Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
[AZA] 
I 494/99 Ca 
 
III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Condrau 
 
Urteil vom 31. März 2000  
 
in Sachen 
 
M.________, 1942, Beschwerdeführer, vertreten durch Für- 
sprecher S.________, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerdegegne- 
rin, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
    A.- Mit Verfügung vom 27. Februar 1997 lehnte die IV- 
Stelle Bern den Anspruch des 1942 geborenen M.________ auf 
Ausrichtung einer Invalidenrente ab. Auf Beschwerde hin hob 
das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Verfügung vom 
27. Februar 1997 auf und wies die Sache an die IV-Stelle 
zurück, damit diese eine umfassende Begutachtung der Ar- 
beitsfähigkeit des Versicherten veranlasse und neu verfüge 
(Entscheid vom 12. August 1997). Nach Einholung eines Gut- 
achtens bei der Abteilung Neurochirurgie des Spitals 
X.________ (vom 26. Juni 1998) sprach die IV-Stelle dem 
Versicherten ab 1. September 1995 eine halbe Invalidenrente 
zu (Verfügung vom 6. Januar 1999). 
 
    B.- Die gegen die Verfügung vom 6. Januar 1999 erhobe- 
ne Beschwerde, mit welcher M.________ die Ausrichtung einer 
ganzen Rente, eventuell die Anordnung einer gerichtlichen 
Expertise oder die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle 
beantragen liess, wies das Verwaltungsgericht mit Entscheid 
vom 30. Juli 1999 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ 
wiederum die Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente bean- 
tragen. Eventuell sei die Sache an die IV-Stelle zurückzu- 
weisen. Ferner beantragt er die Gewährung der unentgeltli- 
chen Verbeiständung. 
    Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungs- 
gerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung 
hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Die Vorinstanz hat die massgebenden gesetzlichen 
Bestimmungen und Grundsätze über die Voraussetzungen und 
den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG) sowie 
die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der Ein- 
kommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG) zutreffend 
dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen über die Be- 
deutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditäts- 
schätzung (vgl. auch BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen). 
Darauf kann verwiesen werden. 
    2.- Nicht bestritten sind vorliegend die gesundheitli- 
che Beeinträchtigung (Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer 
dem Leiden angepassten Tätigkeit mit alternierendem Sitzen, 
Stehen und Gehen ohne Heben oder Tragen von schweren Las- 
ten) sowie das der Invaliditätsbemessung zugrundegelegte 
Valideneinkommen von Fr. 53'040.- für das Jahr 1996. Strei- 
tig hingegen sind die Höhe des Invalideneinkommens und der 
aus dem Einkommensvergleich resultierende Invaliditätsgrad. 
 
    a) Für die Bezifferung des Invalideneinkommens können 
nach der Rechtsprechung sogenannte Tabellenlöhne beigezogen 
werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherte 
nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls 
keine ihm an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenom- 
men hat (BGE 124 V 322 Erw. 3b/aa mit Hinweisen). 
    Gemäss Tabelle A1 der Schweizerischen Lohnstrukturer- 
hebung 1996 des Bundesamtes für Statistik (LSE 96) belief 
sich der monatliche Bruttolohn (Zentralwert) für die mit 
einfachen und repetitiven Aufgaben (Anforderungsniveau 4) 
beschäftigten Männer im privaten Sektor im Jahre 1996 auf 
Fr. 4294.-. Indes gilt es zu beachten, dass dieser stand- 
ardisierte Lohn generell auf einer Arbeitszeit von 40 Wo- 
chenstunden beruht, welcher etwas tiefer liegt als die ge- 
mäss Statistik durchschnittliche Arbeitszeit im Jahre 1996 
von 41,9 Stunden (Die Volkswirtschaft, 1998 Heft 12, Anhang 
S. 27, Tabelle B9.2). Bei einer solchen Arbeitszeit resul- 
tiert daher ein Gehalt von Fr. 4498.- im Monat oder von 
Fr. 53'976.- im Jahr (Fr. 4498.- x 12). Entgegen der Auf- 
fassung des Beschwerdeführers ist bei den Löhnen nach der 
LSE auf die durchschnittliche und nicht auf die beim bis- 
herigen Arbeitgeber geleistete Arbeitszeit (42,5 Stunden) 
abzustellen. Bei Ausschöpfung der dem Beschwerdeführer noch 
zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 50 % beträgt das erzielbare 
mögliche Einkommen somit Fr. 26'988.- pro Jahr oder 
Fr. 2249.- monatlich. 
    b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe 1996 
ein monatliches Einkommen erzielt (Fr. 4080.-), das 13,6 % 
unter dem Tabellenlohn für das Baugewerbe gelegen habe (LSE 
96, Tab. TA1, Anforderungsniveau 4, Ziff. 45). Deshalb 
müsse ein entsprechender Anzug vorgenommen werden. 
    Der Beschwerdeführer übersieht zunächst, dass es sich 
beim Betrag von Fr. 4080.- gar nicht um ein 1996 tatsäch- 
lich erzieltes Monatseinkommen handelt, sondern um den 
Lohn, den der Beschwerdeführer seit 1. Januar 1996 erzielt 
hätte, wenn der Gesundheitsschaden nicht eingetreten wäre. 
Dies ergibt sich klar aus den Angaben des letzten Arbeitge- 
bers im Fragebogen vom 30. Mai 1996 (Ziff. 16). Sodann ver- 
kennt der Beschwerdeführer, dass dieser Lohn 13 x im Jahr 
ausbezahlt worden wäre, während in den Löhnen der LSE 96 
der 13. Monatslohn schon anteilig enthalten ist (LSE 96 
S. 7). Richtigerweise wäre somit von einem Betrag von 
Fr. 4420.- statt von Fr. 4080.- auszugehen. Wird er mit dem 
Tabellenwert für das Baugewerbe (Fr. 4442.-) verglichen und 
zudem berücksichtigt, dass statistische Zahlen immer nur 
Annäherungswerte sind, ergäbe sich selbst dann keine ins 
Gewicht fallende Abweichung, wenn der erwähnte Tabellenlohn 
entsprechend der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit hoch- 
gerechnet würde. Für den von Beschwerdeführer verlangten 
Abzug besteht somit kein Anlass. Anders verhält es sich 
- wie nachfolgend darzustellen sein wird - mit dem soge- 
nannten leidensbedingten Abzug. 
 
    c) Der Beschwerdeführer bringt des Weitern vor, vom 
Tabellenlohn sei ein leidensbedingter Abzug von über 25 % 
vorzunehmen. 
    Für die Ermittlung der Invalideneinkommens können 
- wie erwähnt - Tabellenlöhne beigezogen werden. Dabei kann 
dem Umstand, dass insbesondere gesundheitlich beeinträch- 
tigte Personen, die bisher körperliche Schwerarbeit ver- 
richtet haben und nun selbst bei leichten Hilfsarbeiten 
behindert sind, im Vergleich zu voll leistungsfähigen und 
entsprechend einsetzbaren Arbeitnehmern lohnmässig benach- 
teiligt sind und deshalb in der Regel unterdurchschnittlich 
entlöhnt werden, mit einem Abzug von bis zu 25 % Rechnung 
getragen werden (nicht publizierte Erw. 4b des Urteils BGE 
114 V 310; AHI 1998 S. 291 f.). Der Abzug beläuft sich 
nicht generell auf 25 %, sondern ist in jedem konkreten 
Einzelfall aufgrund der tatsächlichen Behinderung im noch 
möglichen Tätigkeitsbereich zu bestimmen (AHI 1998 S. 177 
Erw. 3a). 
    Vorliegend erscheint die Annahme eines um 25 % vermin- 
derten Tabellenlohnes als angemessen, nachdem der Beschwer- 
deführer auch bei den ihm noch zumutbaren Tätigkeiten ein- 
geschränkt ist. Kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer nur 
noch eine Teilzeitstelle verrichten kann, welchem Umstand 
mit dem erwähnten Abzug ebenfalls Rechnung getragen wird 
(AHI 1998 S. 178 Erw. 4b). 
 
    d) Nach dem Gesagten ergibt sich ein hypothetisches 
Invalideneinkommen von Fr. 20'241.- (Fr. 26'988.- abzügl. 
25 %). Aus dem Vergleich mit dem hypothetischen Einkommen 
ohne Invalidität (Fr. 53'040.-) resultiert eine Erwerbs- 
einbusse von rund 62 %, womit sich die zugesprochene halbe 
Invalidenrente als rechtens erweist. 
 
    3.- Die beantragte unentgeltliche Verbeiständung kann 
hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit 
Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die 
Beschwerde nicht als aussichtlos zu bezeichnen und die 
Vertretung geboten war (BGE 103 V 47, 100 V 62, 98 V 117). 
Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG auf- 
merksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Ge- 
richtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später 
dazu im Stande ist. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung 
    wird Fürsprecher S.________ für das Verfahren vor dem 
    Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichts- 
    kasse eine Entschädigung (Honorar, Auslagenersatz und 
    Mehrwertsteuer) von Fr. 2500.- ausgerichtet. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
    richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche 
    Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und 
    dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 31. März 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: