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Ecriture agrandie
 
Chapeau

104 Ia 240


39. Auszug aus dem Urteil vom 13. Oktober 1978 i.S. Jakob und Mitbeteiligte gegen Grosser Rat des Kantons Bern

Regeste

Art. 85 let. a OJ; droit d'initiative.
1. Sens et portée du délai prévu par l'art. 9 al. 4 Cst. bern. pour soumettre à la votation populaire une initiative comportant un projet rédigé de toutes pièces (consid. 3).
2. Le Grand Conseil peut opposer un contre-projet à l'initiative même si la Constitution cantonale ne le prévoit pas expressément (confirmation de la jurisprudence, consid. 3b).
3. A défaut de base légale, un contre-projet de niveau constitutionnel ou légal ne saurait être soumis au vote du peuple avant l'initiative (consid. 4).

Faits à partir de page 241

BGE 104 Ia 240 S. 241
Art. 9 der Staatsverfassung des Kantons Bern (KV) regelt das Initiativrecht. Art. 9 Abs. 4 und 5 KV lauten wie folgt:
"4. Erfolgt das Begehren in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs, so soll der Grosse Rat die Volksabstimmung darüber in der Regel auf den erstfolgenden oder spätestens den zweitfolgenden ordentlichen Abstimmungstag (Art. 7 Abs. 1) anordnen. Im Falle der Annahme ist der Entwurf Gesetz.
5. Der Grosse Rat kann seine Ansicht sowohl über die einfache Anregung, welcher er nicht von sich aus entspricht, als über den ausgearbeiteten Entwurf den Stimmberechtigten in einer Botschaft zur Kenntnis
bringen."
Die Volksabstimmungen finden gemäss Art. 7 Abs. 1 KV ordentlicherweise zweimal im Jahr, im Frühling und im Herbst, statt.
Im September 1976 begann Fürsprecher Gerhard Jakob mit der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren betreffend die Revision des Gesetzes vom 22. Oktober 1961 über die Verwaltungsrechtspflege (Einführung der Institution eines kantonalen Ombudsmannes). In der Folge stellten sich der Landesring der Unabhängigen und die Evangelische Volkspartei für die Konstituierung eines Initiativkomitees zur Verfügung. Am 5. April 1977 reichten Vertreter des Initiativkomitees bei der Staatskanzlei den Initiativtext mit den Unterschriftenbogen ein. Mit Beschluss vom 10. Mai 1977 stellte der Regierungsrat das Zustandekommen des Volksbegehrens fest. Eine ausserparlamentarische Expertenkommission kam nach der Prüfung des Begehrens zum Schluss, die Volksinitiative sei mit so erheblichen Mängeln behaftet, dass ihre Verwirklichung nicht als wünschenswert erscheine. Hingegen sei eine Verfassungsgrundlage auszuarbeiten, um der vorgesehenen Institution eines Ombudsmannes als völliger Novität im kantonalen Behörden- und Instanzengefüge von allem Anfang an ein wohldurchdachtes Fundament zu verleihen. Der in Aussicht genommene Verfassungstext sah gegenüber dem Initiativtext auch wesentliche
BGE 104 Ia 240 S. 242
materielle Änderungen vor. Am 7. Februar 1978 fasste der Grosse Rat die folgenden Beschlüsse:
"1. Dringliche Motion für die Februar-Session 1978: Der Regierungsrat wird beauftragt, dem Grossen Rat eine Verfassungsgrundlage zum Erlass eines Ombudsmann-Gesetzes im Sinne des Berichtes der ausserparlamentarischen Expertenkommission vom 27. Dezember 1977 zu unterbreiten, welche in der September- und November-Session 1978 behandelt und im Frühjahr 1979 zur Volksabstimmung gebracht wird.
2. Behandlung des Volksbegehrens:
Die Behandlung des Volksbegehrens im Grossen Rat und die Volksabstimmung werden vorläufig ausgesetzt."
Das Bundesgericht weist die von Gerhard Jakob sowie von drei Mitgliedern des Initiativkomitees gegen diese beiden Beschlüsse eingereichten Beschwerden im Sinne der Erwägungen ab.

Considérants

Aus den Erwägungen:

3. Das Initiativrecht verbürgt den Anspruch, dass ein Volksbegehren, welches die geltenden Formerfordernisse erfüllt und keinen übergeordneten materiellen Vorschriften widerspricht, den Stimmbürgern in dem dafür vorgesehenen Verfahren unterbreitet wird (BGE 100 Ia 388 E. 1; BGE 91 I 192 E. 1a; SJ 96/1974 S. 550 E. 1b, nicht publiziert in BGE 100 Ia 54). die Beschwerdeführer machen geltend, das Abstimmungsverfahren sei verletzt worden, weil die in Art. 9 Abs. 4 KV klar und eindeutig umschriebene Frist zur Anordnung der Volksabstimmung nicht eingehalten worden sei. Tatsächlich wird von keiner Seite bestritten, dass der Grosse Rat die Volksabstimmung weder auf den erstfolgenden noch auf den zweitfolgenden Abstimmungstag, welcher gemäss Art. 7 Abs. 1 KV im Frühjahr 1978 stattfand, anordnete. Der Regierungsrat wendet dagegen ein, bei der in Art. 9 Abs. 4 KV vorgesehenen Frist handle es sich um eine Regel, die in berechtigten Fällen durchbrochen werden könne oder durchbrochen werden müsse. Wer sich aber nicht an die Regel halte, müsse den Nachweis erbringen, dass keine Trölerei stattgefunden habe. Dieser Nachweis könne im vorliegenden Fall erbracht werden. Das Bundesgericht überprüft die Auslegung und Anwendung des kantonalen Verfassungsrechts frei. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich jedoch der von der obersten kantonalen Behörde
BGE 104 Ia 240 S. 243
vertretenen Auslegung an (BGE 99 Ia 181 E. 3a; BGE 104 Ia 286 E. 2a; vgl. BGE 103 Ia 155 E. 2c; BGE 101 Ia 357 E. 3b; BGE 97 I 32 E. 4a).
a) Das Bundesgericht hatte wiederholt Sinn und Tragweite von Verfassungs- oder Gesetzesbestimmungen zu überprüfen, welche dem Parlament bestimmte Fristen zur Anordnung von Abstimmungen über Initiativen setzen. Im Urteil vom 12. September 1956 i.S. Blum und im Entscheid BGE 100 Ia 54 ff. hatte es über die Frage zu entscheiden, ob das Parlament des Kantons Schaffhausen beziehungsweise des Kantons Genf nach Ablauf der Frist das Recht verwirke, dem Volk einen Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten. In beiden Fällen kam das Gericht zum Schluss, es handle sich um Ordnungs- und nicht um Verwirkungsfristen, so dass die Vorlage eines Gegenvorschlags auch noch nach Ablauf der Frist zulässig sei (vgl. im gleichen Sinn bezüglich der bundesrechtlichen Frist auch: HUBER, Die Rechtsfolge der Verschleppung von Verfassungsinitiativen, ZBl 57/1956 S. 289 ff.). Immerhin stellte das Bundesgericht in beiden Fällen fest, die Fristbestimmung sei verletzt worden. Bevor im vorliegenden Fall geprüft werden muss, welches die Rechtsfolgen bei einer Verletzung von Art. 9 Abs. 4 KV sind, ist zu entscheiden, ob die genannte Verfassungsbestimmung überhaupt verletzt sei. Ihr Wortlaut ist an sich klar und eindeutig. Er besagt, dass die Abstimmung über eine Initiative in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs in der Regel auf den erstfolgenden oder spätestens auf den zweitfolgenden ordentlichen Abstimmungstag anzuordnen sei. Diese Bestimmung kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die vorgeschriebene Frist die Regel bilde, von der begründete Ausnahmen zulässig seien. Hätte der Verfassungsgeber eine derartige Bestimmung erlassen wollen, hätte er sie entsprechend abfassen können. Das hat er nicht getan. Während aber in den Kantonen Schaffhausen (Urteil i.S. Blum vom 12. September 1956) und Genf (BGE 100 Ia 54 ff.) die Möglichkeit des Gegenvorschlags in der Verfassung vorgesehen ist und die Frist, binnen welcher die Vorlage dem Volk zu unterbreiten ist, unter Berücksichtigung des notwendigen Zeitbedarfs zur Ausarbeitung eines Gegenvorschlages festgesetzt werden konnte, fehlen Bestimmungen über den Gegenvorschlag in der bernischen Verfassung. Die verhältnismässig kurze Frist in Art. 9 Abs. 4 KV wurde daher nicht im Hinblick auf die mögliche Ausarbeitung
BGE 104 Ia 240 S. 244
eines Gegenvorschlags durch das Parlament erlassen, sondern lediglich unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes festgesetzt, der zur Ausarbeitung einer Botschaft des Grossen Rates im Sinne von Art. 9 Abs. 5 KV und zur Organisation der Abstimmung selber erforderlich ist. Der Gegenvorschlag zu einer Initiative war im Kanton Bern denn auch lange Zeit unbekannt. Gemäss den dem Bundesgericht zur Verfügung gestellten Unterlagen wurde der erste Gegenvorschlag unter der Verfassung von 1893 im Jahre 1959 ausgearbeitet. Für diesen Fall enthält die Verfassung daher keine Fristbestimmung. Es liegt auf der Hand, dass die Frist des Art. 9 Abs. 4 KV nur dann ausnahmslos eingehalten werden kann, wenn dem Parlament die Befugnis zur Vorlage eines Gegenvorschlages fehlt. Die in der Verfassung vorgesehene zweimalige Beratung von Gesetzen durch den Grossen Rat (Art. 29 und 102 KV) erschwert in einfachen Fällen und verunmöglicht bei komplizierteren Vorlagen die Ausarbeitung eines ausgereiften Gegenvorschlags. Geht man daher von der Annahme aus, die Vorlage eines Gegenvorschlags sei nach bernischem Recht zulässig, so kann für diesen Fall die Frist des Art. 9 Abs. 4 KV keine strikte Anwendung finden.
b) Der Beschwerdeführer Jakob macht geltend, der Grosse Rat habe gestützt auf die Verfassung kein Recht, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten und dem Volk gleichzeitig mit der Initiative zur Abstimmung zu unterbreiten. Er stützt sich dabei auf den Wortlaut der Verfassung (Art. 9 KV) und auf die Vorarbeiten zur KV, insbesondere auf die folgenden Ausführungen des Berichterstatters Dr. Brunner vom 10. Januar 1893 im Grossen Rat:
"Man ist darüber einig, dass die Initiative in zwei Formen solle ins
Werk gesetzt werden können, entweder in Form einer blossen Anregung, in welchem Falle der Grosse Rat das Initiativbegehren erst noch zum Gesetz zu entwickeln hätte, oder in Form eines Entwurfes, in welchem Fall das Volk sofort darüber zu entscheiden hätte, ohne dass der Grosse Rat den Entwurf abändern könnte; er könnte dem Volke bloss Annahme oder Verwerfung empfehlen" (Tagblatt des Grossen Rates, 1893, S. 23).
Das Bundesgericht hat wiederholt erkannt, dass rechtliche Bestimmungen in erster Linie aus sich selbst, das heisst nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck sowie nach den ihnen zugrundeliegenden Wertungen auszulegen sind. Die Entstehungsgeschichte einer Norm kann allenfalls bei unklaren oder unvollständigen Bestimmungen ein Hilfsmittel sein, um den Sinn einer Norm zu erkennen, und damit falsche Auslegungen zu
BGE 104 Ia 240 S. 245
vermeiden, sofern die Materialien eine klare Antwort geben. Sie sind aber umso weniger zu beachten, je weiter die Gesetzesentstehung zeitlich zurückliegt (BGE 103 Ia 290 E. 2c mit zahlreichen Hinweisen). Die Verfassungsdebatte von 1893 und insbesondere die Ausführungen von Dr. Brunner vermögen keinen zuverlässigen Aufschluss über die Absichten des Verfassungsgebers zu vermitteln. Aus der Formulierung des Berichterstatters ist keineswegs mit Klarheit zu entnehmen, dass die Vorlage eines Gegenentwurfs ausgeschlossen werden sollte, sondern lediglich, dass die Initiative unverändert zur Abstimmung gebracht werden müsse; aus der Entstehungsgeschichte der Verfassungsbestimmung können daher keine erheblichen Hinweise auf ihren Inhalt entnommen werden.
Das Bundesgericht hat in BGE 91 I 193 E. 2 mit einlässlicher Begründung entschieden, dass das bernische Verfassungsrecht die Vorlage eines grossrätlichen Gegenvorschlags zu einer Initiative zulässt. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Bund und die meisten Kantone erklären zwar das Parlament in ihren Verfassungen oder in der Gesetzgebung ausdrücklich als befugt, einem Volksbegehren einen Gegenentwurf gegenüberzustellen (Zusammenstellung in BGE 91 I 193 /4). Die Kantone, die keine ausdrücklichen Vorschriften hierüber haben, kennen in der Praxis den Gegenentwurf des Parlaments ebenfalls. Im Kanton Bern stützt sich diese Übung auf Art. 30 KV, der dem Grossen Rat ein allgemeines Vorschlagsrecht einräumt. Dieses Vorschlagsrecht erstreckt sich auf den gesamten Bereich der Gesetzgebung und ist in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt, was es dem Grossen Rat erlaubt, auch nach Einreichung eines Volksbegehrens einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, der die gleiche Materie wie dieses beschlägt und eine Alternative dazu bildet. Sofern die aus Art. 30 KV fliessenden Befugnisse nicht durch andere Verfassungssätze eingeschränkt sind, steht dem Grossen Rat damit das Recht zur Aufstellung eines Gegenentwurfs zu. Eine Einschränkung der erwähnten Art könnte sich einzig aus Art. 9 KV ergeben, der das Volksbegehren regelt. Von einem Gegenentwurf ist darin nicht die Rede. Das heisst aber nicht, dass die Verfassung ihn ausschlösse. Aus dem Schweigen des Gesetzes kann nur dann auf eine negative Entscheidung des Gesetzgebers geschlossen werden, wenn sachliche Gründe dafür vorliegen (MEIER-HAYOZ, N. 191, 255 f. zu Art. 1 ZGB). Solche wären gegeben, wenn die Aufstellung eines Gegenentwurfs mit Sinn und Zweck der Initiative unvereinbar wäre. Das
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trifft indes, wie das Bundesgericht im genannten Entscheid 91 I 194 im einzelnen ausführte, nicht zu.
Gewisse Bedenken ergeben sich freilich aus dem Umstand, dass die Vorlage eines Gegenvorschlags die Aussichten eines Volksbegehrens, in der Volksabstimmung angenommen zu werden, je nach Abstimmungsmodus mehr oder weniger stark vermindert. Das ist jedoch lediglich die Folge der den Stimmberechtigten gebotenen grösseren Entscheidungsfreiheit, die es ihnen erlaubt, ihren Willen in der Abstimmung differenzierter zum Ausdruck zu bringen. In jüngeren Entscheiden bezeichnete das Bundesgericht die Ausarbeitung eines Gegenvorschlages zu einer Initiative nicht nur als mit dem Initiativrecht vereinbar, sondern als wesentliches Element des durch eine Initiative eingeleiteten Rechtssetzungsverfahrens (BGE 101 Ia 495; BGE 100 Ia 57). Wie die Erfahrung zeigt, führt die umfassende Abklärung und Behandlung der Angelegenheit durch die Verwaltung und den Grossen Rat in vielen Fällen dazu, dass der parlamentarische Gegenentwurf dem Anliegen der Initianten besser gerecht wird als das Volksbegehren selber. Nicht selten wird darum eine Initiative zugunsten des Gegenvorschlags des Grossen Rates zurückgezogen. Der Gegenentwurf leistet auf diese Weise einen Beitrag an die Erfüllung der dem Volksbegehren zugedachten Aufgabe einer zeitgemässen Fortentwicklung des Rechts (BGE 91 I 196). Der Gegenvorschlag hat sich auch im Kanton Bern als nützlich erwiesen. Gemäss den dem Bundesgericht zur Verfügung gestellten Unterlagen wurden den im Zeitraum zwischen 1893 und 1975 eingereichten 28 Initiativen seit 1958 in 6 Fällen ein Gegenvorschlag gegenübergestellt. In 4 Fällen bewirkte die Vorlage eines Gegenentwurfs den Rückzug der Initiative, was bedeutet, dass in diesen Fällen eine Einigung und Übereinstimmung zwischen den Initianten und dem Parlament erreicht werden konnte.
Da der bernische Grosse Rat demnach befugt ist, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten und der Initiative gegenüberzustellen und der Grosse Rat einen Gegenvorschlag ausarbeiten will, findet die Frist von Art. 9 Abs. 4 KV keine strikte Anwendung, weil andernfalls das Institut des Gegenvorschlags vereitelt würde. Sinn und Zweck von Art. 9 Abs. 4 KV und des Initiativrechts verlangen indessen, dass der Grosse Rat die Ausarbeitung des Gegenvorschlags ohne Verzögerung an die Hand nimmt und durchführt. Wird die Initiative nicht binnen einer angemessenen Frist dem Volke zur Abstimmung vorgelegt,
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kann der Stimmbürger gestützt auf Art. 85 lit. a OG geltend machen, es liege eine Rechtsverzögerung vor und verlangen, dass der verfassungsmässige Zustand wiederhergestellt werde (BGE 100 Ia 56).
c) Bei der Würdigung der zulässigen Verfahrensdauer sind grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung massgebend, das heisst, es wird die Zeitdauer zwischen der Einreichung der Initiative bis zur Beschwerdeeinreichung in Rechnung gestellt (Urteile vom 27. September 1978 i.S. V. AG, R. und B.). Im vorliegenden Fall wurden die Unterschriften nach Einreichung der Initiative durch das statistische Amt ohne Verzug überprüft, die Initiative in der Folge als zustandegekommen erklärt und tags darauf eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich ohne Verzug ihrer Aufgabe zuwandte. Sie arbeitete einen Vortragsentwurf aus, es wurde ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt und der Regierungsrat über den Stand der Verhandlungen informiert. Dieser setzte am 24. August 1977 eine ausserparlamentarische Expertenkommission zur Schaffung einer Verfassungsgrundlage für den Erlass eines Ombudsmann-Gesetzes ein. Aufgrund deren Arbeit beschloss der Regierungsrat am 12. Oktober 1977, die Initiative sei so rasch wie möglich dem Grossen Rat und dem Volk ohne Gegenvorschlag und mit dem Antrag auf Ablehnung zur Abstimmung zu unterbreiten und gleichzeitig seien die Arbeiten an einer Verfassungsgrundlage fortzuführen. Die darauf eingesetzte parlamentarische Kommission tagte am 19. Dezember 1977 und am 9. Januar 1978 und erarbeitete dort die beiden Beschlussesentwürfe, die am 7. Februar 1978 vom Grossen Rat angenommen wurden. Daraufhin wurden die staatsrechtlichen Beschwerden eingereicht. Bis zu diesem Datum kann den kantonalen Behörden keine Rechtsverzögerung vorgeworfen werden. Die beiden Beschlüsse vom 7. Februar 1978 regeln indes das zukünftige Vorgehen im Zusammenhang mit der Ombudsmann-Initiative. Die Beschwerdeführer machen sinngemäss geltend, diese Beschlüsse sähen für die Zukunft eine Rechtsverzögerung vor. Diese Rüge ist zulässig. Die Beschwerdeführer brauchen nicht zuzuwarten, bis eine verfassungswidrige Rechtsverzögerung tatsächlich eingetreten ist, sondern sie können rügen, in einer Verfügung sei ein das Rechtsverzögerungsverbot verletzendes Vorgehen in Aussicht genommen. Den bernischen Behörden kann indessen mit ihrem Beschluss, die Beratung über die Initiative vorläufig auszusetzen, dann keine
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Rechtsverzögerung vorgeworfen werden, wenn die Arbeiten am Gegenvorschlag zügig vorangetrieben werden und die Initiative anschliessend ohne Verzug zur Abstimmung gebracht wird. Die beiden Beschlüsse stehen einer Auslegung in diesem Sinn nicht entgegen, wie in der nachfolgenden Erwägung (insbesondere E. 4c) dargelegt wird, so dass das Verzögerungsverbot bei der Behandlung von Initiativen nicht verletzt ist.

4. a) Die Beschwerdeführer machen geltend, die kantonalen Behörden legten die beiden angefochtenen Beschlüsse in der Weise aus, dass zunächst der Gegenvorschlag auf Verfassungsebene zur Abstimmung gebracht und bei dessen Annahme die Initiative wegen Verfassungswidrigkeit ungültig erklärt werde; die Initiative gelange nur im Falle der Verwerfung des Gegenvorschlags zur Abstimmung. Tatsächlich wurde dieses Vorgehen von verschiedener Seite, insbesondere vom Regierungspräsidenten in Aussicht genommen (Protokoll der parlamentarischen Kommission vom 9. Januar 1978 S. 2-3; Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern, 1978, Heft 1. S. 19-20). Wie in E. 3 dargelegt, ist der Grosse Rat befugt, die Beratung über die Initiative provisorisch auszusetzen bis ein Gegenvorschlag innert einer angemessenen Frist ausgearbeitet worden ist. Das Bundesgericht hat bereits die Vorlage eines Gegenvorschlags ohne gesetzliche Grundlage nicht ohne Bedenken zugelassen, weil jeder Gegenentwurf die Erfolgsaussichten eines Volksbegehrens vermindert. Es hat diesen Nachteil in Kauf genommen, um dem Stimmbürger eine differenziertere Stellungnahme zu ermöglichen. Die Befugnis des Parlaments, dem Volke einen Gegenvorschlag zu unterbreiten, schliesst indessen nicht das Recht ein, vorerst ausschliesslich diesen Gegenvorschlag zur Abstimmung zu bringen und die Initiative später, oder sogar nur dann dem Volke vorzulegen, wenn der Gegenvorschlag verworfen wird. Eine solche Vorzugsbehandlung des Gegenvorschlags ohne gesetzliche Grundlage (vgl. Urteil vom 12. September 1956 i.S. Blum) verletzt das in Art. 9 KV gewährleistete Initiativrecht, weil der Zweck dieses Vorgehens in erster Linie darin besteht, die Initiative durch die Vorwegbehandlung des Gegenvorschlags zu schwächen und letzterem eine Vorrangstellung einzuräumen. Zudem verbietet das Rechtsverzögerungsverbot, dass mit der Abstimmung über ein Volksbegehren ohne gesetzliche Ermächtigung zugewartet werde, bis über den Gegenentwurf abgestimmt worden ist. Wenn die angefochtenen Beschlüsse in der genannten Weise
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ausgelegt werden, verstossen sie demnach gegen Sinn und Zweck des Initiativrechts und sind verfassungswidrig.
b) Der Regierungspräsident rechtfertigte im Grossen Rat das in Aussicht genommene Vorgehen mit dem Hinweis, dass einem ausgearbeiteten Gesetzesentwurf nicht eine kurze, allgemein gehaltene Verfassungsbestimmung entgegengehalten werden könne, weil der Bürger bei der Verfassungsvariante nicht wisse, wie das Ausführungsgesetz aussehen werde, und daher nicht in Kenntnis aller Umstände entscheiden könne. Dem ist freilich entgegenzuhalten, dass auch bei dem vom Regierungsrat vorgesehenen Vorgehen, wonach zunächst nur der Verfassungstext zur Abstimmung gelangen soll, der Bürger nicht weiss, wie das Ausführungsgesetz aussehen wird. Im weiteren könnte den Bedenken des Regierungsrates Rechnung getragen werden, indem der Grosse Rat gleichzeitig mit der Verfassungsbestimmung einen Gesetzesentwurf ausarbeiten würde. In der Folge könnte die Verfassungsbestimmung gleichzeitig mit der Initiative zur Abstimmung gebracht und der Stimmbürger in der Botschaft darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Gesetz nach Annahme des Verfassungstextes im Amtsblatt publiziert und dem fakultativen Referendum unterstellt werde. Bei diesem Vorgehen wäre der Stimmbürger in der Lage, die Bedeutung und Tragweite von Initiative und Gegenvorschlag zu würdigen, und es könnten die politischen Bedenken gegen die gleichzeitige Vorlage einer Gesetzesinitiative und eines Gegenvorschlags auf Verfassungsebene beseitigt werden. Letztere sind jedenfalls nicht geeignet, eine Vorzugsbehandlung des Gegenvorschlags zu rechtfertigen.
Ein vergleichbares Vorgehen wählte die Bundesversammlung im Zusammenhang mit der Volksinitiative "für die Fristenlösung". Sie verabschiedete das Bundesgesetz über den Schutz der Schwangerschaft und die Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs vom 24. Juni 1977 vor der Abstimmung über die Initiative, betrachtete das Gesetz aber nur als "indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative", weil es gemäss Art. 18 Abs. 2 nur dann im Bundesblatt publiziert und dem fakultativen Referendum unterstellt werden sollte, wenn die Initiative verworfen oder zurückgezogen würde (vgl. BBl 1976 II S. 800; BBl 1977 III 99).
c) Die vorangehenden Erwägungen führen indessen nicht ohne weiteres zur Gutheissung der Beschwerden. Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit der angefochtenen Beschlüsse
BGE 104 Ia 240 S. 250
ist massgebend, ob ihnen nach den anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit dem Initiativrecht der Beschwerdeführer vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt die Beschlüsse nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen Auslegung entziehen, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich sind (BGE 104 Ia 99 E. 9; BGE 102 Ia 109 E. 1b mit Hinweisen).
Gemäss der dringlichen Motion soll eine Verfassungsgrundlage zum Erlass eines Ombudsmann-Gesetzes ausgearbeitet und im Frühjahr 1979 zur Abstimmung gebracht werden. Wie bereits in den vorangehenden Erwägungen dargelegt wurde, ist der Grosse Rat befugt, in derselben Materie, in der eine Initiative eingereicht wurde, gesetzgeberisch tätig zu werden und seinerseits einen Entwurf auszuarbeiten. Die bernische Verfassung steht der Vorlage eines Gegenvorschlags weder auf Gesetzes- noch auf Verfassungsebene entgegen, denn auch die Teilrevision der Verfassung geschieht gemäss Art. 102 KV auf dem Wege der Gesetzgebung (vgl. auch SJ 96/1974 S. 557 E. 6b). Der 1. Beschluss hält daher vor der Verfassung stand.
Der 2. Beschluss sieht vor, dass die Behandlung des Volksbegehrens im Grossen Rat und die Volksabstimmung "vorläufig" ausgesetzt werden. Diese Formulierung lässt verschiedene Auslegungen zu. Die kantonalen Behörden haben sich noch nicht definitiv auf eine bestimmte Auslegung des Begriffs "vorläufig" festgelegt, wie aus der Vernehmlassung des Grossen Rates entnommen werden kann. Es wird dort ausgeführt, mit der Aussetzung der Beratung über die Volksinitiative sei ihr Schicksal noch in keiner Weise besiegelt. Scheitere die Verfassungsvorlage im Grossen Rat, so lebe die Diskussion über das Initiativbegehren automatisch wieder auf. Auch für den Fall der Annahme der Verfassungsvorlage (im Grossen Rate) sei mit dem Beschluss des Grossen Rates vom 7. Februar 1978 noch nicht entschieden worden, welche Behandlung die Initiative Jakob in Zukunft erfahren solle. Tatsächlich lässt sich der 2. Beschluss auch dahingehend auslegen, dass die Behandlung der Initiative im Grossen Rat ausgesetzt werde, bis ein Gegenvorschlag auf Verfassungs- oder Gesetzesebene innert angemessener Frist ausgearbeitet ist. Dagegen geht es nicht an, den Gegenvorschlag vor der Initiative zur Abstimmung zu bringen (E. 4a); doch hat dies der Grosse Rat bisher noch nicht beschlossen, so dass die Beschwerden im Sinne der Erwägungen abgewiesen werden müssen.