106 II 287
Chapeau
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57. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. November 1980 i.S. L. gegen Staat Luzern (Berufung)
Regeste
Dette alimentaire des parents, Art. 328/329 CC.
1. Sur la base des art. 328 et 329 al. 3 CC et de l'art. 299 de la loi de procédure pénale lucernoise, le canton est autorisé à exiger des parents du condamné, le remboursement des frais qu'il a avancés lors de l'exécution de la peine et des mesures (consid. 2).
2. Les parents d'un toxicomane majeur, qui est interné dans un établissement de santé, à la suite d'un jugement, sont tenus, en vertu de l'art. 328 al. 1 CC, de prendre en charge, selon leurs moyens, les frais d'exécution des mesures, pour autant que le condamné ne puisse les supporter lui-même (consid. 3).
Lors de la fixation d'une prestation d'entretien, il y a lieu de prendre également en considération le revenu d'une activité accessoire ainsi que celui de l'activité lucrative de l'épouse, si ces dernières ont été exercées de façon régulière jusque-là (consid. 4).
A.- Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte den im Jahre 1953 geborenen R. L. und dessen Ehefrau am 28. November 1977 wegen fortgesetzter Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel zu vier Jahren Zuchthaus bzw. 2 1/2 Jahren Gefängnis, abzüglich erstandene Untersuchungshaft. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafen auf, wies die Verurteilten gemäss Art. 19a Ziff. 4 des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel und Art. 44 StGB in eine Heilanstalt ein und verpflichtete sie, dem Staat Luzern solidarisch Fr. 55'000.-- zu zahlen. Am 6. Februar 1979 wurden die Eheleute geschieden.
R. L. wurde nach seiner Verurteilung zunächst in die Strafanstalt Lenzburg verbracht. In der Folge wurde er zum Vollzug der gegen ihn ausgefällten Massnahme in das Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige Aebi-Hus eingewiesen, aus dem
BGE 106 II 287 S. 289
er nach einigen Monaten entwich. Ende März 1979 wurde er verhaftet und in das Zentralgefängnis Luzern übergeführt, aus dem er im Juni 1979 entfliehen konnte. Seither ist er flüchtig.In der zweiten Hälfte des Jahres 1978 forderte das Justizdepartement des Kantons Luzern die Eltern von R. L. auf, an den Massnahmenvollzug an ihrem Sohn Beiträge zu leisten. Sie verweigerten solche Zahlungen.
B.- Mit Eingabe vom 15. Februar 1979 leitete das Justizdepartement des Kantons Luzern namens dieses Kantons beim Amtsgericht Luzern-Land gegen die Eltern von R. L. eine Klage ein mit dem Antrag, die Beklagten seien solidarisch zu verpflichten, dem Kläger ab 28. November 1977 während der Dauer des Vollzuges der über ihren Sohn verhängten Massnahme monatlich Fr. 1'500.--, eventuell einen Beitrag nach richterlichem Ermessen zu zahlen. In der Replikschrift modifizierte der Kläger sein Begehren insofern, als er vom Beklagten 1 einen monatlichen Beitrag von Fr. 1'065.-- und von der Beklagten 2 einen solchen von Fr. 435.--, eventuell Beiträge nach richterlichem Ermessen verlangte. Die Beklagten widersetzten sich der Klage.
Das Amtsgericht Luzern-Land verpflichtete mit Urteil vom 2. November 1979 den Beklagten 1 zur Zahlung von Fr. 7'500.--. und die Beklagte 2 zur Zahlung von Fr. 2'500.-- als Ersatzleistung für die bisher vollzogene Massnahme. In der Zeit, in der an ihrem Sohn in Zukunft eine Massnahme tatsächlich vollzogen wird, haben zudem der Beklagte 1 monatlich je zum voraus Fr. 600.-- und die Beklagte 2 Fr. 300.-- zu leisten.
Die Beklagten führten hiegegen Rekurs und verlangten die Abweisung der Klage. Das Obergericht des Kantons Luzern wies den Rekurs am 6. März 1980 ab.
