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Ecriture agrandie
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_734/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 17. Dezember 2015  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Stössel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
unentgeltliche Rechtspflege (Abänderung Scheidungsurteil), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 14. August 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
B.________ und A.________ haben die gemeinsamen Kinder C.________ und D.________. Mit Urteil vom 5. März 2014 wurde ihre Ehe geschieden. 
 
B.   
Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens regelte das Bezirksgericht U.________ mit Verfügung vom 7. Juli 2015 den Wechsel des Aufenthaltsortes der Kinder (nach V.________/VD zum neuen Lebenspartner der Mutter) und das Besuchsrecht des Vaters. 
Mit Urteil vom 14. August 2015 hob das Obergericht des Kantons Zürich diesen Entscheid auf und wies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Bezirksgericht zurück. Gleichzeitig beschloss es, das Gesuch der Mutter um unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren abzuweisen. 
 
C.   
Gegen diesen Beschluss hat A.________ am 16. September 2015 eine Beschwerde erhoben, mit welcher sie dessen Aufhebung und die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Berufungsverfahren verlangt. Ferner verlangt sie diese auch für das bundesgerichtliche Verfahren. Mit Stempel vom 13. November 2015 hat das Obergericht auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG), mit welchem die unentgeltliche Rechtspflege verweigert worden ist. Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382). Bei dieser geht es um den Aufenthaltsort der Kinder und das Besuchsrecht des Vaters, mithin um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit, gegen welche die Beschwerde in Zivilsachen offen stünde. Die vorliegende Beschwerde erweist sich folglich als zulässig. 
 
2.   
Streitfrage im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege für das Berufungsverfahren ist, ob den Konkubinatspartner der Beschwerdeführerin eine Prozesskostenvorschusspflicht trifft. 
 
2.1. Das Obergericht hat auf die Angaben der Mutter im Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege verwiesen, wonach sie im Jahr 2014 als Lehrerin Fr. 28'720.-- und als Mitglied der Kreisschulpflege W.________ Fr. 16'404.-- verdient habe. Seit dem 23. September 2014 beziehe sie unbezahlten Urlaub, um sich nach der Geburt ihrer Tochter E.________ um diese sowie um C.________ und D.________ kümmern zu können. Im Anschluss an ihren Umzug nach V.________ werde sie keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen, sondern sich vollzeitig um die Kinder kümmern. Als Einkommen werde sie einzig noch die Kinderunterhaltsbeiträge von Fr. 2'200.-- verbuchen können, jedoch einen Bedarf von Fr. 4'767.90 haben. Sie verfüge über Kontoguthaben von Fr. 7'011.50. Den am 4. April 2014 überwiesenen Betrag von Fr. 95'105.-- aus Güterrecht habe sie sukzessive für den Lebensunterhalt und die Anschaffung neuer Familienautos verbraucht.  
Das Obergericht hat sodann erwogen, dass die Mutter keine Angaben zu den finanziellen Verhältnissen ihres neuen Partners in V.________ mache. Ein Konkubinatsverhältnis, aus welchem Kinder hervorgegangen sind, sei bei der Ermittlung des betreibungsrechtlichen Notbedarfs gleich zu behandeln wie ein eheliches Familienverhältnis. Unter diesen Voraussetzungen gehe die Prozesskostenvorschusspflicht aus dem Einkommen und Vermögen des Konkubinatspartners der unentgeltlichen Rechtspflege vor. Es sei eine Gesamtrechnung mit voller Berücksichtigung der beidseitigen Einkommen und Vermögen sowie des gemeinsamen Bedarfs durchzuführen. Das gelte auch vorliegend. Es hätte an der Mutter gelegen, die finanziellen Verhältnisse auch ihres neuen Partners offenzulegen. Indem sie dies versäumt habe, sei sie ihren Mitwirkungs- und Offenlegungspflichten nicht nachgekommen. 
 
2.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die vom Obergericht zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung könne nicht unbesehen auf den vorliegenden Fall angewandt werden, zumal sie erst seit dem 11. Juli 2015, also gerade einmal einen Monat vor Erlass des angefochtenen Entscheides bei ihrem neuen Freund eingezogen sei. Von einem eheähnlichen Konkubinat, welches die Aufhebung einer Scheidungsrente erlaube, könne erst nach fünf Jahren ausgegangen werden. Jedenfalls im jetzigen Zeitpunkt liege kein Konkubinat vor, welches zumindest aus moralischer Sicht eine Unterstützungspflicht analog jener gemäss Art. 159 ZGB begründe. Das Obergericht habe deshalb Art. 117 ZPO und Art. 29 Abs. 3 BV verletzt.  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin ist zu ihrem neuen Partner gezogen, mit welchem sie ein gemeinsames Kind hat, und sie wird zufolge Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit zwangsläufig vollständig von diesem unterstützt. In dieser Situation liegt zweifellos ein Konkubinat vor. Indes ist die Frage belanglos, ob dieses eheähnlich sei, denn es geht nicht um die Frage, ob in Analogie zu Art. 130 Abs. 2 ZGB der nacheheliche Unterhalt aufzuheben oder zu sistieren sei (zu dieser Frage sowie der Abgrenzung zur Rechtsprechung zu aArt. 153 Abs. 1 ZGB vgl. das Urteil 5C.93/2006 vom 23. Oktober 2006 E. 2). Vielmehr geht es um die Frage, ob der eine Partner aufgrund des Konkubinatsverhältnisses verpflichtet ist, den anderen Partner in dessen Prozess mit einem Kostenvorschuss bzw. einer Kostenübernahme zu unterstützen.  
Das Obergericht bejaht diese Frage. Die von ihm angeführte bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 106 III 11; 130 III 765) bezieht sich indes auf die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums bei einem Konkubinatsverhältnis. Auf sie kann auch im Zusammenhang mit der Bedürftigkeitsrechnung für die unentgeltliche Rechtspflege abgestellt werden (Urteile 5D_121/2009 vom 30. November 2009 E. 7.1; 9C_859/2008 vom 15. Dezember 2008 E. 3.4.1; 8C_1008/2012 vom 24. Mai 2013 E. 3.3). Bei dieser Rechtsprechung geht es aber nicht um die Frage, ob der eine Konkubinatspartner rechtlich verpflichtet ist, den anderen zu unterstützen, sondern allein um die Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kosten der gemeinsamen Lebensführung normalerweise auch im Konkubinat anteilsmässig getragen werden. In Frage steht bei der betreffenden Rechtsprechung mithin, in welcher Weise das Existenzminimum des prozessführenden Konkubinatspartners zu berechnen ist. 
Vorliegend geht die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Ihre einzigen "Einkünfte" sind die Kinderunterhaltsbeiträge, welche aber für die Bestreitung der Kinderkosten reserviert sind (vgl. 5A_207/2009 vom 21. Oktober 2009 E. 3.2) und nicht für die Prozessfinanzierung zweckentfremdet werden sollen. Verfügt aber die Beschwerdeführerin über gar kein Einkommen, stellt sich die Frage der Berechnung des Existenzminimums im Rahmen des Konkubinates nicht, weil die gemeinsamen Lebenskosten nicht anteilsmässig, sondern einseitig durch den erwerbstätigen Konkubinatspartner getragen werden. Es verbleibt einzig die - wie gesagt nicht von der vorstehend zitierten Rechtsprechung beantwortete - Rechtsfrage, ob dieser aufgrund des Konkubinatsverhältnisses in Analogie zu den entsprechenden eherechtlichen Pflichten den Prozess seiner Konkubine, welche über kein eigenes Einkommen verfügt, finanzieren muss. 
Als Ausfluss der ehelichen Unterhaltspflicht nach Art. 163 ZGB und der ehelichen Beistandspflicht nach Art. 159 Abs. 3 ZGB ist der eine Ehegatte gehalten, dem anderen in Rechtsstreitigkeiten durch Leistung von Prozesskostenvorschüssen beizustehen (Urteile 9C_432/2010 vom 8. Juli 2010 E. 5; 4A_661/2010 vom 16. Februar 2011 E. 3.5; 4A_423/2012 vom 10. September 2012 E. 2.2; 8C_1008/2012 vom 24. Mai 2013 E. 3.3.2; zum alten Eherecht: BGE 103 Ia 99 E. 4 S. 101). In der Lehre wird teilweise die Unterscheidung getroffen, dass sich die Kostenvorschusspflicht bei Angelegenheiten der Ehegemeinschaft aus Art. 163 ZGB und bei anderen Rechtsstreitigkeiten aus Art. 159 Abs. 3 ZGB ergebe; das Bundesgericht hat dazu nie Stellung genommen (vgl. Urteil 5P.346/2005 vom 15. November 2005 E. 4 mit weiteren Hinweisen) und die Unterscheidung ist auch vorliegend nicht relevant. Soweit eine Prozesskostenvorschusspflicht besteht, geht diese dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege vor (BGE 119 Ia 11 E. 3a S. 12; 119 Ia 134 E. 4 S. 135). 
Pflichten, welche aus der ehelichen Unterstützungspflicht (Art. 163 ZGB) und aus der ehelichen Beistandspflicht (Art. 159 Abs. 3 ZGB) fliessen, können - was nicht mit dem Umstand zu verwechseln ist, dass in verschiedenen Konstellationen auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestellt wird (vgl. beispielsweise betreffend Fürsorgeleistungen: Urteil 8C_232/2015 vom 17. September 2015 E. 5.2 mit weiteren Hinweisen; sodann für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums, siehe oben) - selbstredend nur den Ehegatten treffen. Für Konkubinatspartner bestehen grundsätzlich keine solchen Verpflichtungen (vgl. BGE 129 I 1 E. 3.2.4 S. 6; 134 I 313 E. 5.5 S. 318), auch nicht im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege (vgl. Urteile 9C_859/2008 vom 15. Dezember 2008 E. 3.4.1; 8C_1008/2012 vom 24. Mai 2013 E. 3.3.3). Für das Gegenteil bedürfte es einer gesetzlichen Grundlage, welche an die Konkubinatstatsacheentsprechende rechtliche Obligationen knüpfen würde; der blosse Analogieschluss zum Eherecht kann die fehlende gesetzliche Grundlage nicht ersetzen. 
Die oberinstanzliche Ansicht, wonach der Konkubinatspartner die Kosten des den anderen Partner betreffenden Prozesses übernehmen muss, kann sich auf keine gesetzliche Grundlage stützen und verstösst insofern gegen Bundesrecht. Entsprechend durfte das Obergericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren nicht mit der Begründung abweisen, die Beschwerdeführerin habe es versäumt, das Einkommen des Konkubinatspartners offenzulegen. 
 
3.   
Dies muss jedoch insofern nicht zwingend die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Berufungsverfahren bedeuten, als ein verbleibender Vermögensbetrag der Beschwerdeführerin zur Diskussion stehen könnte, aus welchem sie ihren Prozess allenfalls bestreiten könnte. Sie erhielt nämlich im April 2014 eine Leistung aus Güterrecht von fast Fr. 100'000.--. Allerdings behauptet die Beschwerdeführerin, diesen Betrag sukzessive für Unterhalt und Familienautos verbraucht zu haben. Sie legt zwei Kaufverträge für Autos bei, in welchen freilich ihr neuer Partner als Vertragspartei figuriert. Weiter legt sie der Beschwerde sämtliche Kontoauszüge für die Zeit seit Januar 2014 bei. Indes ist es nicht am Bundesgericht, diese neuen Beweismittel zu prüfen, nachdem sich das Obergericht bislang nicht zur Frage des Vermögensverzehrs geäussert hat. 
Folglich ist die Beschwerde dahingehend gutzuheissen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zur Prüfung der finanziellen Situation der Beschwerdeführerin an das Obergericht zurückzuweisen ist. Dem unterliegenden Gemeinwesen werden keine Gerichtskosten auferlegt (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat es der obsiegenden Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahreneine Entschädigung zu leisten (Art. 68 Abs. 2 BGG), wobei die Entschädigung praxisgemäss dem Anwalt auszurichten ist (vgl. Urteil 5A_389/2014 vom 9. September 2014 E. 4 m.w.H.). Damit wird deren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird dahingehend gutgeheissen, dass der Beschluss des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 14. August 2015 betreffend Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege aufgehoben und die Sache zur Prüfung der finanziellen Situation der Beschwerdeführerin und neuen Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen wird. 
 
2.   
Der Kanton Zürich hat Rechtsanwalt Thomas Stössel für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Dezember 2015 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli