Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_197/2008/don
Urteil vom 2. Juni 2008
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Amtsarzt des Kantons St. Gallen,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
fürsorgerische Freiheitsentziehung,
Beschwerde gegen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, vom 5. März 2008.
Sachverhalt:
A.
Der seit 2005 arbeitslose X.________ wohnt zusammen mit seiner Mutter, A.________, in seinem Einfamilienhaus in B.________. Am 13. Februar 2008 informierte der Hausarzt von A.________ die Vormundschaftsbehörde dahingehend, dass X.________ ihm den Zugang zum Haus verwehre, worauf er vom Präsidenten der Gemeinde B.________ den Auftrag erhielt, X.________ zu untersuchen. Am gleichen Tag ordnete der Hausarzt mündlich die Einweisung von X.________ in die Kantonale Psychiatrische Klinik Pirminsberg (KPK) an. In der Folge verfügte der Amtsarzt am 15. Februar 2008 die Rückbehaltung des Betroffenen in der KPK.
B.
Der Betroffene gelangte gegen diese Verfügung mit Klage an die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen und ersuchte um sofortige Entlassung. Die Kommission zog Dr. med. C.________, Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie, als Sachverständigen bei, welcher den Betroffenen am 27. Februar 2008 einvernahm und am 28. Februar 2008 seinen gutachterlichen Bericht erstattete. Am 5. März 2008 wies die Rekurskommission die Klage nach Anhörung des Betroffenen und des Sachverständigen ab.
C.
Mit Eingabe vom 14. März 2008 erhebt der Betroffene Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen vom 5. März 2008 mit dem Begehren, den Entscheid aufzuheben und ihn (den Beschwerdeführer) aus der Klinik zu entlassen.
Die Verwaltungsrekurskommission schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG) betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung, gegen den die Beschwerde in Zivilsachen gegeben ist (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann eine Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), zu dem laut der Begriffsbestimmung des BGG auch das Verfassungsrecht gehört. Gerügt werden kann ferner eine Verletzung des Völkerrechts (Art. 95 lit. b BGG).
2.
2.1 Eine mündige oder entmündigte Person darf wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder schwerer Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann (Art. 397a Abs. 1 ZGB). Die Zurückbehaltung in einer Anstalt kann nur unter den in Art. 397a Abs. 1 ZGB aufgeführten Voraussetzungen erfolgen (vgl. Botschaft, BBl. 1977 III S. 27). Wie bei der Einweisung in eine Anstalt (vgl. Schnyder, Die fürsorgerische Freiheitsentziehung, in Zeitschrift für öffentliche Fürsorge, 1979, S. 119) ist somit auch bei der Zurückbehaltung des oder der Betroffenen als der anderen Form des Freiheitsentzuges (Botschaft, BBl. 1977 III S. 27) das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen; vorausgesetzt ist mit anderen Worten, dass der oder die Betroffene infolge der im Gesetz umschriebenen Schwächezustände persönlicher Fürsorge bedarf, die ihm bzw. ihr nur in einer Anstalt gewährt werden kann (BGE 114 II 213 E. 5). Zu berücksichtigen ist ferner die Belastung, welche die Person für ihre Umgebung bedeutet (Art. 397a Abs. 2 ZGB). Nach der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 397a Abs. 3 ZGB muss denn auch die von der fürsorgerischen Freiheitsentziehung betroffene Person entlassen werden, sobald ihr Zustand es erlaubt.
Die Sicherstellung der medikamentösen Therapie, weil keine Gewähr für die ambulante Behandlung besteht und folglich damit zu rechnen ist, dass die Wahnideen und der damit einhergehende Realitätsverlust anhalten werden, rechtfertigt die Aufrechterhaltung des fürsorgerischen Freiheitsentzugs nicht, solange daraus keine konkrete Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwachsen droht (Urteil 5A_312/2007 vom 10. Juli 2007, E. 2).
2.2 Der Beschwerdeführer erachtet sinngemäss die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Freiheitsentziehungen als nicht erfüllt.
2.3
2.3.1 Nach dem schriftlichen Bericht des Sachverständigen leidet der Beschwerdeführer an einer wahrscheinlich akut verschlechterten chronischen paranoiden Schizophrenie mit stark auffallender Störung des Denkens (stark eingeengt, umständlich, Überzeugung, verfolgt und bestohlen zu werden und beeinträchtigt zu sein), des Fühlens (wechselhaft, labil) und des Antriebs (stark gesteigert, betriebsam). In den Wochen und Tagen vor der Einweisung in die Klinik habe der Beschwerdeführer die Heizung seines Hauses abmontiert, das Telefon abgestellt, der Mutter die notwendigen Herz-Medikamente (teilweise) abgenommen, die für die Mutter aufgebotene Spitex-Hilfe verjagt und sich völlig von der Umwelt abgeschottet. Bei sofortiger Entlassung werde der Beschwerdeführer die beschützten und beschützenden Strukturen der Klinik verlieren, mangels Krankheitseinsicht das gegenwärtig verabreichte Medikament (Risperdal) absetzen, wobei es zu vermehrter Unruhe, Tag- und Nachtumkehr, evtl. zu bizarren Verhaltensweisen, gesteuert durch die alles beherrschende Wahn-Realität kommen werde. Es sei beim Beschwerdeführer mit zunehmender Isolation, wahnhaft verarbeiteten Ängsten, mit einer Verwahrlosung und mittelfristig mit einer Verarmung zu rechnen.
2.3.2 Die Verwaltungsrekurskommission hat anlässlich der mündlichen Verhandlung den Beschwerdeführer sowie den Sachverständigen angehört und hat alsdann unter Berücksichtigung der Akten, insbesondere des Gutachtens, befunden, der Beschwerdeführer weise im heutigen Zeitpunkt auffällige und starke Störungszeichen auf, welche auch für den besonnenen Laien grob befremdend wirkten und ein erhebliches Mass annähmen. Diese Störungszeichen erreichten den juristischen Schwellenwert der Uneinfühlbarkeit, weshalb davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer an einer Geisteskrankheit im Sinn von Art. 397a Abs. 1 ZGB leide.
Nach den weiteren Ausführungen des angefochtenen Entscheides ist die wirtschaftliche Existenz des arbeitslosen Beschwerdeführers, der sich gegen eine IV-Rente wehrt, gefährdet, und er ist nicht in der Lage, dieses Problem selber zu lösen. Die Selbstgefährdung bestehe nicht in einer akuten Suizidalität, sondern in der Gefahr der Verwahrlosung durch wirtschaftliche Verarmung und soziale Isolation. Eine konkrete Fremdgefährdung sei nach dem Wegzug der Mutter zur Schwester des Beschwerdeführers nicht mehr ersichtlich.
2.4 Aufgrund des angefochtenen Entscheides sind keine Umstände ersichtlich, welche die Aufrechterhaltung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung zu rechtfertigen vermögen. Der Beschwerdeführer leidet zwar an einer Geisteskrankheit im Sinn von Art. 397a Abs. 1 ZGB, doch kann er aufgrund dieser Krankheit nicht als weiterhin schutzbedürftig im Sinn dieser Bestimmung angesehen werden. Insbesondere ist keine Suizidalität oder eine andere schwere Gefährdung der Gesundheit dargetan; die befürchtete Verwahrlosung wird allein mit dem Umstand begründet, dass der Beschwerdeführer über keine Einkünfte verfügt und sich gegen einen Antrag auf Gewährung einer IV-Rente wehrt. Mag auch eine gewisse Gefahr der Verarmung und eine daraus resultierende Verwahrlosung unter den gegebenen tatsächlichen Umständen nicht von der Hand zu weisen sein, lässt sich dieser Gefahr mit einer Vormundschaft begegnen, zumal der einzusetzende Vormund die notwendigen Schritte für eine vorübergehende Sozialhilfe und den Erhalt einer IV-Rente in die Wege leiten kann. Erste Schritte in dieser Richtung sind von der Wohnortsgemeinde des Beschwerdeführers bereits eingeleitet worden. Eine konkrete Fremdgefährdung ist ebensowenig (mehr) erstellt. Schliesslich vermag auch der Umstand, dass der einmal entlassene krankheitsuneinsichtige Beschwerdeführer vermutlich das Medikament absetzen wird, eine weitere Zurückbehaltung nicht zu rechtfertigen, wenn - wie hier - daraus keine konkrete, nicht durch andere geeignete Massnahmen abzuwendende Selbstgefährdung resultiert (vgl. E. 1).
2.5 Zusammenfassend ergibt sich, dass sich eine weitere Zurückbehaltung des Beschwerdeführers als nicht verhältnismässig erweist, da eine mögliche Selbstgefährdung wirtschaftlicher Art durch andere, geeignetere vormundschaftliche Massnahmen angegangen werden kann und im weiteren auch keine konkrete Fremdgefährdung ausgewiesen ist. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die ärztliche Leitung der KPK ist anzuweisen, den Beschwerdeführer unverzüglich aus der Anstalt zu entlassen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen vom 5. März 2008 wird aufgehoben. Die ärztliche Leitung der Kantonalen Psychiatrischen Klinik St. Pirminsberg wird angewiesen, den Beschwerdeführer unverzüglich aus der Anstalt zu entlassen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, der Vormundschaftsbehörde der Gemeinde B.________ sowie im Dispositiv der ärztlichen Leitung der Kantonalen Psychiatrischen Klinik St. Pirminsberg, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. Juni 2008
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Raselli Zbinden