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Urteilskopf

106 II 224


45. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Oktober 1980 i.S. Belag Inter Ltd. (AG) gegen Altrom AG (Berufung)

Regeste

Treuepflicht des Mäklers.
Für die Erfüllung des nachgewiesenen oder vermittelten Vertrages hat der Mäkler von seiner charakteristischen Aufgabe und ihrer gesetzlichen Regelung her nicht einzustehen (E. 4). Ausweitung der Treuepflicht unter besonderen Umständen (E. 5).

Erwägungen ab Seite 224

BGE 106 II 224 S. 224
Aus den Erwägungen:

3. (Die Beklagte anerkennt, dass nach Abschluss des Mäklervertrages die darin gesetzten Bedingungen für den Provisionsanspruch der Klägerin eingetreten sind. Sie beharrt aber auf dem Einwand, die Klägerin habe die Abwicklung des vermittelten Vertrages gestört und damit durch treuloses Verhalten ihren Anspruch auf Mäklerlohn verwirkt.)

4. Die Beklagte rügt, der angefochtene Entscheid verletze die Art. 415, 398 in Verbindung mit 412 Abs. 2 OR und Art. 2 ZGB.
Art. 412 Abs. 2 OR unterstellt den Mäklervertrag im allgemeinen den Vorschriften über den einfachen Auftrag. Dass gewisse Unterschiede bestehen, liegt im Wesen der beiden Vertragstypen und wird von der Vorinstanz keineswegs verkannt. Das Gesetz selber trägt dem Rechnung, indem es Sonderbestimmungen für den Mäklervertrag aufstellt. Soweit nicht diese Platz greifen, ist das allgemeine Auftragsrecht anzuwenden (GAUTSCHI, N. 4a und b zu Art. 412 OR).
Gleich dem einfachen Auftrag begründet der Mäklervertrag ein Treueverhältnis zwischen den Beteiligten normalerweise für die Dauer seines Bestehens. Er endet wiederum in der Regel
BGE 106 II 224 S. 225
dadurch, dass der angestrebte Vertrag des Auftraggebers mit dem Dritten zustande kommt oder die Bemühungen des Mäklers innerhalb gesetzter oder nützlicher Frist erfolglos bleiben, allenfalls durch Widerruf (BGE 103 II 130; VON BÜREN, OR, Besonderer Teil, S. 215). Vom Erfolg des Mäklers, mithin davon, dass der angestrebte Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Dritten rechtsgültig abgeschlossen wird und dafür die Tätigkeit des Mäklers bestimmend oder mitbestimmend war, hängt sein Lohnanspruch ab (BGE 97 II 357, BGE 87 II 141; GUHL/MERZ/KUMMER, OR, S. 446). Nur daraus, dass der Mäklervertrag im Gegensatz zum einfachen Auftrag den Zweck hat, einen solchen Vertrag herbeizuführen, ergibt sich noch keineswegs eine dessen Erreichung überdauernde Treuepflicht des Mäklers. Für die Erfüllung des nachgewiesenen oder vermittelten Vertrages hat der Mäkler von seiner charakteristischen Aufgabe und ihrer gesetzlichen Regelung her nicht einzustehen. Insbesondere aus Art. 415 OR ist Abweichendes nicht zu entnehmen. In Wortlaut und Gehalt bezieht sich diese Vorschrift auf die eigentliche, innerhalb des bestehenden Vertrages sich vollziehende, nicht auf eine nachvertragliche Tätigkeit des Mäklers. Von Art. 415 OR erfasst werden namentlich Missbräuche (VON BÜREN, a.a.O., S. 219). Der Hinweis der Beklagten auf § 654 BGB und zugehörige Lehrmeinung verkennt die verschiedenartige Konzeption des Mäklervertrages im deutschen und im schweizerischen Recht (GAUTSCHI, N. 1c Vorbemerkungen und N. 4c zu Art. 412 OR).

5. Das schliesst im einzelnen Fall eine die Erledigung seines spezifischen Auftrages überdauernde Treuepflicht des Mäklers nicht aus, so vorab bei besonderer vertraglicher Übereinkunft. Wo verabredet wird, dass nicht schon der Abschluss, sondern erst die Erfüllung des Vertrages mit dem Dritten den Provisionsanspruch des Mäklers auslösen soll, dieser Anspruch oder der Vertrag mit dem Dritten aufschiebend bedingt sind, die Fälligkeit eines entstandenen Provisionsanspruchs zeitlich hinausgeschoben oder unter bestimmten Voraussetzungen sein Wegfall vorgesehen ist, treten auch entsprechende Ausweitungen der Treuepflicht ein. Eine ohne Vereinbarung solcher Art über den erfolgten Abschluss eines nachgewiesenen oder vermittelten Vertrages hinaus auf dessen Erfüllung übergreifende Treuepflicht des Mäklers gemäss der Meinung REICHELS (Die Mäklerprovision, München 1913, S. 233/4) lässt sich nicht aus
BGE 106 II 224 S. 226
dem Mäklervertrag als solchem herleiten, sondern nur aus Art. 2 ZGB sei es direkt oder über vertragliche Nebenpflichten (MERZ, N. 19 und 260 ff. zu Art. 2 ZGB). Dann aber zeitigt ihre Verletzung nicht eine rückwirkende Aufhebung bereits rechtsgültig entstandener Provisionsansprüche, sondern einen Schadenersatzanspruch des Auftraggebers. Einen solchen erhebt die Beklagte nicht.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 3 4 5

Referenzen

BGE: 103 II 130, 97 II 357, 87 II 141

Artikel: Art. 2 ZGB, Art. 412 OR, Art. 415 OR, Art. 412 Abs. 2 OR