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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.368/2006 /bnm 
 
Urteil vom 30. Oktober 2006 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Kehl, 
 
gegen 
 
Kantonsgericht Appenzell I.Rh., 
Unteres Ziel 20, 9050 Appenzell. 
 
Gegenstand 
Art. 29 Abs. 3 BV (unentgeltliche Rechtspflege im Abänderungsprozess), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh. vom 3. August 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Urteil vom 12. Oktober 2004 schied das Kantonsgericht Appenzell A.Rh. die Ehe von X.________ und Y.________. Die Söhne der Parteien, V.________ (1995) und W.________ (1997), wurden unter die elterliche Sorge des Vaters, die Tochter U.________ (2000) unter jene der Mutter gestellt. 
B. 
B.a Mit Klage vom 8. März 2006 beantragte X.________ dem Bezirksgericht Oberegg das Sorgerecht für die Tochter U.________. Die angerufene Instanz wies die Klage mit Urteil vom 17. Mai 2006 ab. 
B.b Gegen dieses Urteil gelangte der Kläger am 4. Juli 2006 mit Berufung an das Kantonsgericht Appenzell I.Rh. Für das kantonale Berufungsverfahren ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege, welche ihm das Kantonsgericht mit Entscheid vom 3. August 2006 wegen mangelnder Bedürftigkeit und Aussichtslosigkeit der Klage verweigerte. Dem Kläger wurde Frist bis zum 31. August 2006 zur Leistung eines Kostenvorschusses angesetzt, unter Androhung des Nichteintretens auf die Berufung im Unterlassungsfall. 
C. 
Der Kläger führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV mit dem Begehren, den Entscheid des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh. vom 3. August 2006 aufzuheben und ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
In der Sache ist keine Vernehmlassung eingeholt worden. 
D. 
Mit Verfügung vom 25. September 2006 verlieh der Präsident der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung; das Kantonsgericht, welches sich dem entsprechenden Gesuch des Beschwerdeführers nicht widersetzt hatte, wurde angewiesen, das Berufungsverfahren, insbesondere die Aufforderung zur Vorschussleistung, bis zum bundesgerichtlichen Entscheid zu sistieren. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, das Kantonsgericht gehe davon aus, er sei nicht als bedürftig anzusehen, weil er die hypothekarische Belastung seiner Liegenschaft "theoretisch" um Fr. 90'300.-- erhöhen könnte. Aus dem vor Bundesgericht ins Recht gelegten Schreiben der Bank S.________ vom 21. August 2006 (Beilage 3 gemäss Verzeichnis des Beschwerdeführers) sowie aus allgemeiner Lebenserfahrung ergebe sich indes, dass ihm eine Erhöhung des Hypothekarkredits aufgrund mangelnder Kreditwürdigkeit praktisch nicht möglich sei. Im Übrigen ergebe sich die Bedürftigkeit aus der eingereichten Steuererklärung und der Tatsache, dass er im Frühjahr 2006 vom Sozialamt der Gemeinde A.________ unterstützt worden sei (Existenzminimumsberechnung des Sozialamtes A.________; Beilage 19 zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege). Er gelte damit entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts als bedürftig im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV, weshalb der angefochtene Entscheid als verfassungswidrig aufzuheben sei (Beschwerde S. 7 f. Ziff. 2). 
1.1 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat nach Art. 29 Abs. 3 BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Nach der Rechtsprechung zu Art. 4 aBV, die sich ohne weiteres auf Art. 29 Abs. 3 BV übertragen lässt, gilt als bedürftig, wer die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen ver-mag, ohne die Mittel anzugreifen, deren er zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und seine Familie bedarf. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 120 la 179 E. 3a S. 181; 124 I 1 E. 2a S. 2, je mit Hinweisen). Im Lichte von Art. 29 Abs. 3 BV darf der gesuchstellenden Partei zugemutet werden, ihr Grundeigentum für die anfallenden Prozesskosten hypothekarisch zu belasten, soweit sich dies als möglich erweist (BGE 119 la 11 E. 5, Art. 4 aBV betreffend). Das Bundesgericht prüft frei, ob die Kriterien zur Bestimmung der Bedürftigkeit zutreffend gewählt worden sind, während seine Kognition in Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde auf Willkür beschränkt ist (BGE 119 la 11 E. 3a S. 12 mit Hinweis). 
 
Für die Feststellung der wirtschaftlichen Situation des Gesuchstellers darf die entscheidende Behörde zwar die Beweismittel nicht formalistisch beschränken und etwa einseitig nur einen amtlichen Beleg über dessen finanzielle Verhältnisse zulassen (BGE 119 III 28 E. 3b S. 31). Sie hat allenfalls unbeholfene Rechtsuchende auch auf die Angaben hinzuweisen, die sie zur Beurteilung des Gesuches benötigt. Grundsätzlich aber obliegt dem Gesuchsteller, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich auch zu belegen (BGE 120 la 179 E. 3a S. 181; 123 III 328 E. 3 S. 329; 124 V 234 E. 4b/bb S. 239). 
1.2 Bei der Bestätigung der Bank S.________ betreffend Verweigerung der Hypothekarkrediterhöhung (Beilage 3 zur staatsrechtlichen Beschwerde) handelt es sich um ein nach dem angefochtenen Entscheid eingetretenes Novum, auf welches in der staatsrechtlichen Beschwerde von vornherein nicht eingetreten werden kann (BGE 102 la 246 E. 2; 120 la 369 E. 2b S. 374). Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer in seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege aufzuzeigen und zu belegen, dass er sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege erfüllt (vgl. BGE 111 la 101 E. 2b S. 104), worunter auch der Hinweis fällt, dass eine Liegenschaft nicht weiter hypothekarisch belastet werden kann. Damit aber bestand für den Beschwerdeführer Anlass, das besagte Novum bereits im kantonalen Bewilligungsverfahren einzubringen. (BGE 118 la 369 E. 4d S. 372), womit es auch unter diesem Gesichtspunkt vor Bundesgericht nicht zugelassen werden darf. Soweit der Beschwerde-führer alsdann auf den Bezug der Sozialhilfe und die verschiedenen Steuerbelege sowie die Lebenserfahrung hinweist, sind diese Vorbringen teilweise neu (Beilage 4 laut der staatsrechtlichen Beschwerde: Quittung des Sozialamtes), im Übrigen aber auch nicht geeignet, eine Verfassungsverletzung zu belegen. Nach den nicht rechtsgenügend als willkürlich beanstandeten tatsächlichen Feststellungen des Kantonsgerichts ist der Beschwerdeführer Eigentümer eines Grundstücks, das im Steuerjahr 2004 einen Steuerwert von Fr. 176'000.-- aufwies, mit Fr. 136'000.-- hypothekarisch belastet ist, und dessen Belastungsgrenze nach Art. 73 Abs. 1 BGBB Fr. 226'300.-- beträgt. Laut der letzten Schätzung vom 22. Februar 2005 weist es einen Verkehrswert von Fr. 397'000.-- auf. Aus diesen Angaben ermittelte das Kantonsgericht eine theoretische Belastungsmöglichkeit von Fr. 90'300.-- (angefochtener Entscheid S. 3 Abs. 5). Wesentlich ist zudem, dass bereits fünf Schuldbriefe über einen Nominalwert von Fr. 163'000.-- bestehen, welche jedoch nur mit Fr. 136'000.-- belehnt sind, so dass für die im Hinblick auf die Gerichts- und Parteikosten des Verfahrens erforderliche Belastung keine neuen Schuldbriefe errichtet werden müssen. Wird schliesslich in Betracht gezogen, dass für die veranschlagten Gerichtskosten Fr. 3'000.-- und die eigenen Anwaltskosten ebenfalls ein nämlicher Betrag eingesetzt werden sollte, so kann davon ausgegangen werden, dass eine Belastung der Liegenschaft in diesem Umfang möglich und dem Beschwerdeführer die Aufnahme eines entsprechenden Kredits zuzumuten ist, welcher ihm erlaubt, für die Kosten des Verfahrens aufzukommen. Dass ihm ein entsprechender Kredit verweigert worden sei, hat der Beschwerdeführer nicht rechtzeitig geltend gemacht; nicht rechtsgenügend behauptet wurde schliesslich, dass eine ordnungsgemässe Darlegung nicht rechtzeitig möglich gewesen wäre (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 130 I 258 E. 1.3). 
2. 
Fehlt es an einer der kumulativen Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltliche Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV; Bedürftigkeit), er-weist sich der angefochtene Entscheid als verfassungsmässig. Die staatsrechtliche Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann, womit sich die Prüfung der weiteren Rüge erübrigt, das Kantonsgericht habe die Aussichtslosigkeit des Verfahrens in Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV bejaht. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens (Art. 156 Abs. 1 OG). 
3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist abzuweisen, da sich die Beschwerde von Anfang an als offensichtlich aussichtslos erwiesen hat (Art. 152 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf ein-zutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auf-erlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kantonsgericht Appenzell I.Rh. schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 30. Oktober 2006 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: