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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.207/2004 /bnm 
 
Urteil vom 26. November 2004 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Parteien 
Vormundschaftsbehörde X.________, 
Berufungsklägerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Joos, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Berufungsbeklagte, 
vertreten durch Rechtsanwalt Paul Rechsteiner, 
 
Gegenstand 
Verweigerung der Entziehung der elterlichen Sorge, 
 
Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 19. August 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a Im Herbst 1996 wurde Z.________ (geboren am 19. April 1993) schwer verletzt ins Spital eingeliefert, nachdem sie von ihrem Vater auf schlimmstmögliche Weise misshandelt und missbraucht worden war. In der Folge entzog die Vormundschaftsbehörde X.________ den Eltern die Obhut für die Tochter, verbrachte diese an einen nicht bekanntgegebenen Ort, errichtete eine Erziehungsbeistandschaft und verweigerte das Recht auf den persönlichen Verkehr. Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte den Vater am 18. Februar 1999 zu vierzehn Jahren Zuchthaus und verwies ihn für die Dauer von 15 Jahren des Landes (Urteile 6S.421/1999 und 6P.225/1999 des Bundesgerichts). Die Mutter, Y.________, wurde am 15. Januar 2002 vom Kantonsgericht von der Anklage der passiven Mittäterschaft freigesprochen. 
A.b Mit Verfügung vom 26. September 2002 bestätigte die Vormundschaftsbehörde die bereits im Jahre 1997 angeordnete Einstellung des Besuchsrechts der Mutter gegenüber ihrer Tochter. Gegen diese Verfügung erhob die Mutter Beschwerde, welche vom Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 10. Januar 2003 abgewiesen wurde. Im Berufungsverfahren vor Kantonsgericht einigten sich die Parteien in drei Punkten: Die Mutter sollte regelmässige Informationen über den Zustand und die Entwicklung des Kindes erhalten; sie sollte ihm nicht störende Beziehungsangebote machen können und im Sommer 2005 sollte eine neue Standortbestimmung stattfinden. Mit Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 28. November 2003 wurde die Berufung infolge Rückzugs als erledigt abgeschrieben. 
A.c Gleichzeitig mit der Verfügung, dass der persönliche Verkehr eingestellt bleibe, beantragte die Vormundschaftsbehörde dem kantonalen Justiz- und Polizeidepartement als vormundschaftlicher Aufsichtsbehörde, der Mutter nach Art. 311 ZGB die elterliche Sorge für die Tochter zu entziehen (Antrag vom 27. September 2002). Sie hielt an ihrem Antrag ausdrücklich fest, nachdem das Verfahren betreffend den persönlichen Verkehr als erledigt abgeschrieben worden war. 
 
B. 
Mit Entscheid vom 6. April 2004 wies die Aufsichtsbehörde den Antrag der Vormundschaftsbehörde auf Entziehung der elterlichen Sorge ab. Die von der Vormundschaftsbehörde hiergegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer, mit Entscheid vom 19. August 2004 ab. 
C. 
Die Vormundschaftsbehörde führt mit Eingabe vom 20. September 2004 eidgenössische Berufung und beantragt dem Bundesgericht, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei Y.________ die elterliche Sorge über ihre Tochter Z.________ zu entziehen. 
 
Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Berufung steht gegen jeden Entscheid offen, der die Entziehung oder Wiederherstellung der elterlichen Sorge zum Gegenstand hat (Art. 44 lit. d OG; BGE 127 III 383 E. 1). Die Vormundschaftsbehörde als Berufungsklägerin ist im vorliegenden Fall nicht entscheidende, sondern antragstellende Behörde und kann daher Berufung erklären (BGE 86 II 213 E. 3 S. 216). Die vorliegende Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts über die Verweigerung der Entziehung der elterlichen Sorge ist daher grundsätzlich zulässig. 
2. 
Die Vormundschaftsbehörde rügt vorweg eine Verletzung von Art. 8 ZGB und der Untersuchungsmaxime. Sie habe vor Kantonsgericht vorgebracht, dass das "Fehlen der elterlichen Sorge" (d.h. die der Mutter zustehende elterliche Sorge) bei den Pflegeeltern und dem Beistand im täglichen Leben der Kindes zunehmend Probleme verursache; in diesem Zusammenhang habe sie auf die vorinstanzlichen Akten verwiesen und die Befragung der Pflegeeltern beantragt. Das Kantonsgericht habe Art. 8 ZGB und die Untersuchungsmaxime verletzt, weil es festgehalten habe, es sei nichts vorgetragen worden, was darauf hindeute, dass sich im Dreiecksverhältnis zwischen Mutter, vormundschaftlichen Organen und Pflegefamilie bisher irgendwelche Komplikationen ergeben hätten. 
2.1 Im Verfahren auf Anordnung von Kindesschutzmassnahmen herrscht in allen Stadien die Untersuchungsmaxime. Diese kennzeichnet sich dadurch, dass die prozessrelevanten Tatsachen von Amtes wegen erforscht werden (Urteil 5C.112/2001 vom 30. August 2001, E. 2c/aa; Breitschmid, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 2. Aufl., N. 5 zu Art. 314/314a ZGB mit Hinweisen). Doch sind die Parteien auch in den Prozessen, die der Untersuchungsmaxime unterliegen, nicht von der sich aus Treu und Glauben ergebenden Mitwirkung bei der Sammlung des Prozessstoffes und bei der Beweisführung entbunden, zumal sie den Sachverhalt in der Regel am besten kennen (BGE 128 III 411 E. 3.2.1 S. 412). Faktisch begrenzt wird die Untersuchungsmaxime überdies durch die Pflicht der Parteien, ihre Eingaben zu begründen (Urteil 5C.112/2001, a.a.O.). Ferner schliesst die Geltung der Untersuchungsmaxime eine willkürfreie antizipierte Beweiswürdigung nicht aus (BGE 114 II 200 E. 2b). 
2.2 Das Kantonsgericht hat festgehalten, die Vormundschaftsbehörde habe nichts vorgetragen, was darauf hindeute, dass sich im Dreiecksverhältnis zwischen Mutter, vormundschaftlichen Organen und Pflegefamilie bisher irgendwelche Komplikationen ergeben hätten. Die Vormundschaftsbehörde legt nicht dar, inwiefern die Vorinstanz die Regeln über die Untersuchungsmaxime verletzt habe, wenn ihr die Pflicht auferlegt wurde, Anhaltspunkte für allfällige Komplikationen zwischen den erwähnten Beteiligten darzulegen und insoweit bei der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken. Insofern ist die Rüge einer Verletzung der Untersuchungsmaxime nicht hinreichend substantiiert und daher unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). 
2.3 Die Vormundschaftsbehörde vermag aus dem Umstand, dass sie im kantonalen Berufungsverfahren ausdrücklich auf ein Aktenstück - die eigene Eingabe vom 8. März 2004 an die Aufsichtsbehörde - verwiesen hat, nichts für sich abzuleiten. In jenem Schreiben wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die bei der Mutter verbliebene elterliche Sorge zunehmend das Risiko erhöhe, dass diese den Aufenthaltsort des Kindes erfahre. Das Kantonsgericht ist indessen in tatsächlicher Hinsicht vom Bestehen eines gewissen Risikos ausgegangen, denn es hat geschlossen, die Sphäre des Kindes sei zur Zeit vor jedem unbefugten Eindringen ausreichend geschützt. Der Vorwurf, das Kantonsgericht habe prozessrelevante Tatsachen übergangen, geht insoweit ins Leere. Dass die erwähnten Tatsachenfeststellungen oder der Verzicht auf die Befragung der Pflegeeltern als antizipierte Beweiswürdigung willkürlich seien, kann sodann im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden (BGE 122 III 219 E. 3c S. 223). Schliesslich bringt die Vormundschaftsbehörde vergeblich vor, Art. 8 ZGB sei verletzt: Diese Bestimmung kann nicht verletzt sein, wenn - wie hier - kein offenes Beweisergebnis vorliegt (BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 277). Die Rügen der Vormundschaftsbehörde dringen insoweit nicht durch. 
3. 
Das Kantonsgericht hat in der Sache im Wesentlichen festgehalten, dass die Vormundschaftsbehörde für das Kind keine Massnahmen auf Vorrat treffen könne. Es gebe keine Hinweise für Komplikationen zwischen Mutter, vormundschaftlichen Organen und Pflegefamilie. Das schwer geschädigte, tief traumatisierte und in einem ausserordentlichen Masse auf Schutz angewiesene Kind habe zwei Grundbedürfnisse, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften: Einerseits müsse das Kind wissen, wohin es gehöre, wer seine engsten Bezugspersonen seien und in welchem Milieu es aufwachse; andererseits brauche es die Chance, einmal erfahren zu können, woher es komme. Seine Erziehung und Unterbringung seien gesichert und erschienen zur Zeit vor jedem unbefugten Eindringen ausreichend geschützt. Da die Beziehung zur Herkunftsfamilie ganz in der Schwebe sei, gehe es vorerst darum, das Kind auf der Suche nach der eigenen Identität aktiv zu unterstützen. Der dünne Faden zwischen Mutter und Kind solle nicht abreissen, solange nicht feststehe, ob das Kind den Kontakt zur Mutter verlange und verkrafte. Das Kantonsgericht hat gefolgert, dass die Entziehung der elterlichen Sorge nicht notwendig sei, um eine aktuelle Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden, sondern eher geeignet wäre, eine mögliche Beziehung zwischen Mutter und Kind zu vereiteln. 
3.1 Die Vormundschaftsbehörde macht zunächst geltend, das Kantonsgericht übergehe, dass die getroffenen Vorkehren - Obhutsentzug, Errichtung einer Erziehungsbeistandschaft, Verweigerung des Rechts auf persönlichen Verkehr - die elterliche Sorge der Mutter ohnehin zur leeren Hülle machten. 
3.1.1 Die Aufhebung der elterlichen Obhut nach Art. 310 ZGB bildet einen einschneidenden Eingriff in die elterliche Sorge, indem das Recht zur Bestimmung des Aufenthalts und zur unmittelbaren Fürsorge und Erziehung entzogen wird (Art. 301 Abs. 1 und 3 ZGB). Doch bleiben dem Inhaber des Sorgerechts verschiedene wesentliche Rechte erhalten, so insbesondere das Recht, bei Ausbildungs- und Berufswahlfragen mitzubestimmen (vgl. Art. 301 Abs. 1 ZGB), die religiöse Erziehung (Art. 303 ZGB), die gesetzliche Vertretung des Kindes (Art. 304 Abs. 1 ZGB) sowie die Vermögensverwaltung (vgl. BGE 93 II 64 E. 2 S. 66; Breitschmid, a.a.O., N. 1 zu Art. 310 ZGB; Frank, Grenzbereiche der elterlichen Gewalt, in Festschrift Hegnauer, Bern 1986, S. 40). 
3.1.2 Die Vormundschaftsbehörde hält zu Recht fest, dass die Kombination der Kindesschutzmassnahmen nach Art. 307-310 ZGB nicht der Entziehung der elterlichen Sorge (Art. 311 ZGB) gleichkommen darf, andernfalls ist diese auch formell auszusprechen (Hegnauer, Grundriss des Kindesrechts, 5. Aufl., Rz. 27.08 und Rz. 27.41 a.E.; Breitschmid, a.a.O., N. 3 zu Art. 307 ZGB). Die elterliche Sorge nähert sich dann einem Recht ohne Inhalt, wenn dem Beistand gemäss Art. 308 Abs. 2 ZGB besondere Befugnisse übertragen werden und darüber hinaus die elterliche Sorge nach Art. 308 Abs. 3 ZGB entsprechend beschränkt und dies gleichzeitig mit der Aufhebung der elterlichen Obhut nach Art. 310 ZGB verbunden wird. Dies trifft zu, wenn mehrere Befugnisse, die nach der Aufhebung der elterlichen Obhut den Eltern verbleiben, durch Beistandsbestellung entzogen werden, wie u.a. die Bestimmung der Berufsausbildung und vor allem das Besuchsrecht (Jorio, Der Inhaber der elterlichen Gewalt nach dem neuen Kindesrecht, Diss. Zürich 1977, S. 85 ff.). 
3.1.3 Unstrittig ist, dass der Mutter die Obhut für das Kind entzogen, das Kind an einem der Mutter unbekannten Ort untergebracht, eine Erziehungsbeistandschaft errichtet und das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert worden ist. Aus dem angefochtenen Entscheid geht nicht hervor, dass vorliegend die mit der Verweigerung des persönlichen Verkehrs verbundene Entziehung der Obhut mit einer weiteren Beschränkung der elterlichen Sorge nach Art. 308 Abs. 3 ZGB verbunden worden wäre; im Gegenteil, die Vormundschaftsbehörde hält selber ausdrücklich fest, dass die Restbefugnisse der elterlichen Sorge - insbesondere im Bereich Schule und Ausbildung - bei der Mutter verblieben sind. Die Vormundschaftsbehörde geht - gerade vor dem Hintergrund, dass der Mutter das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert ist - zu Recht davon aus, dass die weitere Beschränkung der elterlichen Sorge bzw. deren Restbefugnisse etwa betreffend Schule und Ausbildung gestützt auf Art. 308 Abs. 3 ZGB nicht zulässig wäre, sondern nur über eine Entziehung der elterlichen Sorge möglich ist. Wenn das Kantonsgericht angenommen hat, die bisher angeordneten Massnahmen machten die elterliche Sorge der Mutter noch nicht zu einem Recht ohne Inhalt, und geprüft hat, ob die Voraussetzungen zur Entziehung der Restbefugnisse gegeben seien, ist dies mit Bundesrecht vereinbar. 
3.2 Die Vormundschaftsbehörde bringt sodann im Wesentlichen vor, die vorliegende Situation lasse sich mit derjenigen in BGE 119 II 9 vergleichen, wo erkannt worden sei, dass das Verbüssen einer langen Zuchthausstrafe dem Elternteil nicht erlaube, alle Handlungen vorzunehmen, welche die elterliche Sorge schulpflichtiger Kinder erfordere. Da hier ebenfalls kein persönlicher Kontakt zwischen Mutter und Kind bestehe, könnten lebensprägende Entscheidungen ebenso wenig vorgenommen werden. Bleibt zu prüfen, ob das Kantonsgericht zu Recht angenommen hat, die Mutter könne die Restbefugnisse der elterlichen Sorge pflichtgemäss ausüben. 
3.2.1 Sind andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben oder erscheinen sie von vornherein als ungenügend, so entzieht die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde die elterliche Sorge, wenn die Eltern wegen Unerfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Ortsabwesenheit oder ähnlichen Gründen ausserstande sind, die elterliche Sorge pflichtgemäss auszuüben (Art. 311 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Bei der Würdigung der Umstände ist ein besonders strenger Massstab anzulegen, da der Entzug der elterlichen Sorge, der dem Verlust eines elementaren Persönlichkeitsrechts gleichkommt, nur zulässig ist, wenn andere Massnahmen zur Vermeidung der Gefahren für das Kind - wie geeignete Massnahmen (Art. 307 ZGB), Beistandschaft (Art. 308 ZGB) und Aufhebung der elterlichen Obhut (Art. 310 ZGB) - zum vornherein ungenügend sind: Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit erfordert hier eine besondere Aufmerksamkeit (BGE 119 II 9 E. 4a S. 10 mit Hinweisen). 
3.2.2 Die Auffassung der Vormundschaftsbehörde, wonach der fehlende persönliche Kontakt der Mutter zu ihrem Kind mit der Situation eines inhaftierten Elternteils vergleichbar sei, geht fehl. Im zitierten Urteil wurde der Vater zu einer langjährigen Zuchthausstrafe verurteilt, und die Lehre leitet daraus zu Recht ab, dass die Entziehung der elterlichen Sorge nur auszusprechen ist, wo der Inhaber auf Dauer und nicht absehbar nur vorübergehend zu pflichtgemässer Ausübung seiner Aufgaben ausserstande ist (Breitschmid, a.a.O., N. 3 zu Art. 311/312 ZGB). Aus dem angefochtenen Entscheid (und dem Entscheid des Kantonsgerichts vom 28. November 2003) geht indessen hervor, dass die Vormundschaftsbehörde mit der Mutter vereinbart hat, im Sommer 2005 in Bezug auf das Besuchsrecht eine Standortbestimmung vorzunehmen und die Aufnahme des persönlichen Verkehrs zu prüfen. Folglich schliesst die Vormundschaftsbehörde selber nicht aus, dass der persönliche Verkehr innert Jahresfrist (seit Erlass des angefochtenen Entscheides) wieder aufgenommen werden könnte, und dasjenige Hindernis dahinfällt, welches ihrer Auffassung nach der pflichtgemässen Ausübung der elterlichen Sorge entgegensteht. Unter diesen Umständen kann nicht davon gesprochen werden, dass die Mutter nicht absehbar - d.h. ausserhalb des Zeithorizonts von Art. 313 Abs. 2 ZGB, der eine Minimaldauer des Sorgerechtsentzugs von einem Jahr festlegt - zur pflichtgemässen Ausübung ihrer elterlichen Sorge ausserstande sei. Nach dem Gesagten vermag die Vormundschaftsbehörde mit dem Argument des zur Zeit fehlenden persönlichen Verkehrs nicht durchzudringen. 
3.2.3 In der Lehre ist allerdings anerkannt, dass in besonders schwerwiegenden Fällen ein Entziehungsgrund (als "ähnlicher Grund" gemäss Art. 311 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB) gegeben sein kann, wenn beim Kind schwere, die Eltern überfordernde physische oder psychische Gebrechen vorliegen, die Eltern aber entgegen den Vorschlägen der Fachleute konsequent und uneinsichtig nicht die nötigen Massnahmen treffen (Jorio, a.a.O., S. 337 und 339; Breitschmid, a.a.O., N. 7 zu Art. 311/312 ZGB; Hegnauer, Berner Kommentar, N. 11 zu aArt. 285 ZGB). Im vorliegenden Fall ist das Kind schwer geschädigt, tief traumatisiert und in einem ausserordentlichen Masse auf Schutz angewiesen. Dass die Mutter in ihrer erzieherischen Eignung überfordert sein könnte, um die Restbefugnisse ihrer elterlichen Sorge gegenüber dem Kind pflichtgemäss auszuüben, erscheint nicht ausgeschlossen. Hingegen steht fest, dass es keine Hinweise für Komplikationen zwischen Mutter, vormundschaftlichen Organen und Pflegefamilie gibt, und aus dem Sachverhalt geht nicht hervor - und behauptet die Vormundschaftsbehörde selber nicht -, dass sich die Mutter z.B. den Vorschlägen der Fachleute widersetze. Vielmehr einigte sie sich mit den Behörden, wie neu eingeholte fachkundige Empfehlungen in die Praxis umgesetzt werden könnten (angefochtener Entscheid, E. I S. 2; Entscheid des Kantonsgerichts vom 28. November 2003, E. II S. 3), und hat sie sich verpflichtet, auf eine Kontaktaufnahme mit dem Kind oder den Pflegeeltern zu verzichten, selbst wenn ihr der Aufenthaltsort bekannt werden sollte (Entscheid der Aufsichtsbehörde, E. 2c S. 5). Damit fehlen Anhaltspunkte, dass die Entziehung der elterlichen Sorge - und deren Übertragung auf einen Vormund (Art. 311 Abs. 2 ZGB) - in Bezug auf das Kindeswohl zu einem besseren Zustand als dem bisherigen führe und daher erforderlich sei. 
3.3 Schliesslich macht die Vormundschaftsbehörde im Wesentlichen geltend, der mögliche spätere persönliche Kontakt zwischen der Mutter und dem Kind sei weder rechtlich noch tatsächlich von der Entziehung der elterlichen Sorge abhängig. Wohl trifft zu, dass die Informations- und Kommunikationsrechte zwischen Eltern und Kind auch nach der Entziehung der elterlichen Sorge weiter bestehen (Breitschmid, a.a.O., N. 1 zu Art. 311/312 ZGB). Allerdings ist anerkannt, dass die Entziehung der elterlichen Sorge zu völliger Gleichgültigkeit der Eltern gegenüber der Zukunft ihres Kindes führen kann (Stettler, Das Kindesrecht, Schweizerisches Privatrecht, Band III/2, S. 517). Wenn das Kantonsgericht diese Wirkung einer Entziehung der elterliche Sorge gegen das mögliche Bedürfnis des Kindes nach einem späteren Kontakt zur Mutter abgewogen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Insgesamt liegt keine Verletzung von Bundesrecht vor, wenn das Kantonsgericht angenommen hat, der Schutz des Kindes lasse sich mit den getroffenen Anordnungen sichern, ohne dass die äusserste Massnahme einer Entziehung der elterlichen Sorge nötig wäre. 
3.4 Nach dem Dargelegten erweist sich die Berufung als unbegründet. Unter diesen Umständen ist nicht weiter zu erörtern, ob die Vormundschaftsbehörde - wie das Kantonsgericht angenommen hat - gegen Treu und Glauben verstossen habe, wenn sie sich mit der Mutter in Bezug auf das Besuchsrecht auf eine Vergleichslösung eingelassen (Überprüfung des Besuchsrechts im Sommer 2005) und gleichzeitig am Antrag auf Entziehung der elterlichen Gewalt festgehalten hat. 
4. 
Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 156 Abs. 2 OG). Eine Parteientschädigung entfällt, da keine Berufungsantwort eingeholt worden ist und der Berufungsbeklagten keine Kosten entstanden sind. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 26. November 2004 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: