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Urteilskopf

100 V 197


49. Urteil vom 11. Dezember 1974 i.S. SKS Metallbau AG gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Bundesamt für Sozialversicherung

Regeste

Durchführung der Unfallverhütung (Art. 65 KUVG, Art. 17, 18, 21 und 24 VO II über die Unfallversicherung).
- Weisungsrecht von Fachinspektoraten; Verfügungsbegriff; Beschwerderecht (Erw. 1).
- Standort der zu einer Schweissanlage gehörenden Azetylen- und Sauerstoff-Flaschen (Erw. 3-6).

Sachverhalt ab Seite 197

BGE 100 V 197 S. 197

A.- Die SKS Metallbau AG beabsichtigt, die zu einer neuen Schweissanlage gehörende Flaschenbatterie (5 Azetylendissous-Flaschen und 5 Sauerstoff-Flaschen) in einem Treppenhaus ihres Fabrikgebäudes aufzustellen. Das Inspektorat des Schweizerischen Vereins für Schweisstechnik (SVS) verweigerte nach einer Besichtigung im Interesse der Unfall- und Brandverhütung die Bewilligung der vorgesehenen Installation und erteilte der Firma am 29. Juni 1972 die Weisung, die Druckgas-Flaschenbatterie nur in einem geeigneten Raum mit guter Lüftung und Beleuchtung aufzustellen.

B.- Die betroffene Firma erhob Rekurs an das Bundesamt für Sozialversicherung und machte geltend, die Weisung des Inspektorates des SVS sei willkürlich, denn der vorgesehene
BGE 100 V 197 S. 198
Platz sei für das Aufstellen der Flaschenbatterie bestens geeignet. Die kantonale Feuerpolizei habe den Standort als zulässig erachtet, sofern die Unterseite der Treppe mit Gips- oder Asbestplatten abgedeckt werde, was die Firma auch vornehmen würde. Die Plazierung der Flaschen in der neuen Werkhalle, die aus Rationalisierungsgründen gebaut worden sei, benötige zu viel Raum; das Aufstellen der Batterie im Freien schliesslich würde einen zusätzlichen Aufwand von einigen tausend Franken bedingen.
Das Bundesamt für Sozialversicherung ordnete eine Expertise an. Dr. phil. B., Vorsteher der Abteilung Sicherheitstechnik der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Versuchsanstalt in Dübendorf, kam in seinem Gutachten vom 8. März 1973 zum Schluss, die Weisung des Inspektorates des SVS sei sachlich gerechtfertigt. Massgebend sei, dass bei solchen Flaschenbatterien immer mit Gasaustritt gerechnet werden müsse. Dies bedeute, dass sich ein explosives Gas-Luftgemisch bilden könne. Die Flaschen mit total 30 kg Azetyleninhalt würden genügen, den Raum mit einem hochexplosiven Gas-Luftgemisch zu füllen, was bei einer Zündung zu einer verheerenden Explosion führen würde. Mit einer solchen Explosion müsse immer gerechnet werden, weil der Raum nicht "exsicher elektrisch" ausgerüstet und ein Rauchverbot sehr schwer durchzusetzen sei.
Mit Entscheid vom 21. September 1973 wies das Bundesamt für Sozialversicherung den Rekurs ab.

C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die SKS Metallbau AG, es sei der Firma zu gestatten, die Flaschenbatterie im Treppenhaus aufzustellen. Es wird geltend gemacht, der Experte widerlege die Behauptung des Inspektorates des SVS, wonach eine Explosionsgefahr der Flaschen bestehe, die Lüftungsmöglichkeiten im Treppenhaus ungenügend seien, die Fluchtwege gefährdet würden und der Zugang zu den Flaschen erschwert sei. Würden die Flaschen m der neuen Werkhalle aufgestellt, so wäre wohl die Brandgefahr geringer, dagegen aber das Risiko der Gefährdung von Menschen grösser. Zudem wird beanstandet, es sei nicht berücksichtigt worden, dass die kantonale Feuerpolizei gegen das geplante Aufstellen der Flaschenbatterie im Treppenhaus nichts einzuwenden habe.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
BGE 100 V 197 S. 199
stellt den Antrag, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. a) Der Streitsache liegt eine Weisung des Inspektorates des Schweizerischen Vereins für Schweisstechnik (SVS) vom 29. Juni 1972 zugrunde. Die Weisungen dieses Vereins sind den Weisungen, welche die SUVA gemäss Art. 65 Abs. 2 KUVG erlässt, gleichgestellt (Art. 17 Abs. 2 und 18 VO II über die Unfallversicherung). Diese Weisungen stellen Verfügungen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 VwG dar.
b) Gemäss Art. 21 VO II kann gegen diese Verfügungen innert 20 Tagen Rekurs beim Bundesamt für Sozialversicherung eingereicht werden; seit Inkrafttreten des VwG handelt es sich um eine Beschwerde und die Frist beträgt laut Art. 50 VwG 30 Tage.
c) Art. 24 VO II räumt der SUVA und dem Rekurrenten die Befugnis ein, gegen den Entscheid des Bundesamtes für Sozialversicherung innert 20 Tagen Rekurs an den Bundesrat zu ergreifen. Seit Inkrafttreten des revidierten OG richtet sich dieses Rekursrecht nach Art. 98 OG. Gemäss lit. c dieser Bestimmung in Verbindung mit Art. 128 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht zulässig gegen Verfügungen der den Departementen unterstellten Dienstabteilungen, die als Beschwerdeinstanz entscheiden, soweit - was im vorliegenden Fall nicht zutrifft - nicht zunächst die Beschwerde an eine eidgenössische Rekurskommission zulässig ist. Die Beschwerdefrist beträgt 30 Tage (Art. 106 Abs. 1 OG).

2. Da der angefochtene Entscheid weder von einer Rekurskommission noch von einem kantonalen Gericht als Vorinstanz erlassen wurde und es zudem nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, richtet sich die Kognitionsbefugnis nach den Art. 104 lit. a und b und 105 Abs. 1 OG. Demnach kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden, und das Eidg. Versicherungsgericht ist befugt, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung frei zu überprüfen.
BGE 100 V 197 S. 200

3. Gemäss Art. 65 Abs. 1 KUVG hat der der SUVA unterstellte Betrieb zur Verhütung von Unfällen "alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stande der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind". Laut Art. 3 Abs. 1 lit. c der bundesrätlichen Verordnung über Azetylen, Sauerstoff und Kalziumkarbid vom 28. Februar 1950 gehören Azetylendissous-Flaschenbatterien für bis und mit 60 kg Azetylenfüllung zu den meldepflichtigen Einrichtungen. Gemäss Art. 19 Abs. 1 der erwähnten Verordnung dürfen sie nur in geeigneten Werkstätten und anderen Räumen mit guter Beleuchtung und genügender Lüftungsmöglichkeit sowie im Freien verwendet werden.

4. Im vorliegenden Fall ist die Belüftung von besonderer Bedeutung. Dem vom Bundesamt für Sozialversicherung eingeholten Gutachten ist zu entnehmen, dass bei Flaschenbatterien immer mit Gasaustritt zu rechnen ist, was die Bildung eines explosiven Gas-Luftgemisches ermöglicht. Die Intensität und damit die Gefährlichkeit des Gemisches hängt einerseits ab vom Azetyleninhalt der Flaschen, anderseits von der Luftmenge, mit welcher sich das austretende Gas vermischen kann. Nach den Aussagen des Experten, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht, würde der Inhalt der gelagerten Azetylenbehälter genügen, um den Raum von 520 m3 mit einem hochexplosiven Gas-Luftgemisch zu füllen, das bei einer Zündung zu einer verheerenden Explosion mit wahrscheinlich anschliessendem Grossbrand führen würde.
Die von der Beschwerdeführerin dagegen vorgebrachten Einwände sind unbehelflich. Die Höhe des Treppenhauses ändert am Rauminhalt nichts und der Umstand, dass sich im Treppenhaus mehrere Türen befinden, ist vom Experten berücksichtigt worden. Die Behauptung, die Expertise sei nicht objektiv, ist haltlos: Der Experte erachtete gerade die Mehrzahl der Argumente, die für das Inspektorat des SVS massgebend gewesen waren, als unzutreffend oder sekundär. Schliesslich ist auch die Berufung der Beschwerdeführerin auf die kantonale Feuerpolizei unerheblich; im Schreiben vom 3. November 1972 hatte die kantonale Gebäudeversicherungsanstalt zwar bestätigt, sie habe gegen die Aufstellung von Sauerstoff- und Azetylenflaschen im Treppenhaus nichts einzuwenden; die Beschwerdeführerin übergeht aber in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
BGE 100 V 197 S. 201
den Nachsatz in jenem Schreiben, worin die einschlägigen eidgenössischen Vorschriften über die. Lagerung von Azetylen ausdrücklich vorbehalten werden.

5. Steht somit fest, dass die Unfallgefahr gross ist, fragt es sich, wie erheblich die Wahrscheinlichkeit sei, dass sich diese Gefahr verwirkliche. Dieses Risiko könnte dann als mässig erachtet werden, wenn die Flaschenbatterie in einem unbenutzten, abgeschlossenen Raum aufgestellt würde, der nur von Fachpersonal betreten werden darf. Dies trifft aber hier nicht zu. Nach Angaben der Beschwerdeführerin dient das fragliche Treppenhaus als Verbindungsweg zwischen Büro und Werkstatt. Das Risiko, dass bei Gasaustritt aus Unvorsichtigkeit eine Explosion verursacht wird, ist demnach sehr hoch. Weder ein Rauchverbot, das nach den zutreffenden Ausführungen des Experten erfahrungsgemäss nicht durchsetzbar und somit wirkungslos wäre, noch ein Gaswarngerät vermöchten die Gefahr wirksam herabzusetzen.

6. Liegt mithin eine objektive Unfallgefahr vor, so hat der Betrieb gemäss Art. 65 Abs. 1 KUVG die notwendigen Massnahmen zu treffen. Diese müssen nach dem Stande der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sein.
Die Vorkehr besteht zunächst im Verzicht, die Flaschenbatterie im Treppenhaus aufzustellen. Die in den Akten erwähnten Varianten für einen neuen Standort sind technisch unproblematisch. Dazu kommt, dass eine Verlegung der fraglichen Behälter, welche nach Angaben der Beschwerdeführerin ca. Fr. 5000.-- kosten würde, den Verhältnissen der SKS Metallbau AG, einem Betrieb mit 25 Mitarbeitern, durchaus angemessen ist...

Dispositiv

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4 5 6

Dispositiv

Referenzen

Artikel: Art. 65 Abs. 1 KUVG, Art. 65 KUVG, Art. 65 Abs. 2 KUVG, Art. 98 OG mehr...