Kündigung. Am 11. August 2003 wies das Gewerbliche Schiedsgericht die Klage ab und bewilligte die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
Hiegegen erhob der weiterhin anwaltlich vertretene Beschwerdeführer Beschwerde beim Appellationsgericht Basel-Stadt und erneuerte seine Rechtsbegehren. Ferner beantragte er für das Verfahren vor dem Appellationsgericht die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung. Mit Urteil vom 13. Februar 2004 wies das Appellationsgericht die Beschwerde ab. Mit Verfügung vom 16. Februar 2004 wies der Appellationsgerichtspräsident das Kostenerlassgesuch wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde ab. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 18. März 2004 beantragt der Beschwerdeführer, es sei die Verfügung vom 16. Februar 2004 aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht er um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung im Verfahren vor Bundesgericht. Der Appellationsgerichtspräsident lässt sich in abweisendem Sinn vernehmen. 
C. 
Das einzig mit der Befürchtung, es könne ein Kostenvorschuss verlangt werden, begründete Gesuch, der staatsrechtlichen Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen, ist gegenstandslos, nachdem das Appellationsgericht in seinem Urteil vom 13. Februar 2004 festgestellt hat, dass das Verfahren kostenlos ist (Art. 343 Abs. 3 OR). 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Entscheide, mit denen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abgewiesen wurde, gelten als Zwischenentscheide, die den Hauptprozess nicht abschliessen (BGE 111 Ia 276 E. 2b). Gegen solche Zwischenentscheide ist nach Art. 87 Abs. 2 OG die staatsrechtliche Beschwerde zulässig, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können. Zwischenentscheide, mit denen die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung verweigert wird, haben in der Regel einen solchen Nachteil zur Folge (BGE 129 I 129 E. 1.1; 126 I 207 E. 2a). Vorliegend begründet der Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil damit, dass ihm in der angefochtenen Verfügung die Übernahme der Verfahrenskosten in Aussicht gestellt worden sei. Damit übersieht er, dass das in Frage stehende Verfahren gemäss Art. 343 Abs. 3 OR kostenlos ist, es somit einzig um die unentgeltliche Verbeiständung geht. Der Umstand, dass eine Partei ihre Interessen ohne den Beistand eines Rechtsvertreters wahrnehmen muss, kann einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 87 Abs. 2 OG bewirken. 
 
In casu wurde über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung erst nach Fällung des Endurteils entschieden. Die anwaltliche Vertretung vor Appellationsgericht hat also bereits stattgefunden, und es geht nur noch um die Frage, ob das Honorar des Vertreters vom Staat zu bezahlen ist oder nicht. Bei einer solchen Konstellation, bei der über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung erst im Nachgang zum Endentscheid befunden wird, stellt sich die Frage, ob der Nachteil auch noch durch die Anfechtung des später erfolgenden Endentscheids behoben werden kann, nicht. Die erst nach dem Endentscheid getroffene, selbständig eröffnete Verfügung betreffend Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung kann separat (und muss nicht zusammen mit dem Endentscheid) angefochten werden. Da die angefochtene Verfügung des Appellationsgerichtspräsidenten vom 16. Februar 2004 zudem letztinstanzlich ist, unterliegt sie grundsätzlich der staatsrechtlichen Beschwerde. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. 
2. 
2.1 Der Anspruch einer Prozesspartei auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in erster Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon besteht ein solcher Anspruch unmittelbar aufgrund von Art. 29 Abs. 3 BV. Der Beschwerdeführer beruft sich ausschliesslich auf diese Verfassungsbestimmung und macht nicht geltend, das kantonale Recht gewähre einen darüber hinausgehenden Anspruch. 
 
Der verfassungsrechtliche Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 29 Abs. 3 BV setzt neben der Bedürftigkeit der gesuchstellenden Partei kumulativ voraus, dass die Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheinen. Aussichtslos in diesem Sinn sind nach konstanter Rechtsprechung Begehren, für welche die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (BGE 129 I 129 E. 2.3.1). Die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist ausserdem an die Voraussetzung geknüpft, dass dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV). 
 
Ob der durch Art. 29 Abs. 3 BV garantierte Anspruch verletzt wurde, überprüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht frei; soweit es um tatsächliche Feststellungen der kantonalen Instanz geht, ist seine Prüfungsbefugnis auf Willkür beschränkt (BGE 129 I 129 E. 2.1 mit Hinweisen). Dabei ist Rechtsfrage, welche Umstände bei der Beurteilung der Prozessaussichten in Betracht fallen und ob sie für oder gegen eine hinreichende Erfolgsaussicht sprechen, Tatfrage hingegen, ob und wieweit einzelne Tatumstände erstellt sind (BGE 124 I 304 E. 2c S. 307). 
2.2 Der Appellationsgerichtspräsident beurteilte die Begehren des Beschwerdeführers im Hauptprozess als aussichtslos. Zur Begründung erwog er, der Beschwerdeführer räume zwar ein, dass eine ordentliche Kündigung ausgesprochen worden sei, argumentiere aber gleichwohl, als ob eine fristlose Entlassung zu rechtfertigen wäre. Die ordentliche Kündigung, die mit einer 12-tägigen Untersuchungshaft und dem dringenden Verdacht auf massive häusliche Gewalt begründet worden sei, als missbräuchlich zu bezeichnen, erscheine, jedenfalls unter den gegebenen Umständen, als abwegig. 
 
Das Gewerbliche Schiedsgericht verneinte die Missbräuchlichkeit der Kündigung. Es liess die Frage offen, ob Gewalttätigkeit eine persönliche Eigenschaft im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR darstelle, da nach dieser Norm eine Kündigung wegen persönlicher Eigenschaften nur dann missbräuchlich sei, wenn sie nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehe oder nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Betriebes führe. Es begründete die Gültigkeit der Kündigung damit, dass der Beschwerdeführer am Arbeitsort angehalten und in Untersuchungshaft genommen worden ist, wodurch die Vertrauensbasis des Arbeitsverhältnisses nachhaltig zerstört worden sei. Die Arbeitgeberin habe sich ausser Stande gesehen, dem Beschwerdeführer weiterhin die verantwortungsvolle Position im technischen Dienst mit Zugang zu allen Räumlichkeiten anzuvertrauen. Die Verhaftung am Arbeitsort und die anschliessende 12-tägige Untersuchungshaft hätten den Beschwerdeführer an der Arbeitsleistung gehindert und stünden damit im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Die Verhaftung sei wegen Körperverletzung und Morddrohung zum Nachteil der Ehefrau des Beschwerdeführers erfolgt, ein Umstand, der mit Blick auf das vorwiegend weibliche Personal am Arbeitsort nicht ohne Auswirkung auf das Vertrauensverhältnis bleiben könne. In diesem Zusammenhang sei die Beziehung des Beschwerdeführers insbesondere zur weiblichen Vorgesetzen entscheidend, weshalb auf eine Anhörung der Mitarbeiterinnen verzichtet werden könne. Gemäss der Rechtsprechung komme das Prinzip der Unschuldsvermutung bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht zur Anwendung, da es grundsätzlich keine Drittwirkung entfalte. 
 
Der Appellationsgerichtspräsident durfte für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Begehren des Beschwerdeführers diese Begründung des erstinstanzlichen Urteils sowie die dagegen erhobenen Rügen in Betracht ziehen, ohne dabei eine umfassende Prüfung der Angelegenheit vornehmen oder gar ausdrücklich zu sämtlichen Streitpunkten Stellung nehmen zu müssen. Seine Beurteilung der Erfolgsaussichten ist, bei der gebotenen summarischen Prüfung, weder in tatsächlicher Hinsicht willkürlich noch rechtlich (vgl. insbesondere Urteil 4C.258/1991 vom 13. Januar 1992, publ. in JAR 1995 S. 151 f. und in SJ 1993 S. 357) zu beanstanden. 
2.3 Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im zweitinstanzlichen Verfahren hätte gutgeheissen werden müssen, weil das entsprechende Gesuch bereits vor erster Instanz bewilligt worden sei. Dem kann nicht zugestimmt werden. Aus der Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung im erstinstanzlichen Verfahren folgt nicht eo ipso ein entsprechender Anspruch für allfällig nachfolgende Rechtsmittelverfahren. Art. 29 Abs. 3 BV enthält keinen solchen Anspruch. Vielmehr sind die dort aufgestellten Voraussetzungen von der Rechtsmittelinstanz neu zu prüfen. Dabei kann die Beurteilung der Erfolgsaussichten der gestellten Begehren anders ausfallen als im erstinstanzlichen Verfahren, zumal in den Rechtsmittelverfahren spezielle Prozessvorschriften gelten, mitunter namentlich eine eingeschränkte Kognition oder eine Rügepflicht. Ohnehin ist die Rechtsmittelinstanz nicht an die Beurteilung der Erfolgsaussichten durch den erstinstanzlichen Richter gebunden. 
2.4 Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wurde zu Recht abgewiesen. Eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV ist nicht dargetan. Die staatsrechtliche Beschwerde ist abzuweisen. 
3. 
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren. Das Bundesgericht gewährt einer bedürftigen Partei, deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, auf Antrag Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskosten sowie von der Sicherstellung der Parteientschädigung. Nötigenfalls kann ihr ein Rechtsanwalt beigegeben werden (Art. 152 Abs. 1 und 2 OG). Die Voraussetzungen zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nach dieser Bestimmung entsprechen insoweit denjenigen, welche Art. 29 Abs. 3 BV vorsieht. 
 
Vorliegend fällt die unentgeltliche Rechtspflege nur bezüglich der Anwaltskosten in Betracht, nachdem das Verfahren in Bezug auf die Gerichtskosten nach Art. 343 Abs. 2 und 3 OR kostenlos ist. Die Kostenlosigkeit des Verfahrens nach Art. 343 Abs. 3 OR gilt auch in Streitigkeiten über prozessuale Nebenpunkte (BGE 104 II 222). Das Bundesgericht erhebt im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde betreffend Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten im Sinn von Art. 343 OR keine Kosten. Somit ist einzig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung erfüllt sind. 
 
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde aussichtslos ist. Da es bereits an der Erfolgsaussicht mangelt, erübrigt sich die Prüfung der weiteren Voraussetzungen. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung im Verfahren vor Bundesgericht ist abzuweisen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 26. April 2004 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: