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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.480/2002 /bnm 
 
Urteil vom 28. Januar 2003 
II. Zivilabteilung 
 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichterin Escher, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Z.________ (Ehemann), 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Bischofberger, Mellingerstrasse 6, Postfach 2028, 5402 Baden, 
 
gegen 
 
Y.________ (Ehefrau), 
Beschwerdegegnerin, 
handelnd durch Marianne Herzog-Frey, 5080 Laufenburg, und diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Studer, Badstrasse 17, Postfach 947, 5401 Baden, 
Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau. 
 
Art. 9 BV (Ehescheidung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, vom 29. Oktober 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Urteil vom 24. Oktober 2001 schied der Gerichtspräsident von Laufenburg die Ehe von Z.________ (nachfolgend: Kläger oder Beschwerdeführer) und von Y.________ (nachfolgend Beklagte oder Beschwerdegegnerin). Er entschied ferner über die Nebenfolgen der Scheidung und verpflichtete den Kläger unter anderem dazu, der Beklagten ab Rechtskraft des Urteils im Scheidungspunkt bis zu seiner Pensionierung gestützt auf Art. 125 ZGB monatlich zum Voraus eine persönliche Rente von Fr. 1'300.-- zu bezahlen. 
B. 
Dagegen appellierte der Kläger an das Obergericht des Kantons Aargau mit dem Begehren, der Unterhaltsbeitrag an die Beklagte sei zu streichen; eventuell sei festzuhalten, dass er sich verhältnismässig um die an die Beklagte entrichteten Leistungen aus dem Unfall (Erwerbsersatz und sonstiges Einkommen, mit Ausnahme der Invaliditäts-/Integritätsentschädigung) reduziere. 
 
Das Obergericht wies die Appellation mit Urteil vom 29. Oktober 2002 ab. Zur Begründung hielt es im Wesentlichen dafür, die Beklagte habe 1996 einen Unfall erlitten, sei nunmehr an den Rollstuhl gefesselt und lebe in einem Alters- und Betagtenheim. Die Versicherung X.________ (nachfolgend: Haftpflichtversicherung) als Motorhaftpflichtversicherung der unfallverursachenden Motorfahrzeuglenkerin anerkenne ihre Verpflichtung, die Schadensersatzansprüche der Beklagten zu befriedigen, und habe denn auch bisher die Regressforderungen anderer aus dem Unfallereignis leistungspflichtiger Versicherer beglichen sowie akonto einen Betrag von Fr. 50'000.-- als Genugtuung geleistet. Das Obergericht hielt weiter dafür, es sei nicht zu beanstanden, dass die erste Instanz die noch nicht abschliessend erbrachten Leistungen der Haftpflichtversicherung aus der Unterhaltsberechnung ausgeklammert habe. Zwar handle es sich dabei um Einkünfte der Beklagten; doch dienten diese, mit Ausnahme der von der ersten Instanz als Einkommen berücksichtigten Erwerbsausfallrente der Versicherung X.________ von Fr. 3'000.-- pro Jahr, ausschliesslich der Deckung der zufolge des Unfalles vom Jahr 1996 erhöhten Lebenshaltungskosten (medizinische Behandlung, Pflege und Aufenthalt in einem Pflegeheim) und stellten somit insoweit entgegen der Auffassung des Klägers gar kein Erwerbsersatzeinkommen der Beklagten dar. Ausgeschlossen sei, dass die Haftpflichtversicherung mehr als diese Mehrkosten übernehmen werde. Die Versicherung erachte den Abschluss des Versicherungsfalles als derzeit unmöglich, weil sie die Unterhaltsverpflichtung des Klägers nicht kenne. Sie vertrete aber mit Recht die Ansicht, dass dem Kläger aus dem Unfall der Beklagten kein Vorteil erwachsen dürfe, und beabsichtige daher bei der Schadensberechnung lediglich Einkünfte zu berücksichtigen, welche die Beklagte ohne Unfall erhalten hätte. Umgekehrt dürfe davon ausgegangen werden, dass die Haftpflichtversicherung die gesamten der Beklagten aus dem Unfall erwachsenen Mehrkosten übernehme, weshalb die vom Kläger beantragte Edition der gesamten Korrespondenz zwischen der Beklagten und der Haftpflichtversicherung nicht erforderlich sei. Nach dem Ausgeführten könne die Berücksichtigung dieser Einkünfte der Haftpflichtversicherung unterbleiben, weil ihnen eben deckungsgleiche Mehrausgaben gegenüberstünden. Deshalb bleibe es bei dem von der ersten Instanz angenommenen hypothetischen Einkommen der Beklagten ohne Unfall von Fr. 1'400.--, welches sich aus einer halben Rente der Invalidenversicherung (Fr. 662.--), der von der Versicherung X.________ bezahlten Erwerbsausfallrente (Fr. 250.-- = Fr. 3'000.--:12) und einem Zusatzeinkommen aus kleineren Hausarbeiten (sinngemäss Fr. 488.--) zusammensetze. 
C. 
Der Kläger hat gegen dieses Urteil beim Bundesgericht sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht; mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt er, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die letzte kantonale Instanz zurückzuweisen. 
 
Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden, und der Entscheid über die Berufung ist auszusetzen (Art. 57 Abs. 5 OG). Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, anders zu verfahren. 
2. 
Der Beschwerdeführer erachtet das angefochtene Urteil als willkürlich (Art. 9 BV). Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 123 I 1 E. 4a S. 5 mit Hinweisen; 127 I 54 E. 2b S. 56). 
2.1 Zur Begründung macht der Beschwerdeführer zusammengefasst im Wesentlichen geltend, das Obergericht verfalle in Willkür, indem es davon ausgehe, die Haftpflichtversicherung werde nur die Mehrkosten übernehmen, sei diese doch verpflichtet, die Leistungen nach Art. 46 OR zu erbringen. Werde wie hier eine Person verletzt und in ihrer Arbeitsfähigkeit bei der Bewältigung der täglich anfallenden Verrichtungen beeinträchtigt, sei ihr Schaden meist nach dem Aufwand zu bemessen, den eine Ersatzkraft kostet, bzw. kosten würde. Die Beschwerdegegnerin sei vor dem Unfall bereits zu 63% invalid gewesen, womit die Unfallversicherung die restlichen 37% der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zu ersetzen habe. Das Obergericht nehme zwar ein hypothetisches Einkommen der Beschwerdegegnerin von Fr. 488.-- an, ohne allerdings auszuführen, wie sich dieses bemesse. Es sei willkürlich, ein solches Einkommen zu ermitteln, ohne die in Literatur und Judikatur entwickelte Methode zu berücksichtigen. 
2.2 
2.2.1 Aus dem Schreiben der Haftpflichtversicherung vom 17. Mai 2002, auf welches das Obergericht in seinen Ausführungen verweist, ergibt sich, dass die Haftpflichtversicherung bei der Schadensberechnung lediglich Einkünfte berücksichtigt, welche die Beschwerdegegnerin ohne Unfall auch tatsächlich erhalten hätte. Entnehmen lässt sich daraus ferner, dass die Haftpflichtversicherung der Beschwerdegegnerin bisher eine Anzahlung an die Genugtuung in der Höhe von Fr. 50'000.-- bezahlt hat; ferner wurden Regressforderungen der Krankenkasse und der Unfallversicherung befriedigt und monatliche Kosten für das Tierheim von Fr. 600.-- bezahlt. Darüber hinaus hat die Haftpflichtversicherung keine Zahlungsversprechen abgegeben und zudem auch mitgeteilt, dass zur Zeit auch nicht abschliessend zu beantworten sei, ob die Beschwerdegegnerin mit einer monatlichen Mindestleistung von Fr. 3'000.-- rechnen könne, da es zudem schwierig sei, die Entwicklung der Heimkosten vorauszusehen. Aus diesen Ausführungen erhellt einerseits, dass die Haftpflichtversicherung unter dem Titel Erwerbsausfall bisher nichts bezahlt hat. Im Lichte der tatsächlichen Ausführungen aber erweist sich die Feststellung des Obergerichts, die Haftpflichtversicherung werde nur die beschriebenen Mehrkosten übernehmen, nicht als willkürlich. 
2.2.2 Ebenso wenig geeignet, Willkür darzutun, sind die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Höhe des Einkommens (Fr. 488.--) aus der Erwerbstätigkeit, welcher die Beschwerdegegnerin nachgehen könnte, hätte sie den Unfall nicht erlitten. 
 
Das Obergericht verweist auf das Urteil des Bezirksgerichts von Laufenburg vom 24. Oktober 2001; danach hat die am 1. April 1956 geborene Beschwerdegegnerin nach der Schule ein Haushaltlehrjahr absolviert und nachher an verschiedenen Orten als Zimmermädchen gearbeitet. Während der Ehe konnte sie aus gesundheitlichen Gründen nebst der Arbeit im Haushalt mit dem grossen Haus keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Vor dem Unfall aus dem Jahre 1996 war die Beschwerdegegnerin bereits zu 63% invalid, weshalb sie auch ohne diesen Unfall Anspruch auf eine halbe IV-Rente hätte. Aufgrund der Gesundheit, des Alters und der Ausbildung der Beschwerdegegnerin kann laut dem bezirksgerichtlichen Urteil nicht davon ausgegangen werden, dass sie heute (zum Zeitpunkt des Urteils der ersten Instanz) - ohne der Unfall aus dem Jahr 1996 - noch einer grossen Erwerbstätigkeit nachgehen könnte; es seien ihr nur kleinere Haushaltarbeiten zuzumuten. 
 
Unter Berücksichtigung der vom Obergericht persönlich festgestellten bzw. durch Verweis auf das bezirksgerichtliche Urteil übernommenen Umstände erweist sich der Betrag von Fr. 488.-- alles andere als unhaltbar, zumal er die einschlägigen Faktoren berücksichtigt, die es bei der Festsetzung des einem Ehegatten zumutbaren und möglichen Einkommens zu beachten gilt. Die Auseinandersetzungen des Beschwerdeführers erschöpfen sich denn auch über weite Strecken in rechtstheoretischen Ausführungen über die Schadensberechnung, die indes den konkreten Umständen des Einzelfalles nicht Rechnung tragen. 
3. 
Soweit der Beschwerdeführer schliesslich dem Obergericht vorwirft, rechtzeitig beantragte Beweise nicht abgenommen zu haben, ist auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten. Da es sich bei der Frage des Unterhaltsbeitrages um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit handelt, deren Streitwert im konkreten Fall den Betrag von Fr. 8'000.-- übersteigt, kann die Verletzung des sich aus Art. 8 ZGB ergebenden Beweisführungsanspruchs dem Bundesgericht mit Berufung vorgetragen werden (BGE 108 Ia 293 E. 4c S. 294; 114 II 289 E. 2a S. 291). Die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde ist insoweit unzulässig (Art. 84 Abs. 2 OG). 
4. 
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung zu Gunsten der Beschwerdegegnerin ist nicht festzusetzen, zumal keine Vernehmlassung eingeholt worden ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf zutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 28. Januar 2003 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: