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[AZA 7] 
K 150/99 Gb 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiber Flückiger 
 
Urteil vom 30. April 2001 
 
in Sachen 
 
S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard, Werdstrasse 36, 8004 Zürich, 
 
gegen 
ÖKK Graubünden, Geschäftsstelle CADI, Via Principala 3, 7175 Sumvitg, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Schmid, Hartbertstrasse 11, 7002 Chur, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur 
 
A.- Der 1969 geborene S.________ war vom 13. Mai 1997 bis 30. November 1997 als Saisonnier bei der Firma C.________ SA angestellt und über einen von der Arbeitgeberin für ihr Personal abgeschlossenen Kollektivvertrag bei der Öffentlichen Krankenkasse Graubünden (ÖKK) taggeldversichert. Wegen einer Beinverletzung war er ab 9. Juni 1997 zu 100 % arbeitsunfähig. Die ÖKK richtete die versicherten Taggelder bis 30. November 1997 aus. 
Mit Gesuch vom 12. Dezember 1997 und Anmeldung vom 12. Januar 1998 verlangte S.________ den Übertritt von der Kollektiv- in die Einzelversicherung. Die ÖKK gewährte den Übertritt mit Wirkung ab 1. Dezember 1997 und solange sich der Versicherte weiterhin in der Schweiz aufhalte (Schreiben vom 8. April 1998). Am 30. April 1998 reiste dieser, da die Patienten-Aufenthaltsbewilligung, welche ihm nach dem Ablauf der Saisonbewilligung erteilt worden war, nicht mehr verlängert wurde, nach P.________ aus, wo er sich seither aufhält. 
Mit Verfügung vom 28. Dezember 1998 lehnte es die ÖKK ab, für den Zeitraum ab 1. Dezember 1997 Taggelder auszurichten. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 8. Juli 1999 fest. 
 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden ab (Entscheid vom 27. Oktober 1999). 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ das Rechtsbegehren stellen, die ÖKK sei zu verpflichten, die vorgesehenen Taggeldleistungen vollumfänglich, während 720 Tagen, zu erbringen. Ferner lässt er um unentgeltliche Verbeiständung ersuchen. 
Während die ÖKK auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, hat das Bundesamt für Sozialversicherung keine Vernehmlassung eingereicht. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Wenn der Beschwerdeführer nicht arbeitsunfähig geworden wäre, hätte ihn die Firma C.________ SA ab ca. 1. Mai 1998 bis ca. 30. November 1998 wiederum als Saisonnier beschäftigt. Streitig und zu prüfen ist der Taggeldanspruch des Beschwerdeführers für diesen Zeitraum und die jeweilige (Sommer-)Saison der Folgejahre. Dagegen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht nicht bestritten, dass für die jeweilige Zwischensaison kein Anspruch auf Taggelder besteht (RKUV 1994 Nr. K 932 S. 65 Erw. 3). 
 
2.- a) Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bei der Firma C.________ SA bestand das Versicherungsverhältnis zwischen Beschwerdeführer und Beschwerdegegnerin auf Grund des Kollektivvertrags. Nach dem Auslaufen des Saisonarbeitsvertrags am 30. November 1997 konnte der Beschwerdeführer gestützt auf sein rechtzeitig gestelltes Gesuch mit Wirkung per 1. Dezember 1997 in die Einzelversicherung übertreten (Art. 71 KVG; RKUV 2000 Nr. KV 111 S. 115). 
 
b) Gemäss Ziffer 2.7.1. lit. b des Reglementes "Taggeld" der Beschwerdegegnerin erlischt die Versicherung durch Wegzug ins Ausland. Eine Ausnahme gilt einzig bei Verlegung des Wohnsitzes in das Grenzgebiet zur Schweiz (Ziffer 2.5.3.). Der Beschwerdeführer bestreitet die Rechtsgültigkeit dieser Regelung. 
 
c) Die Rechtsprechung hat, ausgehend von der grundsätzlichen Weitergeltung des unter der Herrschaft des bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 (KUVG) anerkannten (BGE 118 V 50 Erw. 1 mit Hinweis) Territorialitätsprinzips, die Gültigkeit einer Reglementsbestimmung, welche das Erlöschen des Versicherungsverhältnisses bei Verlegung des Wohnsitzes von der Schweiz ins Ausland vorsah, bejaht (RKUV 2000 Nr. KV 101 S. 13 Erw. 2a). Dem Wohnsitz als persönlicher Anspruchsvoraussetzung entspricht bei Personen, welche sich auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufhalten, ohne zivilrechtlichen Wohnsitz zu begründen, der bewilligte Aufenthalt in der Schweiz. Der Gesetzgeber hat denn auch für diesen Personenkreis - analog zum Erfordernis des Wohnsitzes bei den übrigen Versicherten (Art. 5 Abs. 3 KVG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 KVG) - die Versicherungspflicht und damit das Versicherungsverhältnis in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung an den Aufenthalt geknüpft (Art. 5 Abs. 3 KVG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 KVV und Art. 3 Abs. 3 lit. a KVG). Dementsprechend ist eine reglementarische Bestimmung, welche das Versicherungsverhältnis in der Taggeldversicherung vom Aufenthalt in der Schweiz abhängig macht, ebenso als zulässig zu beurteilen wie die Anknüpfung an den Wohnsitz. Ziffer 2.7.1. lit. b des Reglementes "Taggeld" der Beschwerdegegnerin ist daher mit dem geltenden Recht vereinbar. Der unter dem KUVG anerkannten Ausweitung der territorialen Anspruchsvoraussetzung auf das grenznahe Ausland (BGE 105 V 280 Erw. 2, 103 V 73 f. Erw. 4b; RKUV 1996 Nr. K 977 S. 107, 1987 Nr. K 741 S. 268 Erw. 2; nicht veröffentlichtes Urteil S. vom 28. Januar 2000, K 132/98), der durch Ziffer 2.5.3. des Reglementes Rechnung getragen wird, kommt im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Das Versicherungsverhältnis endete somit mit der Ausreise in das (entfernte) Ausland am 30. April 1998. 
 
3.- Gemäss Ziffer 2.7.4. Abs. 1 des Reglementes "Taggeld" der Beschwerdegegnerin bestehen nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses, abgesehen von ausstehenden Versicherungsleistungen, keinerlei rechtliche Ansprüche an die Kasse. Diese Regelung ist, wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in Bestätigung der unter der Geltung des KUVG ergangenen Rechtsprechung (BGE 105 V 286 Erw. 3; RKUV 2000 Nr. KV 111 S. 119 Erw. 3 mit Hinweisen) entschieden hat, von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden (BGE 125 V 110 Erw. 3). Die Beschwerdegegnerin hat somit einen Taggeldanspruch für die Zeit ab 1. Mai 1998 materiellrechtlich zutreffenderweise verneint. 
 
4.- a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Berufung der Beschwerdegegnerin auf die Beendigung des Versicherungsverhältnisses sei rechtsmissbräuchlich. Seine Aufenthaltsbewilligung sei deshalb nicht verlängert worden, weil die Beschwerdegegnerin ihren Entscheid über den Übertritt in die Einzelversicherung und über den Taggeldanspruch erst mit erheblicher Verspätung gefällt habe. Da sie durch dieses Verhalten den Grund für die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und damit die Beendigung des Versicherungsverhältnisses selbst gesetzt habe, könne sie daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten. 
 
b) Bewirkt die Rechtsverzögerung einen Schaden, kann dies die Ersatzpflicht der säumigen Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde begründen (vgl. BGE 117 V 351, 107 Ib 155, 160; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 20. Mai 1987, P.661/1987; Lorenz Meyer, Das Rechtsverzögerungsverbot nach Art. 4 BV, Diss. Bern 1985, S. 152 ff.; vgl. auch den noch nicht in Kraft stehenden Art. 78 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG] vom 6. Oktober 2000 [BBl 2000 5041 ff.]). 
 
c) Der Beschwerdeführer hatte der Beschwerdegegnerin am 12. Januar 1998 die Anmeldung zum Übertritt in die Einzelversicherung sowie die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (bis 31. März 1998) zugestellt. Die Beschwerdegegnerin teilte ihm am 8. April 1998 mit, sie gewähre den Übertritt, solange er sich weiterhin in der Schweiz aufhalte. Die Mitteilung, der Beschwerdeführer sei bis am 30. April 1998 versichert gewesen, erfolgte am 9. Juli 1998. Ob dieses Verhalten der Beschwerdegegnerin als Rechtsverzögerung zu qualifizieren ist, kann jedoch offen bleiben, da nicht ersichtlich ist, welchen Einfluss der frühere Erlass einer Verfügung desselben Inhalts auf den Entscheid der Fremdenpolizei über die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung hätte haben können. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass und zu welchem Aufenthaltszweck die Fremdenpolizei die Bewilligung über den 30. April 1998 hinaus verlängert hätte, falls ihr bereits zu einem früheren Zeitpunkt bekannt gewesen wäre, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer für die Dauer seines Aufenthalts in der Schweiz in die Einzelversicherung aufnehmen, die Ausrichtung von Taggeldern jedoch bei einer Ausreise aus der Schweiz verweigern würde. 
 
d) Falls die Aufenthaltsbewilligung - wie der Beschwerdeführer behauptet - im Wesentlichen deshalb nicht verlängert worden sein sollte, weil der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers in der Schweiz nicht gesichert war, hätte eine Bestätigung der Beschwerdegegnerin, sie werde ihm, wenn er in der Schweiz bleibe, während der Saison Taggelder ausrichten, möglicherweise zu einer Verlängerung der Bewilligung geführt. Eine derartige Bestätigung hätte allenfalls in der Form einer Feststellungsverfügung ergehen können. Voraussetzung des Erlasses einer Feststellungsverfügung ist der Nachweis eines schutzwürdigen rechtlichen oder tatsächlichen Interesses (vgl. Art. 25 VwVG). Der Beschwerdeführer macht jedoch nicht geltend und es ist auch aus den Akten nicht ersichtlich, dass er vor Ablauf der Aufenthaltsbewilligung die Beschwerdegegnerin um Erlass einer Feststellungsverfügung ersucht und den Interessennachweis geführt hätte. Der Vorwurf, die Aufenthaltsbewilligung sei wegen des Verhaltens der Beschwerdegegnerin nicht verlängert worden, wurde erstmals in der Einsprache vom 3. Februar 1999 erhoben. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die Beschwerdegegnerin zur Abgabe einer entsprechenden Bestätigung verpflichtet gewesen und die Aufenthaltsbewilligung bei deren Vorliegen verlängert worden wäre. 
Eine Leistungspflicht über den Zeitpunkt des Ablaufes der Aufenthaltsbewilligung und der Ausreise hinaus besteht damit nicht. 
 
5.- Mit der Beurteilung der Rechtsfolgen der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verletzung von Treu und Glauben ist die gerügte vorinstanzliche Verletzung des rechtlichen Gehörs geheilt (vgl. BGE 124 V 183 Erw. 4a). 
 
6.- Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungs- leistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Dominique Chopard, Zürich, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Entschädigung von Fr. 1500. - (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 30. April 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: