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Ecriture agrandie
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_271/2019  
 
 
Urteil vom 11. Juni 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Storchenegger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Vorinstanzliches Verfahren; Prozessvoraussetzung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des 
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 27. März 2019 
(200 19 96 UV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1984, zog sich am 27. April 2007 bei einem Unfall (Sturz aus einem Fenster) verschiedene Verletzungen zu, unter anderem an beiden Füssen (offene Talusluxationen), am rechten Unterarm (Radiusfraktur) sowie am rechten Kniegelenk (bei Knie-Totalprothese im Jahr 2005). Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Nach einer kreisärztlichen Abschlussuntersuchung am 30. November 2017 lehnte sie den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mit Verfügung vom 15. Januar 2018 und Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2018 ab. 
 
B.   
Auf die dagegen erhobene Beschwerde trat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 27. März 2019 nicht ein wegen Verspätung der Beschwerde. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Das Bundesgericht verzichtet auf die Durchführung eines Schriftenwechsels. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist (Art. 97 Abs. 1 BGG) oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht. 
 
2.   
Streitig ist, ob der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid wegen Fristversäumnis vor Bundesrecht standhält. Zur Frage steht dabei, zu welchem Zeitpunkt der Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2018 als zugestellt gelten konnte. 
 
3.   
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Beginn des Fristenlaufs (Art. 38 Abs. 1 ATSG) und über die Fristwahrung bei schriftlichen Eingaben durch Übergabe an die Schweizerische Post am letzten Tag der Frist (Art. 39 Abs. 1 ATSG) zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen. 
 
4.   
Die Vorinstanz stellte fest, dass die Suva den Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2018 mittels "A-Post Plus" verschickt habe. Massgebliches Zustelldatum sei Samstag, der 15. Dezember 2018, entsprechend der Sendungsverfolgung "Track & Trace". Daran ändere nichts, dass die Post nach der von ihr eingeholten Auskunft an Samstagen für die Anwaltskanzlei Advokatur 107 eingehende Sendungen zurückbehalte und erst am folgenden Werktag zustelle. Ohne den entsprechenden Auftrag der Anwaltskanzlei, der die faktische Zustellung verhindert habe, wäre sie am Samstag (15. Dezember 2018) erfolgt. Die Beschwerdefrist habe am Sonntag, dem 16. Dezember 2018, zu laufen begonnen und unter Berücksichtigung des Fristenstillstandes vom 18. Dezember 2018 bis 2. Januar 2019 am Mittwoch, 30. Januar 2019, geendet. Die am 1. Februar 2019 der Post übergebene Beschwerde sei verspätet. 
 
5.   
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die Post auf Wunsch der jetzigen und früheren Inhaber der Advokatur 107, vormals Holenstein + Partner beziehungsweise Frey + Partner, seit Jahren an Samstagen keine Zustellungen tätige, weil die Kanzlei geschlossen sei und sich eine Ablage in den Briefkasten - anstatt der persönlichen Übergabe im Sekretariat - mit dem Anwaltsgeheimnis nicht vereinbaren liesse. Sie macht jedoch geltend, dass der von der Suva mit "A-Post Plus" verschickte Brief erst am Montag (17. Dezember 2018) in ihren Machtbereich gelangt sei, was die Post, Briefzustellregion St. Gallen-Appenzell, mit Schreiben vom 12. Februar 2019 bestätigt habe. Insbesondere sei die Sendung nicht in ein Postfach abgelegt worden, und es habe auch keine Vereinbarung über weitere Dienstleistungen mit einem Dritten (als Hilfsperson der Kanzlei) bestanden, was die Datierung der Zustellung auf einen früheren Zeitpunkt als den der effektiven Übergabe zu rechtfertigen vermöchte. 
 
6.  
 
6.1. Im Sozialversicherungsverfahren bestehen keine Vorschriften darüber, wie die Versicherungsträger ihre Verfügungen zustellen sollen. Aus dem Schweigen des Gesetzes in diesen und anderen verwaltungsrechtlichen Materien über die Art der Zustellung leitet das Bundesgericht grundsätzlich ab, dass es den Behörden freigestellt ist, auf welche Art sie ihre Verfügungen versenden. Insbesondere dürfen sie sich deshalb auch der Versandart "A-Post Plus" bedienen. Die Eröffnung muss bloss so erfolgen, dass sie dem Adressaten ermöglicht, von der Verfügung oder der Entscheidung Kenntnis zu erlangen, um diese gegebenenfalls sachgerecht anfechten zu können. Bei uneingeschriebenem Brief erfolgt die Zustellung bereits dadurch, dass er in den Briefkasten oder ins Postfach des Adressaten gelegt wird und damit in den Macht- beziehungsweise Verfügungsbereich des Empfängers gelangt. Dass der Empfänger von der Verfügung tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (BGE 142 III 599 E. 2.4.1 S. 603; Urteil 8C_198/2015 vom 30. April 2015 E. 3.2 mit Hinweisen). Bei der Versandmethode "A-Post Plus" wird der Brief mit einer Nummer versehen und ähnlich wie ein eingeschriebener Brief mit A-Post spediert. Im Unterschied zu den eingeschriebenen Briefpostsendungen wird aber der Empfang nicht quittiert. Der Adressat wird im Falle seiner Abwesenheit auch nicht durch Hinterlegung einer Abholungseinladung avisiert. Die Zustellung wird vielmehr elektronisch erfasst, wenn die Sendung in das Postfach oder in den Briefkasten des Empfängers gelegt wird (BGE 144 IV 57 E. 2.3.1 S. 61; 142 III 599 E. 2.2 S. 601).  
 
6.2. Gesonderte Abmachungen über die Zustellung, wie nach ständiger Praxis insbesondere der Postzurückbehaltungsauftrag, vermögen den Zeitpunkt der rechtlich relevanten Zustellung nicht zugunsten des Empfängers auf später zu verlegen und die Sendung erst bei der effektiven Empfangnahme als erfolgt zu betrachten (BGE 107 V 187; zuletzt etwa Urteile 8C_53/2017 vom 2. März 2017 E. 4.2; 5A_704/2015 vom 22. März 2016 E. 9.2; 6B_169/2014 vom 18. März 2014 E. 2). Wie das Bundesgericht jüngst entschieden hat, gilt dies auch dann, wenn der Empfänger mit der Swiss Post Solutions AG (SPS) eine Spezialvereinbarung über zusätzliche Dienstleistungen getroffen hat. Massgeblich für die Zustellung bleibt das beim "A-Post Plus"-Versand mittels "Track & Trace" zweifelsfrei feststellbare Datum. Die Absenderin hat diesbezüglich keinen Einfluss und braucht sich daher nicht entgegenhalten zu lassen, dass ihre Sendung entgegen der "Track & Trace"-Sendungsverfolgung erst später beim Empfänger eingetroffen sei. Dafür sprechen auch Gründe der Rechtssicherheit. Dass der Empfänger bei solchen Vereinbarungen an Wochenenden und Feiertagen faktisch keinen Zugriff auf seine Post hat, vermag daran nichts zu ändern (Urteil 8C_586/2018 vom 6. Dezember 2018 E. 6).  
 
7.   
Nach den für das Bundesgericht verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen lag eine gesonderte Abmachung der Anwaltskanzlei Advokatur 107 mit der Post über die Zustellung vor. Dass das kantonale Gericht das massgebliche Datum der Zustellung des mit "A-Post Plus" verschickten Briefes gestützt auf die Sendungsverfolgung der Post bestimmt und auf Samstag, den 15. Dezember 2018, festgelegt hat, ist nach dem in E. 6.2 Gesagten nicht bundesrechtswidrig. Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Sendung erst am Montag, 17. Dezember 2018, in ihren Machtbereich gelangt sei, verfängt nicht. Daran vermag die von ihr angeführte Unmöglichkeit einer Briefkastenzustellung am Samstag zum Schutz des Anwaltsgeheimnisses nichts zu ändern. Auch für sie war das Datum der elektronischen Erfassung mittels "Track & Trace" durch die Post zweifelsfrei feststellbar. Die Vorinstanz hat die am 1. Februar 2019 bei der Post aufgegebene Beschwerde - unter Berücksichtigung des Fristenstillstandes nach Art. 38 Abs. 4 lit. c ATSG - zu Recht als verspätet qualifiziert. 
 
8.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. Juni 2019 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo