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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_56/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 27. November 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Moses. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.X.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Eveline Gloor, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Versuchte vorsätzliche Tötung; stationäre Massnahme, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 23. Oktober 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm erhob am 17. September 2013 Anklage gegen A.X.________ wegen versuchter Tötung, alternativ Gefährdung des Lebens oder versuchter schwerer Körperverletzung. Am 11. Dezember 2013 sprach das Bezirksgericht Zofingen A.X.________ von diesen Vorwürfen frei. 
 
B.  
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft erklärte das Obergericht des Kantons Aargau A.X.________ am 23. Oktober 2014 der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig. Es bestrafte sie dafür mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme an. 
Das Obergericht erachtet es als erstellt, dass A.X.________ am 24. März 2013 ein Messer holte und die Absicht hatte, damit auf ihren Vater B.X.________ einzustechen. Als sie die herbeigeeilten Nachbarn C.________ und D.________ erblickt habe, sei sie kurzzeitig von der weiteren Verwirklichung ihres Tatentschlusses abgehalten worden. Stattdessen habe sie in die Treppe und in die Wand gestochen. Sie habe aber auf ihren Vater weiterhin zustechen wollen und sei zumindest einmal in dieser Absicht mit erhobenem Messer bis auf ca. zwei Meter an ihn herangetreten. Als A.X.________ von C.________ an einer weiteren Annäherung an den Vater gehindert worden sei, habe sie einem bereits zuvor von ihr malträtierten Hocker Stiche zugefügt. 
 
C.  
A.X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, sie sei vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung freizusprechen und ihr sei eine Genugtuung von Fr. 26'300.-- sowie eine Entschädigung von Fr. 18'780.-- zuzusprechen. Eventualiter sei eine ambulante Massnahme anzuordnen und der Vollzug der Freiheitsstrafe zu deren Gunsten aufzuschieben. A.X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
D.  
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Obergericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin machte bereits im vorinstanzlichen Verfahren geltend, sie habe das Messer im ersten Augenblick an sich genommen, um auf ihren Vater einzustechen. Diesen Gedanken habe sie aber aufgrund ihres schlechten Gewissens sofort wieder fallen lassen. Die Vorinstanz wertet dies als Schutzbehauptung. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin sich ansonsten mit dem Messer auf den Weg in Richtung der Treppe und des Erdgeschosses, wo sich der Vater befand, gemacht haben sollte. Dass die Beschwerdeführerin ihrem Vater nur Angst habe machen wollen, sei nicht glaubhaft. Sie sei zum Tatzeitpunkt ausser sich vor Wut gewesen, weshalb sie nicht überlegt und zielgerichtet habe handeln können. Zudem habe sie damit gedroht, dass sie ihren Vater einmal totschlagen werde, dass es keine Rolle spielen würde, wenn er fehle, sowie dass sie ihn fertig machen werde. Diese Drohungen seien ernst zu nehmen. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin bereits am Vortag gegenüber ihrem Vater gewalttätig geworden. Aufgrund der gesamten Umstände erachtet es die Vorinstanz als erstellt, dass die Beschwerdeführerin während des ganzen Tatgeschehens die Absicht aufrecht erhielt, ihren Vater mit dem Messer zu stechen. Sie habe ein ungezieltes und kräftiges Einstechen beabsichtigt. Das damit verbundene Risiko tödlicher Verletzungen sei ihr bekannt gewesen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin, für den Fall, dass sie ihren Tatentschluss verwirklicht hätte, die Tötung ihres Vaters zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Die Vorinstanz erwägt weiter, dass die Beschwerdeführerin lediglich wegen der herbeigeeilten Nachbarn auf der Treppe stehen blieb und sich ihrem Vater zunächst nicht weiter genähert hat. Nachdem sie sich ins Erdgeschoss begeben hatte, sei sie zumindest einmal mit erhobenem Messer bis auf zirka zwei Meter an ihren Vater herangetreten. Sie sei lediglich von C.________ daran gehindert worden, auf ihren Vater loszugehen. Dieser habe die Arme gehoben und mit energischer Stimme gesprochen. Die Beschwerdeführerin habe sich somit der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig gemacht.  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe den Gedanken, ihren Vater zu töten, lediglich beim Ergreifen des Messers gehabt und sogleich verworfen. Sie habe daher nicht zur Tatverwirklichung angesetzt; der gedankliche Entschluss, jemanden umzubringen, sei alleine nicht strafbar. Die Beschwerdeführerin macht insbesondere geltend, ein eigentlicher Angriff auf ihren Vater habe nicht stattgefunden. Sie habe ihrem Vater lediglich Angst machen und ihre Wut abreagieren wollen. Weder der Geschädigte noch die anderen anwesenden Personen hätten das Gefühl gehabt, sie wolle ihren Vater mit dem Messer stechen. Sie habe gar nicht versucht, an C.________ vorbeizukommen, und dieser habe keine körperliche Gewalt anwenden müssen, um sie davon abzuhalten, ihren Vater mit dem Messer anzugreifen.  
Die Beschwerdeführerin rügt ebenfalls, die Vorinstanz zitiere Entscheide, in denen der Täter tatsächlich mit einem Messer in den Oberkörper des Opfers stach. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall gewesen. Trotzdem gehe die Vorinstanz ohne nähere Begründung davon aus, dass sich der Tatentschluss auf ein ungezieltes kräftiges Einstechen auf den Vater beziehe. 
 
1.3.  
 
1.3.1. Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende führt oder der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht eintritt oder dieser nicht eintreten kann (Art. 22 Abs. 1 StGB). Beim Versuch erfüllt der Täter sämtliche subjektive Tatbestandsmerkmale und manifestiert seine Tatentschlossenheit, ohne dass alle objektiven Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind (BGE 137 IV 113 E. 1.4.2 mit Hinweisen). Zur "Ausführung" im Sinne von Art. 22 Abs. 1 StGB gehört jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zur Tatbestandsverwirklichung den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen (BGE 131 IV 100 E. 7.2.1 mit Hinweisen).  
Was der Täter wusste, wollte oder in Kauf nahm, betrifft sogenannte innere Tatsachen, die vor Bundesgericht nur im Rahmen von Art. 97 Abs. 1 BGG gerügt werden können (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3). Danach kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 mit Hinweisen). Dem Grundsatz in dubio pro reo kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). 
 
1.3.2. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der vorinstanzlichen Feststellungen zum Tatentschluss erschöpfen sich weitgehend in appellatorischer Kritik, wie etwa, wenn sie geltend macht, sie habe ihrem Vater lediglich Angst machen wollen oder sie habe gar nicht versucht, an C.________ vorbeizukommen. Darauf ist nicht einzutreten. Nicht zu folgen ist der Beschwerdeführerin, wenn sie rügt, keine der anwesenden Personen habe das Gefühl gehabt, sie wolle ihren Vater niederstechen. C.________ erklärte diesbezüglich, er habe sich wiederholt zwischen Vater und Tochter stellen müssen, um "Schlimmeres" zu vermeiden. Er habe den Eindruck gehabt, dass die Beschwerdeführerin sonst mit dem Messer auf den Vater losgegangen wäre. Dass der Vater selbst nicht befürchtet habe, die Beschwerdeführerin würde auf ihn stechen, lässt die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung aufgrund des Umstandes, dass dieser angab, vor seiner Tochter Angst zu haben (Urteil, S. 15) sowie der Wahrnehmung der anderen Beteiligten nicht als willkürlich erscheinen.  
Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie festhält, die Beschwerdeführerin habe die Schwelle des Versuchs spätestens zum Zeitpunkt überschritten, als sie mit erhobenem Messer bis auf zirka zwei Meter an ihren Vater herangetreten ist. Dass C.________ sie nicht mit Gewalt, sondern nur durch Heben der Arme und energischer Stimme davon abhielt, auf ihren Vater einzustechen, ist ohne Belang. 
 
1.3.3. Die Vorinstanz begründet ihre Schlussfolgerung, die Beschwerdeführer habe ein ungezieltes und kräftiges Einstechen auf ihren Vater beabsichtigt mit deren aufgebrachten Zustand, namentlich mit Blick auf die Wucht, mit welcher sie auf die verschiedenen Gegenstände einwirkte (Urteil, S. 17 f.). Die Rüge der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz nehme dies ohne nähere Begründung an, geht fehl.  
Dass die Vorinstanz Urteile zitiere, in denen der Täter tatsächlich in den Oberkörper des Opfers stach, geht an der Sache vorbei, zumal ein strafbarer Versuch bereits vorliegen kann, bevor der Täter gegen das Opfer Gewalt anwendet. 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Aussagen, die sie in Abwesenheit eines amtlichen Verteidigers gemacht hat, seien unverwertbar. Die einzige derartige Erklärung der Beschwerdeführerin, die von der Vorinstanz im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung gewürdigt wurde, ist diejenige, sie wisse nicht, was sie getan hätte, wenn am besagten Abend niemand zwischen ihr und ihrem Vater gestanden hätte. Die Vorinstanz nützt diese Aussage lediglich als Nachweis dafür, dass die Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt ausser sich vor Wut gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus den übereinstimmenden Behauptungen der weiteren anwesenden Personen (Urteil, S. 16). Weder legt die Beschwerdeführerin dar noch ist ersichtlich, inwiefern sich die erwähnte Aussage konkret zu ihren Ungunsten ausgewirkt haben soll. Die Rüge ist unbegründet. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin verlangt, für den Fall eines Freispruchs, eine Genugtuung von Fr. 26'300.-- und eine Entschädigung von Fr. 18'780.--. Da der Schuldspruch bestätigt wird, ist darauf nicht einzugehen. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz hält fest, dass gemäss psychiatrischem Gutachten vom 4. Juni 2013 bei der Beschwerdeführerin die Diagnose einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung, Borderline Typ, gestellt worden sei, welche sich unter anderem auf eine frühkindliche hirnorganische Schädigung zurückführen lasse. Eine ambulante Behandlung könne nach dem Gutachten nicht als ausreichend erachtet werden, um den therapeutischen Notwendigkeiten adäquat Rechnung zu tragen. Bis die Therapie rückfallpräventiv greifen würde, wäre die Beschwerdeführerin im ambulanten Setting zahlreichen Risikosituationen und damit einer hohen Rückfallgefahr ausgesetzt. Am 8. Dezember 2013 sei ein neues Gutachten erstellt worden, nach welchem weiterhin eine hohe Rückfall- und Ausführungsgefahr für weitere impulsive Gewalthandlungen bestehe. Die Gutachten vom 4. Juni 2013 und vom 8. Dezember 2013 würden die Anforderungen von Art. 56 Abs. 3 StGB erfüllen. Es sei im Weiteren nicht ersichtlich, inwiefern sich die Situation bei der Beschwerdeführerin nach ihrer Entlassung aus der Haft im Dezember 2013 derart geändert haben soll, dass nicht mehr auf die erwähnten Gutachten abgestellt werden könne. Weder der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nun eine eigene Wohnung habe, noch dass sie den Kontakt zu ihrer Mutter gänzlich abgebrochen und den Umgang mit ihrem Vater erheblich reduziert habe, würde etwas an der festgestellten Rückfall- bzw. Ausführungsgefahr ändern. Die Schaffung einer eigenen Wohnsituation bringe gar zahlreiche Risikosituationen mit sich. Auch sei das geltend gemachte soziale Umfeld nicht ersichtlich; es bestehe vielmehr der Eindruck, dass die Beschwerdeführerin nur beschränkt soziale Kontakte pflege und zurückgezogen lebe. Auch die Tatsache, dass sie wieder arbeite und versuche eine Ausbildung aufzugleisen, ändere an der festgestellten Diagnose nichts. Gemäss den Ausführungen der Gutachterin liege der Schwerpunkt bei der Beschwerdeführerin in der Verbesserung der Psychopathologie, der Verhaltenskontrolle und im Aufbau eines deliktsprotektiven inneren Managements, wohingegen die berufliche Aus- und Weiterbildung nur zweitrangig beurteilt werde. Soweit die Beschwerdeführerin geltend mache, dass sie sich freiwillig in Psychotherapie begebe, sei festzuhalten, dass eine ambulante Therapie nach den Folgerungen der Gutachterin eben nicht ausreiche, um aufkommende Risikosituationen rechtzeitig zu identifizieren. Die Vorinstanz erwägt zudem, dass eine stationäre therapeutische Massnahme grundsätzlich geeignet sei, um die Störungen der Beschwerdeführerin zu behandeln. Durch eine solche Behandlung sei es möglich, der Beschwerdeführerin von Aussen Struktur und Stabilität zu vermitteln, bis durch eine Nachreifung die sozialen Kompetenzen und die gewaltfördernden Persönlichkeitsmerkmale eine Besserung erfahren. Zudem könne nach erfolgreicher Therapie ein geeigneter sozialer Empfangsraum gefunden werden. Eine stationäre Massnahme sei auch erforderlich und verhältnismässig. Die Beschwerdeführerin werde nicht aus einem tragenden sozialen Umfeld gerissen.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Gutachten seien mangelhaft. Einen Antrag auf eine aktuelle Begutachtung habe die Vorinstanz abgewiesen. Die angeordnete Massnahme sei nicht verhältnismässig. Die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, dass sie nicht aus einem tragenden sozialen Umfeld gerissen werde. Sie habe bis Dezember 2014 bei den Eheleuten E.________ gearbeitet, die weiterhin bereit seien, sie zu unterstützen. Seit Januar 2015 habe sie eine Praktikumsstelle. Daneben verfüge sie über mehrere Sozialkontakte. Die von ihr wöchentlich besuchte ambulante Behandlung sei ausreichend, um allfällige Defizite zu behandeln. Sie sei ruhiger geworden und habe alles, was sie sich vorgenommen habe, erreicht, wie etwa eine eigene Wohnung und eine Praktikumsstelle. Sie lebe in einem stabilen und tragenden Umfeld. Die von der Vorinstanz angeordnete stationäre Massnahme sei nicht verhältnismässig. Um ihre wertvollen Ressourcen nicht zu opfern, sei davon abzusehen und sie sei weiterhin ambulant zu behandeln. Die Erstellung eines aktuellen Gutachtens sei unumgänglich.  
 
4.3.  
 
4.3.1. Nach Art. 56 Abs. 3 StGB stützt sich das Gericht beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 und 64 StGB auf eine sachverständige Begutachtung. Zur Beantwortung der Frage, ob ein früheres Gutachten hinreichend aktuell ist, ist nicht primär auf das formelle Kriterium des Alters des Gutachtens abzustellen. Massgeblich ist vielmehr die materielle Frage, ob Gewähr dafür besteht, dass sich die Ausgangslage seit der Erstellung des Gutachtens nicht gewandelt hat. Soweit ein früheres Gutachten mit Ablauf der Zeit und zufolge veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst hat, sind neue Abklärungen unabdingbar (BGE 134 IV 246 E. 4.3; Urteil 6B_1230/2014 vom 20. April 2015 E. 2.3.2; MARIANNE HEER, Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl. 2013, N. 68 zu Art. 56 StGB).  
 
4.3.2. Die Beschwerdeführerin war vom 24. März 2013 bis zum 11. Dezember 2013 in Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft. Sämtliche Gutachten wurden in diesem Zeitraum erstellt. In ihrem Gutachten vom 4. Juni 2013 hält die Sachverständige fest, von einer Entlassung aus der Haft in eine gemeinsame Wohnsituation mit dem Vater oder auch in eine eigene Wohnung, beziehungsweise zu Bekannten oder Freunden, sei abzuraten. Eine stationäre Therapie sei dringend indiziert. Bis diese greifen würde, wäre die Beschwerdeführerin in einem ambulanten Setting zahlreichen Risikosituationen und damit einer hohen Rückfallgefahr ausgesetzt. Im stationären Umfeld könne für die Beschwerdeführerin, nach erfolgreicher Therapie, ein geeigneter sozialer Empfangsraum gefunden werden (kantonale Akten, pag. 24 ff., 59 f.). Im Gutachten vom 17. Juli 2013 hält die Gutachterin erneut fest, dass beim Austritt aus der Haft kein sozialer Empfangsraum bestehe (kantonale Akten, p. 78 ff., 118). Eine ambulante Behandlung könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht als ausreichend erachtet werden, zumal die Beschwerdeführerin in Freiheit noch kein Selbstbeobachtungswerkzeug besitze, um deliktsfördernde Gedanken oder Emotionen wahrzunehmen (pag. 121). Für die festgestellte psychische Störung würden geeignete Behandlungsprogramme zur Verfügung stehen. Durch eine psychotherapeutische Behandlung liesse sich die Gefahr weiterer Straftaten begegnen; mit einer stationären Therapie könne der Beschwerdeführerin Struktur und Stabilität vermittelt werden, bis die sozialen Kompetenzen und die gewaltsfördernden Persönlichkeitsmerkmale eine Besserung erfahren haben. Der hirnorganische Substanzdefekt sei hingegen nicht behandelbar, es sei aber möglich, die Ausführungsgefahr für Gewalttaten mittels einer störungs- und deliktsspezifischen Therapie zu mildern (pag. 123).  
Die Gutachterin erstellte ihre Gutachten zu einem Zeitpunkt, als die Beschwerdeführerin in Haft war. Sie empfiehlt eine stationäre Massnahme aufgrund einer Prognose für den Fall einer Haftentlassung und hält ausdrücklich fest, dass eine ambulante Massnahme zum damaligen Zeitpunkt nicht ausreichend gewesen wäre. Im Rahmen ihrer Prognose geht die Sachverständige unter anderem davon aus, dass eine Entlassung der Beschwerdeführerin aus der Haft in eine eigene Wohnung nicht angebracht sei. Die Vorinstanz fällte das angefochtene Urteil mehr als zehn Monate, nachdem die Beschwerdeführerin aus der Haft entlassen wurde und eine eigene Wohnung bezogen hatte. Die Beschwerdeführerin gab zudem an, während dieser Zeit freiwillig in ambulanter Behandlung zu sein. Unter diesen Umständen kann nicht auf eine für den Fall einer - bereits eingetretenen - Entlassung aus der Haft erstellten Prognose abgestellt werden. Vielmehr ist abzuklären, ob in Freiheit eine Besserung stattgefunden hat, die eine ambulante Massnahme als ausreichend erscheinen lässt. Die Auffassung der Vorinstanz, die Entlassung aus der Haft sei keine Änderung, die eine neue Begutachtung rechtfertigen würde, ist haltlos. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen. Es erübrigt sich, auf die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin einzugehen. 
 
5.  
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Der Kanton Aargau hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren im Umfang ihres Obsiegens angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss der Rechtsvertreterin auszurichten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in diesem Umfang gegenstandslos. Soweit die Beschwerdeführerin unterliegt, ist es zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Ihrer finanziellen Lage ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 23. Oktober 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
3.   
Der Beschwerdeführerin werden Gerichtskosten von Fr. 800.-- auferlegt. 
 
4.   
Der Kanton Aargau hat der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin, Rechtsanwältin Eveline Gloor, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. November 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Moses