Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
5A_496/2014
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Urteil vom 13. November 2014
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber von Roten.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
C.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Schwaibold,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Persönlichkeitsverletzung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, I. Zivilkammer, vom 7. Mai 2014.
Sachverhalt:
A.
B.A.________, geboren am xx.xx.1994, weilte ab dem 8. August 2011 bei ihrem leiblichen Vater D.________ in den Ferien. Den Nachmittag des xx.xx.2011 verbrachte sie zusammen mit ihm und Bekannten am Ufer der U.________. Sie begab sich gegen 17.00 Uhr zum Schwimmen in die U.________ und ertrank aus ungeklärten Gründen.
B.
In ihrer Ausgabe vom xx.xx.2011 berichtete die Zeitung "E.________" über den Badeunfall. Der Bericht mit der Schlagzeile "..." beruht auf einem Interview mit D.________, nennt B.A.________ mit ihrem Vornamen "B.A.________" bzw. "B.A.________" und ist mit vier Fotos bebildert. Die Fotos zeigen B.A.________ je im Porträt altersentsprechend ( "...." ) und als Mädchen ( "...." ) sowie D.________ ( "..." ). Hintergrund der Porträtaufnahmen bildet eine Foto, die einen privat mit Blumen, Kerzen und Engelsstatue geschmückten Trauer- und Erinnerungsort am Ufer der U.________ zeigt. Der Bericht mit Porträtaufnahmen und Hintergrundbild wurde zusätzlich auf der Website "www.E.________.ch" veröffentlicht.
C.
A.A.________ (Beschwerdeführerin) ist die Mutter der verstorbenen B.A.________. Gemeinsam mit deren Halbschwester klagte sie gegen die C.________ AG (Beschwerdegegnerin) als Herausgeberin der Zeitung "E.________" wegen Verletzung in ihrer Persönlichkeit. Sie beantragte, es sei festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin mit der Veröffentlichung der Fotos und der namentlichen Nennung der am xx.xx.2011 verstorbenen B.A.________ in der Ausgabe der Zeitung "E.________" vom xx.xx.2011 die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin verletzt habe. Die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, den Zeitungsbericht über B.A.________ auf der Website zu löschen, eventualiter durch vollständige Entfernung der Fotos und der Namensnennungen zu anonymisieren. Die weiteren Klagebegehren lauteten auf Genugtuung und Gewinnherausgabe. Das Kreisgericht Toggenburg wies die Klage ab (Entscheid vom 27. August 2013). Die Beschwerdeführerin legte dagegen eine Berufung ein, die das Kantonsgericht St. Gallen abwies (Entscheid vom 7. Mai 2014).
D.
Mit Eingabe vom 13. Juni 2014 erneuert die Beschwerdeführerin ihre Begehren vor Bundesgericht. Sie ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid betrifft den Schutz der Persönlichkeit (Art. 28 und Art. 28a Abs. 1-3 ZGB ) und damit insgesamt eine nicht vermögensrechtliche Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG; BGE 91 II 401 E. 1 S. 403; 127 III 481 E. 1a S. 483). Er ist kantonal letztinstanzlich (Art. 75 BGG), lautet zum Nachteil der Beschwerdeführerin (Art. 76 Abs. 1 BGG) und schliesst das kantonale Verfahren ab (Art. 90 BGG). Zulässiges Bundesrechtsmittel ist damit die Beschwerde in Zivilsachen, die der subsidiären Verfassungsbeschwerde vorgeht (Art. 113 BGG). Die unrichtige Bezeichnung ihrer Eingabe schadet der vor Bundesgericht anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdeführerin nicht. Da die Beschwerde streitwertunabhängig und deshalb mit Bezug auf sämtliche Beschwerdegründe (Art. 95 ff. BGG) zulässig ist, bedarf es auch keiner Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Auf die rechtzeitig erhobene (Art. 100 Abs. 1 BGG) Beschwerde kann eingetreten werden.
2.
Das Kantonsgericht hat den Andenkensschutz der Hinterbliebenen gegenüber dem postmortalen Persönlichkeitsschutz abgegrenzt (E. III/2a S. 8 ff.) und ist davon ausgegangen, es gebe kein Recht der Verstorbenen am eigenen Bild, das die Beschwerdeführerin als Inhaberin der elterlichen Sorge über ihre damals minderjährige Tochter in deren Namen einklagen könne (E. III/3a S. 10 f.). Aus der Sicht des Durchschnittslesers erscheine die Berichterstattung in Wort und Bild über den Badeunfall und über die Verstorbene weder als entwürdigend noch sonstwie als respektlos, so dass eine Persönlichkeitsverletzung der Beschwerdeführerin nicht erkennbar sei (E. III/3b S. 11 ff.). Das Kantonsgericht hat auch eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrer Intim- und Privatsphäre verneint, zumal die veröffentlichten Fotos ihrer Tochter nicht deren Tod oder Sterben zeigten. Es handle sich vielmehr um Aufnahmen, mit denen sich Trauernde in unserem Kulturkreis zu umgeben pflegten und die in erster Linie an einen geliebten Menschen und an dessen schmerzlichen Verlust erinnerten, nicht unmittelbar aber an dessen konkretes Sterben (E. III/3c S. 13 ff.). Da keine Verletzung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin vorliege, erübrigten sich grundsätzlich Erörterungen zu allfälligen Rechtfertigungsgründen (E. III/3d S. 15 f. des angefochtenen Entscheids).
3.
Nach ständiger Rechtsprechung erlischt das Persönlichkeitsrecht mit dem Tod. Das schweizerische Zivilrecht kennt keinen den Tod überdauernden Persönlichkeitsschutz (BGE 104 II 225 E. 5b S. 234 ff.; 129 I 302 E. 1.2.1 S. 306 f. mit Hinweis auf teilweise abweichende Lehrmeinungen). Es ist deshalb ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin als Vertreterin ihrer verstorbenen Tochter in deren Namen wegen Verletzung derer Persönlichkeitsrechte klagt. Die Beschwerdeführerin hat denn auch in ihrem eigenen Namen geklagt und will sich auf ihre Gefühlsbeziehungen zur Verstorbenen berufen. Dass sie als nächste Angehörige grundsätzlich die Möglichkeit hat, ihr eigenes Persönlichkeitsrecht geltend zu machen, soweit ihre gefühlsmässige Verbundenheit mit der Verstorbenen durch einen Angriff auf deren Person betroffen ist, steht ausser Zweifel (BGE 70 II 127 E. 2 S. 130/131; 127 I 115 E. 6a S. 122 f.). Indessen bedeutet der Schutz des Pietätsgefühls nicht, dass die Beschwerdeführerin sich als Angehörige jedwedem Eingriff in die Privatsphäre der Verstorbenen widersetzen kann. Vielmehr muss dargetan werden, wie im Einzelnen der Angriff auf die Tote die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin als einer Angehörigen verletzt. An dieser Darlegung hat es im kantonalen Verfahren weitgehend gefehlt und fehlt es auch heute. Formell klagt die Beschwerdeführerin somit zwar in ihrem eigenen Namen wegen Verletzung ihrer Persönlichkeit, inhaltlich aber macht sie die Persönlichkeitsrechte ihrer verstorbenen Tochter geltend. Die kantonalen Gerichte haben folglich zu Recht angenommen, die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin sei nicht verletzt. Was die Beschwerdeführerin zur Auslegung von Art. 28 Abs. 1 ZGB auch unter Hinweis auf Verfassungsrechte ausführt, kann keinen Anlass geben, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen, auf die sich die kantonalen Gerichte gestützt haben. Auf deren Begründung kann grundsätzlich verwiesen werden. Verletzungen der EMRK werden vor Bundesgericht nicht einmal sinngemäss gerügt und sind deshalb auch nicht zu prüfen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III 589 E. 2 S. 591).
4.
Im Einzelnen ist nachstehend auf drei Punkte einzugehen:
4.1. Das Kantonsgericht hat zutreffend ausgeführt, die Beschwerdeführerin könne sich als Inhaberin der elterlichen Sorge auf das Recht ihres Kindes am eigenen Bild berufen, aber nicht über den Tod des Kindes hinaus (E. III/3a S. 10 des angefochtenen Entscheids). Die gegenteilige Darstellung der Beschwerdeführerin trifft nicht zu. Unter strafrechtlichen Gesichtspunkten ist es zwar richtig, dass eine Verstorbene noch während einer gewissen Zeit seit dem Eintritt ihres physischen Todes, normalerweise bis zur Bestattung, Inhaberin von höchstpersönlichen Rechten bleibt. Im Zivilrecht jedoch ist die Frage gesetzlich geregelt. Die Persönlichkeit endet mit dem Tod (Art. 31 Abs. 1 ZGB), so dass Persönlichkeitsrechte der Verstorbenen nach deren Tod in deren Namen nicht mehr geltend gemacht werden können (BGE 118 IV 319 E. 2 S. 322 f.; 129 I 302 E. 1.2.3 S. 309 f.). Für das Recht am eigenen Bild besteht keine Ausnahme ( VANESSA LÉVY, Le droit à l'image, 2002, S. 342 f.; MARC BÄCHLI, Das Recht am eigenen Bild, 2002, S. 73 ff.). Fehlt es am Recht, so verletzt es den Beweisanspruch der Beschwerdeführerin nicht, dass die beantragten Beweisabnahmen zur Abklärung der Tatsachengrundlage dieses Rechts abgelehnt wurden (BGE 132 III 222 E. 2.3 S. 226). Auf den Andenkensschutz und ihr eigenes Pietätsgefühl beruft sich die Beschwerdeführerin nicht erkennbar. Es hat deshalb bei der auf gerichtlichem Ermessen beruhenden Würdigung sein Bewenden, dass die beiden Porträtaufnahmen die Verstorbene zu ihren Lebzeiten zeigen und nicht - im Gegensatz zu BGE 70 II 127 - als Leichnam (hier: als Wasserleiche) und dass die Fotos der Verstorbenen auch nicht im Zusammenhang mit einem Text stehen, aus dem sich eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Beschwerdeführerin ergeben könnte (Bächli, a.a.O., S. 75). Gegen den wahrheitsgetreuen und dem Thema angemessenen Zeitungsbericht kann die Beschwerdeführerin als andenkensgeschützte Hinterbliebene nichts unternehmen, mag sie die Veröffentlichung auch als unangenehm und kränkend empfunden haben (Esther Knellwolf, Postmortaler Persönlichkeitsschutz - Andenkensschutz der Hinterbliebenen, 1991, S. 129).
4.2. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin haben die kantonalen Gerichte - wie von ihr gefordert (vgl. BGE 114 Ib 334 E. 1d S. 337 f.) - die "Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten" des Schweizer Presserates und die dazugehörigen Richtlinien herangezogen (E. III/2b S. 10) und berücksichtigt (E. III/3b S. 12 des angefochtenen Entscheids). Mit Bezug auf deren Tragweite ist festzuhalten, dass die Einhaltung dieser berufsethischen Pflichten ein tatbestandsmässiges Verhalten nicht rechtfertigen kann (vgl. für den Bereich des Strafrechts: BGE 127 IV 122 E. 5b S. 134). Auch der Umkehrschluss der Beschwerdeführerin, wonach jede Verletzung der berufsethischen Pflichten zwangsläufig tatbestandsmässig sein müsse, ist unzulässig. Denn viele Problembereiche - wie hier der privatrechtliche postmortale Persönlichkeitsschutz - werden vom Recht nicht oder nicht vollständig erfasst (E. 3). Nicht alles aber, was legal ist, ist auch berufsethisch gerechtfertigt ( RIKLIN, Schweizerisches Presserecht, 1996, § 9 Rz. 2 S. 249). Die angebliche Verletzung von Berufspflichten vermag für sich allein somit keine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrer Persönlichkeit zu belegen.
4.3. Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen (Art. 28 Abs. 1 ZGB) und dem Gericht beantragen, die Widerrechtlichkeit der Verletzung festzustellen, wenn sich diese weiterhin störend auswirkt (Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Es mag zutreffen, dass in der Lehre bis heute diskutiert wird, worin die störende Fortwirkung besteht (vgl. die Hinweise in E. III/2a S. 8 des angefochtenen Entscheids). Die Frage ist hier nicht zu beantworten (vgl. Urteil 5A_605/2007 vom 4. Dezember 2008 E. 3.2, in: medialex 2009 S. 173), setzt doch die Klage gemäss Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB auf Feststellung der Widerrechtlichkeit der Verletzung notwendig eine Persönlichkeitsverletzung voraus (BGE 127 III 481 E. 1c S. 484 ff.), die die kantonalen Gerichte für die Beschwerdeführerin ohne Verletzung von Bundesrecht verneinen durften (E. 3). In diesem Zusammenhang beruft sich die Beschwerdeführerin auf das Urteil des Gerichtshofs der europäischen Union (EuGH) vom 13. Mai 2014 in der Rechtssache C-131/12, aus dem sie indessen für den allgemeinen Persönlichkeitsschutz nichts ableiten kann. Der EuGH hat darin auf datenschutzrechtlicher Grundlage ein Recht auf Vergessen anerkannt, wonach jede Person von Suchmaschinenbetreibern die Löschung von sie betreffenden unrichtigen oder unvollständigen oder im Laufe der Zeit unrichtig oder unvollständig gewordenen Daten im Internet verlangen kann (vgl. etwa Daniel Glasl, Die Achtung der Privatsphäre und die Verantwortlichkeit von Suchmaschinenbetreibern, medialex 2014 S. 115 f.). Im Anwendungsbereich von Art. 28 ZGB anerkennt die Rechtsprechung in gewissem Umfang ein Recht auf Vergessen (BGE 109 II 353 E. 3 S. 356; 111 II 209 E. 3c S. 213 f.), das die Angehörigen eines in seiner Persönlichkeit verletzten Verstorbenen unter den hiervor (E. 3) umschriebenen Voraussetzungen geltend zu machen berechtigt sind (BGE 109 II 353 E. 4a S. 359 f.). Da die Beschwerdeführerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ergibt sich auch aus einem allfälligen Recht auf Vergessen nichts zugunsten ihres Feststellungs- und Löschungsbegehrens.
5.
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerdeführerin wird damit kosten-, hingegen nicht entschädigungspflichtig, zumal keine Vernehmlassungen eingeholt wurden. Unter den Umständen des vorliegenden Falles und mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse auf Seiten der Beschwerdeführerin rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von Gerichtskosten ausnahmsweise zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Befreiung von der Bezahlung der Gerichtskosten gemäss Art. 64 Abs. 1 BGG wird damit gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. November 2014
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: von Roten