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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 1/2} 
5P.74/2004 /rov 
 
Urteil vom 31. August 2004 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
Helsana Versicherungen AG, Postfach, 8024 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Sanitätsdepartement des Kantons Basel-Stadt, St. Alban-Vorstadt 25, 4006 Basel. 
 
Gegenstand 
Art. 49 Abs. 1 BV (derogatorische Kraft des Bundesrechts), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Tarifordnung für die staatlichen Spitäler vom 24. Dezember 2003. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Im Kantonsblatt vom 21. Januar 2004 hat das Sanitätsdepartement des Kantons Basel-Stadt die Tarifordnung für die staatlichen Spitäler vom 24. Dezember 2003 publiziert. 
Diese sieht im II. Kapitel u.a. Folgendes vor: 
1. In Akutkliniken des Kantonsspitals betragen die Tarife für 
a) Patienten mit Wohnsitz im Kanton Basel-Stadt Fr. 497.-- in der allgemeinen, Fr. 520.-- in der halbprivaten und Fr. 598.-- in der privaten Abteilung, 
b) Patienten mit Wohnsitz in anderen Kantonen Fr. 658.-- in der allgemeinen, Fr. 688.-- in der halbprivaten und Fr. 789.-- in der privaten Abteilung, 
c) Patienten mit Wohnsitz im Ausland Fr. 739.-- in der allgemeinen, Fr. 769.-- in der halbprivaten und Fr. 800.-- in der privaten Abteilung, 
d) gesunde Säuglinge Fr. 40.-- in der allgemeinen, Fr. 90.-- in der halbprivaten und Fr. 120.-- in der privaten Abteilung, wobei sich der Tarif nach der Spitalabteilung der Mutter richtet. 
2. In geriatrischen Kliniken betragen die Tarife für 
a) Patienten mit Wohnsitz im Kanton Basel-Stadt Fr. 380.-- in der allgemeinen, Fr. 397.-- in der halbprivaten und Fr. 457.-- in der privaten Abteilung, 
b) Patienten mit Wohnsitz in anderen Kantonen Fr. 390.-- in der allgemeinen, Fr. 417.-- in der halbprivaten und Fr. 477.-- in der privaten Abteilung, 
c) Patienten mit Wohnsitz im Ausland Fr. 400.-- in der allgemeinen, Fr. 427.-- in der halbprivaten und Fr. 487.-- in der privaten Abteilung. 
3. In der psychiatrischen Universitätsklinik betragen die Tarife für 
a) Patienten mit Wohnsitz im Kanton Basel-Stadt Fr. 310.-- in der allgemeinen, Fr. 505.-- in der halbprivaten und Fr. 600.-- in der privaten Abteilung, 
b) Patienten mit Wohnsitz in anderen Kantonen Fr. 550.-- in der allgemeinen, Fr. 620.-- in der halbprivaten und Fr. 730.-- in der privaten Abteilung, 
c) Patienten mit Wohnsitz im Ausland Fr. 580.-- in der allgemeinen, Fr. 710.-- in der halbprivaten und Fr. 855.-- in der privaten Abteilung. 
Im III. Kapitel, das Einzelleistungen betrifft, sieht die Tarifordnung u.a. Folgendes vor: 
1. Als Einzelleistungen zu verrechnende medizinische Leistungen im Sinn von § 7 der Spitaltarifverordnung sind: 
1. Medizinische Leistungen: 
a) ärztliche Leistungen stationär laut Spitalleistungskatalog (Pos. 1000-3999 SLK, beziehungsweise bei fehlenden SLK-Positionen nach entsprechenden Tarmed-Positionen); 
b) ärztliche Leistungen ambulant gemäss Tarmed-Tarif. 
2. Arzthonorare für stationäre Behandlungen gemäss § 7 Abs. 3 der Spitaltarifverordnung werden auf der Grundlage des Spitalleistungskataloges und eines allfälligen Zusatzkataloges basierend auf dem durch die Medizinaltarifkommission UVG und H+ (die Spitäler der Schweiz) jeweils vereinbarten Taxpunktwertes verrechnet. Für das Arzthonorar wird auf den Spitalleistungskatalog bzw. bei fehlenden SLK-Positionen auf den Tarmed-Taxpunktwert und den Zusatzkatalog bzw. gemäss Halbprivatvereinbarung ein Zuschlag festgelegt: 
- bei Honoraren für stationäre Halbprivatpatienten: 100%, bzw. gemäss Halbprivatvereinbarung, 
- bei Honoraren für stationäre Privatpatienten: 120 bis 170%, 
- bei Honoraren für ambulante Privatbehandlungen: 50%, vorbehalten bleiben Tarifschutzbestimmungen des KVG bzw. UVG. 
 
B. 
Gegen diese Tarifordnung hat die Helsana Versicherungen AG am 20. Februar 2004 mit Bezug auf die Tarife und Honorare für Privatpatienten eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie verlangt die Aufhebung der Tarifordnung, eventualiter die Aufhebung von Ziff. 1.1 und 2 des III. Kapitels bzw. subeventualiter von Ziff. 2 des III. Kapitels. In ihrer Vernehmlassung vom 20. April 2004 hat das Sanitätsdepartement auf Abweisung der Beschwerde geschlossen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Gegen kantonale Erlasse kann beim Bundesgericht innert 30 Tagen seit der nach kantonalem Recht massgebenden Eröffnung (Art. 89 Abs. 1 OG) Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger geführt werden (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Als Eröffnung gilt die Publikation des Erlasses mit der Feststellung, dass dieser zu Stande gekommen ist und damit in Kraft treten kann (BGE 130 I 82 E. 1.2 S. 84; 119 Ia 321 E. 3a S. 325; 114 Ia 221 E. 1a S. 222). Vorliegend erfolgte die Publikation am 21. Januar 2004 mit dem Hinweis, dass der Tarif auf den 1. Januar 2004 in Kraft getreten sei. 
 
Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist legitimiert, wer durch den Erlass unmittelbar oder virtuell (d.h. mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal) in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen ist (Art. 88 OG; BGE 130 I 26 E. 1.2.1 S. 30; 125 I 71 E. 1b/aa S. 75; 125 II 440 E. 1c S. 442). Diese können entweder durch kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder unmittelbar durch ein Grundrecht geschützt sein; zur Geltendmachung bloss tatsächlicher Interessen oder allgemeiner öffentlicher Interessen steht das Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde hingegen nicht zur Verfügung (BGE 126 I 81 E. 3b S. 85; 123 I 41 E. 5b S. 42 f. und E. 5c/ff S. 45; 122 I 44 E. 2b S. 45 f.). Als gesamtschweizerisch tätiger Krankenversicherer ist die Beschwerdeführerin sowohl im System des Tiers payant als auch in demjenigen des Tiers garant unmittelbar, jedenfalls aber virtuell betroffen. Sie macht eine Verletzung des Tarifschutzes gemäss Art. 44 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) geltend und rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV), der auch unter der Herrschaft der neuen Bundesverfassung als selbständiges verfassungsmässiges Individualrecht angerufen werden kann (BGE 127 I 60 E. 4a S. 68; 126 I 81 E. 5a S. 91, je mit Hinweis auf BBl 1997 I 216). 
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, soweit die behauptete Rechtsverletzung nicht sonst wie durch Klage oder Rechtsmittel bei einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Die Beschwerde an den Bundesrat gemäss Art. 47 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 KVG ist vorliegend nicht gegeben, weil das KVG nur die obligatorische Krankenpflegeversicherung regelt (vgl. Art. 1a Abs. 1 KVG). Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich jedoch gegen die festgesetzten Privattarife, die allein auf § 6 bzw. 7 der kantonalen Verordnung betreffend die Festlegung der Tarife und Taxen der staatlichen Spitäler (Spitaltarifverordnung; GS 331.800) beruhen. 
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist somit einzutreten. 
 
2. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dürften sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich nur echte Mehrleistungen mit Zusatzversicherungen abgedeckt werden. 
 
2.1 Mit Bezug auf die Tagesteilpauschalen im stationären Bereich (II. Kapitel der Tarifordnung) bringt die Beschwerdeführerin vor, in der Tarifordnung seien die Mehrleistungen nicht aufgeführt. Indes erwähnt sie diese gleich selbst: Sie bestehen in der luxuriöseren Hotellerie, die Privatpatienten Einzelzimmer und je nachdem einen besseren Service (beispielsweise in der Verpflegung) garantiert. Solche Leistungen gehen über die obligatorische Krankenversicherung hinaus und werden vom Tarifschutz nicht erfasst (BGE 126 III 345 E. 3b S. 350 m.w.H.). Insofern ist die Beschwerde von vornherein unbegründet. 
 
2.2 Hinsichtlich des Zuschlags von 120 bis 170% für die Arzthonorare bei stationären Privatpatienten macht die Beschwerdeführerin geltend, ärztliche Leistungen laut Spitalleistungskatalog (Pos. 1000-3999 SLK, bzw. bei fehlenden SLK-Positionen nach entsprechenden Tarmed-Positionen) stellten Pflichtleistungen nach dem KVG dar, die vollumfänglich vom Tarifschutz erfasst würden. Indes nennt die Beschwerdeführerin, indem sie die freie Arztwahl erwähnt, auch hier die echte Mehrleistung gleich selbst: 
 
Das KVG garantiert innerhalb örtlicher Grenzen jedem Versicherten die freie Wahl des Leistungserbringers (vgl. Art. 41 KVG; BBl 1992 I 168 f.). Hingegen statuiert es, abgesehen von Notfällen, keine Behandlungspflicht für Ärzte, weshalb im stationären Bereich faktisch nur Patienten mit einer Zusatzversicherung die freie Arztwahl haben (Conti, Zusatzhonorar des Arztes und KVG, in: AJP 2001 S. 1148 ff., insb. S. 1152). Privatpatienten wünschen sich regelmässig die Behandlung durch einen Chef- oder Belegarzt. Das Sanitätsdepartement weist in seiner Vernehmlassung denn auch zutreffend darauf hin, dass die Beschwerdeführerin mit eben diesem Argument für den Abschluss ihrer Zusatzversicherung (privat) wirbt. 
 
Die freie Arztwahl für Zusatzversicherte im stationären Bereich führt dazu, dass Chefärzte - für die Spitalträger mit entsprechenden Kostenfolgen - insbesondere bei den Privatpatienten zahlreiche Leistungen erbringen, für die sie eigentlich überqualifiziert sind, sei es, weil sie bei allgemeinversicherten Patienten einfachere Behandlungen von vornherein nicht selbst durchführen würden, sei es, dass sie im Vorfeld und im Nachgang zu einer komplizierten Behandlung, die als solche einen Spezialisten erfordert, zahlreiche Handlungen persönlich vornehmen, die im Normalfall an Assistenzärzte oder das Pflegepersonal delegiert würden. Es darf zudem als notorisch bezeichnet werden, dass Privatpatienten andere Erwartungen an den behandelnden Arzt stellen und dieser beispielsweise häufiger als medizinisch indiziert Sprechstunden abhält oder Visitationen vornimmt (vgl. zum Ganzen: Kieser, Die Bedeutung des krankenversicherungsrechtlichen Tarifschutzes im stationären Bereich, in: SZS 2003 S. 419 ff., insb. S. 427; Kuhn, Zu Zusatzrechnungen bei ärztlichen Zusatzleistungen, in: Schweizerische Ärtzezeitung [SAeZ] 2000 S. 77 ff., insb. S. 80). 
 
Die freie Arztwahl im stationären Bereich stellt damit eine ganz erhebliche Mehrleistung dar, die weit über die obligatorische Krankenversicherung hinausgeht. Der Tarifschutz gemäss Art. 44 KVG beschränkt sich hier darauf, dass der Versicherer nach KVG jene Kosten übernehmen muss, welche sich ergeben würden, wenn der Versicherte in der allgemeinen Abteilung behandelt worden wäre (sog. Austauschbefugnis; vgl. Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel 1996, S. 81 unten; Conti, a.a.O., S. 1152). Ein Honorarzuschlag bei stationären Privatpatienten ist somit gerechtfertigt, zumal Privatpatiententarife im stationären Bereich die Rechte und Behandlungsmöglichkeiten der allgemeinversicherten Personen nicht beeinträchtigen (vgl. Eugster, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Loseblattsammlung, Basel 1998, N. 325 und Fn. 785). Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin bedarf die erwähnte Mehrleistung in der Tarifordnung auch keiner näheren Umschreibung, darf doch ihr Inhalt - wie der Anspruch auf ein Einzelzimmer bei den Tagesteilpauschalen - als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. 
 
2.3 Auch für den ambulanten Bereich hat das Bundesgericht in BGE 126 III 345 E. 3b S. 350 eine Abrechnung ausserhalb des festgesetzten Tarifs zugelassen, wenn es um die Vergütung echter Mehrleistungen geht, die über den Leistungsumfang der obligatorischen Krankenpflegeversicherung hinausgehen. Es hat jedoch betont, dass es sich um echte Mehrleistungen handeln müsse, die ein "Plus" darstellten (vgl. die dort genannten Beispiele; für weitere Beispiele vgl. namentlich: Wohnlich, Zusatzleistungen im ambulanten Bereich der Krankenversicherung, Diss. Zürich 2002, S. 54 ff.). 
 
Wenn sich die Beschwerdeführerin auf diese Rechtsprechung beruft, übersieht sie, dass in der angefochtenen Tarifordnung für den Honorarzuschlag bei ambulanten Behandlungen die Tarifschutzbestimmungen des KVG und UVG vorbehalten sind. Ihre Rüge, die Tarifordnung sei diesbezüglich nicht mit Art. 44 KVG vereinbar, stösst deshalb ins Leere. Das Sanitätsdepartement führt in seiner Vernehmlassung denn auch aus, dass der 50%ige Honorarzuschlag auf Grund des Vorbehalts selbstverständlich nur für Personen gelten könne, die von ihrem Wohnsitz her bei Behandlungen in der Schweiz nicht dem Geltungsbereich des KVG unterstünden. 
 
3. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde in allen Teilen unbegründet und deshalb abzuweisen ist. Die Gerichtsgebühr ist der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Entgegen dem Wortlaut von Art. 159 Abs. 2 OG wird dem obsiegenden Kanton praxisgemäss keine Parteientschädigung zugesprochen (vgl. Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, N. 3 zu Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Sanitätsdepartement des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 31. August 2004 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: