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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_69/2013  
   
   
 
 
 
 
Urteil 27. Juni 2013  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach, Wildischachenstrasse 14, 5200 Brugg AG.  
 
Gegenstand 
Ausstandsbegehren, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 11. Januar 2013 des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, Vizepräsident. 
 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Strafbefehl vom 6. August 2011 büsste die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach A.________ wegen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz mit Fr. 250.--. Dagegen erhob er Einsprache. Am 2. März 2012 stellte der Beschuldigte ein Ausstandsbegehren gegen den untersuchungsleitenden Staatsanwalt. Am 22. März 2012 wies der Vizepräsident der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau das Ausstandsbegehren ab. Auf Beschwerde des Beschuldigten hin hob das Bundesgericht mit Urteil vom 13. November 2012 den obergerichtlichen Entscheid vom 22. März 2012 wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung zurück an die Vorinstanz (Verfahren 1B_281/2012). 
 
B.  
Am 11. Januar 2013 fällte der Vizepräsident der Beschwerdekammer einen neuen Entscheid, den der Beschuldigte am 15. Februar 2013 (nochmals) mit Beschwerde an das Bundesgericht anfocht. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Gutheissung seines Ausstandsbegehrens. 
Der Vizepräsident der Beschwerdekammer und die Staatsanwaltschaft haben auf Gegenbemerkungen je ausdrücklich verzichtet. 
 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. 
Gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 380 StPO hat die Vorinstanz als einzige kantonale Instanz entschieden. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. 
Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. 
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren. Dagegen ist die Beschwerde nach Art. 92 Abs. 1 BGG zulässig. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer macht geltend, es lägen Umstände vor, die den untersuchungsleitenden Staatsanwalt objektiv als befangen erscheinen liessen. Der angefochtene Entscheid verstosse daher gegen Art. 56 lit. f StPO
 
3.  
Die Ausstandsgründe betreffend die in einer Strafbehörde tätigen Personen sind in Art. 56 StPO geregelt. Zu den Strafbehörden gehören neben den Gerichten (Art. 13 StPO) die Strafverfolgungsbehörden, darunter die Organe der Staatsanwaltschaft (Art. 12 lit. b StPO). Von den in Art. 56 lit. a-e StPO geregelten besonderen Ausstandsgründen abgesehen, tritt ein Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin in den Ausstand, wenn diese Justizperson "aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte" (Art. 56 lit. f StPO). Will eine Partei, etwa die beschuldigte Person, den Ausstand der Justizperson verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind dabei glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). 
 
4.  
Die Strafbehörden sind in der Rechtsanwendung unabhängig und allein dem Recht verpflichtet (Art. 4 Abs. 1 StPO). Gesetzliche Weisungsbefugnisse gegenüber den Strafverfolgungsbehörden (Art. 12 StPO) nach Art. 14 StPO bleiben vorbehalten (Art. 4 Abs. 2 StPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes hat die beschuldigte Person keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass untersuchungsleitende Staatsanwälte (Art. 16 Abs. 2 StPO) oder mit Ermittlungen beauftragte Polizeiorgane (Art. 15 Abs. 2 StPO) mit qualifizierter richterlicher Unabhängigkeit im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV ausgestattet würden (vgl. BGE 138 IV 142 E. 2.2.1 S. 145; 127 I 196 E. 2b S. 198; 124 I 274 E. 3e S. 282 mit Hinweisen; Urteile 1B_224/2010 vom 11. Januar 2011 E. 4.5; 1B_78/2010 vom 31. August 2010 E. 2). 
 
4.1. Der Unbefangenheit und Objektivität von Strafverfolgungsbehörden kann zwar eine ähnliche Bedeutung zukommen wie die richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Grundsätze von Art. 30 Abs. 1 BV dürfen jedoch nicht unbesehen auf nicht richterliche Behörden übertragen werden (vgl. BGE 138 IV 142 E. 2.1-2.2.2 S. 144-146; 127 I 196 E. 2b S. 198; 125 I 119 E. 3 S. 122 ff.; Urteile 1B_224/2010 E. 4.5.1; 1B_78/2010 E. 2.1 ). Im Interesse einer beförderlichen Rechtspflege sind Ausstandsbegehren gegen Justizpersonen nicht leichthin gutzuheissen, zumal eine Bewilligung der Begehren zur Komplizierung und Verzögerung des Verfahrens führen kann. Zu beachten sind auch die unterschiedlichen gesetzlichen Funktionen der Gerichte einerseits und der Strafverfolgungsbehörden anderseits. Von Letzteren sind Sachlichkeit, Unbefangenheit und Objektivität namentlich insofern zu erwarten, als sie sich vor Abschluss der Voruntersuchung grundsätzlich nicht darauf festlegen sollen, dass der beschuldigten Person ein strafbares Verhalten zur Last zu legen wäre. Auch haben sie den entlastenden Indizien und Beweismitteln ebenso Rechnung zu tragen wie den belastenden (BGE 138 IV 142 E. 2.2.1 S. 145; 127 I 196 E. 2d S. 199 f.; 124 I 274 E. 3e S. 282; Urteile 1B_403/2010 vom 31. Januar 2011 E. 2.2; 1B_224/2010 E. 4.5.1; 1B_78/2010 E. 2.1; vgl. auch BGE 124 I 274 E. 3e S. 282). Nach Abschluss des Vorverfahrens (bzw. im Haupt- und Rechtsmittelverfahren) hat die Staatsanwaltschaft hingegen Parteistellung (Art. 104 Abs. 1 lit. c StPO), weshalb in diesem Verfahrensstadium andere Gesichtspunkte gelten (BGE 138 IV 142 E. 2.2.2 S. 145 f. mit Hinweisen).  
 
4.2. Strafverfolgungsorgane können grundsätzlich abgelehnt werden, wenn Umstände (etwa strafprozessual unzulässige vorverurteilende Äusserungen) vorliegen, welche nach objektiven Gesichtspunkten geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken (BGE 127 I 196 E. 2b S. 198, E. 2d-e S. 200-202; 112 Ia 142 E. 2d S. 148; Urteile 1B_403/2010 E. 2.2; 1B_224/2010 E. 4.5.2; 1B_78/2010 E. 2.2). Diesbezüglich sind in erster Linie die anwendbaren Vorschriften der StPO massgeblich. In der Regel vermögen allgemeine Verfahrensmassnahmen, seien sie nun richtig oder falsch, als solche keine Voreingenommenheit der verfügenden Justizperson zu begründen. Soweit konkrete Verfahrensfehler eines Staatsanwaltes (oder polizeilichen Ermittlers) beanstandet werden, kommen als Ablehnungsgrund jedenfalls nur besonders krasse oder ungewöhnlich häufige Versäumnisse und Mängel in Frage (BGE 138 IV 142 E. 2.3 S. 146; 125 I 119 E. 3e S. 124; 115 Ia 400 E. 3b S. 404; 114 Ia 153 E. 3b/bb S. 158; Urteile 1B_403/2010 E. 2.2; 1B_224/2010 E. 4.5.2; 1B_78/2010 E. 2.2). Diesbezüglich sind auch die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen beanstandete Untersuchungsmassnahmen auszuschöpfen (vgl. BGE 114 Ia 153 E. 3b/bb S. 158 f.). Ausstandsgründe sind im Übrigen unverzüglich nach ihrer Kenntnis geltend zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO); verspätete Rügen verstossen gegen Treu und Glauben und führen zur Verwirkung des Anspruchs (BGE 134 I 20 E. 4.3.1 S. 21 mit Hinweisen).  
 
5.  
 
5.1. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe am 12. Juli 2011 unerlaubterweise ein Mobiltelefon bedient, während er einen Personenwagen steuerte. Zwei Polizeibeamte hätten (laut ihrem Rapport) beobachtet, wie er vor einem Rotlicht wartend mit seinem Handy hantierte; nach dem Grünwechsel sei er telefonierend, bzw. das Mobiltelefon weiter bedienend, losgefahren.  
 
5.2. Wie im angefochtenen Entscheid dargelegt wird, begründete der Beschwerdeführer sein (auf Art. 56 lit. f StPO gestütztes) Ausstandsgesuch gegen den untersuchungsleitenden Staatsanwalt im Wesentlichen wie folgt: Anlässlich des Einvernahmetermins vom 28. Februar 2012 habe er, der Beschwerdeführer, seinen Personenwagen vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft parkiert. Noch vor der Einvernahme habe er den Untersuchungsleiter davon zu überzeugen versucht, dass dieser zunächst das Fahrzeug in Augenschein zu nehmen habe, um sich vom Standpunkt des Beschwerdeführers zu überzeugen, wonach die Polizeibeamten gar keine ausreichende Einsicht in das Fahrzeug gehabt haben könnten. Dass der Staatsanwalt diesem Ansinnen keine Folge leistete, habe der Beschwerdeführer als unverständlich, unvernünftig und nicht nachvollziehbar eingestuft. Seiner Ansicht nach ergebe sich daraus, dass es dem Untersuchungsleiter nicht um die Erforschung der materiellen Wahrheit (bzw. die Ermittlung von entlastenden Umständen) gegangen sei, sondern ausschliesslich um die Pflege einer offenbar bereits erfolgten Vorverurteilung. Die Befangenheit des Untersuchungsleiters zeige sich (nach den Vorbringen des Beschwerdeführers) auch daran, dass der Staatsanwalt geäussert habe, er sei sich nicht sicher, ob das am 28. Februar 2012 vom Beschwerdeführer präsentierte Fahrzeug mit dem bei der untersuchten Fahrt im Juli 2011 verwendeten identisch sei. Damit habe ihn der Untersuchungsleiter "ohne irgend einen konkreten Hinweis" als Lügner behandelt bzw. "betrügerischer oder zumindest täuschender Machenschaften" bezichtigt.  
 
5.3. Der Staatsanwalt legte im vorinstanzlichen Ausstandsverfahren dar, der Beschwerdeführer habe im Vorfeld der Einvernahme nicht angekündigt, dass er einen Augenschein am Fahrzeug beantragen würde. Entsprechend seiner Planung als Verfahrensleiter habe er deshalb zunächst die Einvernahme des Beschuldigten durchführen und deren Erkenntnisse abwarten wollen, bevor allfällige weitere Beweiserhebungen ins Auge zu fassen gewesen wären. Im Falle einer sich anschliessenden Inspektion des Fahrzeuges, wäre allerdings auch zu verifizieren gewesen, ob es sich beim präsentierten Personenwagen tatsächlich um das vom Beschuldigten im Tatzeitpunkt gelenkte Fahrzeug handelte. Dies umso mehr, als das präsentierte Fahrzeug mit einem anderen Kontrollschild versehen gewesen sei als beim untersuchten Vorfall. Im Übrigen wäre eine Verifizierung des von den Polizeibeamten protokollierten Sachverhaltes über eine Auswertung der Mobiltelefon-Randdaten ohne Weiteres möglich gewesen. Die Vorinstanz erwägt in diesem Zusammenhang, der Staatsanwalt habe dem Beweisangebot des Beschwerdeführers (Inspektion des Autos, insbesondere der möglichen Einsichtswinkel) zur Verifizierung der Behauptung, die Beobachtungen der Polizeibeamten müssten falsch gewesen sein, offensichtlich "wenig Beweiskraft zugebilligt".  
 
5.4. Aus den Vorbringen des Beschwerdeführers und den vorliegenden Akten ergeben sich keine (besonders krassen oder ungewöhnlich häufigen) Versäumnisse bzw. Prozessfehler des Staatsanwaltes im Sinne der dargelegten Rechtsprechung. Dies gilt namentlich für die Vorbringen, der Staatsanwalt habe auch entlastende Umstände mit gleicher Sorgfalt zu untersuchen, und vor der Einvernahme habe der Staatsanwalt das Kontrollschild des am 28. Februar 2012 verwendeten Fahrzeugs (wegen einer Sichtdistanz von 50 Metern und einem "ungünstigen Winkel") gar nicht lesen können. In diesem Zusammenhang kann auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden, wonach es grundsätzlich Sache der Verfahrensleitung ist, zu bestimmen, ob und in welcher Reihenfolge konkrete Beweiserhebungen stattzufinden haben. Auch die Art und Weise sowie der Gegenstand der Fragestellung bei Einvernahmen ist (im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften) vom Untersuchungsleiter und nicht vom Beschuldigten festzulegen. Nicht zu beanstanden ist auch die Erwägung des Obergerichtes, die vom Beschwerdeführer geführte Diskussion darüber, inwiefern der Staatsanwalt schon vor der Einvernahme begründeten Anlass zu Zweifeln gehabt haben könnte, ob das präsentierte Fahrzeug mit dem im Tatzeitpunkt verwendeten identisch war, sei nicht geeignet, den Untersuchungsleiter als vorbefasst erscheinen zu lassen.  
 
5.5. Die Ansicht der Vorinstanz, es seien auch sonst keine rechtzeitig geltend gemachten substanziierten Befangenheitsgründe (im Sinne von Art. 56 lit. f i.V.m. Art. 58 Abs. 1 StPO) ersichtlich, hält vor dem Bundesrecht stand.  
 
 
6.  
Damit ist die Beschwerde abzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, Vizepräsident, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 27. Juni 2013 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Aemisegger 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster