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Ecriture agrandie
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.563/2002 /bmt 
 
Urteil vom 18. Dezember 2002 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Nay, Féraud, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Universität Bern, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Hochschulstrasse 4, 3012 Bern, 
Erziehungsdirektion des Kantons Bern, Sulgeneckstrasse 70, 3005 Bern, 
Regierungsrat des Kantons Bern, 3011 Bern, vertreten durch die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern, 3011 Bern. 
 
Art. 8, 9 und 29 BV (Nichteintreten auf Wiederaufnahmegesuch; Revisionsgesuch), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats des Kantons Bern vom 16. Oktober 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Nachdem A.________ den ersten Teil der juristischen Lizenziatsprüfung an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern nicht bestanden hatte, wiederholte er am 27. Februar 1998 die schriftliche Strafrechtsklausur. Die abgegebene Arbeit wurde mit der Note 3 bewertet. Damit verfehlte A.________ endgültig die für ein Bestehen der Lizenziatsprüfung nötige Notensumme, die er bei einer Bewertung der Strafrechtsklausur mit der Note 4 erreicht hätte. Mit Verfügung vom 22. April 1998 wurde ihm mitgeteilt, dass er von weiteren Studien an der juristischen Abteilung ausgeschlossen sei. 
B. 
Hiergegen rekurrierte A.________ erfolglos an die Erziehungsdirektion und an den Regierungsrat des Kantons Bern. Am 1. Dezember 1999 wies das Bundesgericht seine staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (1P.593/1999). 
C. 
Am 7. Juli 2000 reichte A.________ bei der Erziehungsdirektion eine als Wiedererwägungsgesuch bezeichnete Eingabe ein. Er beantragte, es sei die Bewertung der Strafrechtsklausur vom 27. Februar 1998 infolge neuer rechtserheblicher, neu zu beweisender Tatsachen wiedererwägungsweise aufzuheben und die Klausur neu mindestens mit der Note 4 zu bewerten. 
 
Die Erziehungsdirektion teilte A.________ mit, dass seine Eingabe als Revisionsgesuch gemäss Art. 95 des Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG) an den Regierungsrat des Kantons Bern weitergeleitet werde. Daraufhin antwortete A.________, dass er eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäss Art. 56 VRPG und nicht eine Revision verlange. 
 
Am 11. August 2000 stellte A.________ bei der Universität Bern, Abteilung für Strafrecht, ein weiteres Wiederaufnahmegesuch. Prof. Dr. B.________ leitete dieses Gesuch am 30. August 2000 an die Erziehungsdirektion weiter. 
 
Am 20. November 2000 entschied die Erziehungsdirektion, auf die Wiederaufnahmegesuche vom 7. Juli 2000 und vom 11. August 2000 werde nicht eingetreten. 
D. 
Hiergegen führte A.________ Beschwerde an den Regierungsrat. Dieser wies am 16. Oktober 2002 die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid der Erziehungsdirektion sowie das Revisionsgesuch A.________s ab. 
E. 
Gegen den Entscheid des Regierungsrats erhob A.________ am 24. Oktober 2002 staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die damit geschützte Verfügung vom 22. April 1998 sei für nichtig zu erklären. In der Folge sei die Universität Bern anzuweisen, dahingehend neu zu verfügen, als dass die schriftliche Strafrechtsklausur des Beschwerdeführers zumindest mit der Note vier bewertet werde und dieser zum ordnungsgemässen Studiumsabschluss zugelassen werde. Eventualiter sei die Verfügung vom 22. April 1998 in diesem Sinne abzuändern. 
F. 
Die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion beantragt namens des Regierungsrats, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Universität Bern und die Erziehungsdirektion haben sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Der angefochtene Entscheid ist ein auf kantonales Recht gestützter letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte offen steht (Art. 84 Abs. 1 lit. a und Abs. 2, 86 Abs. 1 OG). Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde des legitimierten Beschwerdeführers (Art. 88 OG) ist daher grundsätzlich - unter dem Vorbehalt rechtsgenügend begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) - einzutreten. 
 
1.2 Nicht einzutreten ist allerdings auf diejenigen Anträge, die über die Aufhebung des angefochtenen Entscheids hinausgehen: Die vom Beschwerdeführer angerufenen Verfassungsrechte (Art. 8, 9 und Art. 29 BV) geben ihm allenfalls Anspruch auf eine materielle Prüfung seines Wiederaufnahmegesuchs bzw. eine neue Prüfung seines Revisionsgesuchs, nicht aber auf einen bestimmten Entscheid in der Sache (vgl. BGE 116 Ia 433 E. 5c S. 442; 109 Ib 246 E. 4a S. 251 a.E.). 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie die Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Wiedererwägung, der früher aus Art. 4 aBV abgeleitet wurde (vgl. BGE 120 Ib 42 E. 2b S. 46 f.; 116 Ia 433 E. 5b S. 441; 113 Ia 146 E. 3a S. 152, je mit Hinweisen) und heute in Art. 29 Abs. 1 BV gewährleistet wird (vgl. Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Auflage, Bern 1999, S. 496 Fn. 14). Danach besteht ein Anspruch auf materielle Behandlung eines Wiedererwägungsgesuchs, wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen oder Beweismittel geltend macht, die ihm im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die er damals noch nicht geltend machen konnte, oder sich die Umstände seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben. In der ersten Alternative wird die anfängliche tatsächliche Unrichtigkeit einer Verfügung oder eines Entscheids geltend gemacht; dagegen geht es im zweiten Fall um eine nachträgliche Fehlerhaftigkeit aufgrund einer nach dem Entscheidzeitpunkt eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage (Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Rz. 429 S. 158 und Rz. 438 S. 160). 
3. 
Der Regierungsrat bestätigte den Entscheid der Erziehungsdirektion, wonach ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 56 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Mai 1989 (VRPG) unzulässig sei, wenn die ursprüngliche Verfügung durch eine Verwaltungsjustizbehörde bestätigt worden sei; in diesem Fall bestehe nur noch die Möglichkeit der Revision gemäss Art. 95 VRPG. 
3.1 Dagegen macht der Beschwerdeführer geltend, die Rechtskraft einer Verwaltungsverfügung oder eines Entscheides einer Rechtsmittelinstanz wirke in sachlicher Hinsicht nur soweit, als es sich um den gleichen Verfügungs- oder Streitgegenstand handle; davon könne nicht mehr gesprochen werden, wenn sich der Sachverhalt oder die Rechtslage seit der Verfügung bzw. dem Rechtsmittelentscheid erheblich verändert habe. In diesem Fall müsse der Erlass einer neuen Verfügung bzw. die Anpassung des Entscheids durch die erstinstanzliche Behörde zulässig sein. 
 
Im vorliegenden Fall will der Beschwerdeführer wiedererwägungsweise die Neubewertung einer Examensleistung erreichen. Es handelt sich dabei um einen Prüfungsentscheid, der sich auf einen zeitlich abgeschlossenen Sachverhalt bezieht. Schon aus diesem Grund kommt eine Anpassung der ursprünglichen Verfügung an nachträglich veränderte Umstände nicht in Betracht. Im Übrigen legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwiefern sich die massgebende Sach- oder Rechtslage nachträglich verändert haben soll. Er macht vielmehr geltend, die verfügende Behörde sei von Anfang an von einem falschen Sachverhalt ausgegangen und will dies mit neuen Beweismitteln nachweisen, d.h. er macht einen Fall der anfänglichen tatsächlichen Unrichtigkeit geltend. 
3.2 Hierfür sieht das bernische Verwaltungsverfahrensrecht zwei Rechtsinstitute vor: die Wiederaufnahme gemäss Art. 56 ff. VRPG für rechtskräftige Verfügungen und die Revision gemäss Art. 95 ff. VRPG für rechtskräftige Entscheide einer Verwaltungsjustizbehörde. In beiden Fällen können neue Tatsachen und neue Beweismittel geltend gemacht werden (vgl. Art. 56 Abs. 1 lit. b VRPG einerseits und Art. 95 lit. b VRPG andererseits). Dann aber ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt, inwiefern die Verweisung auf den Revisionsweg seinen verfassungsmässigen Anspruch auf Wiedererwägung verletzt. 
4. 
Zu prüfen ist deshalb, ob der Regierungsrat das Revisionsgesuch in verfassungswidriger Weise abgewiesen hat. Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie die Verletzung des unmittelbar aus Bundesverfassungsrecht folgenden Anspruchs auf Behandlung seines Wiedererwägungsgesuchs; überdies rügt er willkürliche Rechtsanwendung (Art. 9 BV). 
4.1 Wie bereits oben (E. 1.2 und 2) dargelegt worden ist, folgt aus Art. 29 Abs. 1 BV grundsätzlich nur der Anspruch auf materielle Behandlung eines Wiedererwägungsgesuchs. Im vorliegenden Fall ist der Regierungsrat auf das Revisionsgesuch eingetreten und hat dieses abgewiesen, weil der Beschwerdeführer weder erhebliche Tatsachen noch entscheidende Beweismittel vorgelegt habe, die im Zeitpunkt des regierungsrätlichen Entscheids vom 22. September 1999 noch nicht bekannt waren und zu seiner Abänderung oder Aufhebung führen könnten. Dieser materielle Entscheid des Regierungsrats kann grundsätzlich nur auf Willkür hin überprüft werden. 
4.2 Allerdings kann man sich fragen, ob eine materielle Prüfung auch hinsichtlich des Schreibens der Erziehungsdirektion vom 27. Juni 2000 erfolgt ist. Dieses Schreiben hatte der Beschwerdeführer als neues Beweismittel vorgelegt, um zu beweisen, dass die von Prof. B.________ in der Musterlösung zur Strafrechtsklausur vertretene Auffassung, wonach Geldwäscherei bei einem Vermögensbetrag von nur Fr. 398.-- in Betracht komme, nicht der damals veröffentlichten Lehre und der bis zu diesem Zeitpunkt existierenden Gerichtspraxis entsprochen habe. Dementsprechend habe das Nicht-Bejahen von Geldwäscherei nicht als schwerwiegender Fehler bzw. als Verkennung eines "Zentralproblems" bezeichnet werden dürfen. Die Bewertung seiner Strafrechtsklausur sei deshalb von Anfang an unrichtig gewesen bzw. habe auf falschen Grundlagen beruht. 
 
Der Regierungsrat ging davon aus, das Schreiben der Erziehungsdirektion könne nicht als neues Beweismittel angerufen werden, weil es erst nach dem Entscheid vom 22. September 1999 entstanden sei. 
 
Ob die Auffassung des Regierungsrats zutrifft, dass neue Beweismittel aus der Zeit vor der Entscheidfällung stammen müssen, erscheint fraglich (vgl. Kölz/ Häner, a.a.O., Rz 741 S. 260 und VPB 60.38 E. 5 S. 344, wonach es genügt, wenn sich die Beweismittel auf Tatsachen beziehen, die sich vor dem betreffenden Entscheid zugetragen haben). 
4.3 Die Frage kann jedoch offen bleiben, weil das Schreiben der Erziehungsdirektion vom 27. Juni 2000 jedenfalls kein rechtserhebliches Beweismittel darstellt: 
Zum einen kommt die Erziehungsdirektion in besagtem Schreiben zum Ergebnis, dass die Vorwürfe des Beschwerdeführers gegen Prof. B.________ unberechtigt seien: Es könne keine Rede davon sein, dass Prof. B.________ eine Klausurlösung verlangt habe, die seiner "Privatmeinung" entspreche und nicht in der Fachliteratur erörtert worden sei. Zum anderen geht aus dem Regierungsratsentscheid vom 22. September 1999 (E. 8a S. 12) hervor, dass vom Beschwerdeführer lediglich eine Beschäftigung mit dem Problem der Geldwäscherei verlangt worden war, ihm also vorgeworfen wurde, das Problem ignoriert zu haben. Dagegen kam es nicht darauf an, ob der Tatbestand der Geldwäscherei im Ergebnis bejaht oder verneint wurde. Dann aber kommt dem damaligen Stand von Literatur und Rechtsprechung zu dieser Frage keine entscheiderhebliche Bedeutung zu. 
4.4 
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Entscheid des Regierungsrats auch das Willkürverbot (Art. 9 BV) nicht verletzt. Die übrigen vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen gegen die Abweisung seines Revisionsgesuchs decken sich - soweit sie überhaupt rechtsgenügend begründet sind - mit den bereits behandelten Rügen der Verletzung von Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 BV. Sie sind daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
5. 
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, der Regierungsrat habe unter Verletzung des Willkürverbots die Nichtigkeit der ursprünglichen Verfügung verkannt. Diese Rüge ist offensichtlich unbegründet: 
 
Nichtigkeit, d.h. absolute Unwirksamkeit einer Verfügung, wird nur angenommen, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird (BGE 122 I 97 E. 3a/aa S. 99 mit Hinweisen). Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich schwerwiegende Verfahrensfehler sowie die Unzuständigkeit der verfügenden Behörde in Betracht; dagegen haben inhaltliche Mängel nur in seltenen Ausnahmefällen die Nichtigkeit der Verfügung zur Folge (Max Imboden/René Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Band I, 5. Aufl., Basel und Stuttgart 1976, Nr. 40 Ziff. V/e S. 243). Im vorliegenden Fall wurde die Bewertung der Strafrechtsklausur von allen Rechtsmittelinstanzen, bis hinauf zum Bundesgericht, als rechtmässig befunden, weshalb sie nicht offensichtlich rechtswidrig sein kann. Eine nachträgliche Nichtigkeit durch Veränderung der Sach- oder Rechtslage wäre, wenn überhaupt, nur bei einer Dauerverfügung denkbar. Eine solche liegt aber nach dem oben (E. 3.1) Gesagten nicht vor. 
6. 
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Universität Bern, Rechtswissenschaftliche Fakultät, der Erziehungsdirektion und dem Regierungsrat des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 18. Dezember 2002 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: