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Ecriture agrandie
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_403/2008 /ber 
 
Urteil vom 28. Oktober 2008 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
A.________, 
B.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
C.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 15. Mai 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.________ und B.________ haben beim Bezirksgericht Münchwilen diverse Verfahren hängig. Am 26. Januar 2008 reichten sie gegen den Gerichtsschreiber C.________ ein Ablehnungsgesuch ein, das vom Bezirksgericht Münchwilen mit Beschluss von 21. Februar 2008 abgewiesen wurde. 
 
Den hiergegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 15. Mai 2008 ab. 
 
B. 
Gegen diesen Entscheid haben A.________ und B.________ am 23. Juni 2008 Beschwerde in Zivilsachen, eventualiter subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben, im Wesentlichen mit den Begehren um dessen Aufhebung und um Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, eventualiter um Feststellung der Befangenheit des Beschwerdegegners. Mit Präsidialverfügung vom 1. September 2008 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. In der Sache wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG) über die Ablehnung des erstinstanzlichen Gerichtsschreibers. Entscheide über Ausstandsbegehren sind als Vor- oder Zwischenentscheide sofort anzufechten (Art. 92 Abs. 1 BGG). Weil dabei der Rechtsweg jenem der Hauptsache folgt (Urteile 5A_10/2007 vom 23.03.2007, E. 2.3; 5A_262/2008 vom 08.09.2008, E. 1.2; vgl. auch BGE 133 III 645 E. 2.2 S. 648), und es bei dieser um verschiedene sachenrechtliche Verfahren mit einem Streitwert von erwiesenermassen über Fr. 30'000.-- geht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG), steht die Beschwerde in Zivilsachen gegen den vorliegend angefochtenen Entscheid grundsätzlich offen. 
 
2. 
Die Rechtsanwendung überprüft das Bundesgericht mit freier Kognition (Art. 106 Abs. 1 BGG). Hingegen ist es an die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann einzig vorgebracht werden, der Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich" gleichzusetzen ist (Botschaft, BBl 2001 IV 4338; BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Diesbezüglich gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG), wie es für die frühere staatsrechtliche Beschwerde gegolten hat (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). Das Rügeprinzip gilt auch mit Bezug auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
3. 
Die Beschwerdeführer rügen vorab eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), weil ihnen im erstinstanzlichen Verfahren die verfahrensleitende Korrespondenz nicht zugestellt worden bzw. diese nur mündlich erfolgt sei und weil ihnen die Stellungnahme des Beschwerdegegners erst nachträglich übermittelt worden sei. Sie setzen sich jedoch mit den Ausführungen im angefochtenen Entscheid, wonach die teilweise erfolgte Gehörsverletzung im obergerichtlichen Verfahren geheilt worden sei, nicht in einer für Verfassungsrügen genügenden Form auseinander, weshalb die Beschwerde in diesem Punkt unsubstanziiert bleibt und auf die rein appellatorischen Vorbringen der Beschwerdeführer nicht einzutreten ist. 
 
Unzutreffend ist sodann die Behauptung, der obergerichtliche Entscheid sei zu wenig begründet und insofern der aus dem rechtlichen Gehör fliessender Begründungsanspruch verletzt. Der Richter darf sich bei der Entscheidbegründung auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränken; er muss aber - und das ist der Kern der Garantie im Sinn von Art. 29 Abs. 2 BV - die Begründung so abfassen, dass der Betroffene sie sachgerecht anfechten kann (BGE 121 I 54 E. 2c S. 57; 126 I 97 E. 2b S. 102; 129 I 232 E. 3.2 S. 236). Dass dies den Beschwerdeführern in jeder Hinsicht problemlos möglich war, belegen sie mit ihrer umfassenden Beschwerdeeingabe selbst. 
 
4. 
Die Beschwerdeführer halten den Beschwerdegegner und nunmehr auch den Obergerichtspräsidenten für befangen. 
 
4.1 Nach Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Richter beurteilt wird. Es soll garantiert werden, dass keine sachfremden Umstände, welche ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das Urteil einwirken. Art. 30 Abs. 1 BV soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen (BGE 114 Ia 50 E. 3c S. 55). Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen (BGE 131 I 113 E. 3.4 S. 116). Voreingenommenheit und Befangenheit in diesem Sinn werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn sich im Einzelfall anhand aller tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Gegebenheiten Umstände ergeben, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken (BGE 126 I 68 E. 3a S. 73; 127 I 196 E. 2b S. 198; 128 V 82 E. 2a S. 84). 
 
4.2 Nicht einzutreten ist zunächst auf den blossen Verfahrensantrag, der Obergerichtspräsident sei für befangen zu erklären und der angefochtene Entscheid bereits aus diesem Grund aufzuheben; hierzu ist ein blosser Prozessantrag ungenügend. Ohnehin wäre der Antrag auch materiell unbegründet, ist doch nicht im Geringsten ersichtlich, inwiefern der Obergerichtspräsident befangen im Sinn der Darlegung in E. 4.1 sein soll. Dass der angefochtene Entscheid angeblich in emotionalem Ton verfasst und deshalb von Befangenheit auszugehen sei, trifft nicht zu, zumal die von den Beschwerdeführern beanstandeten Textpassagen, sie würden abenteuerliche Verschwörungstheorien entwickeln und hätten sich der Behinderung des Verfahrens verschrieben, nicht von der Hand zu weisen ist: Wie die Ausführungen in der Beschwerde zeigen, vermuten sie hinter zahlreichen Vorkehrungen und Aussagen der involvierten Gerichtsorgane eine gegen sie gerichtete Handlung, und sie haben nach der Ablehnung des Präsidenten und sodann des Vizepräsidenten des Bezirksgerichts auch gegen den mit der Verfahrensleitung betrauten Bezirksrichter Urs Obrecht ein Ablehnungsbegehren gestellt (BGE 134 I 16), sodann haben sie im Baubewilligungsverfahren gegen den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Ablehnungsbegehren gestellt (Urteil 1C_428/2007), und nunmehr halten sie den Gerichtsschreiber der erstinstanzlichen Verfahren für befangen. 
 
4.3 Was die Ablehnung des Letztgenannten anbelangt, ist zunächst festzuhalten, dass nach der thurgauischen Zivilprozessordnung für Gerichtsschreiber die gleichen Ausstandsgründe wie für Richter gelten (§§ 51 und 52 ZPO). Im vorliegenden Fall ist die Unvoreingenommenheit des Gerichtsschreibers umso wichtiger, als er nach § 104 Abs. 1 ZPO beratende Stimme hat und er nach dem Ausstand des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Bezirksgericht Münchwilen der einzige am Verfahren mitwirkende Jurist ist (vgl. zur Anwendbarkeit der Garantien von Art. 30 Abs. 1 BV auf den Gerichtsschreiber, wenn dieser an der Urteilsfällung mit einer gewissen Intensität beteiligt ist BGE 115 Ia 224 E. 7b S. 228 f.; 124 I 255 E. 4c S. 262). 
 
4.4 Die Beschwerdeführer werfen dem Beschwerdegegner verschiedene Verfahrensfehler vor und leiten daraus dessen Befangenheit ab. 
 
Grundsätzlich vermögen richterliche Verfahrensfehler die Unabhängigkeit bzw. Unbefangenheit einer Gerichtsperson nicht in Frage zu stellen. Eine Ausnahme besteht dann, wenn objektiv gerechtfertigte Gründe zur Annahme bestehen, dass sich in Rechtsfehlern gleichzeitig eine Haltung manifestiert, die auf fehlender Distanz und Neutralität beruht. Es muss sich um besonders krasse Fehler oder wiederholte Irrtümer handeln, die eine schwere Verletzung der Richterpflichten darstellen (BGE 116 Ia 135 E. 3 S. 138; 125 I 119 E. 3e S. 124). 
 
Wie das Obergericht festgestellt hat, betreffen die meisten Vorwürfe - soweit sie in der Beschwerde in Zivilsachen nicht neu erhoben werden und daher von vornherein unzulässig sind (Art. 99 Abs. 1 BGG) - nicht den Beschwerdegegner, sondern die Verfahrensleitung (Terminverschiebungen; Bündelung der Verfahren auf den gleichen Halbtag; Aktenherausgabe; Peremptorisierung; fehlende Aktennotiz über die Aufforderung des Beschwerdegegners zur Vernehmlassung), was auch für die unterlassene Zustellung der Vernehmlassung zutrifft, was anerkanntermassen ein Verfahrensfehler war. Ebenfalls nicht den Beschwerdegegner, sondern die Untersuchungsrichterin betrifft der Vorwurf der angeblichen Amtsgeheimnisverletzung im Strafverfahren. Keine Befangenheit zu begründen vermag sodann, dass die Vernehmlassung des Beschwerdegegners von der gleichen Sekretärin getippt worden ist wie die vom verfahrensleitenden Richter erlassenen Verfügungen. Dass die in den Akten liegende Vernehmlassung des Beschwerdegegners nicht unterzeichnet ist, beruht nicht auf bösem Willen oder Benachteiligungsabsicht und ist deshalb nicht geeignet, den Eindruck von Voreingenommenheit bzw. den Anschein von Befangenheit zu begründen. Dies gilt auch für die vorstehend aufgezählten Handlungen der Verfahrensleitung, soweit der Beschwerdegegner daran beratend mitgewirkt hat. 
 
4.5 Die Beschwerdeführer leiten eine Befangenheit sodann aus den Tatsachen ab, dass der Beschwerdegegner einerseits mit Rechtsanwältin Rita Wenger verschwägert ist, die in der gleichen Anwaltskanzlei wie der Rechtsvertreter einer Gegenpartei der Beschwerdeführer im Hauptverfahren arbeitet, und dass er andererseits mit dem Rechtsvertreter einer Gegenpartei in einer Jazzformation spielt. 
Diese Vorbringen beschlagen keine Tatsachen, die erst im Verlauf des Verfahrens eingetreten sind, und die Beschwerdeführer haben auch nie geltend gemacht, dass ihnen die betreffenden Umstände erst unmittelbar vor Einreichen des Ablehnungsgesuches bekannt geworden wären. Aus den Akten ergibt sich vielmehr, dass die Hauptverfahren seit dem Jahr 2005 bzw. 2006 hängig sind und den Beschwerdeführern seit langem bekannt ist, dass in diesen der Beschwerdegegner als Gerichtsschreiber amtet. Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind aber Ausstandsgründe nach Treu und Glauben ohne Verzug geltend zu machen, sobald sie bekannt sind, andernfalls der Anspruch auf Ablehnung verwirkt ist (BGE 120 Ia 19 E. 2c/aa S. 24; 124 I 121 E. 2 S. 123). 
 
Im Übrigen könnte auf die Vorbringen auch deshalb nicht eingetreten werden, weil die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde den Anforderungen an Verfassungsrügen nicht genügen. Das Obergericht hat einerseits festgehalten, § 51 Ziff. 9 ZPO (Verwandtschaft und Schwägerschaft) beziehe sich ausdrücklich nur auf den Parteivertreter und nicht auch auf dessen Kanzleikollegen, und andererseits erwogen, gemeinsames Spielen in einer Jazzformation begründe für sich genommen noch keine besondere Freundschaft im Sinn von § 51 Ziff. 8 ZPO. Inwiefern das Obergericht bei der Auslegung dieser kantonalen Normen in Willkür verfallen wäre oder direkt aus Art. 30 Abs. 1 BV fliessende Garantien verletzt hätte, zeigen die Beschwerdeführer nicht mit der nötigen Substanziierung auf. 
 
5. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde in Zivilsachen abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind bei diesem Verfahrensausgang den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 28. Oktober 2008 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Raselli Möckli