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[AZA 0] 
6S.857/1999/hev 
 
KASSATIONSHOF 
************************* 
 
28. Juni 2000 
 
Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly und Gerichtsschreiber Näf. 
 
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In Sachen 
 
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Künzli, Villa Bianchi, Brunnenstrasse 27, Uster, 
 
gegen 
 
StaatsanwaltschaftdesKantons Aargau, 
 
betreffend 
versuchte Erschleichung einer falschen Beurkundung, 
(Art. 253 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 StGB), hat sich ergeben: 
 
A.- X.________ wird in der Anklageschrift zur Last gelegt, sie habe gemeinsam mit A.________ und B.________ unter falschen Angaben versucht, die Liegenschaft von X.________ an B.________ zu verschreiben. Die Stipulierung sei zwei Mal beim Grundbuchamt Dielsdorf angemeldet worden. Infolge Rückzugs der Finanzierungszusage sei das Objekt letztlich nicht verschrieben worden, weshalb es sich vorliegend um ein versuchtes Delikt handle. 
 
B.- 1. Das Bezirksgericht Bremgarten verurteilte X.________ am 19. März 1997 wegen vollendeten Versuchs der Erschleichung einer falschen Beurkundung (Art. 253 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat, unter Anrechnung von zwei Tagen Untersuchungshaft. 
 
Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 26. Juni 1998 die Berufung von X.________ ab. 
 
2. Der Kassationshof des Bundesgerichts hob am 7. Dezember 1998 auf eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde von X.________ hin das Urteil des Obergerichts im Verfahren nach Art. 277 BStP auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück. 
 
C.- Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte X.________ am 24. August 1999 wegen unvollendeten Versuchs der Erschleichung einer falschen Beurkundung (Art. 253 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat, unter Anrechnung von zwei Tagen Untersuchungshaft. 
 
D.- X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, der gegen sie erhobene Vorwurf sei in der Anklageschrift in tatsächlicher Hinsicht viel zu unbestimmt umschrieben. Ihre Verurteilung verletze daher den Anklagegrundsatz und somit Bundesrecht. 
 
Der Anklagegrundsatz ergibt sich zum einen aus dem kantonalen Strafprozessrecht und zum andern aus dem Verfassungsrecht, einschliesslich der EMRK. Deren Verletzung kann nicht mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden. 
 
Allerdings hat der Kassationshof in seinem Urteil vom 7. Dezember 1998 die Sache gemäss Art. 277 BStP zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Daraus ergibt sich aber entgegen einer Andeutung in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht, dass die Vorinstanz von Bundesrechts wegen verpflichtet gewesen wäre, ihrerseits die Sache zur Ergänzung bzw. Vervollständigung der Anklageschrift an die kantonale Anklagebehörde zurückzuweisen. 
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.- Gemäss Art. 253 StGB wird wegen Erschleichung einer falschen Beurkundung unter anderem bestraft, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet. Nach Art. 22 Abs. 1 StGB liegt vollendeter Versuch vor, wenn die strafbare Tätigkeit zu Ende geführt wird, aber der zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörende Erfolg nicht eintritt. Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder eines Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende, so ist unvollendeter Versuch gemäss Art. 21 Abs. 1 StGB gegeben. 
 
a) In einem von A.________ redigierten "Vorkaufsvertrag" vom 26. April 1994 (UA p. 1629), den die Beschwerdeführerin als Verkäuferin und B.________ als Käuferin unterzeichneten, wird unter anderem Folgendes festgehalten: 
 
"Verkaufspreis: Fr. 750'000. -- (...). Anzahlung gem. Schuldbrief im 2. Rang, lautend auf Fr. 400'000. --". 
Am 9. Mai 1994 sprach B.________ unter Vorlage dieses "Vorkaufsvertrags" beim Notariat Dielsdorf vor. Im Anschluss daran erstellte das Notariat auf der Grundlage des "Vorkaufsvertrags" vom 26. April 1994 einen Kaufvertragsentwurf, welchen es am 11. Mai 1994 an die Beschwerdeführerin, an B.________ und an den Schweizerischen Bankverein versandte. In diesem Entwurf wird unter anderem Folgendes festgehalten (UA p. 1617 ff.): 
 
"Der Kaufpreis beträgt pauschal Fr. 750'000. -- 
(...) und wird wie folgt getilgt: 
 
... 
 
Fr. 321'957. -- (...) werden getilgt durch Verrechnung mit der folgenden Forderung der Käuferin gegenüber der Verkäuferin: Fr. 321'957. -- Kapitalschuld laut Namenschuldbrief von nominal Fr. 400'000. -- dat. 21. März 1994, 2. Pfand stelle auf dem Kaufsobjekt. " 
 
Weder dieser Kaufvertragsentwurf noch irgendein anderer Grundstückkaufvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und B.________ wurde in der Folge öffentlich beurkundet. 
 
b) Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin im ersten Urteil vom 26. Juni 1998 in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids wegen vollendeten Versuchs der Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne von Art. 253 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB verurteilt. Im vorliegend angefochtenen, zweiten Urteil vom 24. August 1999 wurde die Beschwerdeführerin in teilweiser Gutheissung ihrer Berufung des unvollendeten Versuchs der Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne von Art. 253 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen. Die Einreichung des Entwurfs vom 26. April 1994, der einen höheren als den tatsächlich gewollten Kaufpreis enthielt, als Grundlage für den zu beurkundenden Kaufvertrag beim Notariat Dielsdorf und die Wahrnehmung des Besprechungstermins durch B.________ stellte nach Auffassung der Vorinstanz für die Beschwerdeführerin, B.________ und A.________ nach ihrem Plan den letzten entscheidenden Schritt zur Begehung der Erschleichung einer falschen Beurkundung dar. Mit der Unterzeichnung des von A.________ redigierten Vertragsentwurfs vom 26. April 1994 und ihrem Einverständnis, dass dieser durch B.________ dem Grundbuchamt Dielsdorf eingereicht werde und B.________ den Besprechungstermin wahrnehmen solle, habe sich die Beschwerdeführerin daran mit Wissen und Willen beteiligt (angefochtenes Urteil S. 10/11). Allerdings sei mit der Einreichung des Entwurfs vom 26. April 1994 beim Notariat Dielsdorf und dessen anschliessenden Besprechung nach der Vorstellung der Beteiligten noch nicht alles vorgekehrt worden, was zur Erschleichung der Falschbeurkundung erforderlich gewesen wäre. A.________, B.________ und die Beschwerdeführerin hätten gewusst, dass für die definitive Verschreibung der Liegenschaft ihre Zustimmung zum Vertragsentwurf des Notariats erforderlich und dass vor allem anlässlich des Beurkundungsaktes vor dem Notar ein dem Vertragsentwurf entsprechender Wille zu bestätigen gewesen wäre (angefochtenes Urteil S. 11 Mitte). Daher liege nicht vollendeter, aber immerhin unvollendeter Versuch der Erschleichung einer falschen Beurkundung vor. 
 
c) aa) Die in Art. 253 StGB umschriebene Straftat ist entgegen dem durch das Marginale ("Erschleichung einer falschen Beurkundung") vermittelten Eindruck nicht ein Erfolgsdelikt, sondern ein schlichtes Tätigkeitsdelikt. Sie ist Falschbeurkundung in mittelbarer Täterschaft unter Verwendung eines Beamten oder einer Person öffentlichen Glaubens als nicht doloses Werkzeug. Sie ist in Anbetracht von Art. 251 StGB, welcher die Falschbeurkundung sowohl in unmittelbarer als auch in mittelbarer Täterschaft ("unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt") regelt und dieselbe Strafe wie Art. 253 StGB androht, eigentlich überflüssig (siehe zum Ganzen Trechsel, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, Art. 251 N 10, Art. 253 N 1; Stratenwerth, Schweiz. Strafrecht Bes. Teil II, 4. Aufl. 1995, § 36 N 47 f., § 37 N 15). 
 
Tathandlung ist bei Art. 253 StGB, wie bei der Falschbeurkundung im Sinne von Art. 251 StGB und bei der Falschbeurkundung im Amt gemäss Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, das unrichtige Beurkunden einer rechtlich erheblichen Tatsache. Art. 253 StGB gelangt zur Anwendung, wenn die Urkundsperson um die Unrichtigkeit (Unwahrheit) der von ihr beurkundeten rechtlich erheblichen Tatsache nicht weiss, mithin als Werkzeug benützt wird. Durch die in Art. 253 StGB erwähnte "Täuschung" wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es dem Beamten beziehungsweise der Person öffentlichens Glaubens, als Tatwerkzeug, am Vorsatz in Bezug auf die Unrichtigkeit (Unwahrheit) der von ihr beurkundeten Tatsache fehlen muss. Bei Vorsatz des Beamten wäre dieser wegen Urkundenfälschung im Amt im Sinne von Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB strafbar. 
 
bb) Da Art. 253 StGB im Wesentlichen die Falschbeurkundung in mittelbarer Täterschaft unter Verwendung eines Beamten beziehungsweise einer Person öffentlichen Glaubens als Tatwerkzeug umschreibt, stellt sich die Frage nach dem Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft. Weil der mittelbare Täter die Tat durch das Werkzeug ausführt, kann er sie nicht früher ausführen als dieses. Daher ist der mittelbare Täter erst dann wegen Versuchs strafbar, wenn das Verhalten des Werkzeugs das Versuchsstadium überschritten hat (Trechsel/Noll, Schweiz. Strafrecht Allg. Teil I, 4. Aufl. 1994, S. 198; Stratenwerth, Schweiz. Strafrecht Allg. Teil I, 2. Aufl. 1996, § 13 N 65 ff.). Allerdings wurde in BGE 78 IV 246 entschieden, in den Handlungen des mittelbaren Täters, durch die er auf die als Werkzeug benutzte Person einwirke, liege bereits ein Teil der Tatausführung. Dieser Entscheid der Anklagekammer betrifft indessen nicht den Versuch im Sinne von Art. 21 f. StGB, sondern die Frage der Tatausführung gemäss Art. 7 und Art. 346 StGB
 
Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass bereits die Einwirkung des mittelbaren Täters auf das Werkzeug zur Ausführung der Tat im Sinne von Art. 21 f. StGB gehört, wäre mit Rücksicht auf das Erfordernis der Gefährdung von Rechtsgütern strafbarer Versuch erst zu bejahen, wenn der mittelbare Täter die Einwirkung auf das Werkzeug abgeschlossen und das Geschehen aus der Hand gegeben hat, so dass dieses ohne weiteres seinen Lauf nehmen kann (vgl. zur diesbezüglichen deutschen Praxis Schönke/Schröder/Eser, Kommentar, 25. Aufl. 1997, § 22 dt. StGB N 54 f. mit Hinweisen; eingehend zum Problem Wilfried Küper, Der Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft, JZ 38/1983 S. 361 ff.). 
 
d) Im Lichte dieser Erwägungen sind die der Beschwerdeführerin beziehungsweise B.________ zur Last gelegten Handlungen als straflose Vorbereitungshandlungen zu qualifizieren. B.________ hat den von ihr und von der Beschwerdeführerin unterzeichneten "Vorkaufsvertrag" vom 26. April 1994 dem Notariat Dielsdorf eingereicht und am 9. Mai 1994 einen Besprechungstermin wahrgenommen. Auf der Grundlage des "Vorkaufsvertrags" und der Angaben von B.________ hat ein Sachbearbeiter des Notariats einen Kaufvertragsentwurf ausgearbeitet, der am 11. Mai 1994 der Beschwerdeführerin, B.________ und dem Schweizerischen Bankverein zugestellt wurde. In der Folge geschah nichts mehr. Damit war man aber von der öffentlichen Beurkundung des Kaufvertrags und des darin enthaltenen unwahren Kaufpreises noch weit entfernt. Weder wurde mit der Ausarbeitung des Kaufvertragsentwurfs durch das Notariat und dessen Zustellung an die Parteien die Schwelle zum Versuch der Falschbeurkundung im Amt (Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) objektiv überschritten noch gaben die Parteien, die in der Folge, aus welchen Gründen auch immer, nichts mehr unternahmen, das Geschehen aus der Hand. Die Ausarbeitung des Kaufvertragsentwurfs durch das Notariat, welcher den Parteien zugestellt wurde, ist noch nicht Bestandteil des Beurkundungsaktes. Der Kaufvertragsentwurf hätte von irgendjemandem, beispielsweise von einem Anwalt, der nicht Urkundsperson ist, ausgearbeitet werden können. Die Parteien behielten den ihnen zugestellten Entwurf in Händen und verfolgten die Sache nicht weiter. Die Vorinstanz hält zutreffend fest, dass für die definitive Verschreibung der Liegenschaft die Zustimmung der Parteien zum Vertragsentwurf des Notariats erforderlich und dass vor allem anlässlich des Beurkundungsaktes vor dem Notar ein diesem Vertragsentwurf entsprechender Wille zu bestätigen gewesen wäre (angefochtenes Urteil S. 11 Mitte). Zu all dem kam es nicht. Dies bedeutet entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht, dass zwar kein vollendeter, aber immerhin ein unvollendeter Versuch der Erschleichung einer falschen Beurkundung gegeben sei. Es bedeutet vielmehr, dass auch unvollendeter Versuch zu verneinen ist. Der nach dem Plan der Täter letzte entscheidende Schritt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, ist nicht getan worden. 
 
Die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen unvollendeten Versuchs der Erschleichung einer falschen Beurkundung verstösst daher gegen Bundesrecht. 
 
3.- Da die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde somit gutzuheissen ist, werden keine Kosten erhoben und es wird der Beschwerdeführerin eine Entschädigung von Fr. 2'500. -- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. Damit wird das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 24. August 1999 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.- Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben. 
 
3.- Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.- Der Beschwerdeführerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 2'500. -- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
 
5.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (2. Strafkammer) des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
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Lausanne, 28. Juni 2000 
 
Im Namen des Kassationshofes 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: