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Ecriture agrandie
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_700/2008/bri 
 
Urteil vom 2. Dezember 2008 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Josephsohn, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache falsche Anschuldigung, mehrfaches falsches Zeugnis, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 26. Juni 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Kreisgericht St. Gallen verurteilte X.________ am 8. Februar/21. März 2005 wegen mehrfacher falscher Anschuldigung (Art. 303 StGB), mehrfachen falschen Zeugnisses (Art. 307 StGB) und mehrfacher übler Nachrede (Art. 173 StGB) zu 10 Monaten Gefängnis bedingt. 
 
Auf Berufung X.________s sowie auf Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin sprach das Kantonsgericht St. Gallen X.________ am 27. März 2007 in allen Punkten frei. 
 
Am 19. November 2007 hiess das Bundesgericht die Beschwerde des Ersten Staatsanwaltes des Kantons St. Gallen teilweise gut, hob den Freispruch in Bezug auf den Vorwurf des falschen Zeugnisses im "Methylenblau-Fall" auf und wies die Sache ans Kantonsgericht zurück. 
 
B. 
Am 26. Juni 2008 sprach das Kantonsgericht St. Gallen X.________ des falschen Zeugnisses im "Methylenblau-Fall" schuldig und verurteilte sie zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 180 Franken und einer Busse von 2000 Franken. Im Übrigen sprach es sie - wie bereits in seinem ersten Urteil - frei. 
 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, dieses Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und sie freizusprechen oder die Sache eventuell an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für den Fall, dass das Bundesgericht ein Sachurteil fälle, seien die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens auf die Staatskasse zu nehmen, und es sei ihr eine angemessene Entschädigung und Genugtuung zuzusprechen. 
 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Zum "Methylenblau-Fall" hat das Bundesgericht in E. 3.3 seines Entscheids 6B_336/2007 vom 19. November 2007 erwogen: 
 
"3.3. 
3.3.1 Im "Methylenblau-Fall" (Anklage vom 14. April 2004 Ziff. II. A. 5 S. 29), bei welchem auf Anordnung Prof. A.________s am 20. August 1998 einer Patientin nach einer operativen Lösung von Verwachsungen der Bauchraum zur Verhinderung weiterer Verwachsungen mit einer Methylenblau-Lösung gespült wurde, soll die Beschwerdegegnerin (d.h. die heutige Beschwerdeführerin) Prof. A.________ laut Anklage im Radiointerview vom 5. September 1999 gesagt haben, der Oberarzt Dr. F.________ habe die Spülung, die sie als Rattenversuch bezeichnete, auf Anweisung Prof. A.________s und gegen seinen Willen vorgenommen. Dabei sei das Methylenblau zwanzig- bis dreissig-Mal höher dosiert worden als sonst in der Medizin üblich. Auch der Kantonsapotheker hätte nachgefragt und gesagt "um Gottes willen, was macht ihr denn mit dieser Lösung, für was braucht ihr das, ist das richtig, dass ich diese so herstelle". Sie habe diese Angaben am 7. Oktober 1999 als Zeugin gegenüber dem Untersuchungsrichter bestätigt und wahrheitswidrig ergänzt, dass es sich beim Kantonsapotheker, welcher sich über die Rezeptur der bestellten Methylenblau-Lösung telefonisch rückversichert habe, um Dr. G.________ handle. Er habe ihr dies persönlich erzählt, als sie ihn einmal zufällig getroffen habe. Sie bestätigte ausdrücklich, sie habe ihn so zitiert, wie er ihr das selber gesagt habe. 
3.3.2 (..) 
3.3.3 Die Beschwerdegegnerin legte Dr. G.________ in ihrer Zeugenaussage vom 7. Oktober 1999 ein wörtliches Zitat in den Mund, mit welchen Worten er sich am 20. August 1998 telefonisch rückversichert haben soll, ob er die Bestellung der Methylenblau-Lösung richtig verstanden habe. Sie hat ausdrücklich erklärt, Dr. G.________ habe ihr diesen Sachverhalt selber erzählt, und sie habe ihn so zitiert, wie er sich ausgedrückt habe. 
 
Es steht fest, dass Dr. G.________ am 20. August 1998 nicht mit dem Operationssaal telefonierte, da er nicht im Dienst war. Es ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, weshalb er die Beschwerdegegnerin über diese Tatsache hätte belügen und ein wörtliches Zitat erfinden sollen, mit dem er seine Nachfrage beim Operationssaal angeblich einleitete. Ein Irrtum, wie ihn das Kantonsgericht nicht ausschliessen will, wäre allenfalls plausibel, wenn es darum gegangen wäre, dass Dr. G.________ eine von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Behauptung hätte bestätigen sollen, neigte er doch offenbar dazu, die von der Beschwerdegegnerin wortreich vorgetragenen Beschuldigungen, es würden am Kantonsspital zu Forschungszwecken Experimente an Menschen durchgeführt, stillschweigend über sich ergehen zu lassen und sich dazu nicht zu äussern, was sie allenfalls irrigerweise als Bestätigung hätte auffassen können. Nach der Darstellung von Dr. G.________ ist das fragliche Gespräch zwischen ihm und der Beschwerdegegnerin denn auch so verlaufen, dass sie ihm ihre vorgefasste Meinung über die Menschenversuche vorgetragen habe, worauf er aber nicht reagiert habe. Er habe insbesondere auch nicht gesagt, der Einsatz von Methylenblau sei kritisch gewesen, er habe es damals sogar als weniger toxisch eingestuft, als es effektiv sei. Nach der Darstellung der Beschwerdegegnerin soll indessen Dr. G.________ selber den Ablauf der Methylenblau-Lieferung in den Operationssaal geschildert und dabei sein angebliches Telefongespräch teilweise wörtlich wiedergegeben haben. Es ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, weshalb Dr. G.________ eine derartige unwahre Darstellung der Vorfälle vom 20. August 1998 hätte abgeben sollen, noch wie ihn die Beschwerdegegnerin falsch hätte verstehen können. Und sie hatte entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts durchaus auch ein Motiv, ihre Unterstellung, der Kantonsapotheker sei durch die Methylenblau-Bestellung schockiert gewesen, nicht nur durch die Aussagen anonymer oder nicht offen auftretender Quellen, sondern auch durch dessen eigene Darstellung zu bestätigen. Auch wenn man der Beschwerdegegnerin zu Gute hielte, dass sie möglicherweise nicht mehr immer in der Lage war, zwischen Fakten und ihren eigenen Meinungen und Einschätzungen klar zu unterscheiden, so musste sie sich jedenfalls bewusst sein, dass ihre Zeugenaussagen zur (angeblichen) Darstellung der Vorgänge vom 20. August 1998 durch Dr. G.________ nicht der Wahrheit entsprachen. Die Beschwerde ist insoweit begründet." 
 
2. 
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, "der vom Bundesgericht festgestellte massgebliche Sachverhalt, wonach X.________ wahrheitswidrig ausgesagt habe, sie habe dies (sc. den Ablauf der Methylenblau-Lieferung in den Operationssaal) direkt von Dr. G.________ erzählt bekommen, bilde gar nicht Gegenstand der Anklage. Gegenstand der Anklage bilde, wie eben dargelegt, nur ihre Aussage, dass ihr dies von Dr. G.________ "bestätigt" worden sei. Dass sie aber eine Bestätigung (gewissermassen durch Schweigen) von Dr. G.________ erhalten zu haben geglaubt habe, habe auch das Bundesgericht für denkbar gehalten. Das habe zur Folge, dass die Frage, wer wem was gesagt habe, nicht Gegenstand der Anklage bilde und demnach nicht von strafrechtlicher Relevanz sein könne" (Beschwerde S. 6 f.). Das Kantonsgericht habe diesem Einwand im angefochtenen Entscheid entgegnet, dieser Vorwurf sei durchaus Gegenstand der Anklage. Damit habe es sich mit ihren Einwänden offensichtlich nicht genügend auseinandergesetzt und ihr dadurch das rechtliche Gehör verweigert. Zudem habe es den Einwand, das Anklageprinzip sei verletzt, nicht widerlegt. 
 
2.2 In der in E. 1 praktisch wörtlich wiedergegebenen Anklageschrift wird der Beschwerdeführerin vorgehalten, als Zeugin wahrheitswidrig ausgesagt zu haben, dass es sich bei der Person, die ihr vom umstrittenen Vorfall von der Bestellung der Methylenblau-Lösung erzählt habe, um Dr. G.________ handle, und sie habe ihn so zitiert, wie er ihr das selber gesagt habe. Die Rüge, der vom Bundesgericht im ersten Entscheid festgestellte Sachverhalt, X.________ habe wahrheitswidrig ausgesagt, sie habe dies (sc. den Bericht über die umstrittene Bestellung der Methylenblau-Lösung) direkt von Dr. G.________ erzählt bekommen, bilde nicht Gegenstand der Anklage, ist offensichtlich unbegründet und kaum nachvollziehbar. Das Kantonsgericht hat seine Begründungspflicht keineswegs verletzt, indem es sich damit begnügte, dies festzustellen (angefochtener Entscheid S. 6 E. c), ohne sich mit den zum Teil wortklauberischen Einwänden der Beschwerdeführerin weiter auseinanderzusetzen. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre Aussage, die Informationen über die fragliche Methylenblau-Bestellung direkt von Dr. G.________ erhalten zu haben, sei keine "Aussage zur Sache" im Sinne von Art. 307 StGB, weshalb ihre Verurteilung bundesrechtswidrig sei. 
 
3.1 Nach Art. 307 StGB macht sich des falschen Zeugnisses schuldig, wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge zur Sache falsch aussagt. Den Tatbestand erfüllt, wer in einem gerichtlichen - auch untersuchungsrichterlichen - Verfahren formgültig als Zeuge befragt wird und dabei falsche Angaben zur Sache macht. Zur Sache gehört eine Aussage, wenn sie mit der Abklärung oder Feststellung des Sachverhalts, der Gegenstand des Verfahrens bildet, zusammenhängt (BGE 93 IV 23). Objektiv falsch sagt aus, wer vorgibt, sich an etwas nicht oder nicht mehr zu erinnern, obwohl er sich tatsächlich noch daran erinnert. Umgekehrt sagt auch derjenige objektiv falsch aus, der sich zwar nicht mehr an einen Sachverhalt erinnert, aber behauptet, noch genau zu wissen, wie sich dieser abgespielt hat (Urteil 6S.12/2003 vom 27. März 2003, in Pra 2003 Nr. 183 S. 1007. E. 2). In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz erforderlich, wobei Eventualvorsatz genügt. Der Täter muss sich demnach bewusst sein, falsch auszusagen, bzw. mit der Möglichkeit rechnen, dass seine Aussage nicht der objektiven Wahrheit entspricht (PAUL PFÄFFLI, Das falsche Zeugnis, Berner Diss. 1962, S. 62 f.). Der privilegierte, bloss mit Geldstrafe bedrohte Tatbestand von Art. 307 Abs. 3 StGB ist erfüllt, wenn sich die falsche Äusserung auf Tatsachen bezieht, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts der Fall, wenn sie von vornherein ungeeignet war, den Richter zu beeinflussen (BGE 106 IV 194 E. 2a; 93 IV 24 E. II.1). 
 
3.2 Gegenstand des Strafverfahrens gegen Prof. A.________ war der von der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf, er habe bei einer Operation in unverantwortlicher, den Regeln der ärztlichen Kunst widersprechender Weise bei einer Operation eine Methylenblau-Lösung in viel zu hoher Konzentration einsetzen lassen, was zum Tod der Patientin geführt habe. Die genauen Umstände, unter denen die Lösung bei der Kantonsapotheke angefordert wurde, und insbesondere auch die Frage, ob jemand und gegebenenfalls wer die Bestellung kritisch hinterfragte, gehören offensichtlich zum Verfahrensgegenstand. Es kann für die Beurteilung der strafrechtlichen Vorwürfe, gerade in einem Spitalbetrieb mit seinen ausgeprägten Hierarchien, durchaus einen Unterschied machen, ob der Kantonsapotheker mit seiner Autorität als oberster Medikamentenspezialist die Operateure auf die ungewöhnlich hohe Konzentration der bestellten Lösung und deren Toxizität hinwies, oder einer seiner Mitarbeiter oder Hilfspersonen mit geringerer Reputation und fachlicher Qualifikation. Das Kantonsgericht hat knapp, aber zutreffend festgestellt, dass die umstrittene Aussage zum Prozessgegenstand gehöre (angefochtener Entscheid S. 7), was auch unter dem Gesichtspunkt der Begründungspflicht genügt. 
 
Dass das Kantonsgericht die Frage, wer die Beschwerdeführerin über den fraglichen Vorfall informierte, in seinem ersten Urteil in anderem Zusammenhang als "in der Sache unerheblich" beurteilte (Urteil vom 27. März 2007 S. 57), mag zwar widersprüchlich erscheinen, ändert aber nichts daran, dass die hier zu beurteilende, im angefochtenen Entscheid vorgenommene gegenteilige Einschätzung zutrifft. Diese Frage hatte es im Übrigen erst aufgrund des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheides erstmals abschliessend zu prüfen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass es sich dabei nicht an seine beiläufige Bemerkung in seinem ersten Entscheid gebunden fühlte. Von Willkür kann keine Rede sein. 
 
3.3 Daraus ergibt sich zugleich, dass der Umstand, ob Dr. G.________ oder jemand anderer die Lieferung der Methylenblau-Lösung bearbeitete und sie dabei beim Besteller kritisch hinterfragte, nicht von vornherein ungeeignet war, das Strafverfahren gegen Prof. A.________ zu beeinflussen. Das Kantonsgericht hat daher zu Recht die Anwendung des privilegierten Tatbestands von Art. 307 Abs. 3 StGB ausgeschlossen. 
 
4. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 2. Dezember 2008 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Schneider Störi