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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_601/2007 
 
Urteil vom 28. Dezember 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, nebenamtlicher Bundesrichter Maeschi, 
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke. 
 
Parteien 
Fondation X.________ SA, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
G.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 9. Juli 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1955 geborene G.________ war vom 17. August 1992 bis Ende September 1999 während 20 Stunden in der Woche in der Firma F.________ als Sachbearbeiterin tätig und bei der Sammelstiftung BVG der «Zürich» Lebensversicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Sammelstiftung der Zürich) berufsvorsorgeversichert. Nach einer befristeten Beschäftigung bei der Firma B.________ und einem Arbeitsunterbruch trat sie am 7. August 2000 zu einem Pensum von 50 % eine Stelle als Kommissionärin bei der Geschäftsstelle A.________ der Firma Y.________ SA an und war ab 1. August 2000 bei der Fondation X.________ SA vorsorgeversichert. Auf den 31. Juli 2003 wurde das Arbeitsverhältnis seitens der Arbeitgeberin aufgelöst. 
 
Am 15. April 1998 hatte sich G.________ wegen Panik- und Angstzuständen sowie Depressionen zum Bezug einer Rente der Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle des Kantons Zürich ermittelte einen Invaliditätsgrad von 34 % und wies das Begehren mit Verfügung vom 10. April 2000 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich am 22. Januar 2002 mit der Feststellung ab, dass die Versicherte ohne den Gesundheitsschaden zu 80 % erwerbstätig wäre und die Beeinträchtigung in der Erwerbstätigkeit 40,48 % und im Haushalt 23 % betrage, womit sich ein Invaliditätsgrad von 36,98 % ergebe. Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin bestätigte das Eidg. Versicherungsgericht diesen Entscheid (Urteil I 160/02 vom 19. August 2002). 
 
Am 14. Oktober 2003 reichte G.________ eine neue Anmeldung zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung ein und machte geltend, die seit längerer Zeit bestehenden Beschwerden (Angst und Depressionen, Rückenschmerzen) hätten stark zugenommen und sie sei seit Februar 2003 arbeitsunfähig. Die IV-Stelle traf nähere Abklärungen und sprach ihr mit Verfügungen vom 16. Juni 2005 für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2003 eine halbe und ab 1. Juni 2003 eine ganze Invalidenrente zu. 
B. 
Nachdem die Personalvorsorgestiftung der Fondation X.________ SA eine Leistungspflicht abgelehnt hatte, liess G.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern am 10. November 2005 Klage einreichen und beantragen, die Vorsorgeeinrichtung sei zu verpflichten, ihr mit Wirkung ab 1. August 2003 eine reglementarische Invalidenrente von mindestens Fr. 14'879.- im Jahr auszurichten. Eventuell sei die Sammelstiftung der Zürich zu verpflichten, ihr eine Rente von mindestens Fr. 896.- im Jahr zu bezahlen. Die nachzuzahlenden Leistungen seien ab Datum der Klageeinreichung mit 5 % zu verzinsen. 
 
Mit Entscheid vom 9. Juli 2007 hiess das kantonale Verwaltungsgericht die Beschwerde insoweit gut, als die Personalvorsorgestiftung der Fondation X.________ SA verpflichtet wurde, der Klägerin rückwirkend ab dem 1. August 2003 eine jährliche Rente in der Höhe von Fr. 14'879.- zu entrichten, zuzüglich Verzugszinsen ab 10. November 2005. 
C. 
Die Personalvorsorgestiftung der Fondation X.________ SA erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Klage vollumfänglich abzuweisen. 
 
G.________ und die zur Vernehmlassung beigeladene Sammelstiftung der «Zürich» beantragen Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
2. 
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen über den Anspruch auf Invalidenleistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge (Art. 23 BVG) und die Grundsätze für die Abgrenzung der Leistungspflicht von Vorsorgeeinrichtungen (BGE 123 V 262 E. 1a S. 263, 120 V 15 E. 1a S. 18, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Das Gleiche gilt bezüglich der vorinstanzlichen Ausführungen zur Bindung der Vorsorgeeinrichtungen an die Feststellungen der IV-Organe insbesondere hinsichtlich des Eintritts der invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit (BGE 130 V 270 E. 3.1 S. 273, 129 V 73 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
3. 
3.1 Die IV-Stelle hat die Verfügungen vom 16. Juni 2005 auch der Beschwerdeführerin zugestellt und ist unter Hinweis auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 19. August 2002 davon ausgegangen, dass seit längerer Zeit eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit von 35 % (37,5 % in der Erwerbstätigkeit, 23 % im Haushalt) besteht. Sie hat den Rentenanspruch mit der Begründung bejaht, dass per 15. März 2003 erstmals eine Arbeitsunfähigkeit von (durchschnittlich) 40 % (339 Tage à 35 % plus 26 Tage à 100 %) gegeben sei. Zumindest für die Zeit vor März 2002 liegt damit keine verbindliche Feststellung zur Arbeitsfähigkeit vor. Anderseits beschränkt sich die Rechtskraft des letztinstanzlichen Urteils vom 19. August 2002 auf die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie bei Erlass der ersten Rentenverfügung vom 10. April 2000 bestanden haben (BGE 121 V 362 E. 1b S. 366 mit Hinweisen). Das kantonale Gericht ist daher zu Recht zum Schluss gelangt, dass jedenfalls für die Zeit vom 11. April 2000 bis 14. März 2002 keine Bindungswirkung besteht und der Sachverhalt im kantonalen Verfahren frei zu prüfen war. 
3.2 In tatsächlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin krankheitsbedingt schon vor Beginn des Vorsorgeverhältnisses bei der Beschwerdeführerin in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt gewesen ist und die zur Invalidität führende Verschlechterung des Gesundheitszustandes ab Februar 2003, welche zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses per 31. Juli 2003 geführt hat, im Wesentlichen die gleichen Ursachen hatte. Dies gilt auch für die Rückenschmerzen, welche laut Bericht der Klinik Z.________ vom 10. November 2003 mindestens seit 1998 bestanden haben und in Zusammenhang mit den psychischen Problemen stehen, bzw. durch diese verstärkt und sehr wahrscheinlich chronifiziert worden sind. Der sachliche Konnex zwischen der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeit und der späteren Invalidität ist daher zu bejahen. Streitig ist, ob auch der zeitliche Konnex gegeben ist oder ob ein relevanter Unterbruch des zeitlichen Zusammenhangs (BGE 123 V 262 E. 1c S. 264 f., 120 V 112 E. 2c/aa S. 117) anzunehmen ist. 
3.3 Bei der Frage nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit wie auch bei derjenigen nach einer allfälligen späteren vollen Arbeitsfähigkeit, welche einen Unterbruch des zeitlichen Zusammenhangs begründet, handelt es sich um Tatfragen (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 f.), weshalb das Bundesgericht von den entsprechenden Feststellungen des kantonalen Gerichts nur abweicht, wenn die Sachverhaltsfeststellung im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG mangelhaft ist oder auf einer Rechtsverletzung gemäss Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG). 
3.4 Die Vorinstanz hat einen Unterbruch des zeitlichen Zusammenhangs mit der Begründung bejaht, dass die Versicherte in der Zeit von August 2000 bis August 2002, als sich die Arbeitsqualität kontinuierlich verschlechtert habe, ohne Einschränkungen und zur Zufriedenheit des Arbeitgebers erwerbstätig gewesen sei und während dieser Zeit in keiner ärztlichen Behandlung gestanden habe. 
 
Entgegen dem, was die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, obliegt es nicht der Vorsorgeeinrichtung, insbesondere durch Einholung entsprechender Arztzeugnisse den konkreten Nachweis dafür zu erbringen, dass in der fraglichen Zeit eine volle Arbeitsfähigkeit bestanden hat. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund der gesamten Umstände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass ein relevanter Unterbruch in der Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. Diesbezüglich steht aufgrund der Akten fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin ihre Tätigkeit zumindest bis August 2002 zur Zufriedenheit des Arbeitgebers ausgeübt hat. Krankheitsbedingte Absenzen sind für die Zeit vor dem 17. Februar 2003 nicht ausgewiesen. In der Neuanmeldung vom 14. Oktober 2003 hat die Beschwerdegegnerin eine volle Arbeitsunfähigkeit ab Februar 2003 erwähnt und keine Angaben über eine vorausgegangene teilweise Arbeitsunfähigkeit gemacht. Frau Dr. med. M.________ (Bericht vom 29. Dezember 2003) und Dr. med. P.________ (Bericht vom 3. Mai 2004) bestätigten eine massive Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit voller Arbeitsunfähigkeit aus psychiatrischer Sicht ab Anfang 2003. Eine psychiatrische Behandlung erfolgte ab Ende März 2003. 
 
Zwar bedeutet eine massive Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit vollständiger Arbeitsunfähigkeit ab Anfang 2003 noch nicht ohne weiteres, dass zuvor eine volle Arbeitsfähigkeit bestanden hat. Die Beschwerdegegnerin hat in der Neuanmeldung jedoch keine Angaben über eine vorausgegangene teilweise Arbeitsunfähigkeit gemacht. Zudem haben die von der IV-Stelle aufgrund der Angaben in der Neuanmeldung vorgenommenen Abklärungen keine Hinweise auf psychiatrische Behandlungen ergeben und fanden auch seitens des Rückenleidens in der Zeit vor Februar 2003 keine ärztlichen Behandlungen statt. Aufgrund der gesamten Umstände erscheint deshalb die vorinstanzliche Feststellung einer längere Zeit dauernden vollen Arbeitsfähigkeit im Zeitraum von August 2000 bis August 2002 nicht als offensichtlich unrichtig, noch beruht sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
 
Die Vorinstanz hat damit zu Recht einen Unterbruch des zeitlichen Konnexes angenommen (vgl. BGE 123 V 262 E. 1c S. 265 mit Hinweis), woran die Vorbringen der Beschwerdeführerin nichts zu ändern vermögen. Der Einwand, die gesundheitliche Beeinträchtigung habe sich einzig deshalb nicht auf die Arbeitsfähigkeit ausgewirkt, weil die Beschwerdegegnerin lediglich zu 50 % erwerbstätig gewesen sei, geht schon deshalb fehl, weil für die genannte Zeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer vollen Arbeitsfähigkeit auszugehen ist. Es muss demzufolge bei der Feststellung bleiben, dass der zeitliche Zusammenhang zwischen der früheren Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität in der Zeit von August 2000 bis mindestens August 2002 unterbrochen wurde und die Beschwerdeführerin für die nach erneuter Arbeitsunfähigkeit eingetretene Invalidität leistungspflichtig ist. 
4. 
Gegen die vorinstanzliche Rentenfestsetzung (Fr. 14'879.- im Jahr), den Rentenbeginn (1. August 2003) sowie die Verpflichtung zur Bezahlung eines Verzugszinses von 5 % ab 10. November 2005 bringt die Beschwerdeführerin nichts vor, sodass sich weitere Ausführungen erübrigen. 
5. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens gehen die Gerichtskosten zu Lasten der Beschwerdeführerin (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Ausnahmeregelung von Art. 66 Abs. 4 BGG ist nicht anwendbar, weil die Beschwerdeführerin in ihrem Vermögensinteresse handelt. Sie hat die obsiegende, durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdegegnerin für das Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Amt für Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht des Kantons Bern, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der BVG-Sammelstiftung der «Zürich» Lebensversicherungs-Gesellschaft schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 28. Dezember 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Meyer Helfenstein Franke