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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 439/02 
 
Urteil vom 26. November 2002 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber Flückiger 
 
Parteien 
G.________, 1943, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Alex Beeler, Frankenstrasse 3, 6003 Luzern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 28. Mai 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1943 geborene G.________ meldete sich am 5. Mai 2000 unter Hinweis auf Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau holte Auskünfte der Organe der Arbeitslosenversicherung und der zuständigen Ausgleichskassen ein. Ausserdem zog sie Zeugnisse des Dr. med. B.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 21. Februar, 10. März und 26. April 2000 sowie Berichte dieses Arztes vom 8. Mai 2000, des Dr. med. A.________, Rheumatologie FMH, vom 19. Juni 2000, der Augenklinik des Spitals X.________ vom 2. August 2000, des Dr. med. R.________, Innere Medizin FMH, vom 7. August und 2. Dezember 2000, des Spitals X.________ vom 16. August 2000, der Klinik Y.________ vom 5. September 2000 (über eine vom 16. bis 31. August 2000 dauernde Hospitalisation), des Dr. med. D.________, Innere Medizin FMH, vom 10. März 2001 und des Dr. med. S.________, Innere Medizin FMH, vom 9. Mai 2001 bei und holte eine Stellungnahme des IV-internen ärztlichen Dienstes vom 14. August 2001 ein. Anschliessend sprach sie dem Versicherten - nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens - mit Verfügung vom 19. Februar 2002 für die Zeit ab 1. August 2001 eine ganze Rente (mit Kinderrente) zu. 
B. 
Die dagegen vom Versicherten erhobene Beschwerde mit dem Antrag, der Rentenbeginn sei auf einen früheren Zeitpunkt festzusetzen und es sei ihm eine Zusatzrente für die Ehefrau zuzusprechen, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau ab (Entscheid vom 28. Mai 2002). Im Verlauf des Verfahrens hatte der Versicherte weitere Zeugnisse des Dr. med. B.________ vom 17. Mai, 5. Juli und 11. August 2000 sowie eine Bezügerabrechnung der öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau für Februar 2000 auflegen lassen. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt G.________ die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern. 
 
Die IV-Stelle schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) sowie den Anspruch auf eine Zusatzrente für den Ehegatten (Art. 34 Abs. 1 IVG; Art 30 IVV) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
1.2 Der Rentenanspruch nach Art. 28 IVG entsteht gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG frühestens in dem Zeitpunkt, in dem die versicherte Person während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40% arbeitsunfähig gewesen ist. Die einjährige Wartezeit gilt in dem Zeitpunkt als eröffnet, ab welchem eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 20% vorliegt (AHI 1998 S. 124 Erw. 3c). Die Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG bezieht sich auf den bisherigen Beruf, und die Wartezeit ist erfüllt, wenn die versicherte Person in diesem Beruf während eines Jahres im erforderlichen Ausmass arbeitsunfähig war. Nicht vorausgesetzt ist dagegen, dass während dieser Zeit auch bereits die für den Rentenanspruch erforderliche Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Damit eine Rente zugesprochen werden kann, müssen sowohl die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit während eines Jahres als auch die nach Ablauf der Wartezeit bestehende Erwerbsunfähigkeit die für die betreffende Rentenabstufung erforderliche Mindesthöhe erreichen (BGE 121 V 274 Erw. 6b/cc). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist zunächst der Rentenbeginn. 
2.1 Die Vorinstanz erwog, für die Zeit bis Ende 1999 erachte der damalige Hausarzt Dr. med. S.________, Innere Medizin FMH, den Beschwerdeführer in Bezug auf eine den Rücken und die Gelenke schonende Tätigkeit zu 100% und in Bezug auf eine körperlich stärker belastende Tätigkeit zu 70% arbeitsfähig. Die durch den im November 2000 verstorbenen Dr. med. B.________, Allgemeine Medizin FMH, für die Zeit von Februar 2000 bis Juli 2000 attestierte 100%-ige Arbeitsunfähigkeit könne der gerichtlichen Beurteilung nicht zu Grunde gelegt werden, da die entsprechenden Zeugnisse keine Begründung enthielten und daraus zudem nicht hervorgehe, ob sich die Arbeitsunfähigkeit nur auf den bisherigen Beruf oder auch auf eine andere Erwerbstätigkeit beziehe. Für die Zeit ab August 2000 sei auf Grund der damals erfolgten Hospitalisation in der Klinik Y.________ gestützt auf die Stellungnahme des IV−internen ärztlichen Dienstes vom 14. August 2001 sowie die Aussagen des Dr. med. D.________ (Bericht vom 10. März 2001) von einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit in einer körperlich belastenden Arbeit und einer Restarbeitsfähigkeit von 25% (zwei mal eine Stunde täglich) in einer leichten, anspruchslosen, wechselbelastenden Arbeit auszugehen. Eine vor August 2000 eingetretene Arbeitsunfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit sei somit nicht nachgewiesen. Diese Beweislosigkeit wirke sich in dem Sinne zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus, als die für den Beginn des Wartejahres nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG massgebende Arbeitsunfähigkeit erst ab August 2000 ausgewiesen sei. Der Rentenanspruch sei somit am 1. August 2001 entstanden. 
2.2 Die Argumentation des kantonalen Gerichts übersieht, dass für das Bestehen der Wartezeit gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG einzig die Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf relevant ist (Erw. 1.2. hievor; Urteil G. vom 8. April 2002, I 305/00). Daher ist nicht entscheidend, ob der Beschwerdeführer während des entsprechenden Zeitraums auch in einer leidensangepassten Tätigkeit arbeitsunfähig war, sofern am Ende des Wartejahres die für den Rentenanspruch erforderliche Erwerbsunfähigkeit vorlag. Wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Recht geltend gemacht wird, ist gestützt auf die Aussagen des Dr. med. S.________ und des Dr. med. B.________ sowie unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des ärztlichen Dienstes der IV und des Dr. med. D.________ als mit dem massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) erstellt anzusehen, dass der Beschwerdeführer im bisherigen Beruf ab 1. Dezember 1999 zu 30% und ab 1. Februar 2000 zu 100% arbeitsunfähig war. Die für die Eröffnung des Wartejahres vorausgesetzte Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf von mindestens 20% (AHI 1998 S. 124 Erw. 3c) war somit ab Dezember 1999 gegeben, und bis zum Ablauf der Wartezeit im Dezember 2000 hatte die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit mehr als 66 2/3% betragen. Der Anspruch auf eine ganze Rente konnte somit ab diesem Zeitpunkt entstehen, falls eine Erwerbsunfähigkeit von mindestens 66 2/3 % gegeben war. 
 
Dr. med. D.________ attestiert dem Beschwerdeführer für die Zeit ab 13. November 2000 (Behandlungsbeginn) eine Arbeitsunfähigkeit von 100% in Bezug auf eine körperlich belastende oder geistig anstrengende Arbeit. Eine leichte, anspruchslose, wechselbelastende Arbeit könne der Patient möglicherweise im Umfang von ca. 25% (zum Beispiel zwei Mal eine Stunde täglich) ausüben. Gestützt auf diese medizinische Beurteilung sowie die Stellungnahme des IV−Arztes vom 14. August 2001 gelangten Verwaltung und Vorinstanz mit Recht zum Ergebnis, der Versicherte habe im Dezember 2000 durch zumutbare Verwertung seiner Restarbeitsfähigkeit kein Einkommen erzielen können, welches einen Drittel des im Gesundheitsfall erreichbaren Verdienstes übersteigt. Die erforderliche Erwerbsunfähigkeit von 66 2/3% bei Ablauf des Wartejahres ist daher gegeben. Dementsprechend ist dem Beschwerdeführer für die Zeit ab 1. Dezember 2000 eine ganze Rente auszurichten (Art. 29 Abs. 2 IVG). 
3. 
3.1 Umstritten ist ausserdem, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Zusatzrente für die Ehefrau hat. Die Vorinstanz hat einen solchen verneint mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei im August 2000, als er arbeitsunfähig geworden sei, weder erwerbstätig gewesen noch habe er Arbeitslosenentschädigung oder Taggelder der Krankenversicherung bezogen. 
3.2 Der Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit gemäss Art. 34 Abs. 1 IVG richtet sich nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG und fällt daher mit dem Beginn der einjährigen Wartezeit für den Rentenanspruch zusammen (SVR 2001 IV Nr. 36 S. 109 Erw. 1c mit Hinweis). Vorliegend wurde die Wartezeit im Dezember 1999 eröffnet (Erw. 2.2. hievor). Für diesen Zeitpunkt ist durch die Kontenauszüge der Arbeitslosenversicherung vom 24. Mai 2000 und der Ausgleichskasse vom 3. Oktober 2001, die vorinstanzlich eingereichte Monatsabrechnung für Februar 2000 sowie die letztinstanzlich aufgelegten Dokumente (Antrag auf Arbeitslosenentschädigung vom 15. November 1999 sowie Schreiben des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums [RAV] vom 18. Oktober 2000 betreffend Abmeldung per 30. September 2000) hinreichend erstellt, dass der Beschwerdeführer Arbeitslosenentschädigung bezog. Da die übrigen Anspruchsvoraussetzungen unbestrittenermassen erfüllt sind, ist ihm eine Zusatzrente für die Ehefrau auszurichten (Art. 34 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 30 lit. a IVV). 
4. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend steht dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 28. Mai 2002 und die Verfügung vom 19. Februar 2002 insoweit abgeändert, als der Rentenbeginn auf 1. Dezember 2000 festgesetzt und dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab diesem Datum eine Zusatzrente für die Ehegattin zugesprochen wird. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Aargau hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Versicherungsgerichts des Kantons Aargau wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Ausgleichskasse der Aarg. Industrie- und Handelskammer, Aarau, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 26. November 2002 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: