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[AZA] 
I 529/99 Ca 
 
IV. Kammer  
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 28. März 2000  
 
in Sachen 
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 
St. Gallen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
W.________, 1940, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechts- 
anwalt B.________, 
 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
    Mit Verfügung vom 3. Juli 1997 lehnte die IV-Stelle 
des Kantons St. Gallen das Gesuch des 1940 geborenen 
W.________ um eine IV-Rente ab. 
    Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versiche- 
rungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 
30. Juni 1999 in dem Sinne gut, dass es die Sache zu ergän- 
zenden Abklärungen an die IV-Stelle zurückwies. 
    Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit 
dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
    W.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsge- 
richtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversi- 
cherung reicht keine Stellungnahme ein. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch 
auf eine IV-Rente (Art. 4 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 2 IVG
sind im kantonalen Entscheid richtig dargelegt, weshalb 
darauf verwiesen wird. 
 
    2.- Streitig ist zunächst das hypothetische Validen- 
einkommen. 
 
    a) Die Verwaltung stellte auf das in der zuletzt aus- 
geübten Tätigkeit bei der B.________ AG erzielte Einkommen 
ab, welches sich nach Auskunft der Firma vom 20. Mai 1996 
im Jahr 1995 auf Fr. 65'650.- belief. Hiegegen machte der 
Versicherte schon im kantonalen Verfahren geltend, er habe 
bis 1979 als Maschinenführer in einem andern Betrieb gear- 
beitet. Damals habe er aus gesundheitlichen Gründen zur 
B.________ gewechselt, wo er einer leichteren Tätigkeit 
nachgehen konnte, aber einen Einkommensverlust von 15 % 
erlitten habe. Zur Ermittlung des Invaliditätsgrades sei 
daher auf den Lohn eines erfahrenen Maschinenführers abzu- 
stellen, der nach den einschlägigen Tabellenlöhnen 
Fr. 77'000.- betrage. Die Vorinstanz wies die Sache an die 
IV-Stelle zurück, damit sie abkläre, ob diese Angaben zu- 
träfen. Die IV-Stelle hingegen erachtet es als untauglich, 
Beweis über einen 20 Jahre zurück liegenden Sachverhalt zu 
führen. Selbst wenn sich die Behauptungen des Versicherten 
als wahr erweisen sollten, lasse sich kein gesicherter 
Schluss auf ein heutiges hypothetisches Valideneinkommen 
von Fr. 77'000.- ziehen. 
    b) Wie die Vorinstanz richtig erwogen hat, kann das 
hypothetische Valideneinkommen nicht immer ohne weiteres 
dem in der bisherigen Tätigkeit erzielten Lohn gleich 
gesetzt werden, namentlich dann nicht, wenn dieser Lohn 
selbst schon das Ergebnis einer früher eingetretenen ge- 
sundheitlichen Beeinträchtigung ist. Genau dies macht der 
Versicherte geltend. Es ist nicht auszuschliessen, dass er 
tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen von der Arbeit als 
Maschinenführer bei der S.________ AG zur B.________ AG ge- 
wechselt und dabei eine Lohneinbusse in Kauf genommen hat. 
Die Firma S.________ AG existiert nach den Angaben in den 
Akten offenbar noch. Somit ist ein Beweis über die "Vali- 
denkarriere" des Beschwerdegegners nicht von vornherein 
unmöglich, weshalb die vorinstanzliche Rückweisung zu nähe- 
ren Abklärungen zu bestätigen ist. 
 
    3.- a) Die Vorinstanz wies die Sache überdies an die 
Verwaltung zurück, damit sie die dem Beschwerdegegner noch 
verbliebene Arbeitsfähigkeit näher abkläre. Das Gutachten 
von Dr. med. N.________, Spezialarzt Orthopädische Chirur- 
gie FMH, vom 14. April 1997 genüge nicht, da es sich einzig 
zu zwei bestimmten Tätigkeiten äussere, nämlich zur bishe- 
rigen als Lagerarbeiter bei der B.________ AG und zu einer 
solchen als Lagerbewirtschafter im selben Betrieb. Eine 
Stellenbeschreibung habe dem Arzt nicht zur Verfügung ge- 
standen. Der Unterschied zwischen den beiden Tätigkeiten 
bleibe unklar. Die IV-Stelle werde prüfen, welche Arbeiten 
insgesamt dem Versicherten noch zumutbar seien, und hierauf 
einen Einkommensvergleich vornehmen. 
 
    b) Die Verwaltung gab im Administrativverfahren die 
erwähnte Begutachtung in Auftrag. Dabei stellte sie unter 
anderem Fragen nach der Arbeitsfähigkeit in der bisherigen 
Tätigkeit und "in der geplanten Tätigkeit als Lagerbewirt- 
schafter (Fa. B.________ AG) ". Der Gutachter antwortete in 
dem Sinne, dass der Versicherte in seinem Betrieb seit Juli 
1995 eine körperlich weniger belastende Tätigkeit ausüben 
könne, in welcher seine effektive Leistung 80 % betrage. 
Als Lagerbewirtschafter sei ihm eine Arbeitsfähigkeit von 
100 % zuzumuten. 
 
    c) In einem Kurzbericht vom 18. Juli 1997 bestreitet 
Dr. med. Z.________, Facharzt FMH für Allgemeine Medizin, 
diese Beurteilung der Arbeitsfähigkeit. "Mir scheint, Herr 
N.________ unterschätzt die Belastungen im Betrieb ganz 
gewaltig." Die B.________ AG hatte in der Auskunft vom 
20. Mai 1996 die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit auf 
20 % ab etwa Juli 1995 beziffert, hält diese Annahme aber 
im Bericht vom 21. Juni 1997 und in der telefonischen Ant- 
wort vom 1. Juli 1997 für überholt. Der Versicherte lässt 
einwenden, Dr. N.________ habe auf die veralteten Angaben 
der Firma aus dem Jahr 1995 abgestellt, ohne zu wissen, 
worin die Tätigkeiten konkret beständen. Seine Gesundheit 
verschlechtere sich laufend und erlaube ihm auch in körper- 
lich leichten Arbeiten keine volle Leistung mehr. 
 
    d) Ursprünglich arbeitete der Beschwerdegegner als 
"Lagerarbeiter" bei der B.________ AG. Gemäss Bericht der 
Firma vom 20. Mai 1996 erreichte er in dieser Tätigkeit 
seit Juli 1995 nur noch eine Leistung von 80 % (leistungs- 
gerechter Lohn Fr. 4160.- im Monat statt Fr. 5200.-). Laut 
Angaben des Berufsberaters vom 20. Dezember 1996 hat die 
Firma dem Versicherten angeboten, ab 1. Januar 1997 halb- 
tags mit halbem Lohn (Fr. 2600.-) in der "Lagerbewirtschaf- 
tung" zu arbeiten. Dieses Angebot scheine "das Richtige" zu 
sein. Demgegenüber beziffert Dr. N.________ die Arbeitsun- 
fähigkeit als "Lagerarbeiter" mit 20 %, hält aber die Tä- 
tigkeit als "Lagerbewirtschafter" für voll zumutbar. 
Dr. Z.________ bestreitet dieses Leistungsvermögen. Angaben 
über die Arbeitsfähigkeit in allfälligen weiteren, zumutba- 
ren Tätigkeiten sind keine vorhanden. 
    e) Das erwähnte Gutachten von Dr. N.________ bezieht 
sich einzig auf die zwei Tätigkeiten bei der B.________ AG. 
Worin sie sich unterscheiden und weshalb die Arbeit als 
Lagerbewirtschafter voll, diejenige als Lagerarbeiter nur 
zu 80 % zumutbar sei, bleibt unklar. Die Arbeitsfähigkeit 
von 80 % als Lagerarbeiter wird überdies nicht medizinisch, 
sondern mit den Angaben der Firma begründet, welche von 
Juli 1995 bis Ende 1996 eine Leistungsfähigkeit von 80 % 
für diese Arbeit bescheinigt hatte. Die Versicherten müssen 
sich jedoch auf dem gesamten, für sie in Frage kommenden 
Arbeitsmarkt umsehen. Ob und welche Tätigkeiten dem Be- 
schwerdegegner neben denjenigen am alten Arbeitsplatz noch 
in welchem Ausmass zumutbar sind, lässt sich dem Gutachten 
von Dr. N.________ nicht entnehmen. Dazu kommen die einan- 
der widersprechenden Angaben des Berufsberaters, der Ar- 
beitgeberin und des Hausarztes hinsichtlich der Tätigkeiten 
bei der B.________ AG. Im Übrigen entspricht der Einkom- 
mensvergleich in der angefochtenen Verfügung nicht dem üb- 
lichen Vorgehen (BGE 124 V 323), sondern stellt einzig auf 
die Angaben der B.________ AG vom 20. Mai 1995 ab, wonach 
eine Arbeitsfähigkeit von 80 % (in der alten Tätigkeit als 
Lagerarbeiter, nicht als Lagerbewirtschafter) bestehe. Die- 
se Einschätzung ist nach dem Gesagten möglicherweise über- 
holt. Unter solchen Umständen ist der Vorinstanz kein Vor- 
wurf zu machen, wenn sie die Sache auch in diesem Punkt zu 
näheren Abklärungen an die Verwaltung zurückgewiesen hat. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen hat dem Beschwer- 
    degegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen 
    Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
    Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezah- 
    len. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge- 
    richt des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse des 
    Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversi- 
    cherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 28. März 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: