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[AZA 0/2] 
6S.783/2000/sch 
 
KASSATIONSHOF 
************************* 
 
31. Januar 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des 
Kassationshofes, Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin 
Escher und Gerichtsschreiber Monn. 
 
--------- 
 
In Sachen 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli, Grossmünsterplatz 9, Zürich, 
 
gegen 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 
 
betreffend 
 
Strafzumessung 
(Gehilfenschaft zu Raub usw.), 
hat sich ergeben: 
 
A.- Am 1. September 1997 verübten mehrere Täter einen Überfall auf die Fraumünsterpost in Zürich und erbeuteten dabei 53 Millionen Franken. 
 
X.________ wird zur Last gelegt, den Raub dadurch unterstützt zu haben, dass er ein zweites Fluchtfahrzeug organisiert und mit diesem einen der Täter zum Mythenquai geführt und den Wagen dort abgestellt hat bzw. in der Absicht zum Mythenquai gefahren ist, den Wagen dort als zweiten Fluchtwagen abzustellen. Zudem hat er Gelder aus dem Raubüberfall entgegengenommen und aufbewahrt bzw. Drittpersonen zur Aufbewahrung und zum Transport in den Libanon übergeben sowie solche Gelder und einzelne Mittäter zusammen mit deren Beuteanteilen mit seinem Fahrzeug transportiert. 
 
B.- Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, sprach X.________ am 8. Juni 2000 im Berufungsverfahren der Gehilfenschaft zu Raub, der mehrfachen Hehlerei, der mehrfachen Geldwäscherei sowie der Gehilfenschaft dazu schuldig und bestrafte ihn mit 2 1/4 Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung von 459 Tagen Untersuchungshaft. 
 
Das Bezirksgericht Zürich hatte X.________ im erstinstanzlichen Verfahren zu 1 3/4 Jahren Zuchthaus verurteilt, und gegen dieses Strafmass hatte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, die eine Strafe von 3 1/2 Jahren Zuchthaus verlangte, Berufung eingelegt. 
C.- X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 8. Juni 2000 sei bezüglich der Strafzumessung aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Diese sei anzuweisen, den Beschwerdeführer mit einer Strafe von nicht mehr als 21 Monaten (d.h. 1 3/4 Jahren) zu bestrafen. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und in der Person von Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu gewähren. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde führt im Falle ihrer Gutheissung dazu, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückgewiesen wird (Art. 277ter Abs. 1 BStP). Soweit der Beschwerdeführer eine "Anweisung" an die Vorinstanz verlangt, ist darauf nicht einzutreten. 
 
2.- a) Gemäss Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Er berücksichtigt dabei die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen. Dem Sachrichter steht bei der Gewichtung der zu beachtenden Komponenten ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn sie wesent- liche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. falsch gewichtet hat oder wenn die Strafe in einem Masse unverhältnismässig streng bzw. mild erscheint, dass von einer Überschreitung oder einem Missbrauch des Ermessens gesprochen werden muss (BGE 124 IV 286 E. 4a; 123 IV 49 E. 2a; 122 IV 241 E. 1a; 117 IV 112 E. 1; je mit Hinweisen). 
In grundsätzlicher Hinsicht kann in Bezug auf die Strafzumessung im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. 
angefochtener Entscheid S. 35 - 37). 
 
 
b) Die Vorinstanz geht auch in Bezug auf den Beschwerdeführer, der nicht Haupttäter war, von einer "sehr hohen objektiven Tatschwere im Vermögensbereich" aus, weil der Vorsatz aller Täter auf eine sehr grosse Deliktssumme gerichtet gewesen sei. Erschwerend falle das Vorgehen als Truppe, vor allem die eigentliche Tatausführung zu fünft, ins Gewicht. Die psychische Gewaltkomponente auf die Opfer, die den Ladezustand der eingesetzten Waffen nicht gekannt hätten, habe den gleichen Grad wie beim qualifizierten Raub im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 StGB erreicht. Und schliesslich sei auf die qualifizierende Raffinesse der Tatvorbereitungen hinzuweisen, auch wenn gewisse Unzulänglichkeiten bei der Post und Zufälle die Tatumsetzung begünstigten; nur die Flucht sowie die Verteilung und der Absatz des Geldes seien dilettantisch geplant gewesen, wobei es den Tätern aber doch gelungen sei, mehr als die Hälfte der Beute dem Zugriff der Behörden zu entziehen (vgl. angefochtener Entscheid S. 38 - 43). 
 
Zu den Faktoren der Strafzumessung im Falle des Beschwerdeführers, der inzwischen wieder seinem Beruf nachgeht, verweist die Vorinstanz vorab auf die Erwägun- gen des Bezirksgerichts (angefochtener Entscheid S. 43). 
Dieses befasste sich zunächst mit den persönlichen und finanziellen Verhältnissen sowie den beiden Vorstrafen des Beschwerdeführers, worauf hier verwiesen werden kann (vgl. KA act. 265 S. 66 - 68). Weiter stellte das Bezirksgericht fest, die Tatbeiträge des Beschwerdeführers hätten zu einem massgeblichen Teil zum Gelingen der Tat beigetragen; offensichtlich geblendet durch das leicht zu verdienende Geld habe er sich zu seiner Mitwirkung hinreissen lassen; sein Anteil an der Beute habe ca. 
 
Fr. 700'000.-- betragen, was belege, dass sein Tatbeitrag wesentlich gewesen sei; die Hehler- und Geldwäschereihandlungen seien dann insoweit konsequente Folge- taten gewesen; strafschärfend, jedoch nur innerhalb des ordentlichen Strafrahmens, wirke sich die Erfüllung mehrerer Taten sowie die teilweise mehrfache Tatbege- hung aus; nur leicht straferhöhend seien die geringfügigen Vorstrafen sowie - etwas stärker - das Delinquieren während einer laufenden Probezeit zu gewichten; der Umstand, dass der Beschwerdeführer lediglich als Gehilfe am Raub teilgenommen habe, sei nicht strafmildernd, jedoch in mittlerem Masse strafmindernd zu gewichten; das nicht konstante, zögerliche Geständnis könne bloss zu einer minimalen Minderung führen; sein kooperatives Verhalten bei der Aufklärung der Raubtat wirke sich hingegen erheblich strafmindernd aus (vgl. KA act. 265 S. 80/81). Ergänzend fügte das Bezirksgericht - das auf eine Strafe von 1 3/4 Jahren Zuchthaus erkannte - bei, beim Beschwerdeführer liesse sich auch eine Strafe von 2 Jahren rechtfertigen; aber der Umstand, dass er in diesem Fall nochmals eine Strafe von wenigen Monaten verbüssen müsste und dies wegen seiner Arbeitszeit nicht in Halbgefangenschaft tun könnte, rechtfertige eine zusätzliche Strafminderung (vgl. KA act. 265 S. 82). 
 
Die Staatsanwaltschaft erhob Berufung und beantragte im Falle des Beschwerdeführers ein Strafmass von 3 1/2 Jahren Zuchthaus, da die vom Bezirksgericht ausgefällten Strafen der objektiven Schwere der Tat nicht gerecht würden (vgl. angefochtener Entscheid S. 13, 38). 
 
Die Vorinstanz führt für den Fall des Beschwerdeführers dazu aus, indem das Bezirksgericht die Gehilfenschaft nicht strafmildernd, sondern in mittlerem Masse strafmindernd berücksichtigt habe, sei es dem Gebot, die Gehilfenschaft mindestens strafmindernd zu berücksichtigen, gefolgt und habe auch mit dem Ausmass der Minderung genügend zum Ausdruck gebracht, dass sich die Gehilfenschaft auf Handlungen beschränkt habe, die vor allem geeignet gewesen seien, die Tat der anderen psychisch zu fördern. Nicht bagatellisiert werden dürften die übrigen Straftaten, insbesondere die Übernahme von ca. 1,4 Millionen Franken von einem anderen Täter und die Weitergabe dieser Gelder zur Verschiebung in den Libanon, sowie der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht davor zurückgeschreckt sei, die Ehefrau und Mutter seines damals noch nicht ein Jahr alten Sohnes mit dem Transport eines Teils des Geldes in den Libanon zu beauftragen, wofür die Frau bestraft worden sei. Schliesslich sei das Bezirksgericht zu Recht von einem nicht konstanten, zögerlichen Geständnis ausgegangen, das nur in sehr leichtem Masse strafmindernd zu berücksichtigen sei. Unter den gegebenen Umständen sei die Strafe zu erhöhen. Dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei eine Strafe von 2 1/4 Jahren Zuchthaus angemessen, auch wenn damit die Möglichkeit entfalle, die Auswirkungen eines erneuten Strafvollzuges strafmindernd zu berücksichtigen; um ihm die Verbüssung einer Reststrafe zu ersparen, müsste die 
an sich angemessene Strafe um mehr als vier Monate reduziert werden, was nicht angehe (vgl. angefochtener Entscheid S. 46 - 48). 
 
c) Der Beschwerdeführer rügt zur Hauptsache eine Verletzung der Begründungspflicht (vgl. Beschwerde S. 5 ff.). Er macht dabei geltend, wenn eine obere Instanz die Strafe, die eine untere Instanz ausgefällt habe, erhöhe, müsse sie begründen, weshalb sie zu diesem Schluss gelange (Beschwerde S. 6). Im vorliegenden Fall sei aber unklar geblieben, welche Umstände konkret zu einer Straferhöhung führen sollten; ohne weiteres werde der Schluss gezogen, dass seinem Verschulden eine Strafe von 2 1/4 Jahren Zuchthaus angemessen sei (vgl. Beschwerde S. 9/10). 
 
Die Rüge des Beschwerdeführers dringt nicht durch, weil sich aus dem angefochtenen Entscheid drei Gründe ergeben, die die Erhöhung der Strafe rechtfertigen. 
 
Das Bezirksgericht ging davon aus, im vorliegenden Fall lasse es die Art des Vorgehens der Täter zu, die Gewaltkomponente (die bei jedem Raub vorhanden ist) "im unteren Bereich" der (überhaupt möglichen) Skala einzuordnen (KA act. 265 S. 69). Demgegenüber stellt die Vorinstanz zu Recht fest, die psychische Gewaltkomponente auf die Opfer, die den Ladezustand der eingesetzten Waffen (zu denen insbesondere eine Kalaschnikow gehörte) nicht gekannt hätten, habe den gleichen Grad wie beim qualifizierten Raub im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 StGB erreicht (angefochtener Entscheid S. 41). 
 
Das Bezirksgericht sprach nur davon, die vom Beschwerdeführer begangenen Hehler- und Geldwäschereihandlungen seien "konsequente Folgetaten" gewesen (KA act. 265 S. 80). Demgegenüber betont die Vorinstanz zu Recht, diese Folgetaten dürften nicht bagatellisiert werden und dies gelte insbesondere für die Übernahme von ca. 1,4 Millionen Franken von einem anderen Täter und die Weitergabe dieses Geldes zur Verschiebung in den Libanon (angefochtener Entscheid S. 47). 
 
Sehr gravierend ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Ehefrau und die Mutter seines kleinen Sohnes in die Straftat verwickelte, so dass auch sie bestraft werden musste (angefochtener Entscheid S. 47) und heute eine Schuldenlast von Fr. 150'000.-- zu tragen hat (Beschwerde S. 4). Dieses schwerwiegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers erwähnt das Bezirksgericht nicht. 
 
Unter diesen Umständen ist es bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die erstinstanzlich ausgesprochene Strafe um sechs Monate erhöht hat. 
 
d) Was der Beschwerdeführer weiter vorbringt, dringt ebenfalls nicht durch. 
 
Seiner Auffassung nach rechtfertigt die Höhe der Deliktssumme keine Straferhöhung (Beschwerde S. 7). 
Dieser Einwand trifft jedenfalls dann nicht zu, wenn die Täter bewusst und gezielt darauf aus waren, eine besonders hohe Beute zu machen. Im vorliegenden Fall erbeuteten die Täter einen zweistelligen Millionenbetrag, und genau auf eine so hohe Summe war ihr Vorsatz gerichtet (vgl. angefochtener Entscheid S. 39/40). 
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe als Gehilfe nicht zur "Frontgruppe" der fünf Haupttäter gehört, weshalb deren Vorgehen als Truppe, deren eingesetzte psychische Gewalt sowie das Raffinesse der Tatvorbereitung bei ihm nicht straferhöhend ins Gewicht fallen könne (vgl. Beschwerde S. 7/8). Auch dieser Einwand ist unbehelflich, denn der Beschwerdeführer (der sich gegen den Einsatz von Schusswaffen ausgesprochen haben will) behauptet selber nicht, dass er nicht in den Plan eingeweiht gewesen wäre. Er hat das Vorgehen der Haupttäter deshalb mindestens in Kauf genommen und muss es sich deshalb jetzt anrechnen lassen. 
 
Die Vorinstanz stellt fest, gemäss ständiger Praxis (im Kanton Zürich) dürfe von einem erstinstanzlich ausgesprochenen Strafmass "nicht ohne Not geringfügig abgewichen werden" (angefochtener Entscheid S. 37). Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe genau dies getan und sei damit von ihrer eigenen Praxis abgewichen (Beschwerde S. 10). Dies trifft nicht zu, weil die Vorinstanz nicht nur "geringfügig", sondern um immerhin sechs Monate vom Strafmass des Bezirksgerichts abgewichen ist. 
 
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, dem angefochtenen Entscheid sei nicht zu entnehmen, weshalb sich die Tatmitwirkung in Form der Gehilfenschaft nur strafmindernd und nicht strafmildernd ausgewirkt habe (Beschwerde S. 10). Nach der Rechtsprechung sind Strafmilderungsgründe mindestens strafmindernd zu berücksichtigen. 
Indem die kantonalen Richter dem Beschwerdeführer den Umstand, dass er nur Gehilfe war, in mittlerem Masse strafmindernd zugute hielten, haben sie kein Bundesrecht verletzt. 
 
Gesamthaft gesehen erweist sich das ausgesprochene Strafmass als bundesrechtskonform. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
3.- Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Es kann davon ausgegangen werden, dass er bedürftig ist, zumal er noch mit Ersatzforderungen der Post zu rechnen haben dürfte (vgl. 
Beschwerde S. 4). 
 
Andererseits war die Beschwerde nur teilweise nicht von vornherein aussichtslos (s. oben E. 2c). Das Gesuch kann deshalb in Anwendung von Art. 152 OG nur teilweise gutgeheissen werden. Seiner Verteidigerin ist eine entsprechend herabgesetzte Entschädigung auszurichten. 
Auf eine Kostenauflage kann jedoch verzichtet werden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird teilweise gutgeheissen. 
 
3.- Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.- Die Vertreterin des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli, wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'300.-- entschädigt. 
 
5.- Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 31. Januar 2001 
 
Im Namen des Kassationshofes des 
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: