Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 186/02 
 
Urteil vom 27. September 2002 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Ferrari; Gerichtsschreiber Lanz 
 
Parteien 
B.________ 1948, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Friedrich Affolter, Seestrasse 2, Bahnhofplatz, 3700 Spiez, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, Bern 
 
(Entscheid vom 1. Februar 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1948 geborene B.________ meldete sich im Oktober 1997 wegen Rückenbeschwerden (lumbospondylogenes Syndrom bei Status nach Diskushernienoperationen 1984 und 1991) bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Im Rahmen der Abklärungen des Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit holte die IV-Stelle Bern unter anderem einen Bericht der Neurologisch-Neurochirurgischen Poliklinik des Spitals X.________ vom 25. April 1998 ein. Mit Verfügung vom 26. August 1998 wies sie das Leistungsbegehren ab. 
 
Am 1. September 1998 reichte B.________ bei der IV-Stelle ein mit "Beschwerde" bezeichnetes Schreiben ein, worin er sich mit der Rentenablehnung nicht einverstanden erklärte. Gemäss Aktennotiz teilte eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes Y.________ am 30. August 1998 mit, dass auf eine Beschwerde verzichtet werde. 
 
Am 17. Mai 2001 ersuchte B.________ die Invalidenversicherung erneut um Leistungen (Umschulung und Rente). Darauf trat die IV-Stelle mit Verfügung vom 31. August 2001 nicht ein, wobei sie zur Begründung anführte, der Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit hätten sich seit der Ablehnung des Anspruchs vom 26. August 1998 nicht wesentlich verändert. 
B. 
B.________ liess Beschwerde einreichen und beantragen, es sei die Verfügung vom 31. August 2001 aufzuheben "und die Angelegenheit zur Neubeurteilung auf dem Stand der Verfügung vom 26. August 1998 an die Vorinstanz zurückzuweisen". 
 
Mit Entscheid vom 1. Februar 2002 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern das Rechtsmittel und zugleich auch die im selben Verfahren behandelte Beschwerde gegen die Verfügung vom 26. August 1998 ab. 
C. 
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides und der beiden Verwaltungsverfügungen sei die Sache zur näheren Abklärung der Arbeitsfähigkeit im Zeitpunkt der Verfügung vom 26. August 1998 an die IV-Stelle zurückzuweisen. Im Weiteren ersucht er um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung. 
 
Während die IV-Stelle die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Nach den unbestrittenen Feststellungen des kantonalen Gerichts war die Verfügung vom 26. August 1998 rechtzeitig und formgültig, wenn auch bei der unzuständigen IV-Stelle, angefochten worden und das Verfahren im Zeitpunkt der Beschwerde gegen die Verfügung vom 31. August 2001 hängig. Die Vorinstanz durfte und musste daher, um nicht in formelle Rechtsverweigerung zu verfallen, auch die Beschwerde gegen die Verfügung vom 26. August 1998 prüfen. 
1.1 Materiell zu beurteilen ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 Abs. 1, 1bis und 2 IVG), und zwar vorab unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsfähigkeit als einem Faktor der Invaliditätsbemessung. 
1.2 Gemäss Hausarzt Dr. med. S.________, Innere Medizin FMH, bestand für den im Zeitraum 1978 bis 1996 ausgeübten Beruf eines Gipserhandlangers volle Arbeitsunfähigkeit. Körperliche, leichte Tätigkeiten wären denkbar. Falls ein operativer Eingriff (segmentale Spondylodese) Besserung bringe, könnte der Versicherte eventuell leichte Malerarbeiten ausführen (Bericht vom 9. Januar 1998). Sodann wurde im Bericht der Neurologisch-Neurochirurgischen Poliklinik des Spitals Bern vom 25. April 1998 ausgeführt, in einer "angepassten " Tätigkeit könne der Beschwerdeführer 100% arbeiten. Mit einer (weiteren) Spondylodese liesse sich die Arbeitsfähigkeit wesentlich verbessern, wenn der Versicherte in einer ihm angepassten Tätigkeit arbeite. Seitens derselben Klinik war zuvor nach ambulanter Untersuchung vom 18. August 1997 eine weitere Operation (segmentale Spondylodese) empfohlen worden, was jedoch gemäss Bericht vom Beschwerdeführer a priori abgelehnt wurde. 
 
Gestützt auf diese medizinischen Unterlagen geht das kantonale Gericht davon aus, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Verfügung vom 26. August 1998 auch ohne eine weitere Operation in einer angepassten rückenschonenden Tätigkeit zu 100% arbeitsfähig gewesen. 
1.3 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird zu Recht auf den Widerspruch in der Einschätzung der Poliklinik vom 25. April 1998 hingewiesen, wonach einerseits die Arbeitsfähigkeit in einer "angepassten" Tätigkeit voll gegeben sei, anderseits aber mit einer Spondylodese wesentlich verbessert werden könne. Dass auf die Aussagen der Klinikärzte nicht ohne weiteres abgestellt werden kann, ergibt sich sodann aus der in diesem Verfahren eingereichten Stellungnahme des Dr. med. B________, welcher seinerzeit am Untersuch und an der Verfassung des Berichts mitgewirkt hatte. Danach sei der Beschwerdeführer ohne Operation für leichtere Arbeiten in einer rückengerechten, leichten Tätigkeit zu 50% arbeitsfähig. Nach einer erfolgreichen Spondylodese bestehe allenfalls auch eine Arbeitsfähigkeit von 100%, was sich jedoch erst nach einer allfälligen Operation entscheiden lasse. 
1.4 Aufgrund des Gesagten erlauben der Bericht der Poliklinik vom 25. April 1998 und auch die restlichen medizinischen Unterlagen nicht den Schluss auf eine 100%ige Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit. Damit ist dem auf dieser Annahme beruhenden Einkommensvergleich der Vorinstanz, woraus kein anspruchsbegründender Invaliditätsgrad resultiert, eine wesentliche Grundlage entzogen, und es kann darauf nicht abgestellt werden. Es wird Sache der IV-Stelle sein, ergänzende medizinische Abklärungen der Arbeitsfähigkeit, gegebenenfalls auch der Zumutbarkeit einer dritten Rückenoperation, vorzunehmen und anschliessend über den Leistungsanspruch neu zu verfügen. 
2. 
Die Verwaltung hat in der Nichteintretensverfügung vom 31. August 2001 den Gesundheitszustand mit demjenigen im Zeitpunkt der ersten Verfügung vom 26. August 1998 verglichen. Da die Arbeitsfähigkeit neu abgeklärt werden muss und dabei der bis zur neuen Entscheidung verwirklichte Sachverhalt zu berücksichtigen sein wird, sind die Verfügung vom 31. August 2001 und der Entscheid des kantonalen Gerichts, soweit damit die dagegen gerichtete Beschwerde abgewiesen wurde, ebenfalls aufzuheben. 
3. 
Im vorliegenden Verfahren geht es hauptsächlich um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, weshalb von der Auferlegung von Gerichtskosten abzusehen ist (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung, welche für das gesamte Verfahren festzusetzen ist (Art. 159 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 135 OG; Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG). Damit erweist sich der Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege als gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 1. Februar 2002 sowie die Verfügungen vom 26. August 1998 und 31. August 2001 aufgehoben, und es wird die Sache an die IV-Stelle Bern zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch neu verfüge. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle Bern hat dem Beschwerdeführer für das gesamte Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 4'435.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Schweizerischen Gewerbes, Bern, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 27. September 2002 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: