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Ecriture agrandie
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.149/2004 /gij 
 
Urteil vom 21. Juni 2004 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, 
Bundesrichter Aeschlimann, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Parteien 
A.X.________/B.X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Josef Ulrich, 
 
gegen 
 
1. A.A.________/B.A.________, 
2. B.________, 
3. A.C.________/B.C.________, Beschwerdegegner, 
Baukommission der Einwohnergemeinde Gerlafingen, 4563 Gerlafingen, 
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, Rötihof, Werkhofstrasse 65, 4509 Solothurn, 
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, Amthaus 1, Postfach 157, 4502 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Art. 9 & 28 BV (Errichten eines beleuchteten Kreuzes), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 30. Januar 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.X.________/B.X.________ bewohnen die mit einem Einfamilienhaus überbaute Liegenschaft GB Gerlafingen Nr. 1037 am O.________. Ende 2002 errichteten sie in ihrem Garten ein 7.38 m hohes, blau-weiss gestrichenes Aluminiumkreuz, welches nachts beleuchtet wird. 
 
Auf Aufforderung der Baukommission Gerlafingen reichte A.X.________ am 19. Februar 2003 ein nachträgliches Baugesuch für das Kreuz ein, dessen Zweckbestimmung er mit "Symbol des Christentums" umschrieb. 
 
Die Baukommission Gerlafingen trat mit Entscheid vom 13. Juni 2003 auf die Einsprachen von vier Nachbarn - A.C.________/B.C._______, A.A.________/B.A.________, B.________ sowie A.D.________/ B.D.________ - teilweise ein, hiess sie teilweise gut und verfügte: 
"3. Für das Baugesuch 03/0010 wird keine nachträgliche Baubewilligung erteilt. Das ohne Baubewilligung erstellte beleuchtete Kreuz ist abzubrechen und der ursprüngliche Zustand ist wieder herzustellen. Dafür wird eine Frist bis am 30. September 2003 gesetzt. 
 
4. Im Unterlassungsfall wird der Vorsteher des Oberamtes mit der Durchsetzung beauftragt." 
Das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn wies die Beschwerde von A.X.________/B.X.________ gegen diese Verfügung der Baukommission am 24. Oktober 2003 ab und setzte ihnen bis zum 16. Januar 2004 Frist, das Kreuz zu beseitigen. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wies die Beschwerde von A.X.________/B.X.________ gegen diese Verfügung des Bau- und Justizdepartements am 30. Januar 2004 ab und setzte ihnen Frist bis zum 1. Juni 2004, das Kreuz zu beseitigen. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 4. März 2004 wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV), der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15 BV, Art. 9 EMRK), des Willkürverbotes (Art. 9 BV) sowie von Verfahrensgarantien im Sinne von Art. 29 BV beantragen A.X.________/B.X.________, diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben. 
Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Baukommission Gerlafingen beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Bau- und Justizdepartement beantragt erstens, es sei "zu nächtlicher Zeit im Lichte des Liebeskreuzes ein Augenschein vorzunehmen" und zweitens, die Beschwerde abzuweisen. Weitere Vernehmlassungen sind innert Frist keine eingegangen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts ist kantonal letztinstanzlich (Art. 86 Abs. 2 OG) und unterliegt im Bund nur der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG). Die Beschwerdeführer sind durch die Verweigerung der Baubewilligung und den Beseitigungsbefehl in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen und haben ein aktuelles und praktisches Interesse an der Beschwerde (Art. 88 OG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, sodass auf die Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), grundsätzlich einzutreten ist. 
2. 
Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht eine Verletzung der Eigentumsgarantie und der Glaubens- und Gewissensfreiheit vor. Die Einschränkungen dieser Grundrechte setze eine gesetzliche Grundlage voraus, welche fehle, da die Errichtung ihres Kreuzes nicht baubewilligungspflichtig sei. Selbst wenn aber das kantonale und kommunale Baupolizeirecht eine genügende gesetzliche Grundlage für die Beschränkung der beiden Grundrechte darstelle, so sei die Verweigerung der Baubewilligung für das Kreuz jedenfalls unverhältnismässig und liege nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse, sondern höchstens im Privatinteresse der Beschwerdegegner. Das Verwaltungsgericht habe bei der Sachverhaltsfeststellung zudem das Willkürverbot verletzt, indem es das Kreuz als aufdringlich und dominierend beurteilt habe, währenddem es in Wirklichkeit in Tannen, Bäume und Sträucher eingebunden sei. Schliesslich habe es seine Begründungspflicht verletzt, indem seinem Entscheid nicht zu entnehmen sei, weshalb das Kreuz unter dem Gesichtspunkt der Ästhetikklausel nicht bewilligungsfähig sei. 
2.1 Das Errichten eines religiösen Symbols auf dem Grundstück der Beschwerdeführer fällt sowohl in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie als auch der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Dessen Verbot ist daher nur zulässig, wenn es auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und den Kerngehalt der Grundrechte unangetastet lässt (Art. 36 BV; BGE 129 I 74 E. 4.1; 123 I 296 E. 2b/cc S. 302; 121 I 117 E. 3b). 
2.2 Aus dem in Art. 29 Abs. 2 BV festgehaltenen Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich für den Richter die Pflicht, seinen Entscheid zu begründen. Er muss wenigstens kurz die wesentlichen Überlegungen darlegen, von denen er sich dabei hat leiten lassen, sodass der Betroffene den Entscheid in voller Kenntnis der Sache anfechten kann. Dabei muss sich der Richter nicht mit allen tatsächlichen Behauptungen und rechtlichen Einwänden auseinandersetzen. Er kann sich vielmehr auf die für seinen Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 122 IV 8 E. 2c; 121 I 54 E. 2c, je mit Hinweisen). 
2.3 Willkürlich ist ein Entscheid, der mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei genügt es nicht, dass die Begründung unhaltbar ist, der Entscheid muss sich vielmehr im Ergebnis als willkürlich erweisen (BGE 125 I 166 E. 2a; 125 II 10 E. 3a; 129 E. 5b; 122 I 61 E. 3a je mit Hinweisen). 
3. 
3.1 Wie die Beschwerdeführer unter Berufung auf Jörg Paul Müller (Grundrechte in der Schweiz, 3. A. Bern S. 87 f.) zutreffend vorbringen, ist der innerste Bereich der religiösen und ethischen Selbstverantwortung, das forum internum, als Kernbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit vor jeder Form staatlichen Zwangs absolut geschützt. Die Kundgabe einer religiösen Überzeugung nach aussen sprengt dagegen den Rahmen des forum internum und gehört damit nicht zum unantastbaren Kerngehalt von Art. 15 BV und Art. 9 EMRK; sie ist damit staatlichen Eingriffen nach Massgabe von Art. 36 BV grundsätzlich zugänglich. 
Das "Aufstellen des Kreuzes als Symbol des christlichen Glaubens" bezweckt nach der Darstellung der Beschwerdeführer in der staatsrechtlichen Beschwerde die "Verbreitung der eigenen Glaubensansicht" (Beschwerde Art. 6 S. 4). Das Kreuz dient somit der Bekanntmachung oder Weitergabe ihrer religiösen Überzeugung an Dritte, was nicht zum absolut geschützten Kernbereich religiöser Betätigung gehört. Der - zumindest angetönte Vorwurf - der angefochtene Entscheid habe die Kerngehaltsgarantie der Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt, geht daher fehl. Keiner weiteren Ausführungen bedarf, dass die mit der Ablehnung der Baubewilligung für das umstrittene Kreuz verbundene geringfügige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit ihres Grundstückes den Kerngehalt der Eigentumsgarantie nicht antastet. 
3.2 Nach § 3 Abs. 1 der Kantonalen Bauverordnung vom 3. Juli 1978 ist für Bauten und Anlagen ein Baugesuch einzureichen. In Abs. 2 dieser Bestimmung wird aufgezählt, was "namentlich" baubewilligungspflichtig ist. Wie die Beschwerdeführer selbst anerkennen, ist diese Aufzählung beispielhaft und nicht abschliessend. Aus dem Umstand, dass Kreuze dort nicht aufgeführt werden, kann daher nicht abgeleitet werden, sie seien nicht bewilligungspflichtig. Es lässt sich denn auch nicht im Ernst vertreten, ein nachts beleuchtetes Kreuz, das mit seiner Höhe von 7,38 m bis auf 12 cm an die an seinem Standort in der Wohnzone W2 geltende zulässige Gebäudehöhe von 7,5 m heranreicht (§ 28 des Baureglements der Gemeinde Gerlafingen, genehmigt am 5. Juni 1984), sei bewilligungsfrei (vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 1A.188/1997 vom 10. November 1997 in: RDAT 1998 I Nr. 69 S. 270); es wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Entscheid (E. II. 2 S. 3) verwiesen. 
3.3 Das Verwaltungsgericht lehnt die Erteilung einer Baubewilligung für das Kreuz einerseits ab, weil es das Quartierbild störe, was § 119 Abs. 3 des Planungs- und Baugesetzes vom 3. Dezember 1978 (PBG) untersage. Nach § 145 Abs. 1 PBG hätten sich Bauten "typologisch in bestehende Strukturen einzugliedern" (Abs. 1 ). Bauten fügten sich in die Umgebung ein, "wenn Standort und Ausmass das Gefüge der Eigenarten der Siedlung und ihren Haushalt nicht störend" veränderten und wenn sie sich an die "Form- und Materialsprache der Umgebung" hielten. Ein beleuchtetes Kreuz von dieser Grösse gehöre "nicht zum herkömmlichen Inventar einer Wohnzone", sondern sei in einer Wohnzone von Gerlafingen fremd und störe das Quartierbild (angefochtener Entscheid E. 5 S. 5). 
 
Aus diesen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden Ausführungen ergibt sich entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer mit ausreichender Klarheit, weshalb das Kreuz im Quartier einen störenden Fremdkörper darstellt und deshalb nach § 145 PBG nicht bewilligungsfähig ist. Dass die Beschwerdeführer diese Beurteilung nicht teilen, ändert nichts daran, dass das Verwaltungsgericht seinen Entscheid auch in diesem Punkt ausreichend und zutreffend begründet hat. Die Rüge, dieses habe § 145 PBG in unhaltbarer Weise angewandt und dabei seine Begründungspflicht verletzt, ist unbegründet. 
3.4 Anderseits begründet das Verwaltungsgericht die Verweigerung der Baubewilligung für das Kreuz mit der Überlegung, dass es in der Wohnzone W2 nicht zonenkonform sei. Nach § 30 PBG seien dort neben Wohnbauten nur nichtstörende Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe mit an die Zone angepasster Bauweise zulässig. Das Kreuz lege in der von der Bewegung von Dozulé vorgeschriebenen Grösse und durch seine Beleuchtung ein dominantes Zeugnis einer kleinen Glaubensgemeinschaft ab. Die Verkündung einer Religion habe keinen positiven funktionalen Zusammenhang mit dem Wohnen. Eine durch ihre Grösse und nächtliche Beleuchtung dominant in Erscheinung tretende Baute zur Verkündung einer religiösen Botschaft, die möglicherweise im Quartier niemand zur Kenntnis nehmen wolle, sei ein Fremdkörper im Ortsbild und daher in einer reinen Wohnzone nicht zonenkonform (angefochtener Entscheid E. 4.S. 4). 
Die Beschwerdeführer bestreiten nicht oder jedenfalls nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise, dass die Errichtung eines nachts beleuchteten, haushohen Kreuzes, mit dem eine religiöse Überzeugung kundgetan werden soll, nicht funktional mit dem Wohnen verbunden ist und damit dem Hauptzweck der Wohnzone nicht entspricht. Ein derartiges Kreuz im Garten eines Privathauses ist in Gerlafingen nicht ortsüblich. Wie sich aus dem fotografisch dokumentierten Augenschein des Bau- und Justizdepartements ergibt, ist das Kreuz zwar von Bäumen umgeben, tritt aber doch markant in Erscheinung; dies ist auch der erklärte Sinn des Kreuzes, welches nach den Ausführungen der Beschwerdeführer am Departementsaugenschein gesehen werden und "Drittwirkung erzielen" soll. Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, das Kreuz wirke dominant, ist keineswegs unhaltbar. Es ist vielmehr durchaus nachvollziehbar, dass auch die Nachbarn dies so empfinden und sich gerade an dieser tags und durch die Beleuchtung des Kreuzes besonders auch nachts erzielten "Drittwirkung" stören. Es ist jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das umstrittene Kreuz als an diesem Standort störenden Fremdkörper für nicht bewilligungsfähig beurteilte. 
3.5 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer liegt sowohl die Einhaltung der Zonenvorschriften als auch der Ästhetikklausel nicht bloss im privaten Interesse der Nachbarn, sondern und vor allem auch im öffentlichen Interesse, welches das Interesse des Grundeigentümers, sein Grundstück nach Belieben zu überbauen, regelmässig überwiegt. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise dargetan, inwiefern dies im vorliegenden Fall anders sein sollte. 
3.6 Nicht ersichtlich ist schliesslich, inwiefern die Ablehnung des Baugesuches die Beschwerdeführer unverhältnismässig treffen soll. Unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie von Art. 26 BV trifft der Entscheid die Beschwerdeführer nur geringfügig und damit von vornherein nicht unverhältnismässig, da die Überbaubarkeit ihrer Parzelle bloss ganz unwesentlich eingeschränkt wird. Stärker trifft sie der Entscheid jedenfalls subjektiv unter dem Gesichtspunkt der Glaubens- und Gewissensfreiheit von Art. 15 BV und Art. 9 EMRK, da es ihnen offenbar ein starkes religiöses Anliegen ist, mit ihrem Kreuz Dritten eine Botschaft zu übermitteln. Dies entbindet sie indessen nicht ohne weiteres von der Beachtung des kommunalen und kantonalen Baupolizeirechts; es liegt vielmehr an ihnen, einen geeigneten Standort zu suchen, an welchem die Errichtung ihres Kreuzes baupolizeilich zulässig ist. Dass die Bau- und Zonenvorschriften dies in der Wohnzone W2 ausschliessen, bedeutet keineswegs, der angefochtene Entscheid treffe sie unverhältnismässig. 
 
Der angefochtene Entscheid verletzt damit weder Art. 15 BV noch Art. 9 EMRK noch Art. 26 BV, die Rügen sind unbegründet. 
4. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Baukommission der Einwohnergemeinde Gerlafingen, dem Bau- und Justizdepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 21. Juni 2004 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: