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Ecriture agrandie
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_493/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 16. Juni 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, 
Zentralstrasse 28, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Ineichen, 
2. Reto Ineichen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Widerruf der amtlichen Verteidigung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. November 2016 des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Abteilung 4 Spezialdelikte (im Folgenden: Staatsanwaltschaft), führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ und weitere Personen wegen des Verdachts der Veruntreuung, des Diebstahls, des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsbesorgung, der Hehlerei und anderer Delikte. 
Am 17. Mai 2013 setzte die Staatsanwaltschaft Rechtsanwalt Reto Ineichen als amtlichen Verteidiger von A.________ ein. 
 
B.   
Mit Verfügung vom 18. August 2016 widerrief die Staatsanwaltschaft die Einsetzung von Rechtsanwalt Ineichen als amtlichen Verteidiger. A.________ werde nach unbenutzter Rechtsmittelfrist oder nach rechtskräftigem Urteil der Beschwerdeinstanz unverzüglich die Liste mit den amtlichen Verteidigern zugestellt, so dass eine wirksame Verteidigung weiterhin gewährleistet sei. Die Staatsanwaltschaft erwog, Rechtsanwalt Ineichen befinde sich in einem Interessenkonflikt. 
Die von A.________ und Rechtsanwalt Ineichen dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern (1. Abteilung) am 23. November 2016 gut und hob die Verfügung der Staatsanwaltschaft auf. 
 
C.   
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Beschluss des Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. 
 
D.   
Das Kantonsgericht einerseits und A.________ sowie Rechtsanwalt Ineichen anderseits haben sich je vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
Die Oberstaatsanwaltschaft hat dazu Stellung genommen. 
A.________ und Rechtsanwalt Ineichen haben eine Duplik eingereicht. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben.  
 
1.2. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig.  
 
1.3. Die Beschwerdeführerin ist für die Strafverfolgung im gesamten Kanton zuständig. Gemäss § 66 Abs. 1 des Justizgesetzes vom 10. Mai 2010 des Kantons Luzern (JusG; SRL Nr. 260) überwacht die Oberstaatsanwaltschaft die Strafuntersuchungen und sorgt für deren fachgerechte und beförderliche Durchführung und eine einheitliche Rechtsanwendung. Der Oberstaatsanwalt oder die Oberstaatsanwältin leitet die Staatsanwaltschaft (§ 65 Abs. 1 JusG). Die Oberstaatsanwaltschaft ist berechtigt, Urteile und Entscheide an das Kantonsgericht und an eidgenössische Rechtsmittelinstanzen weiterzuziehen (§ 67 Abs. 2 JusG). Die Beschwerdelegitimation nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 3 BGG ist daher gegeben (BGE 142 IV 196 E. 1.5 S. 198 ff.).  
 
1.4.  
 
1.4.1. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Er stellt einen Zwischenentscheid dar. Dieser betrifft weder die Zuständigkeit noch den Ausstand. Es handelt sich um einen "anderen Zwischenentscheid" im Sinne von Art. 93 BGG. Dagegen ist die Beschwerde gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).  
 
1.4.2. Die Gutheissung der vorliegenden Beschwerde würde keinen Endentscheid herbeiführen. Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt somit ausser Betracht.  
 
1.4.3. Nach der Rechtsprechung muss es sich im Bereich der Beschwerde in Strafsachen beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein derartiger Nachteil liegt vor, wenn er auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen späteren End- oder anderen Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 141 IV 289 E. 1.2 S. 291 mit Hinweisen).  
Der Staatsanwaltschaft droht beispielsweise dann ein nicht wieder gutzumachender Nachteil, wenn die kantonale Beschwerdeinstanz die Entfernung eines Beweismittels aus den Akten anordnet und dies die Weiterführung des Strafverfahrens verunmöglicht oder zumindest stark erschwert (BGE 141 IV 289 E. 1.4 S. 292). 
Der Beschwerdeführer muss, wenn das nicht offensichtlich ist, darlegen, inwiefern ihm ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG drohen soll. Andernfalls genügt er seiner Begründungspflicht nach Art. 42 Abs. 2 BGG nicht und kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 142 III 798 E. 2.2 S. 801; 141 III 80 E. 1.2 S. 81; 137 III 324 E. 1.1 S. 329; je mit Hinweisen). Diese Begründungspflicht trifft auch die Staatsanwaltschaft (BGE 141 IV 289 E. 1.4 S. 292 mit Hinweisen). 
 
1.4.4. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern ihr der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken soll. Auf die Beschwerde könnte somit nur eingetreten werden, wenn dies offensichtlich wäre. Das ist nicht der Fall. Es ist insbesondere nicht auszumachen, inwiefern die Verteidigung des Beschwerdegegners 1 durch den Beschwerdegegner 2 der Staatsanwaltschaft die Weiterführung des Strafverfahrens erschweren soll. Der Beschwerdegegner 1 hat unstreitig Anspruch auf einen amtlichen Verteidiger. Dadurch, dass der Beschwerdegegner 1 durch den Beschwerdegegner 2 und nicht durch einen anderen Anwalt amtlich verteidigt wird, wird die Stellung der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren nicht erkennbar beeinträchtigt und diese nicht an der justizförmigen Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs gehindert.  
Auf die Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden. 
 
1.5. Damit kann offen bleiben, ob auf die Beschwerde auch deshalb nicht hätte eingetreten werden können, weil die darin enthaltene Argumentation widersprüchlich ist. Die Beschwerdeführerin legt dar, die Staatsanwaltschaft habe den Beschwerdegegner 2 in Anwendung von Art. 134 Abs. 2 StPO mangels wirksamer Verteidigung abberufen (Beschwerde S. 3 lit. g und S. 7 Ziff. 11). Die Beschwerdeführerin sagt aber nicht substanziiert, weshalb es an einer wirksamen Verteidigung fehlen sollte. Im Gegenteil führt sie aus, der Beschwerdegegner 2 verfüge aufgrund eines Zivilverfahrens über einen Wissensvorsprung, was den Beschwerdegegner 1 bevorteile (Beschwerde S. 7 Ziff. 10). Die Beschwerdeführerin ist somit offenbar der Auffassung, der Beschwerdegegner 2 verteidige den Beschwerdegegner 1 zu wirksam. Dies stellt keinen Grund für eine Abberufung des Beschwerdegegners 2 dar. Der Beschuldigte hat Anspruch auf die bestmögliche Wahrung seiner Interessen durch den Verteidiger (vgl. Art. 128 StPO).  
 
2.   
Wäre auf die Beschwerde einzutreten gewesen, hätte das der Beschwerdeführerin im Übrigen nicht geholfen. Die Vorinstanz erkennt keinen Grund für die Abberufung des Beschwerdegegners 2 als amtlichen Verteidiger des Beschwerdegegners 1. Ihre Erwägungen halten vor Bundesrecht stand. Zutreffend stellt sie auf die Sachlage im Zeitpunkt ihres Beschlusses ab (Urteil 1B_768/2012 vom 15. Januar 2013 E. 2.1 mit Hinweisen). Diesen hat sie eingehend begründet. Eine Verletzung der Begründungspflicht kann ihr nicht vorgeworfen werden. Ebenso wenig eine unfaire und rechtsungleiche Behandlung der Parteien im Beschwerdeverfahren. Auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss (E. 4 S. 4 ff.) und in der Vernehmlassung der Vorinstanz (S. 2) kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
3.   
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton hat den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Luzern hat den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung von je Fr. 1'000.--, insgesamt Fr. 2'000.--, zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Juni 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri