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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
H 367/01 
 
Urteil vom 26. August 2002 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke 
 
Parteien 
N.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Ubald Bisegger, Mellingerstrasse 6, 5402 Baden, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 25. September 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
N.________ war seit Juli 1992 einziges Verwaltungsratsmitglied mit Einzelunterschrift der Firma M.________ (vormals, bis August 1992: Firma D.________), welche seit 1. Juli 1977 bei der Ausgleichskasse des Kantons Aargau (nachfolgend: Ausgleichskasse) als beitragspflichtiges Mitglied angeschlossen war. Am 11. Februar 1993 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet und am 13. Dezember 1993 der Kollokationsplan zur Einsicht aufgelegt. Mit Verfügung vom 5. Januar 1994 verpflichtete die Ausgleichskasse N.________ zur Bezahlung von Schadenersatz gemäss Art. 52 AHVG für entgangene Sozialversicherungsbeiträge (einschliesslich Verwaltungskostenbeiträge, Verzugszinsen, Mahngebühren und Betreibungskosten) im Betrag von Fr. 28'779.05. 
B. 
Die auf Einspruch von N.________ hin von der Ausgleichskasse gegen diesen eingereichte Klage hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 25. September 2001 teilweise gut und verpflichtete N.________ zur Bezahlung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 24'444.05, wobei sie vom eingeklagten Betrag die FAK-Beiträge in der Höhe von Fr. 4'335.- in Abzug brachte. 
C. 
N.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Schadenersatzklage abzuweisen. 
 
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
1.2 Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglichkeit, im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht neue tatsächliche Behauptungen aufzustellen oder neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Beweismittel zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinweisen). Zwar ist der Verwaltungsprozess vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht, wonach Verwaltung und Gericht von sich aus für die richtige und vollständige Abklärung des Sachverhalts zu sorgen haben; doch entbindet das die Rechtsuchenden nicht davon, selber die Beanstandungen vorzubringen, die sie anzubringen haben (Rügepflicht), und ihrerseits zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen (Mitwirkungspflicht). Unzulässig und mit der weit gehenden Bindung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 OG unvereinbar ist es darum, neue tatsächliche Behauptungen und neue Beweismittel erst im letztinstanzlichen Verfahren vorzubringen, obwohl sie schon im kantonalen Beschwerdeverfahren hätten geltend gemacht werden können und - in Beachtung der Mitwirkungspflicht - hätten geltend gemacht werden müssen. Solche (verspätete) Vorbringen sind nicht geeignet, die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als mangelhaft im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG erscheinen zu lassen (BGE 121 II 100 Erw. 1c, AHI 1994 S. 211 Erw. 2b mit Hinweisen). 
2. 
Die Vorinstanz hat die massgebenden Normen (Art. 52 AHVG, Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) und die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Arbeitgeberorganhaftung, insbesondere zum Begriff der Grobfahrlässigkeit (siehe auch BGE 112 V 159 Erw. 4; ZAK 1988 S. 599 Erw. 5a), zur subsidiären Haftbarkeit der Organe (BGE 123 V 15 Erw. 5b), zur Haftungsvoraussetzung des qualifizierten Verschuldens (BGE 108 V 186 Erw. 1b, 193 Erw. 2b) sowie zum dabei zu berücksichtigenden - differenzierten - Sorgfaltsmassstab (BGE 108 V 202 Erw. 3a; vgl. auch Thomas Nussbaumer, Die Haftung des Verwaltungsrates nach Art. 52 AHVG, in: AJP 9/96, S. 1081) zutreffend wiedergegeben. Richtig sind auch die Erwägungen zum Eintritt des Schadens und zum Zeitpunkt der Kenntnis des Schadens (BGE 119 V 92 Erw. 3). Darauf wird verwiesen. 
3. 
Wie das kantonale Gericht verbindlich festgestellt hat (vgl. Erw. 1a hievor), setzt sich die Schadenersatzforderung aus den beiden offenen Rechnungen vom November 1992 (Pauschalbeiträge für die Monate September bis November 1992) in der Höhe von Fr. 19'146.05 und vom Dezember (Pauschalbeitrag Dezember) über Fr. 9'633.- zusammen. Die konkursite Firma entrichtete die monatlichen Pauschalbeiträge von September bis Dezember 1992 nicht mehr. Zudem blieb die Schlussrechnung 1992 vom 18. Februar 1993 über Fr. 17'579.95 unbezahlt, welche von der Ausgleichskasse indes nicht in ihre Schadenersatzforderung gegenüber dem Beschwerdeführer einbezogen wurde, da diese Beiträge erst nach Konkurseröffnung fällig geworden seien. Damit verstiess die Gesellschaft gegen die - in masslicher Hinsicht unbestrittene - Beitragszahlungs- und Abrechnungspflicht und missachtete Vorschriften im Sinne von Art. 52 AHVG. Dieses Verschulden der Arbeitgeberin hat das kantonale Gericht zu Recht dem Beschwerdeführer als einzigem Verwaltungsrat als grobfahrlässiges Verhalten angerechnet. So ist insbesondere zutreffend, dass ein Verwaltungsratsmitglied mit der Mandatsübernahme in die Verantwortung sowohl für die laufenden als auch für die verfallenen, vor seiner Verwaltungsratstätigkeit entstandenen Beitragsschulden tritt und vorliegend die fraglichen Beitragsausstände aus der Zeit stammen, da er bereits alleiniger Verwaltungsrat war. 
4. 
Was der Beschwerdeführer in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorbringt, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. 
4.1 Soweit er zunächst geltend macht, er habe die offenen, geschuldeten Sozialleistungen gar nicht gekannt, da diese erst mit der Jahresrechnung am 18. Februar 1993 bekannt geworden seien und es überdies immer noch die Sozialversicherungsanstalt sei, welche die Berechnungen anstellen müsse und nicht der Verwaltungsrat, so ist er einerseits darauf hinzuweisen, dass weder Abrechnungspflicht, Beitragsschuld noch Fälligkeit von der Zustellung einer Rechnung, einer Veranlagungs- oder Nachzahlungsverfügung seitens der Ausgleichskasse abhängig sind. Vielmehr entstehen die Beitragsforderungen ex lege im Zeitpunkt der Lohnzahlung (Art. 14 und Art. 51 AHVG; BGE 110 V 227 Erw. 3a) und werden mit dem Ablauf der Zahlungsperiode fällig (Art. 34 Abs. 4 AHVV). Andererseits trug der Beschwerdeführer als einziger Verwaltungsrat die alleinige Verantwortung für die Ausgestaltung des Rechnungswesens sowie der Finanzkontrolle (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 3 OR). Es wäre daher seine Pflicht gewesen, zur Erfüllung der Abrechnungspflicht der Gesellschaft als Arbeitgeberin die entsprechenden Massnahmen für eine ordnungsgemässe Bezahlung der Beiträge in die Wege zu leiten. Er kann deshalb auch nicht vorbringen, die Ausgleichskasse habe ihn nie konkret aufgefordert, Rückstellungen zu tätigen, da er bereits auf Grund der Beitragsabrechnungs- und -zahlungspflicht dazu gehalten war. 
4.2 Soweit er weiter moniert, dass die Ausgleichskasse die Jahresabrechnung erst nach Konkurseröffnung erstellen konnte, ist er mit der Beschwerdegegnerin darauf hinzuweisen, dass der Betrag dieser Schlussabrechnung in der ihm gegenüber geltend gemachten Schadenersatzforderung gar nicht enthalten ist. 
4.3 Sodann kann er nichts zu seinen Gunsten daraus ableiten, dass er gemäss der mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereichten Rechnung für Arbeitsleistungen vom 9. März 1993 auf ein Honorar von rund Fr. 42'900.- gegenüber der Gesellschaft verzichtet hat. Abgesehen davon, dass die Rechnung bereits im kantonalen Verfahren hätte eingebracht werden können und deshalb als unzulässiges Novum (vgl. Erw. 1.2 hievor) nicht zu berücksichtigen ist, genügt der Verzicht auf eigene Forderungen oder die Investierung privater Mittel nicht für eine Befreiung von der Schadenersatzpflicht (nicht publizierte Erw. 2c des auszugsweise in Pra 1997 Nr. 48 S. 250 veröffentlichten Urteils A. vom 18. Dezember 1996, H 290/95; Urteil W. vom 13. Dezember 2000, H 124/00), zumal bei der Verschuldensfrage nicht entscheidend ist, was der Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung des Betriebes und der Vermeidung eines Konkurses unternommen hat, sondern ob sie der Pflicht, für eine ordnungsgemässe Abrechnung und Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge zu sorgen, nachgekommen sind. 
4.4 Im Weiteren legt der Beschwerdefürer eine Anklageschrift gegen G.________, den ehemaligen Verwaltungsrat, ins Recht. Diese ist zwar zu berücksichtigen, da demjenigen, der bereits im kantonalen Verfahren einen bestimmten Sachverhalt behauptet hat, nicht das Novenverbot gemäss Art. 105 Abs. 2 OG entgegengehalten werden kann, wenn er im letztinstanzlichen Verfahren zu eben diesem Punkt nähere (präzisierende) Ausführungen macht, (Erw. 2d des nicht veröffentlichten Urteils R. AG vom 30. Juni 1997, H 259/95). Der Beschwerdeführer hat bereits in seinem Einspruch vorgebracht, dass gegen G.________ ein Strafverfahren laufe; auch war die Anklageschrift bis zum Abschluss des vorinstanzlichen Schriftenwechsels nicht erhältlich. Allein daraus, dass sein Vorgänger im Verwaltungsrat strafrechtlich verfolgt wird, kann der Beschwerdeführer indes nichts zu seinen Gunsten ableiten. Vielmehr müsste er darlegen, dass er vom Betreffenden absichtlich getäuscht wurde (Urteil F. vom 25. Juli 2000, H 319/99). Solches macht er indes nicht geltend, zumal G.________ der Vorgänger des Beschwerdeführers war und, anders als im zitierten Urteil, nicht direkt mit ihm zusammenarbeitete. 
4.5 Unter den gegebenen Umständen und unter Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer nicht darlegt, was von den genannten Bankangestellten in Bezug auf sein Verschulden bezeugt werden kann, ist es schliesslich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz von diesen Zeugeneinvernahmen abgesehen hat, da eine solche Einvernahme an der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers nichts geändert hätte. Vielmehr war eine solche antizipierte Beweiswürdigung zulässig und verstösst nicht gegen die Verfassung (BGE 124 V 94 Erw. 4b; Urteile O. vom 9. Juni 2000, H 369/99, und A. vom 20. Juni 2001, H 90/00). 
5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend gehen die Kosten zu Lasten des Beschwerdeführers (Art. 134 OG e contrario; Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von total Fr. 1'800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 26. August 2002 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: