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Ecriture agrandie
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A.31/2004 /sza 
 
Urteil vom 6. Dezember 2004 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Schett. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Martin Schwaller, 
 
gegen 
 
Kanton Aargau, Departement des Innern, Sektion Bürgerrecht und Personenstand, Bahnhofstrasse, 5000 Aarau, 
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Erleichterte Einbürgerung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 21. Juli 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a X.________ reiste am 17. November 1997 mit ihrem minderjährigen Bruder aus Serbien/Montenegro in die Schweiz ein und heiratete am 17. September 1999 den Schweizer Bürger A.________. Daraufhin zog sie ihr am 17. November 1997 gestelltes Asylgesuch zurück. Am 10. Dezember 2002 stellte sie beim Bundesamt für Ausländerfragen (BFA; heute: Bundesamt für Einwanderung, Immigration und Auswanderung, IMES) ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung. 
Am 31. Dezember 2002 ersuchte das BFA die zuständige kantonale Behörde um einen Erhebungsbericht im Sinne von Art. 37 BüG. Die von der Kantonspolizei Aargau erstellten Informationsberichte bestätigten ihre Eingliederung in die schweizerischen Verhältnisse. Am 23. Juli 2003 unterzeichneten die Eheleute X.________ und A.________ zu Handen des IMES die Erklärung, "dass sie in einer tatsächlichen, ungetrennten, stabilen ehelichen Gemeinschaft an der selben Adresse zusammenleben und dass weder Trennungs- noch Scheidungsabsichten bestehen". Am 19. August 2003 verfügte das IMES die erleichterte Einbürgerung von X.________. 
A.b Am 2. September 2003 teilte das IMES dem Einbürgerungskanton Aargau mit, dass sich A.________ am 22. August 2003 ohne die Ehefrau von der ehelichen Wohnadresse abgemeldet und bei dieser Gelegenheit seine Scheidungsabsicht erklärt habe. Das IMES wies dabei den Kanton Aargau auf die Möglichkeit hin, gemäss Art. 51 Abs. 2 BüG (SR 141.0) Beschwerde zu führen. Dementsprechend erhob der Kanton Aargau am 11. September 2003 mit der vorgegebenen Begründung Verwaltungsbeschwerde und beantragte sinngemäss die Aufhebung der Einbürgerungsverfügung. 
Das IMES beantragte in seiner Vernehmlassung vom 14. Oktober 2003, die Beschwerde gutzuheissen. Mit Eingabe vom 5. Januar 2003 schloss der Rechtsvertreter von X.________ auf Abweisung der Beschwerde, denn sie habe mit ihrem Ehemann vier Jahre lang ein normales Eheleben geführt. 
In seiner Stellungnahme vom 23. Januar 2004 bezeichnete der beschwerdeführende Kanton Aargau die Vorbringen der Gesuchstellerin als Schutzbehauptungen. X.________ nahm dazu mit Eingabe vom 10. Februar 2004 abschliessend Stellung. 
A.c Mit Entscheid vom 21. Juli 2004 hiess das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) die Verwaltungsbeschwerde gut und hob die erleichterte Einbürgerung von X.________ vom 19. August 2003 auf. 
B. 
Mit Eingabe vom 15. September 2004 führt X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Entscheid des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 21. Juli 2004 sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass der Einbürgerungsentscheid vom 19. August 2003 rechtsgültig sei. Eventuell sei die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es wurde keine Vernehmlassung eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Nach Art. 100 Abs. 1 lit. c OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet des Schweizer Bürgerrechts nur ausgeschlossen, wenn es sich um die Erteilung oder Verweigerung der Bewilligung für die ordentliche Einbürgerung handelt. Daraus folgt umgekehrt, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, wenn es um die erleichterte Einbürgerung geht (BGE 120 Ib 193, nicht publizierte E. 1). Die Eingabe des Beschwerdeführers erfüllt die Formvorschriften von Art. 108 Abs. 2 OG und richtet sich gegen einen anfechtbaren Departementsentscheid (Art. 98 lit. b OG). Das Bundesgericht überprüft den Sachverhalt und das Bundesrecht frei (Art. 104 lit. a und b, Art. 105 Abs. 1 und Art. 114 Abs. 1 OG; BGE 121 II 473 E. 1b S. 477). 
2. 
Gemäss Art. 27 Abs. 1 BüG kann eine Ausländerin nach der Eheschliessung mit einem Schweizer Bürger ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn sie insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit dem Schweizer Bürger lebt. Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von Art. 27 BüG nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern das Vorliegen einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft voraussetzt. Eine solche Gemeinschaft kann nur bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft intakt ist (BGE 130 II 169 E. 2.3.1). Gemäss konstanter Praxis muss sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheids eine tatsächliche Lebensgemeinschaft bestehen, die Gewähr für die Stabilität der Ehe bietet. Zweifel bezüglich eines solchen Willens sind angebracht, wenn kurze Zeit nach der erleichterten Einbürgerung die Trennung erfolgt oder die Scheidung eingeleitet wird. Der Gesetzgeber wollte dem ausländischen Ehegatten einer Schweizer Bürgerin oder eines Schweizer Bürgers die erleichterte Einbürgerung ermöglichen, um die Einheit des Bürgerrechts der Ehegatten im Hinblick auf ihre gemeinsame Zukunft zu fördern (BGE 5A.18/2004 vom 7. September 2004, E. 2 mit Hinweis). 
3. 
3.1 In der Bundesverwaltungsrechtspflege gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 19 VwVG i.V.m. Art. 40 BZP). Frei ist die Beweiswürdigung vor allem darin, dass sie nicht an bestimmte starre Beweisregeln gebunden ist, die dem Richter genau vorschreiben, wie ein gültiger Beweis zu Stande kommt und welchen Beweiswert die einzelnen Beweismittel im Verhältnis zueinander haben (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. Bern 1983, S. 278/279; zu den Beweismitteln: BGE 130 II 169 E. 2.3.2 ff.). 
Bestehen Zweifel, ob die Ehe im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung tatsächlich gelebt wurde, trägt die Verwaltung die Beweislast, wenn sie die Aufhebung der erleichterten Einbürgerung beabsichtigt. Im Wesentlichen geht es dabei um innere Vorgänge, die der Verwaltung oft nicht bekannt und schwierig zu beweisen sind. Sie kann sich daher veranlasst sehen, von bekannten Tatsachen (Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) zu schliessen. Tatsächliche Vermutungen können sich in allen Bereichen der Rechtsanwendung ergeben, namentlich auch im öffentlichen Recht. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die auf Grund der Lebenserfahrung gezogen werden (Häfelin, Vermutungen im öffentlichen Recht, in: Festschrift für Kurt Eichenberger, Basel 1982, S. 626; vgl. auch Sutter, Die Beweislastregeln unter besonderer Berücksichtigung des verwaltungsrechtlichen Streitverfahrens, Diss. Zürich 1988, S. 56 ff., 178 ff. und Gygi, a.a.O., S. 282 ff.; Kummer, Berner Kommentar, N. 362 f. zu Art. 8 ZGB). 
Als Problem der Beweiswürdigung berührt die tatsächliche Vermutung weder die Beweislast noch die das Verwaltungsverfahren beherrschende Untersuchungsmaxime. Diese gebietet zwar, dass die Verwaltung auch nach entlastenden, das heisst die Vermutung erschütternden Elementen sucht. Nun liegt es beim vorliegend zur Diskussion stehenden Thema in der Natur der Sache, dass solche der Verwaltung oft nicht bekannt sein dürften und nur der Betroffene darüber Bescheid weiss. Es ist daher Sache des Betroffenen, der nicht nur zur Mitwirkung verpflichtet ist (Art. 13 VwVG), sondern angesichts der gegen ihn sprechenden tatsächlichen Vermutung selber ein eminentes Interesse daran hat, die Vermutung durch den Gegenbeweis bzw. erhebliche Zweifel umzustürzen, indem er Gründe bzw. Sachumstände aufzeigt, die es als überzeugend (nachvollziehbar) erscheinen lassen, dass eine angeblich noch wenige Monate zuvor bestehende tatsächliche, ungetrennte eheliche Gemeinschaft in der Zwischenzeit dergestalt in die Brüche gegangen ist, dass es zur Scheidung kam (BGE 5A.18/2004 vom 7. September 2004, E. 3.2). 
3.2 Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid hat der Ehemann der Beschwerdeführerin bereits drei Tage nach erfolgter Einbürgerung den Auszug aus der ehelichen Wohnung angekündigt und sich per 31. August 2003 von seinem Wohnort abgemeldet. Die Vorinstanz schloss daraus, dies lege die Vermutung nahe, dass bereits seit längerer Zeit keine tragfähige Lebensgemeinschaft mehr bestanden habe. Erfahrungsgemäss gerate eine stabile eheliche Beziehung nämlich nicht innerhalb weniger Tage derart ins Wanken, dass einer der Partner den Weg der Trennung einschlage; vielmehr gehe dem in aller Regel ein längerer Entwicklungsprozess voraus. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe ausgeführt, die vorübergehende Trennung sei die Folge einer Entwicklung gewesen, die sich anfangs August 2003 abgezeichnet habe. Ab diesem Zeitpunkt habe ihr Ehemann sexuelle Neigungen gezeigt, mit denen sie nicht zurecht gekommen sei. Es sei zwar schwer nachzuvollziehen, dass derartige Probleme erst nach rund vierjähriger Ehe aufgetreten, dann aber binnen drei Wochen zum Auszug des Ehemannes geführt haben sollen. Die Tatsache, dass die sich seit anfangs August 2003 abzeichnenden Eheprobleme zur Trennung geführt hätten, bedeute jedenfalls, dass vor dem Zeitpunkt der Einbürgerung keine stabile eheliche Gemeinschaft mehr bestanden habe. 
3.3 Die Beschwerdeführerin erhebt dagegen folgende Einwände: Die Ehegatten hätten sich nach kurzer Zeit - nach bloss wenigen Wochen - wieder zusammengefunden. Tatsachenwidrig sei die Behauptung des EJPD, die Ehegatten X.________ und A.________ seien erst nach mehr als fünfmonatiger Trennungszeit im Februar 2004 wieder zusammengezogen. Der Ehemann und die Beschwerdeführerin könnten bestätigen, dass sie auch während der Wohnsitznahme der Beschwerdeführerin in Strengelbach (1. September 2003 bis 31. Dezember 2003) regelmässig zusammen gewesen seien. Auch habe der Ehemann im Nachhinein sinngemäss ausgeführt, sein Auszug sei eine Kurzschlusshandlung gewesen. Die Erfahrung lehre doch gerade, dass Ehegatten, bei denen eine äusserst kurze Trennung vorgekommen sei, eine starke Bindung hätten; dieser Aspekt sei bei der Beurteilung des Ehewillens im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheides mit einzubeziehen. 
 
Dieser Einwand geht von vornherein fehl, denn massgeblich ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (E. 2 hiervor), dass eine tatsächliche Ehegemeinschaft im Zeitpunkt des Gesuchs um erleichterte Einbürgerung (vorliegend: am 10. Dezember 2002) wie in demjenigen des Erhalts des Schweizer Bürgerrechts (vorliegend: 19. August 2003) gegeben war. Die behauptete Versöhnung fand nachher statt und ist deshalb nicht von Belang. Die Beschwerdeführerin gibt ja selbst zu, dass der nachfolgende Auszug des Ehemannes ein Indiz dafür sei, dass der wirkliche Ehewille nicht vorhanden gewesen sei. 
3.4 Die Eckdaten und namentlich die Ende August 2003 erfolgte Trennung lassen vermuten, dass die Ehe am 19. August 2003 nicht mehr stabil war, als die erleichterte Einbürgerung bewilligt wurde. Die Beschwerdeführerin versucht, die Vermutung mit der Behauptung umzustossen, anfangs August sexuelle Neigungen ihres Ehemannes entdeckt zu haben, mit denen sie nicht klar gekommen sei. Dies habe sie zum Anlass genommen, den gemeinsamen Haushalt zu verlassen. Damit kann die Vermutung jedoch nicht umgestossen werden. Vielmehr wird damit belegt, dass die eheliche Gemeinschaft im Zeitpunkt der Einbürgerung nicht (mehr) intakt war und insoweit die erleichterte Einbürgerung erschlichen wurde. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob die Eheleute inzwischen wieder zusammengezogen sind, was die Vorinstanz in Abrede gestellt hat und die Beschwerdeführerin - nicht sehr überzeugend - behauptet. 
4. 
Demzufolge ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Kanton Aargau, Departement des Innern, und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 6. Dezember 2004 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: