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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_837/2009 
 
Urteil vom 27. Mai 2010 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Bundesrichter Stadelmann, 
Gerichtsschreiber Merz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Antigone Schobinger, 
 
gegen 
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, 
Regierungsrat des Kantons Zürich. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Familiennachzug, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 4. November 2009 des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Zürich, 4. Kammer. 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ (geb. 1986) ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo, wo er aufgewachsen ist. Sein in der Schweiz niedergelassener Vater ersuchte im Mai 2004 um Bewilligung der Einreise für ihn und seine vier jüngeren Geschwister (geb. zwischen 1988 und 1995) zwecks Verbleibs bei den Eltern. Am 13./14. Oktober 2004 gab die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich dem Gesuch nur für die Geschwister statt, nicht jedoch für X.________. Den dagegen gerichteten Rekurs hiess der Regierungsrat des Kantons Zürich am 14. Februar 2007 gut. Er verpflichtete die Sicherheitsdirektion, X.________ ebenfalls die Einreise und den Aufenthalt im Rahmen des Familiennachzugs zu bewilligen. Im April 2007 reiste Letzterer in die Schweiz ein und wurde in die Niederlassungsbewilligung seines Vaters einbezogen. 
 
B. 
Im September 2007 heiratete X.________ im Kosovo seine Landsfrau Y.________ (geb. 1988). In der Folge stellte er ein Gesuch um Bewilligung der Einreise für seine Ehefrau. Am 18. März 2008 lehnte die Sicherheitsdirektion das Gesuch ab und widerrief gleichzeitig die Niederlassungsbewilligung von X.________ wegen Verschweigens wesentlicher Tatsachen im ursprünglichen Bewilligungsverfahren. X.________ hätte nicht beabsichtigt, mit seinen Eltern ein familiäres Zusammenleben zu führen. Die Sicherheitsdirektion setzte ihm Frist zum Verlassen der Schweiz an. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wurden vom Regierungsrat und anschliessend vom Verwaltungsgericht des Kantons Zürich abgewiesen. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 17. Dezember 2009 beantragt X.________ dem Bundesgericht, das in dieser Sache im Kanton zuletzt ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 4. November 2009 aufzuheben, vom Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung abzusehen, seiner Ehefrau die Einreise in die Schweiz zu bewilligen und ihr die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. 
Der Regierungsrat - vertreten durch seine Staatskanzlei - sowie das Bundesamt für Migration stellen den Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Sicherheitsdirektion hat sich nicht geäussert. 
 
D. 
Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde mit Verfügung vom 22. Dezember 2009 antragsgemäss die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der mit dem angefochtenen Entscheid verbundenen Ausreiseverpflichtung zuerkannt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Am 1. Januar 2008 ist das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) in Kraft getreten. Der Beschwerdeführer ersuchte um den Nachzug seiner Ehefrau aber im Jahr 2007, mithin noch unter dem bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121 und Änderungen gemäss Fussnote 109 von Anhang 2 zum AuG), gewährt. Deshalb ist auf dieses Gesuch gemäss Art. 126 Abs. 1 AuG das alte Recht (ANAG) anwendbar. Hingegen beurteilt sich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung - wie sämtliche Verfahrensbeteiligten sowie die Vorinstanz zutreffend annehmen - nach neuem Recht. Denn von der Eröffnung dieses Verfahrens wurde der Beschwerdeführer erst im Jahr 2008 in Kenntnis gesetzt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_745/2008 vom 24. Februar 2009 E. 1.2.3 und 1.2.4 sowie 2C_663/2009 vom 23. Februar 2010 E. 1). 
 
2. 
Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 lit. a AuG kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn der Ausländer oder sein Vertreter im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat. Das Bundesgericht hat unlängst erklärt, dass die unter dem alten Recht (Art. 9 Abs. 2 lit. a und Abs. 4 lit. a ANAG) zu diesem Widerrufsgrund entwickelte Praxis im Wesentlichen auch für Art. 62 lit. a AuG gilt. Namentlich muss die falsche Angabe oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen in der Absicht erfolgt sein, gestützt darauf den Aufenthalt oder die Niederlassung bewilligt zu erhalten. Der Ausländer ist verpflichtet, den Behörden wahrheitsgetreu über alles Auskunft zu geben, was für den Bewilligungsentscheid massgebend sein kann (Art. 3 Abs. 2 und Art. 13 f ANAG bzw. Art. 90 AuG). Wesentlich sind dabei nicht nur Umstände, nach denen die Fremdenpolizei ausdrücklich fragt, sondern auch solche, von denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid massgeblich sein können. Es ist nicht erforderlich, dass die Bewilligung bei richtigen und vollständigen Angaben notwendigerweise zu verweigern gewesen wäre (Urteil des Bundesgerichts 2C_651/2009 vom 1. März 2010 E. 4.1.1 mit Rechtsprechungshinweisen zur Praxis unter dem ANAG). 
 
3. 
Die Vorinstanzen werfen dem Beschwerdeführer vor, er habe in seinem Gesuch vom 19. April 2007 um Erteilung eines Aufenthaltstitels als Aufenthaltszweck "Verbleib bei den Eltern" angegeben. Er habe zu diesem Zeitpunkt aber bereits seit vierzehn Monaten mit seiner künftigen Ehefrau zusammengelebt und sei mit ihr verlobt gewesen. Schon als der Regierungsrat am 14. Februar 2007 den Rekurs über seine Einreise in die Schweiz guthiess, sei es ihm nicht mehr um das Zusammenleben mit seinen Eltern und Geschwistern gegangen. Vielmehr habe die Gründung einer eigenen Familie im Vordergrund gestanden. Das sei den Behörden jedoch verschwiegen worden, so dass die Angaben, auf die sich der Regierungsrat damals stützte, unvollständig waren. 
 
4. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, es habe nie eine Verlobung stattgefunden. Entsprechende Angaben seines früheren Beraters bzw. Übersetzers seien irrtümlicherweise erfolgt, was dieser den Behörden gegenüber inzwischen auch klargestellt habe; es sei daher überspitzt formalistisch, wenn ihm weiterhin das Verschweigen der angeblichen Verlobung vorgehalten werde. Es komme einzig in Betracht, ob er den Behörden das gemeinsame Wohnen mit seiner späteren Ehefrau hätte bekannt geben müssen. Der Regierungsrat habe vor seinem Entscheid vom 14. Februar 2007 "ganz spezifische Fragen" gestellt, unter anderem ob er ledig oder verheiratet sei. Es durfte deshalb darauf vertraut werden, dass die korrekte Beantwortung der Fragen - namentlich mit "ledig" - ausreichend sei. Es habe angesichts dieser präzisen Fragen kein Anlass bestanden, nach "allfällig intendierten weiteren Bedeutungen zu suchen". 
 
5. 
5.1 Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, dass es dem Beschwerdeführer noch vor dem Beschluss des Regierungsrates vom 14. Februar 2007, mit dem ihm die Einreise bewilligt wurde, nicht mehr um das Zusammenleben mit seinen Eltern und Geschwistern gegangen war: Der Beschwerdeführer führte seit rund einem Jahr einen gemeinsamen Haushalt mit seiner künftigen Ehefrau und plante, sie zu heiraten. Nur wenige Monate nach Einreise in die Schweiz verfügte er denn auch über eine eigene Wohnung, ehelichte seine Lebenspartnerin und ersuchte um ihren Nachzug. Dass es ihm noch vor seiner Einreise nicht mehr um das Zusammenleben mit seinen Eltern und Geschwistern gegangen war, bestreitet er im Übrigen nicht. Er bestreitet nur, damals bereits "verlobt" gewesen zu sein. Darauf kommt es hier aber - wie die Vorinstanz richtig bemerkt - letztlich nicht an. Deshalb ist auch unerheblich, ob der Sachverhalt diesbezüglich offensichtlich falsch oder unter Verletzung des Rechts (vgl. Art. 97 und 105 BGG) festgestellt wurde. 
 
5.2 Wohl lebte der Beschwerdeführer noch nicht mit seiner künftigen Ehefrau zusammen, als sein Vater das Nachzugsbegehren für ihn und seine Geschwister im Mai 2004 stellte; angeblich lernte er Y.________ erst im Jahr 2005 kennen. Die Vorinstanzen gehen aber richtig davon aus, dass grundsätzlich auf die Umstände im Zeitpunkt des Entscheides und nicht der Antragstellung abzustellen ist (vgl. BGE 124 II 361 E. 4b S. 370; 127 II 60 E. 1b S. 63; 135 II 369 E. 3.3 S. 374). Vorliegend besteht kein Anlass, hievon abzuweichen, zumal im Verfahren vor dem Regierungsrat die konkreten Umstände nochmals erhoben wurden (vgl. E. 5.3 hiernach). 
 
5.3 Zwar trifft es zu, dass der Regierungsrat vor dem erwähnten Beschluss vom 14. Februar 2007 konkrete Fragen zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers formulierte (s. Schreiben vom 10. November 2006), welche sein Vater offensichtlich korrekt beantwortete. Damals erkundigte sich der Regierungsrat allerdings zusätzlich danach, ob das Gesuch um Familiennachzug "noch immer aktuell" sei. Das wurde seitens des Beschwerdeführers bzw. seines Vaters ohne weitere Angaben bejaht. Im damaligen Rekursverfahren war von ihrer Seite aus zuvor ausserdem argumentiert worden, die Zusammenführung mit den Eltern und Geschwistern stehe im Vordergrund, weshalb - entgegen dem damaligen Vorwurf der Behörden - keine Rede von Rechtsmissbrauch sein könne. Der Vater des Beschwerdeführers hatte ausserdem als Aufenthaltszweck ausdrücklich den Verbleib bei den Eltern angegeben. 
Demnach war dem Beschwerdeführer und den ihn vertretenden Personen bewusst, dass es darauf ankam, ob Ersterer als lediger Sohn zusammen mit seinen Geschwistern bei den Eltern in der Schweiz leben würde. Der Regierungsrat führte in seinem Beschluss vom 14. Februar 2007 dementsprechend aus, das familiäre Zusammenleben der fünf Geschwister sollte auch nach der Übersiedlung in den Kanton Zürich nunmehr gemeinsam mit den Eltern weitergeführt werden; die Verweigerung der Einreise des Beschwerdeführers würde den gesetzlichen Anspruch auf Zusammenwohnen im gleichen Haushalt vorenthalten. 
 
5.4 Dem Dargelegten zufolge verschwieg der Beschwerdeführer den Behörden zu Unrecht und mit Absicht, dass er nicht mehr vorhabe, mit seinen Eltern und Geschwistern zusammenzuwohnen, sondern eine eigene Familie gründen wolle. Er wusste, dass es für die begehrte Bewilligung auf das erwähnte Zusammenwohnen ankam. Deshalb ist es nicht bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanzen den Widerrufsgrund des Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 lit. a AuG als erfüllt betrachten. Mit Blick auf die kurze Aufenthaltsdauer ist die Anrufung dieses Widerrufsgrundes nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen (vgl. Art. 63 Abs. 2 AuG). 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz ihre Begründungspflicht (vgl. Art. 29 Abs. 2 BV und BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88 mit Hinweisen) in Bezug auf die Täuschungsabsicht auch nicht verletzt. Sie hat immerhin erklärt, dass anhand der gegebenen Umstände auf eine Täuschungsabsicht zu schliessen sei. Insoweit war es dem Beschwerdeführer möglich, seine Einwände gegen ihren Entscheid beim Bundesgericht vorzubringen. 
 
5.5 Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung erweist sich gestützt auf die Ausführungen der Vorinstanz, auf die verwiesen wird (dortige E. 4.7), auch als verhältnismässig (vgl. Art. 96 AuG und BGE 112 Ib 473 E. 4 und 5 S. 477 ff.). Wohl mag in der Heimat des Beschwerdeführers die Arbeitslosenquote sehr hoch sein. Das genügt indes nicht, um von einem Widerruf abzusehen, zumal der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Kosovo verbracht hat, wo auch seine Ehefrau lebt, und er in die Schweiz überhaupt erst durch die Täuschung gegenüber den einheimischen Behörden gelangt ist. Zudem haben diese, als sie von der Täuschung Kenntnis erlangten, unverzüglich reagiert. Der Beschwerdeführer befand sich damals noch nicht lange in der Schweiz. Im Übrigen hatte auch der Vater des Beschwerdeführers nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er und/ oder seine Kinder weiterhin in der Heimat leben könnten. 
 
6. 
Erweist sich der verfügte Widerruf der Niederlassungsbewilligung als rechtmässig, so besteht auch kein Anspruch mehr, die Ehefrau gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ANAG und Art. 8 EMRK nachzuziehen. Ob die Beschwerde deshalb in diesem Punkt abzuweisen oder auf sie bereits wegen Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG nicht einzutreten ist, kann hier offen gelassen werden. 
 
7. 
Demzufolge ist die Beschwerde insgesamt abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Diesem Ausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 f. BGG). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 27. Mai 2010 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Zünd Merz