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Ecriture agrandie
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_641/2010 
 
Urteil vom 7. September 2010 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber, 
Gerichtsschreiber Ettlin. 
 
Verfahrensbeteiligte 
GastroSocial Pensionskasse, 
Bahnhofstrasse 86, 5000 Aarau, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin, 
 
B.________, vertreten durch Rechtsdienst Integration Handicap. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 30. Juni 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Entscheid vom 19. Februar 2010 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde gegen die Verfügung vom 22. April 2008 - womit die IV-Stelle des Kantons Zürich die B.________ (geb. 1954) seit 1984 ausgerichtete ganze Rente der Invalidenversicherung revisionsweise aufhob - im Wesentlichen mit der Begründung gut, die Voraussetzungen für die Rentenaufhebung seien nicht erfüllt. Der Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft, worauf die Verwaltung am 19. Mai 2010 rückwirkend ab 1. Juni 2008 die Ausrichtung einer ganzen Rente der Invalidenversicherung im monatlichen Betrag von Fr. 2'175.- und mit Wirkung ab 1. Januar 2009 in der Höhe von Fr. 2'244.- beschloss. 
 
B. 
Die GastroSocial Pensionskasse (nachfolgend: Pensionskasse) führte gegen den Verwaltungsakt vom 19. Mai 2010 Beschwerde und beantragte deren Aufhebung und die Feststellung, dass der Pensionskasse daraus keine Bindungswirkung erwachse. Sodann sei festzustellen, dass mit der Berentung kein Vertrauenstatbestand geschaffen werde. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich trat mit Beschluss vom 30. Juni 2010 auf die Beschwerde nicht ein. 
 
C. 
Hiegegen erhebt die Pensionskasse Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das kantonale Gericht sei, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids, anzuweisen, auf die Beschwerde einzutreten und die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Beschwerdeverfahrens seien der IV-Stelle aufzuerlegen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). 
 
2. 
2.1 Streitig und zu prüfen ist, ob das vorinstanzliche Gericht auf die Beschwerde der Pensionskasse gegen den Verwaltungsakt vom 19. Mai 2010 der IV-Stelle hätte eintreten müssen. Der Nichteintretensbeschluss vom 30. Juni 2010 fusst im Wesentlichen auf der Begründung, beim Akt vom 19. Mai 2010 handle es sich lediglich um eine verwaltungsinterne Umsetzung des rechtskräftigen Gerichtsentscheids vom 19. Februar 2010, was keine Verfügung darstelle. Ob das kantonale Gericht im Anwendungsbereich von Bundesrecht den Verfügungsbegriff richtig verwendet hat, ist eine Rechtsfrage, welche das Bundesgericht frei prüft (Art. 5 VwVG; Art. 95 lit. a und 106 Abs. 1 BGG). 
 
2.2 Der Vorinstanz ist nicht zu folgen, wenn sie dem Verwaltungsakt vom 19. Mai 2010 die Eigenschaft einer Verfügung im Rechtssinne (Art. 5 VwVG) abspricht und darin eine blosse verwaltungsinterne Umsetzung des Entscheids vom 19. Februar 2010 sieht. Gegen diese Rechtsauffassung spricht neben der formellen Ausgestaltung und Bezeichnung des Akts als Verfügung mit Adressierung an die Beschwerdeführerin und Rechtsmittelbelehrung (Felix Uhlmann, in: Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2009, N. 115 zu Art. 5 VwVG) vor allem dessen rechtlicher Gehalt (BGE 132 V 74 E. 2 S. 76). Dieser besteht in der masslichen Festsetzung der Rentenbetreffnisse und der Bestimmung des Beginns der Rentenzahlung. Von einer bloss verwaltungsinternen Umsetzung kann auch deshalb nicht gesprochen werden, weil die Verfügung das Rechtsverhältnis zwischen der Invalidenversicherung und der Versicherten - mithin ein Aussenverhältnis - zum Gegenstand hat (BGE 8D_8/2009 vom 16. August 2010 E. 4.4). Dass ein Verwaltungsakt die Umsetzung eines zuvor ergangenen Gerichtsentscheids zum Inhalt hat, steht dem Verfügungscharakter nicht entgegen. Oftmals erheischen rechtsgestaltende oder -feststellende Gerichtsentscheide den Erlass einer weiteren Verfügung. Das vorinstanzliche Nichteintreten allein mit der Begründung, eine Verfügung liege nicht vor, hält vor Bundesrecht daher nicht stand. Damit ist allerdings über das Eintreten noch nicht entschieden; denn eine andere Frage ist die Anfechtbarkeit der den Gerichtsentscheid vollziehenden Verfügung. 
 
3. 
3.1 Eine Verfügung, mit der ein früherer, rechtskräftiger Entscheid ausgeführt wird, kann grundsätzlich nur soweit angefochten werden, als die gerügte Rechtswidrigkeit in der neuen Verfügung selbst begründet ist. Grundsätzlich ausgeschlossen ist die Rüge, die frühere gerichtlich rechtskräftig bestätigte Verfügung sei rechtswidrig. Eine solche Rüge ist verspätet. Die Ausnahme von diesem Grundsatz ist der Beschwerdegrund der Verletzung von unverzichtbaren oder unverjährbaren Grundrechten oder wenn die Nichtigkeit der ursprünglichen Verfügung zur Diskussion steht (BGE 129 I 410 E. 1.1 S. 412; 119 Ib 492 E. 3c/cc S. 499; 104 Ia 172 E. 2b S. 175; Urteil 8C_300/2008 vom 28. November 2008 E. 3), kommt hier von vornherein nicht zum Zuge, weil dem die Rechtskraft des zürcherischen Gerichtsurteils vom 19. Februar 2010 im Wege steht, welches der Beschwerdeführerin ordnungsgemäss eröffnet worden war, so dass ihre Berufung auf das Vertrauen in die Rechtsmittelbelehrung der Verfügung vom 19. Mai 2010 fehl geht. 
 
3.2 Der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente über den 1. Juni 2008 hinaus basiert auf der Dispositiv-Ziffer 1 des Entscheids des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Februar 2010. Die Konkretisierung in zeitlicher und masslicher Hinsicht erfolgte demgegenüber erst mit Verfügung vom 19. Mai 2010 der IV-Stelle. Den Rentenanspruch als solchen begründete der Verwaltungsakt hingegen nicht, auch wenn dessen Dispositiv erklärt, dass über den 1. Juni 2008 hinaus Anspruch auf eine ganze Rente bestehe. Diese Feststellung setzt den mit Gerichtsentscheid vom 19. Februar 2010 erkannten Rentenanspruch vielmehr voraus. Demzufolge konnte in dem gegen die Verfügung vom 19. Mai 2010 gerichteten Beschwerdeverfahren die Anspruchsfrage nicht Streitgegenstand bilden. Denn im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 125 V 413 E. 1a S. 414; 119 Ib 33 E. 1b S. 36; 118 V 311 E. 3b S. 313; 110 V 48 E. 3b S. 51; vgl. auch BGE 123 V 310 E. 6c S. 324). Daher waren Rügen gegen die Verfügung vom 19. Mai 2010 allein im Umfang ihrer zeitlichen und masslichen Gegenstände zulässig, und es konnte somit nur der Einwand erhoben werden, das Verfügte weiche vom zuvor gerichtlich rechtskräftig Entschiedenen ab (E. 3.1 hievor). 
 
4. 
Laut angefochtenem Entscheid beantragte die Beschwerdeführerin vor dem kantonalen Gericht die Aufhebung der Verfügung vom 19. Mai 2010 und die Feststellung, der angefochtene Entscheid (Verfügung vom 19. Mai 2010) entfalte keine Bindungswirkung und sei offensichtlich falsch. Schliesslich sei festzustellen, dass mit der Berentung kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei. Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin das Fehlen eines Rentenanspruchs ins Feld. Die erwähnten Anträge zielten folglich nicht auf die Überprüfung der in der angefochtenen Verfügung behandelten Gegenstände (E. 3.2), sondern auf den Anspruch als solchen, sowie die Bindungswirkung und vertrauensrechtliche Aspekte. Namentlich ist vor kantonalem Gericht die Rüge einer vom Gerichtsentscheid materiell abweichenden Vollzugsverfügung nicht erhoben worden (E. 3.2). Das kantonale Gericht ist im Ergebnis mit Recht nicht auf die Beschwerde eingetreten. 
 
5. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, B.________, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 7. September 2010 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Ettlin