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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_340/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 27. August 2013  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Pasquini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz,  
2. Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Paul Hollenstein, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung des Strafverfahrens (Tätlichkeiten usw.), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz, Beschwerdekammer, vom 27. Februar 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Der Betreibungsbeamte Y.________ wollte X.________ an dessen Wohnort einen Zahlungsbefehl zustellen. Dieser verweigerte die Annahme. Es kam zu einer Auseinandersetzung. Nach Schilderung des Beamten habe er versucht, den Zahlungsbefehl durch die geöffnete Türe in das Haus zu legen bzw. flattern zu lassen. Darauf habe ihn X.________ weggestossen und an den Hinterkopf geschlagen. Nach dessen Darstellung habe ihm Y.________ wider seinen Wunsch einen Zahlungsbefehl zugestellt und ihm gedroht, ihn verhaften zu lassen, wenn er nicht unterschreibe. Nachdem er sich gedreht habe, um die Tür zu schliessen, habe ihn der Beamte ins Bein getreten. Dieser habe an die Tür geschlagen und versucht, ihn aus dem Haus zu reissen, worauf er seinen Widersacher weggestossen habe. Die Kontrahenten reichten Strafanzeigen bzw. -anträge ein. 
 
 Das Bezirksgericht March verurteilte X.________ u.a. wegen einfacher Körperverletzung sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen. 
 
B.  
 
 Das Verhöramt Schwyz eröffnete gegen Y.________ keine Strafuntersuchung wegen Amtsmissbrauchs und falscher Anschuldigung. Es leitete am 10. Juni 2008 die Akten zur Verfolgung allfälliger weiterer Straftaten zuständigkeitshalber dem Bezirksamt March weiter. 
 
 Die Staatsanwaltschaft (das frühere Bezirksamt) March stellte am 18. Juli 2011 das Strafverfahren gegen Y.________ wegen Tätlichkeiten, Drohung, Hausfriedensbruchs und Amtsanmassung ein. Die von X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Schwyz ab. Soweit das Bundesgericht auf die Beschwerde von X.________ eintrat, hob es den kantonsgerichtlichen Beschluss wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs auf (Verfahren 1B_604/2011). 
 
 Die Staatsanwaltschaft March stellte am 10. Dezember 2012 das Verfahren gegen Y.________ wegen Tätlichkeiten, Drohung, Hausfriedensbruchs und Amtsanmassung erneut ein. Die von X.________ gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Schwyz am 27. Februar 2013 ab. 
 
C.  
 
 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Er beantragt, der Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz vom 27. Februar 2013 sei aufzuheben, und die Staatsanwaltschaft March sei anzuweisen, die Strafuntersuchung gegen Y.________ zu ergänzen, zum ordentlichen Abschluss zu bringen und Anklage zu erheben. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in Strafsachen kann auch die Verletzung von Verfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 BGG). Für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde besteht kein Raum (Art. 113 ff. BGG).  
 
1.2. Anfechtungsobjekt der Beschwerde ist der letztinstanzliche kantonale Entscheid (Art. 80 Abs. 1 BGG). Auf die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sich auf die Retournierung seiner Beschwerde vom 4. Dezember 2012 durch die Beschwerdegegnerin 1, die angebliche Amtsgeheimnisverletzung oder den (rechtskräftigen) Entscheid des Verhöramts Schwyz vom 10. Juni 2008 beziehen und nicht den Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz vom 27. Februar 2013 betreffen (z.B. Beschwerde S. 4 oben, S. 5, S. 12 und S. 14; kantonale Akten act. 6/2), ist nicht einzutreten.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Das Bundesgericht wies bereits im Urteil 1B_604/2011 vom 7. Februar 2012 darauf hin, dass sich der angefochtene Entscheid entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht auf allfällige zivilrechtliche Ansprüche auswirke, weshalb er grundsätzlich nicht zur Beschwerde befugt sei (E. 1.1; vgl. z.B. Urteil 6B_569/2012 vom 2. Mai 2013 E. 1.2 mit Hinweisen, zur Abgrenzung von Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zu Staatshaftungsansprüchen). Auf die Ausführungen kann verwiesen werden.  
 
1.3.2. Der Beschwerdeführer macht nicht substanziiert geltend, sein Strafantragsrecht als solches sei beeinträchtigt worden (siehe Urteile 6B_413/2013 vom 3. Juni 2013 E. 3 und 1B_70/2011 vom 11. Mai 2011 E. 2.2.3; je mit Hinweis). Somit kann er auch aus Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG nichts für seine Beschwerdebefugnis ableiten. Ob das Strafverfahren in der Folge korrekt geführt wurde, ist eine andere Frage. Die Legitimation nach dieser Norm kann nicht damit begründet werden, die gesetzeswidrige Verfahrenseinstellung beeinträchtige das Strafantragsrecht (Beschwerde S. 6 f. Ziff. 3d; siehe schon Urteil 1B_604/2011 vom 7. Februar 2012 E. 1.2).  
 
1.3.3.  
 
1.3.3.1. Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann die Verletzung von Verfahrensrechten geltend gemacht werden, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Ist der Beschwerdeführer Partei, kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht, der BV oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind hingegen Vorbringen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen. Ein in der Sache nicht Legitimierter kann weder die Beweiswürdigung kritisieren noch geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend ("Star-Praxis"; BGE 136 IV 41 E. 1.4; 135 II 430 E. 3.2; je mit Hinweisen).  
 
 Soweit ein verfassungsmässiger Anspruch auf Ausfällung der im Gesetz vorgesehenen Strafen besteht, kann sich der Privatkläger, der Opfer eines staatlichen Übergriffs geworden ist, indes nicht nur in verfahrensrechtlicher Hinsicht, sondern auch in der Sache selbst gegen eine Verfahrenseinstellung zur Wehr setzen. Dies hat das Bundesgericht bejaht für den aus dem Verbot der Folter sowie der unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung gemäss Art. 3 und Art. 13 EMRK sowie Art. 10 Abs. 3 BV abgeleiteten Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung sowie das Recht auf Anwendung der zur Bekämpfung von Folter und Misshandlung erlassenen Strafnormen (BGE 138 IV 86 E. 3.1.1; 131 I 455 E. 1.2.5 f.; Urteil 6B_569/2012 vom 2. Mai 2013 E. 1.4 mit Hinweisen). In diesem Sinn hat Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung, wer in vertretbarer Weise behauptet, von einem Polizeibeamten (oder einem anderen Staatsangestellten) unzulässig im Sinne der genannten Normen behandelt worden zu sein. Kann sich der Betroffene auf Art. 3 EMRK berufen, verschafft ihm der prozessuale Teilgehalt dieser Bestimmung ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung eines Entscheids, mit dem die Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen einen Beamten abgelehnt oder die Untersuchung eingestellt wird (Urteile 1B_355/2012 vom 12. Oktober 2012 E. 1.2.2 und 6B_274/2009 vom 16. Februar 2010 E. 3.1.2.1; je mit Hinweisen). 
 
 Um unter Art. 3 EMRK zu fallen, muss eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ein Mindestmass an Schwere erreichen. Die Würdigung dieses Mindestmasses hängt von den gesamten Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie manchmal vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Geschädigten. Zu berücksichtigen sind ferner der Zweck der Behandlung sowie die Absicht und der Beweggrund, die ihr zugrunde liegen, ebenso der Zusammenhang, in dem sie steht. Eine Behandlung ist erniedrigend, wenn sie Gefühle der Furcht, Angst und Unterlegenheit hervorruft und geeignet ist, zu demütigen, entwürdigen und gegebenenfalls den physischen oder psychischen Widerstand zu brechen oder jemanden dazu zu bewegen, gegen seinen Willen oder sein Gewissen zu handeln (BGE 134 I 221 E. 3.2.1; 124 I 231 E. 2b; Urteil 1B_70/2011 vom 11. Mai 2011 E. 2.2.5.4; je mit Hinweisen). 
 
1.3.3.2. Der vorliegend zu beurteilende Vorfall ereignete sich am Wohnort des Beschwerdeführers als ihm der Betreibungsbeamte einen Zahlungsbefehl zustellen wollte. Gemäss Schilderung der Vorkommnisse in der Strafanzeige des Beschwerdeführers (kantonale Akten act. 4/2), habe der Beamte erklärt, er lasse ihn verhaften, wenn er nicht unterschreibe. Nachdem er sich gedreht habe, um in sein Haus zu gehen, habe der Beamte in seine Wade und an die Tür getreten. Als er diese am Schliessen gewesen sei, habe sein Widersacher seine Schulter an die Türe geschlagen, ihn mit der Hand gepackt und aus dem Haus gerissen. Danach habe er den Beamten heftig gestossen.  
 
 Ein Fall von Folter liegt offensichtlich nicht vor. Der Beschwerdeführer vermag nicht in vertretbarer Weise darzutun, grausam, erniedrigend oder unmenschlich im Sinne von Art. 3 EMRK behandelt worden zu sein (Beschwerde S. 7 f. Ziff. 3f). Der Vorfall dauerte kurz. Die angebliche Verletzung des Beschwerdeführers war nach eigenen Angaben leicht. Er macht nicht geltend, das Ereignis hätte ihn psychisch spürbar belastet. Der Betreibungsbeamte wollte einen Zahlungsbefehl zustellen. Dass der Beschwerdeführer diesem körperlich unterlegen gewesen wäre, macht er nicht geltend. Vielmehr gilt es zu berücksichtigen, dass er im Zusammenhang mit diesem Vorgang wegen einfacher Körperverletzung sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte rechtskräftig verurteilt wurde. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern beim Beschwerdeführer hätte der Eindruck entstehen können, er sei dem Staatsangestellten hilflos ausgeliefert. Er befand sich nicht in einer ernsthaft bedrohlichen Situation, die hätte geeignet sein können, sich unterlegen zu fühlen. Das Vorgehen des Beamten bezweckte nicht, den Beschwerdeführer zu demütigen, sondern diesem einen Zahlungsbefehl zuzustellen. Würdigt man die gesamten Umstände, kann auch keine erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK angenommen werden. Das angezeigte Vorgehen des Beamten genügt für die Anwendung dieser Bestimmung nicht. 
 
 Der Beschwerdeführer ist somit einzig berechtigt, die Verletzung der ihm zustehenden Verfahrensrechte zu rügen. Soweit er sich zu materiellrechtlichen Fragen äussert, oder beanstandet, der Sachverhalt sei unvollständig abgeklärt oder willkürlich ermittelt bzw. Beweisanträgen sei wegen willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung keine Folge geleistet worden, ist darauf nicht einzutreten. Ebenfalls nicht einzutreten ist auf die formellen Rügen des Beschwerdeführers, die auf eine inhaltliche Prüfung des Untersuchungsergebnisses abzielen, was nicht zulässig ist (E. 1.3.3.1). Dies ist z.B. der Fall, soweit er geltend macht, in Zweifelsfällen müsse die Beschwerdegegnerin 1 in Beachtung des Grundsatzes "in dubio pro duriore" Anklage erheben, was sie zu Unrecht nicht gemacht habe. 
 
2.  
 
 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Akteneinsichtsrechts, weil ihm das Protokoll der Verhandlung des Bezirksgerichts March vom 22. November 2010 vorenthalten worden sei (Beschwerde S. 10 Ziff. 5c und S. 11 ff. Ziff. 6a und b). Sodann macht er geltend, obwohl die Beschwerdegegnerin 1 in Missachtung von Verfahrensvorschriften nicht alle seine Beweisergänzungsbegehren gemäss Eingabe vom 18. Juni 2012 behandelt habe, hebe die Vorinstanz die Einstellungsverfügung nicht auf und übe damit auch eine formelle Rechtsverweigerung aus (Beschwerde S. 11 ff. Ziff. 6a und b). 
 
 Auf diese Rügen formeller Natur wäre grundsätzlich einzutreten. Der Beschwerdeführer setzt sich aber nicht mit den diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid auseinander (Beschluss S. 3 f. E. 2). Auf die Rügen ist mangels Begründung nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 1 und 2; Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
3.  
 
 Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. August 2013 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini