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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 437/05 
 
Urteil vom 27. März 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Lustenberger und 
Seiler; Gerichtsschreiber Hochuli 
 
Parteien 
B.________, 1939, Beschwerdeführerin, vertreten 
durch die Winterthur-ARAG Rechtsschutz, Gartenhofstrasse 17, 8004 Zürich, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Beschluss vom 30. September 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2004 lehnte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) den Anspruch der B.________, geboren 1939, auf Heilbehandlung ab, soweit dieser nicht mit Verfügung vom 1. September 2003 gewährt worden war. 
B. 
Auf die dagegen erhobene Beschwerde trat des Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. September 2005 wegen verspäteter Eingabe nicht ein, nachdem sich B.________ vorher zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde hatte äussern können. 
C. 
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache zur materiellen Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
 
Die SUVA und das Bundesamt für Gesundheit verzichten jeweils auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die strittige Verfügung hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 OG in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b OG sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Aus dem Antrag der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und Rückweisung zur materiellen Beurteilung) ergibt sich, dass die Aufhebung der seinerzeit angeordneten Sistierung des kantonalen Verfahrens nicht angefochten ist, auch wenn in der Begründung darauf Bezug genommen wird. Sollte die Aufhebung der Sistierung dennoch mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten worden sein, ist mangels ausreichender Begründung insoweit auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten (Art. 132 OG in Verbindung mit Art. 108 Abs. 2 OG). 
3. 
Zutreffend sind die Erwägungen des kantonalen Gerichts über die anwendbaren Bestimmungen betreffend Fristenstillstand im erstinstanzlichen Verfahren (Art. 60 Abs. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 38 Abs. 4 ATSG sowie § 13 Abs. 3 des zürcherischen Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht vom 7. März 1993 [GSVGer; LS 212.81]) und die im Kanton Zürich auf den 1. Januar 2005 hin in Kraft getretene Änderung der Fristenstillstandsregelung in § 13 Abs. 3 GSVGer, wonach der Fristenstillstand fortan auch für mehrmonatige Beschwerdefristen zu beachten ist (Novelle vom 30. August 2004). Dasselbe gilt für die Ausführungen über die dreimonatige Beschwerdefrist gemäss Art. 106 UVG sowie über die Übergangsvorschrift des Art. 82 Abs. 2 ATSG (vgl. dazu BGE 131 V 313 Erw. 5, 322 Erw. 5 sowie 326 Erw. 4 [zusammengefasst in ZBJV 2005 S. 810 ff.]). Darauf wird verwiesen. 
4. 
Streitig ist die Einhaltung der Beschwerdefrist im kantonalen Verfahren. 
4.1 Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass bis Ende 2004 die Fristenstillstandsregelung gemäss § 13 Abs. 3 GSVGer in der bis zum 31. Dezember dieses Jahres geltenden Fassung anwendbar gewesen sei. Da die Beschwerdefrist mit der Zustellung und damit vor der Rechtshängigkeit der Beschwerde ausgelöst werde, lasse sich aus der Übergangsbestimmung nicht ableiten, dass die neue Fassung rückwirkend auf den im Jahr 2004 abgelaufenen Teil der Beschwerdefrist anzuwenden sei, weshalb der entsprechende Teil des Fristenstillstandes unberücksichtigt zu bleiben habe. 
 
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gerügt, das kantonale Gericht habe sich nicht einlässlich mit der Rechtsmittelfrist auseinandergesetzt; so führe die Übergangsbestimmung denn auch "nicht zwingend" auf die von der Vorinstanz vertretene Meinung, sondern es sei von einem qualifizierten Schweigen des Gesetzgebers auszugehen. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, es sei vom sofortigen In-Kraft-Treten der neuen Verfahrensbestimmungen auszugehen und im Sinne der "lex mitior" sei die neue Fassung auf die ganze Rechtsmittelfrist anzuwenden. Diese Lösung gebiete auch die Rechtssicherheit. 
4.2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat entschieden, dass der Fristenstillstand gemäss Art. 60 Abs. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 38 Abs. 4 ATSG auch bei mehrmonatigen Beschwerdefristen zu beachten ist. Jedoch findet diese Regelung während der fünfjährigen Übergangszeit gemäss Art. 82 Abs. 2 ATSG keine Anwendung, wenn das kantonale Recht für die nach Monaten berechneten Fristen (noch) keinen Fristenstillstand vorsieht (BGE 131 V 314 und 325 sowie seitherige Rechtsprechung; vgl. auch Thomas Ackermann, Fristenstillstand gemäss ATSG im kantonalen Rechtspflegeverfahren, in: ZBJV 2005 S. 810 ff.). 
4.3 Der auf den 1. Januar 2005 in Kraft getretene geänderte § 13 Abs. 3 GSVGer sieht den Fristenstillstand auch für nach Monaten berechnete Fristen vor, wobei Abs. 1 der Übergangsbestimmung zur Gesetzesnovelle vom 30. August 2004 normiert, dass das neue Recht für hängige Verfahren anwendbar ist (vgl. Erw. 2.4 hievor). 
4.3.1 Mit dem kantonalen Recht hat sich das Eidgenössische Versicherungsgericht grundsätzlich nicht zu befassen (Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG). Es hat nur zu prüfen, ob die Anwendung der einschlägigen kantonalen Bestimmungen oder - bei Fehlen solcher Vorschriften - die Ermessensausübung durch das kantonale Gericht zu einer Verletzung von Bundesrecht (Art. 104 lit. a OG), insbesondere des Willkürverbots oder des Verbots des überspitzten Formalismus, geführt hat (BGE 120 V 416 Erw. 4a, 114 V 205 Erw. 1a mit Hinweisen; Urteil M. vom 3. November 2000, H 134/00, Erw. 2). 
4.3.2 Nach der Rechtsprechung ist eine Entscheidung willkürlich (vgl. Art. 9 BV), wenn sie eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich schwer verletzt, sich mit sachlichen Gründen schlechthin nicht vertreten lässt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkürliche Rechtsanwendung liegt nicht schon vor, wenn eine andere Lösung in Betracht zu ziehen oder sogar vorzuziehen wäre (BGE 131 I 61 Erw. 2, 129 I 9 Erw. 2.1, 58 Erw. 4, 127 I 41 Erw. 2a; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 125 I 168 Erw. 2a, 125 II 15 Erw. 3a, 124 I 316 Erw. 5a, 124 V 139 Erw. 2b, je mit Hinweisen). 
4.3.3 Nachdem die kantonalrechtliche Gesetzesnovelle vom 30. August 2004 auf den 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt worden ist, hat die Vorinstanz die an das ATSG angepasste und neu auch für mehrmonatige Fristen geltende Fristenstillstandsbestimmung ab dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens zur Anwendung gebracht und nicht bereits ab dem Beginn des Fristenstillstandes über Weihnachten ab dem 18. Dezember 2004 (was eine unzulässige positive Vorwirkung darstellen würde; BGE 129 V 459 Erw. 3 sowie Urteil S. vom 9. März 2005, C 94/04, Erw. 4.4; vgl. auch Ulrich Meyer/Peter Arnold, Intertemporales Recht. Eine Bestandesaufnahme anhand der Rechtsprechung der beiden öffentlich-rechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts, in: ZSR 2005, 1. Halbbd., S. 115 ff., insbesondere S. 127 bei Fn 70 mit Hinweisen). Dies korreliert mit der - auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde anerkannten - Grundregel, dass neue Verfahrensvorschriften mangels anders lautender Übergangsbestimmungen mit dem Tag des In-Kraft-Tretens sofort und in vollem Umfang anwendbar sind (BGE 130 V 4 Erw. 3.2). 
4.3.4 Das Verfahrensrecht ist auch unter der Geltung des ATSG Sache der Kantone (BGE 130 V 325 Erw. 2.1 in fine sowie Urteil D. vom 20. Oktober 2005, U 127/04, Erw. 5.4), welche nach Art. 82 Abs. 2 ATSG fünf Jahre Zeit haben, ihr Recht dem ATSG anzupassen. Das kantonale Gericht konnte deshalb - ohne Bundesrecht zu verletzen (vgl. BGE 131 V 326 Erw. 2.4 in fine) - für das kantonale Verfahren direkt auf den allgemeinen Grundsatz der sofortigen Geltung neuen Verfahrensrechts abstellen und brauchte sich nicht an die Rechtsprechung zu halten, wonach sich der Fristenlauf einer im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des neuen Rechts noch nicht abgelaufenen Frist nach dem alten Recht bestimmt (BGE 130 V 4 Erw. 3.2). 
4.3.5 Soweit das kantonale Gericht aus der Übergangsbestimmung zur Gesetzesnovelle vom 30. August 2004 schloss, dass bis Ende 2004 die alte kantonalrechtliche Regelung des Fristenstillstandes gemäss § 13 Abs. 3 GSVGer in der bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung anwendbar blieb und bis dahin demzufolge in Bezug auf nach Monaten bestimmte Fristen kein Fristenstillstand zu berücksichtigen war, ist die von der Vorinstanz getroffene Lösung betreffend die übergangsrechtliche Anwendung der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Änderung des § 13 Abs. 3 GSVGer unter dem Blickwinkel der eingeschränkten Kognition (Erw. 1 und 4.3.1 hievor) jedenfalls weder als willkürlich zu qualifizieren noch als Verstoss gegen Bundesrecht (Art. 104 lit. a OG) zu bezeichnen. Anders als es die Beschwerdeführerin annimmt, liegt kein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vor. Weshalb diese Regelung der Rechtssicherheit entgegenstehen sollte, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Versicherten ist schliesslich der Grundsatz der "lex mitior" hier nicht zu berücksichtigen, da dieser in Art. 2 Abs. 2 StGB statuierte Grundsatz des Strafrechts - vorbehältlich einer besonderen gesetzlichen Anordnung - im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich nicht gilt (für das Beitragsrecht: Urteil L. vom 23. Januar 2002, H 114/01, Erw. 5; vgl. auch Meyer/Arnold, a.a.O., S. 135). 
4.4 Nach dem Gesagten ist nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht ab dem 1. Januar 2005 das neue, dem ATSG entsprechende zürcherische Recht anwandte und allein den 1. Januar 2005 bei der Fristberechnung als Fristenstillstand berücksichtigte. Eine Verletzung von Bundesrecht liegt nicht vor (Art. 104 lit a OG). 
4.5 Die Vorinstanz hat für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich festgestellt (Art. 105 Abs. 2 OG), dass der Einspracheentscheid am 2. Dezember 2004 eröffnet und die Beschwerde am 16. März 2005 der Post übergeben worden ist. Auch unter Berücksichtigung des eintägigen Fristenstillstandes am 1. Januar 2005 ist das Rechtsmittel deshalb klar verspätet erhoben worden und die Vorinstanz deshalb zu Recht darauf nicht eingetreten. 
5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Ausgang des Prozesses sind die Kosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG). Die SUVA als obsiegende Behörde hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt. 
Luzern, 27. März 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: