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[AZA 7] 
C 118/01 Gb 
 
IV. Kammer 
 
Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger und Bundesrichter 
Kernen; Gerichtsschreiber Renggli 
 
Urteil vom 26. November 2001 
 
in Sachen 
G.________, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Abteilung Arbeitslosenkasse, Zürcherstrasse 285, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegner, 
 
und 
Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, Eschlikon 
 
A.- G.________, geboren 1968, ist verheiratet und Mutter von zwei 1994 und 1995 geborenen Kindern. Am 9. Juni 1998 stellte sie einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 1. Juni 1998. Sie gab an, eine Vollzeitstelle zu suchen und in den letzten zwei Jahren wegen Kindererziehung nicht erwerbstätig gewesen zu sein. Sie sei aus finanziellen Gründen gezwungen, eine Arbeit aufzunehmen und könne dies mit der Betreuungspflicht gegenüber ihren Kindern vereinbaren. 
Mit Verfügung vom 28. Juli 1998 lehnte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau, Abteilung Arbeitslosenkasse (nachfolgend: Arbeitslosenkasse), den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab, weil G.________ während der Rahmenfrist für die Beitragszeit keine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe, während die Anrechnung der Erziehungszeit mangels Vorliegens einer wirtschaftlichen Zwangslage nicht möglich sei. 
 
B.- Die von G.________ hiegegen eingereichte Beschwerde, in der sie geltend machte, die der Verfügung vom 28. Juli zu Grunde liegenden finanziellen Verhältnisse hätten sich entscheidend verändert, da ihr Ehemann die entsprechenden Einkünfte nur bis Februar 1998 erreicht habe und aktuell ein geringeres Einkommen aufweise, wies die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung (nachfolgend: Rekurskommission) mit Entscheid vom 21. Februar 2001 ab. 
 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt G.________ sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und der Verwaltungsverfügung vom 28. Juli 1998. 
Zur Beurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Zwangslage sei das Einkommen ihres Ehemannes nach dem Wechsel seiner Arbeitsstelle zu Grunde zu legen. 
Die Arbeitslosenkasse und die Rekurskommission schliessen auf Abweisung der Beschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht darin, dass der Versicherte die Beitragszeit erfüllt hat (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG). Die Beitragszeit hat erfüllt, wer innerhalb der Rahmenfrist nach Art. 9 Abs. 3 AVIG während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (Art. 13 Abs. 1 AVIG). Die Rahmenfrist für die Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor dem Tag, an welchem die versicherte Person erstmals sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 AVIG). 
 
b) Nach Art. 13 Abs. 2bis AVIG (in Kraft seit 1. Januar 1996) werden Zeiten, in denen Versicherte keine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben, weil sie sich der Erziehung von Kindern unter 16 Jahren widmeten, als Beitragszeit angerechnet, sofern die Versicherten im Anschluss an die Erziehungsperiode auf Grund einer wirtschaftlichen Zwangslage eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen müssen. Die Anrechenbarkeit von Erziehungszeiten als Beitragszeiten setzt einen Kausalzusammenhang zwischen der Kindererziehung und dem Verzicht auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit voraus (BGE 125 V 471 Erw. 1 mit Hinweis). 
Eine wirtschaftliche Zwangslage im Sinne von Art. 13 Abs. 2bis AVIG liegt laut Art. 13 Abs. 2ter AVIG vor, wenn das anrechenbare Einkommen der Versicherten und ihres Ehegatten einen vom Bundesrat festgelegten Grundbetrag nicht erreicht. Der Bundesrat legt den anrechenbaren Teil des Vermögens fest. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat der Bundesrat Art. 11b AVIV erlassen. Gemäss Abs. 1 dieser Verordnungsbestimmung kann ein Anspruch nach Art. 13 Abs. 2bis AVIG geltend gemacht werden, wenn das anrechenbare Einkommen zusammen mit dem anrechenbaren Teil des Vermögens weniger als 35 % des Höchstbetrages des versicherten Verdienstes nach Art. 23 Abs. 1 AVIG beträgt. Dieser Prozentsatz erhöht sich um 10 %, wenn der Versicherte verheiratet ist (lit. a) sowie um 10 % für das erste Kind und 5 % für jedes weitere Kind, für das eine Unterhaltspflicht im Sinne von Art. 33 besteht, höchstens aber um 30 % (lit. b). Laut Art. 11b Abs. 2 AVIV werden das anrechenbare Einkommen und der anrechenbare Teil des Vermögens grundsätzlich auf Grund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der letzten 12 Monate vor Einreichung des Entschädigungsantrages berechnet, wobei die gesamten Bruttoeinkommen des Versicherten und seines Ehegatten (lit. a) und 10 % des Vermögens des Versicherten und seines Ehegatten (lit. b) anrechenbar sind. 
Art. 11b Abs. 2 AVIV lässt es zu, für die Beurteilung der Frage, ob eine wirtschaftliche Zwangslage besteht, aus- nahmsweise auf die im Zeitpunkt der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung vorliegende finanzielle Situation abzustellen, wenn innerhalb der vorangegangenen 12 Monate eine erhebliche Verschlechterung (oder Verbesserung) einge- treten ist (BGE 125 V 473 Erw. 3). 
 
2.- Streitig ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob die Beschwerdeführerin auf Grund einer wirtschaftlichen Zwangslage eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen musste. 
 
3.- a) Zu Recht ist unbestritten geblieben, dass die Beschwerdeführerin innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit keine beitragspflichtige Beschäftigung aufwies. 
Die Arbeitslosenkasse hat deshalb geprüft, ob der Gesuchstellerin andere Beitragszeiten, nämlich Erziehungszeiten nach Art. 13 Abs. 2bis AVIG, angerechnet werden können. Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. 
b) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, wie schon vor der Vorinstanz, geltend gemacht, es könne zur Beurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Zwangslage nicht auf das Einkommen des Ehemannes der Beschwerdeführerin in den zwölf Monaten vor Einreichung des Antrages abgestellt werden, da dieses Einkommen sich durch einen Arbeitsplatzwechsel wesentlich vermindert habe. Die Beschwerdeführerin hat dazu im vorinstanzlichen Verfahren den neuen Arbeitsvertrag ihres Ehemannes zu den Akten gereicht. 
Nach der Rechtsprechung ist ein Abstellen auf die finanzielle Situation, wie sie zum Zeitpunkt der Anmeldung zum Leistungsbezug besteht, unter gewissen Voraussetzungen möglich (vgl. Erw. 1b). Die Ausführungen der Vorinstanz und der Verwaltung, wonach in Anwendung von Art. 11b Abs. 2 AVIV ausnahmslos auf das Gesamteinkommen der Familie in den zwölf Monaten vor der Einreichung des Gesuches abzustellen sei, erweisen sich damit als unzutreffend. 
 
c) Dementsprechend ist zu prüfen, ob auf Grund einer Änderung der finanziellen Situation das Vorliegen einer wirtschaftlichen Zwangslage bejaht werden kann. 
Die nach Art. 11b Abs. 1 AVIV berechnete Einkommensgrenze liegt für ein Ehepaar mit zwei Kindern bei Fr. 4860.- im Monat (60 % des Höchstbetrages des versicherten Verdienstes von Fr. 8100.- [Art. 23 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 UVG und Art. 22 Abs. 1 UVV in der vorliegend anwendbaren, bis Ende 1999 gültig gewesenen Fassung]). 
Aus den bei den Akten liegenden Lohnabrechnungen geht hervor, dass das Brutto-Monatseinkommen des Ehemannes der Beschwerdeführerin vom Juni bis und mit Dezember 1997 und vom Februar bis und mit Mai 1998 über diesem Betrag lag. 
Für den Januar 1998 finden sich in den Akten keine Angaben. 
Es kann jedoch auf Grund des von der Arbeitslosenkasse in ihrer Verfügung vom 28. Juli 1998 genannten und unbestritten gebliebenen Totalbetrages von Fr. 75'440. 55 für die gesamte Periode angenommen werden, dass auch in diesem Monat der massgebliche Grenzbetrag überschritten wurde, ergeben doch die belegten Bruttolöhne in ihrer Summe (Fr. 68'941. 85) Fr. 6498. 70 weniger als das genannte Total. 
Zudem machte auch die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe an die Vorinstanz eine Einkommensverschlechterung erst ab März 1998 geltend. Ab dem 6. Juli 1998 bezog der Ehemann gemäss Arbeitsvertrag vom 2. Juli 1998 Fr. 5200.- pro Monat (inkl. Anteil 13. Monatslohn). Für den Monat Juni, den Zeitpunkt der Anmeldung, finden sich in den Akten wiederum keine Angaben zum Einkommen des Ehemannes, hingegen hat die Beschwerdeführerin einen Verdienst von Fr. 633. 30 erzielt (Bescheinigung über Zwischenverdienst vom 13. Juli 1998). 
Die Frage, ob dazu noch irgendwelche anrechenbaren Einkünfte des Ehemannes für diesen Monat hinzuzuzählen wäre, kann offen bleiben, denn angesichts der Einkommensverhältnisse davor und danach und unter Berücksichtigung der Kurzfristigkeit der (eventuell gegebenen) ungünstigen finanziellen Lage der Familie liegt keine rechtserhebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage vor, sodass sich ein Abweichen von Art. 11b Abs. 2 AVIV nicht rechtfertigt. Das Vorliegen einer wirtschaftlichen Zwangslage ist mithin auf Grund der Verhältnisse der letzten zwölf Monate vor Einreichung des Entschädigungsantrages zu prüfen. Diese Prüfung ist von der Rekurskommission richtig und mit negativem Ergebnis vorgenommen worden. 
 
e) Es ergibt sich, dass auch unter Berücksichtigung der Veränderung des Erwerbseinkommens des Ehemannes der Beschwerdeführerin das Vorliegen einer wirtschaftlichen Zwangslage zu verneinen ist, womit eine der Voraussetzungen für die Anrechnung einer Erziehungszeit als Beitragszeit nicht erfüllt ist. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, der Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau, 
 
 
Abteilung Rechtsdienst und Entscheide, und dem Staatssekretariat 
für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 26. November 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: