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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_689/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 30. Januar 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber M. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4001 Basel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. X.________, 
vertreten durch Advokat Dr. Yves Waldmann, 
2. Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Lisa Zaugg, 
3. Z.________, 
vertreten durch Advokat Hans Portmann, 
4. W.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Versuchte Nötigung; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 11. April 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
X.________, Y.________, Z.________ und W.________ wird u.a. vorgeworfen, A.________ in der Nacht vom 10. auf den 11. Februar 2010 zu einem Treffen am Bahnhof in Oensingen gedrängt zu haben. Auf dem Weg dorthin sei er telefonisch bedroht worden. Durch das nächtliche und bedrohliche Auftreten als Gruppe habe A.________ dazu bewogen werden sollen, auf seine Forderung über Fr. 7'000.-- gegenüber Z.________ zu verzichten. 
 
B.   
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt sprach X.________, Y.________, Z.________ und W.________ wie folgt schuldig: X.________ der Nötigung, mehrfachen Drohung und versuchten Erpressung, Y.________ der versuchten Erpressung, Z.________ der Nötigung und versuchten Erpressung sowie W.________ der versuchten Nötigung. 
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt sprach X.________, Y.________, Z.________ und W.________ auf deren Berufung hin von sämtlichen Vorwürfen frei. 
 
C.   
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Appellationsgerichts sei in Bezug auf Ziff. 7 (Delikte zum Nachteil vom A.________) aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts. Die Vorinstanz setze sich ungenügend mit den belastenden Beweisen und Argumenten auseinander, gehe nicht auf die widersprüchlichen Aussagen der Beschwerdegegner ein und treffe abwegige Annahmen. A.________ sei nicht freiwillig zu dem nächtlichen Treffen am 11. Februar 2010 erschienen, sondern dazu gedrängt worden. Während der Fahrt zum vereinbarten Treffpunkt sei er telefonisch bedroht worden. Die Beschwerdegegner hätten sodann versucht, ihn dazu zu bestimmen, auf die ihm zustehende Geldforderung gegenüber dem Beschwerdegegner 3 zu verzichten.  
 
1.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1 S. 51; je mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228 mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; je mit Hinweisen).  
 
1.3.  
 
1.3.1. Wenn die Vorinstanz erwägt, auf die Aussagen von A.________ könne nur mit äusserster Zurückhaltung abgestellt werden, weil gegen diesen im Kanton Solothurn in der gleichen Sache ein Strafverfahren wegen Erpressung und versuchter vorsätzlicher Tötung hängig sei, ist dies nicht zu beanstanden. Wie sie zu Recht festhält, hat er ein erhebliches Interesse daran, die von ihm im Verlauf der Zusammenkunft auf den Beschwerdegegner 3 abgegebenen Schüsse zu rechtfertigen, mit welchen er diesen schwer verletzte. Daran ändert nichts, dass die Umstände, die zur Schussabgabe führten, vom Beschwerdegegner 1 teilweise gleich geschildert werden wie von A.________ und eventuell auf eine vermeintliche Notwehrsituation schliessen lassen. Diese Tatsache allein macht die Aussagen von A.________ entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht per se glaubhafter. Bereits die erste Instanz, auf deren Ausführungen die Vorinstanz verweist, war sich der bestehenden Eigeninteressen bewusst und führte aus, dass die Aussagen von A.________ nicht mehr Gewicht hätten als diejenigen der Beschwerdegegner. Zwar haben auch Letztere jeweils ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, sehen sich aber mit vergleichsweise geringen strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert. Unter diesen Umständen ist es nicht willkürlich, nur zurückhaltend auf die Aussagen von A.________ abzustellen, zumal die Vorinstanz auch die Sachverhaltsdarstellungen der Beschwerdegegner kritisch würdigt.  
 
1.3.2. Die Tatsache, dass es A.________ war, welcher nach der Schiesserei die Polizei verständigte, spricht entgegen der Beschwerdeführerin nicht zwingend für seine Glaubwürdigkeit. Denn dieser stellte sich von Beginn weg auf den Standpunkt, aus Notwehr gehandelt zu haben. Aufgrund der Schussverletzungen des Beschwerdegegners 3 war zudem anzunehmen, dass sich dieser in Spitalpflege begeben und der Vorfall der Polizei bekannt werden würde, wovon auch A.________ ausging. Obwohl die Beschwerdegegner 1 und 3 verschiedentlich nicht die Wahrheit sagten und die Aussagen mitunter dem aktuellen Ermittlungsstand anpassten, sind ihre Angaben nicht gänzlich unglaubhaft. Bereits die erste Instanz wies darauf hin, dass viele der befragten Personen nicht in der Lage seien, den Sachverhalt stringent und allgemein verständlich darzulegen. Daher sei es nicht verwunderlich, wenn bei mehreren Befragungen ein und derselben Person eine Vielzahl völlig unterschiedlicher Ergebnisse resultiere (erstinstanzliches Urteil, S. 36). Der anfängliche Versuch mehrerer Beteiligter, die Anwesenheit verschiedener Personen am Tatort zu verschweigen, erscheint zudem gerade in diesem Milieu nicht aussergewöhnlich. Überdies hat auch A.________ nicht von Beginn weg alle Anwesenden genannt. Ob dies darauf zurückzuführen ist, dass er eingeschüchtert war, wie die Beschwerdeführerin behauptet, kann offenbleiben. Dass er dies später im Verfahren behauptete, belegt jedenfalls noch keine willkürliche Beweiswürdigung.  
 
1.3.3. Inwiefern die Berücksichtigung der Persönlichkeitsprofile und des Aussageverhaltens der Beschwerdegegner 1 und 3 zwingend zu einer anderen Beweiswürdigung hätte führen müssen, vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen. Auch aus dem angeführten forensisch-psychiatrischen Gutachten über Letzteren lassen sich keine unmittelbaren Rückschlüsse auf den Geschehensablauf ableiten. Indem die Vorinstanz die verschiedenen Aussagen aller Beteiligten kritisch würdigt und soweit möglich auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen versucht, verfällt sie nicht in Willkür. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie entscheidende Aussagen, die Hintergründe und das Nachtatverhalten ungenügend berücksichtigt und damit das ihr im Rahmen der freien Beweiswürdigung zustehende Ermessen verletzt hätte.  
 
1.3.4. Nicht schlechterdings unhaltbar ist es, wenn die Vorinstanz mit Blick auf die gesamten Umstände und hinweisend auf die bestehenden anderen Optionen erwägt, A.________ sei nicht zu dem nächtlichen Treffen genötigt worden und freiwillig hingegangen. Dass er ursprünglich vorgeschlagen hatte, sich erst am folgenden Tag um 18 Uhr zu treffen, steht dem nicht entgegen. Die Vorinstanz hat diesen Umstand berücksichtigt und nicht "komplett ausser Acht" gelassen, wie ihr die Beschwerdeführerin vorwirft (Urteil, S. 35 E. 7.3.2). Letztere bestreitet sodann nicht, dass A.________ den Treffpunkt gewählt hat. Er hätte diesen demnach auch an einen frequentierteren Ort - zum Beispiel auf die Hauptseite des Bahnhofs oder in eine grössere Stadt - verlegen können, wenn er tatsächlich eingeschüchtert gewesen wäre.  
Nicht willkürlich ist es weiter, wenn die Vorinstanz die abgelehnte Begleitung durch seine Freunde als Indiz dafür wertet, dass A.________ keine Angst vor dem Treffen hatte. Ob er vom Beschwerdegegner 1 in den Stunden vor dem Treffen und während der Fahrt nach Oensingen bedroht worden ist, lässt sich aufgrund der diesbezüglich unterschiedlichen Aussagen nicht zweifelsfrei klären. Solches ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht erstellt. Auch aus den erhobenen Randdaten der verwendeten Mobiltelefone ergibt sich dies nicht. Wenn die Vorinstanz unter Berücksichtigung der diesbezüglich eher vagen Aussagen von A.________ eine Drohung verneint, ist dies nicht zu beanstanden. Nach den von der Beschwerdeführerin nicht beanstandeten Feststellungen der Vorinstanz ist demgegenüber erwiesen, dass A.________ dem Beschwerdegegner 3 unter Todesdrohungen eine letzte Frist zur Rückzahlung des Darlehens über Fr. 7'000.-- gesetzt hatte (Urteil, S. 35 f. E. 7.3.2 f.). Dies spricht dagegen, dass er sich bedroht und genötigt fühlte, zu dem Treffen zu erscheinen. 
 
1.3.5. Die Beschwerdeführerin beschränkt sich im Wesentlichen darauf, der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ihre Sicht der Dinge gegenüberzustellen (Beschwerde, S. 13 ff.). Auf eine solche appellatorische Kritik ist nicht einzutreten. So zitiert sie ausführlich aus den verschiedenen Einvernahmen um zu belegen, dass zwischen dem Treffen und den Schulden des Beschwerdegegners 3 ein direkter Konnex bestand. Dies ist jedoch unbestritten und wird auch von der Vorinstanz festgestellt (Urteil S. 35 E. 7.3.2). Dass A.________ von den Beschwerdegegnern unter Druck gesetzt worden wäre, endgültig auf seine Forderung zu verzichten, ergibt sich daraus nicht. Die Vorinstanz hält fest, A.________ habe vor der Hauptverhandlung in über zehn Einvernahmen nie ausgesagt, er sei zu einem Forderungsverzicht gedrängt worden. Wenn die Vorinstanz diese plötzliche Aussage zu einem derart wichtigen Punkt als unglaubhaft erachtet, ist dies nicht zu beanstanden (Urteil, S. 36 E. 7.3.4). Dass das Beweisverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschlossen war, ändert daran nichts. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz die Aussage nicht als unbeachtlich erklärt, sondern sie aus nachvollziehbaren Gründen als unglaubhaft eingestuft. Deren Erwägung, es liege aufgrund der gesamten Umstände mindestens ebenso nahe, dass A.________ bloss daran gehindert werden sollte, weiterhin unzulässigen Druck auf den Beschwerdegegner 3 auszuüben, ist nicht schlechterdings unhaltbar (Urteil, S. 37 E. 7.3.4). Gleiches gilt für die Feststellung, wonach die Beschwerdegegner 2-4 und die weiteren Anwesenden zu weit weg gestanden seien, um bedrohlich zu wirken, als sich der Beschwerdegegner 1 mit A.________ unterhalten habe (Urteil, S. 37 E. 7.3.6). Die nächtliche Uhrzeit war der Vorinstanz dabei durchaus bewusst (Urteil, S. 34 E. 7.2.3).  
 
1.3.6. Zusammengefasst mag zutreffen, dass eine Würdigung der Beweise, wie sie die Beschwerdeführerin für richtig erachtet, ebenso in Betracht gezogen werden könnte, doch genügt dies für die Begründung von Willkür nicht. Denn Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon vor, wenn das angefochtene Urteil nicht mit der Darstellung der Beschwerdeführerin übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern nur, wenn der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 138 V 74 E. 7 S. 82; 137 I 1 E. 2.4 S. 5; 136 I 316 E. 2.2.2 S. 318 f.; je mit Hinweisen). Dies ist vorliegend nicht der Fall.  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin macht eine unrichtige Anwendung von Bundesrecht geltend. Die Vorinstanz prüfe das Verhalten der Beschwerdegegner nicht unter der Möglichkeit, dass es den Tatbestand der versuchten Nötigung erfüllen könnte und verletze damit Art. 344 StPO
Die Rüge ist unbegründet. Die Vorinstanz hält fest, den Beschwerdegegnern könne kein Vorsatz nachgewiesen werden, A.________ durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit zu nötigen, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden (Urteil, S. 38 E. 7.3.7). Dies schliesst auch einen Nötigungsversuch aus, weswegen sie einen solchen nicht noch explizit zu prüfen hatte. Ihr Vorgehen verletzt somit Art. 344 StPO nicht. Ob das Verhalten der Beschwerdegegner objektiv betrachtet nötigend war, d.h. geeignet die rechtlich geschützte Freiheit von A.________ zu beschränken (vgl. Delnon/Rüdy, in: Basler Kommentar Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 56 zu Art. 181 StGB), kann offenbleiben. 
 
3.   
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BGG). Den Beschwerdegegnern sind keine Kosten entstanden, weshalb keine Parteientschädigungen auszurichten sind (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. Januar 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Widmer