C.- Gegen den Entscheid des Obergerichts erheben die Beklagten Berufung an das Bundesgericht mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
Aus den Erwägungen:
2. a) Das am 1. Januar 1942 in Kraft getretene Strafgesetzbuch sah in Art. 368 vor, die Kantone hätten "unter Vorbehalt der Unterstützungspflicht der Verwandten (Zivilgesetzbuch Art. 328)" zu bestimmen, wer die Kosten der Verwahrung, Art. 14 und 15 StGB ) zu tragen habe wenn weder sie selbst noch, falls sie unmündig sind, deren Eltern die Kosten bestreiten können. Nach dieser Bestimmung waren die Kosten der Verwahrung, Behandlung oder Versorgung volljähriger Unzurechnungsfähiger oder vermindert Zurechnungsfähiger in erster Linie von diesen selbst zu tragen. Waren sie dazu nicht in der Lage, konnten die unterstützungspflichtigen Verwandten innerhalb der Grenzen der Unterstützungspflicht im Sinne von Art. 328 ZGB dafür herangezogen werden. Fehlte es an solchen Verwandten, hatten die Kantone zu bestimmen, wer für die Kosten aufkommen musste (THORMANN-OVERBECK, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, Bd. II, zu Art. 368 StGB, und SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Auflage 1964 Nr. 347).
BGE 106 II 287 S. 290
Behandlung oder Versorgung Unzurechnungsfähiger oder vermindert Zurechnungsfähiger (In der neuen Fassung gemäss Bundesgesetz vom 18. März 1971 sieht Art. 368 StGB vor, dass die Kantone "unter Vorbehalt der Unterstützungspflicht der Verwandten (Art. 328 ZGB)" zu bestimmen haben, wer die Kosten des Vollzugs von Strafen und Massnahmen tragen muss, wenn weder der Betroffene selbst noch, falls er unmündig ist, seine Eltern die Kosten bestreiten können. Damit wurde die frühere Regelung der Kostentragung bei Verwahrung, Behandlung und Versorgung Unzurechnungsfähiger und vermindert Zurechnungsfähiger im Sinne der bereits bestehenden Praxis auf alle Strafen und sichernden Massnahmen ausgedehnt mit der Folge, dass auch Strafvollzugskosten von vermöglichen Verurteilten zurückgefordert werden können. Am Vorbehalt der Verwandtenunterstützungspflicht wurde indessen nichts geändert (Botschaft des Bundesrats zur Teilrevision des Strafgesetzbuches vom 1. März 1965, BBl 1965 I S. 602). Die Kosten des Massnahmenvollzugs können deshalb gestützt auf Art. 328 ZGB von den Verwandten des Verurteilten eingefordert werden, wenn die Voraussetzungen dazu vorliegen. Der Anspruch des berechtigten Gemeinwesens gegen die Verwandten eines Unterstützten untersteht dem Privatrecht (BGE 76 II 113 E. 1; EGGER, N. 9 zu Art. 329 ZGB).
b) Nach § 299 Abs. 1 der Luzerner Strafprozessordnung sind die Kosten einer Massnahme vom Verurteilten, den unterstützungspflichtigen Verwandten und dem nach Armengesetz unterstützungspflichtigen Gemeinwesen zu tragen. Diese Vorschrift
BGE 106 II 287 S. 291
hält sich im Rahmen der oben umschriebenen eidgenössischen Regelung und verstösst nicht gegen Bundesrecht.Laut § 299 Abs. 3 der Luzerner Strafprozessordnung macht die Strafvollzugsbehörde den Unterstützungsanspruch gegenüber den Pflichtigen geltend. Sichernde Massnahmen im Sinne von Art. 42-45 StGB werden vom Justizdepartement vollzogen (§ 296 der Luzerner Strafprozessordnung). Das Justizdepartement des Kantons Luzern ist deshalb im vorliegenden Fall Vollstreckungsbehörde und somit zur Klage legitimiert.
c) Das Justizdepartement klagte nicht in eigenem Namen, sondern namens des Kantons; dies mit der Begründung, der Kanton habe für die Vollzugskosten garantieren und dem Aebi-Hus die entstandenen Kosten vergüten müssen, so dass der Anspruch auf Rückerstattung dieser Kosten ihm zustehe. Inwiefern dadurch Bundesrecht verletzt sein soll, wie die Beklagten behaupten, ist nicht ersichtlich. Wohl steht der Anspruch auf Verwandtenunterstützung in erster Linie dem Bedürftigen selbst zu. Kommt jedoch das Gemeinwesen für seinen Unterhalt auf, so geht sein Unterstützungsanspruch mit allen Rechten auf dieses über (Art. 329 Abs. 3 und Art. 289 ZGB ). Wenn im vorliegenden Fall der Kanton Luzern dem Aebi-Hus Kosten garantierte und vergütete, muss er demzufolge berechtigt sein, für diese Kosten von den Verwandten des Verurteilten Ersatz zu fordern, wenn er glaubt, dass diese Verwandten zum Ersatz der Kosten verpflichtet seien (vgl. dazu auch BGE 58 II 330 E. 1).
Die Beklagten machen geltend, nach § 299 der Luzerner Strafprozessordnung seien die Kosten des Massnahmenvollzugs entweder vom Verurteilten oder von dessen Verwandten oder vom unterstützungspflichtigen Gemeinwesen, keinesfalls aber vom Kanton zu tragen. Dies ist richtig, doch kann daraus nicht abgeleitet werden, dass dem Kläger im vorliegenden Fall die Aktivlegitimation fehle, wie die Beklagten behaupten. Der Kläger hat die Kosten dem Aebi-Hus nur garantiert und vorgeschossen, ohne damit ein Präjudiz für die endgültige Kostentragung schaffen zu wollen. Wenn er nach Prüfung aller Umstände zur Ansicht gelangte, die Beklagten müssten ihm einen Teil der Massnahmenkosten zurückerstatten, ist seine Aktivlegitimation zu bejahen.
Die Ansicht der Beklagten, das Justizdepartement hätte entweder namens des Verurteilten oder namens der
BGE 106 II 287 S. 292
unterstützungspflichtigen Gemeinde klagen müssen, ist unverständlich. Der Verurteilte ist nach der Sachdarstellung der Berufungsschrift bevormundet und deshalb von seinem Vormund und nicht vom Justizdepartement zu vertreten. Nach dessen Meinung sind sodann im vorliegenden Fall die Beklagten und nicht irgendeine Gemeinde zu Beitragsleistungen an den Massnahmenvollzug verpflichtet. Dass eine Gemeinde bisher an die Vollzugskosten etwas bezahlt oder dafür Kostengutsprache geleistet habe oder werde leisten müssen, wird nicht behauptet. Unter diesen Umständen wäre nicht einzusehen, unter welchem Titel eine Gemeinde von den Beklagten etwas hätte fordern können.Art. 329 Abs. 3 bzw. Art. 289 Abs. 2 ZGB gewährt der berechtigten Behörde einen selbständigen Anspruch gegen die Verwandten des Unterstützten (vgl. BGE 76 II 114 E. 2). Die Berufung ist somit unbegründet, soweit sie dem Kläger die Aktivlegitimation abzusprechen versucht.
3. a) Nach Art. 328 Abs. 1 ZGB sind Verwandte in auf- und absteigender Linie und Geschwister gegenseitig verpflichtet, einander zu unterstützen, sobald sie ohne diesen Beistand in Not geraten würden. In einer Notlage befindet sich der Bedürftige dann, wenn er sich das zum Lebensunterhalt Notwendige nicht mehr aus eigener Kraft verschaffen kann (EGGER, N. 27 zu Art. 328 ZGB; BANZER, Die Verwandtenunterstützungspflicht nach Art. 328/329 ZGB, Diss. Zürich 1979, S. 107). Wer in diesem Sinne in Not und trotz guten Willens nicht in der Lage ist, sich selbst zu erhalten, hat nach der Rechtsprechung selbst dann Anspruch auf Verwandtenunterstützung, wenn er durch eigenes Verschulden in die Notlage geraten ist. Eine echte Notlage ist nur dann zu verneinen, wenn der Bedürftige sich mit gutem Willen selbst erhalten könnte, dies jedoch böswillig unterlässt, um auf Kosten der Verwandten zu leben (BGE 62 II 15 /16, BANZER, a.a.O. S. 109).
Der Unterstützungsanspruch geht in der Regel auf die Verschaffung von Nahrung, Kleidung, Wohnung sowie ärztliche Betreuung und Heilmittel bei Krankheit. Bei Süchtigen kann die notwendige Unterstützung aber auch in einer Anstaltsbehandlung bestehen. In diesem Fall werden die Unterstützungsbeiträge durch Bezahlung der Kosten der Anstaltsbehandlung und des Anstaltsaufenthalts entrichtet (EGGER, N. 43 zu Art. 328 ZGB, BANZER, a.a.O. S. 168).
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b) Das Obergericht des Kantons Luzern hat R. L. mit Entscheid vom 28. November 1977 im eine Heilanstalt eingewiesen. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden und darf im vorliegenden Verfahren nicht auf seine Richtigkeit hin überprüft werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Verurteilte infolge seiner Süchtigkeit der angeordneten Heilbehandlung bedarf.
Nach den Feststellungen des Kriminalgerichts des Kantons Luzern hat der Verurteilte nicht regelmässig gearbeitet, sondern sich den Lebensunterhalt mit Drogenhandel verdient. Im Urteil des Kriminalgerichts vom 20. Dezember 1976 wurde bemerkt, er habe ausser dem Drogenhandel praktisch nie eine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Im Strafurteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 28. November 1977 wurde er solidarisch mit seiner damaligen Ehefrau verpflichtet, dem Kanton Luzern Fr. 55'000.-- zu zahlen. Er ist demnach heute unbestrittenermassen nicht in der Lage, die Kosten des Massnahmenvollzugs auch nur teilweise zu tragen. Nach den von den Beklagten nicht bestrittenen Ausführungen des amtsgerichtlichen Urteils wäre auch die Ehefrau des Verurteilten nicht in der Lage gewesen, ihrem Mann während der Dauer der Ehe finanziell beizustehen. Bei dieser Sachlage haben die Vorinstanzen eine die Verwandtenunterstützungspflicht auslösende Notlage des Verurteilten zu Recht bejaht.
c) Was die Beklagten dagegen einwenden, dringt nicht durch. Wenn sie geltend machen, ihre Verpflichtung zu Unterstützungsleistungen käme einer allen rechtsstaatlichen Prinzipien widersprechenden Sippenhaftung gleich, verkennen sie das Wesen der Verwandtenunterstützungspflicht. Im Gegensatz zur Sippenhaftung, die ein strafrechtlicher Begriff ist, dient die Unterstützungspflicht nicht dazu, die Verwandten für das vom Berechtigten begangene Unrecht zu bestrafen oder mithaften zu lassen, sondern sie hat nur den Zweck, diesem in seiner Not beizustehen (BGE 83 II 8).
Wohl hat der Verurteilte seine Notlage und die gegen ihn ausgefällten Sanktionen selbst verschuldet. Er liess im Strafverfahren aber unter Hinweis auf seine Süchtigkeit und sein aussergewöhnliches psychisches Verhalten die Anstaltseinweisung selbst beantragen. Das vom Obergericht des Kantons Luzern im Strafverfahren eingeholte Gutachten bezeichnete ihn als charakterlich fehlentwickelten, kompensatorisch
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geltungsbedürftigen, schwer kontaktgestörten, aber kontaktbedürftigen, autistischen und asozialen Psychopathen mit polymorpher Süchtigkeit. Der Gutachter vertrat die Meinung, eine Freiheitsstrafe könne weder den Verurteilten von seiner Sucht heilen noch eine bessernde oder heilende Wirkung auf ihn ausüben. Bei dieser Sachlage kann entgegen der Meinung der Beklagten nicht angenommen werden, der Verurteilte könnte sich heute selbst erhalten und rechtmässig durchs Leben bringen, wenn vom Vollzug der angeordneten Massnahme abgesehen würde. Der Umstand, dass er seine Verurteilung und Notlage selbst verschuldet hat, schliesst unter diesen Umständen nach der angeführten Rechtsprechung die Verwandtenunterstützungspflicht nicht aus.Dass der Verurteilte erst durch die Anordnung der Massnahme in Not geraten sei, trifft entgegen der Behauptung der Beklagten ebenfalls nicht zu. Seine Süchtigkeit bestand schon vorher und hatte zur Folge, dass er unfähig war, regelmässig zu arbeiten und sich auf rechtmässige Weise durchzubringen.
Die Beklagten machen geltend, der Ersatzanspruch der Behörde gehe nicht weiter als derjenige des Bedürftigen selbst; der Verurteilte hätte aber von ihnen nicht verlangen können, dass sie ihn mit täglich mehr als Fr. 120.-- für das teuerste Rehabilitationszentrum Europas unterstützen. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Beklagten durch die Vorinstanzen nicht verpflichtet wurden, für die vollen Kosten der Rehabilitation ihres Sohnes aufzukommen. Die Kosten des bisherigen Massnahmenvollzugs beliefen sich nach den erstinstanzlichen Feststellungen auf Fr. 17'187.20, während den Beklagten zusammen nur ein Beitrag von Fr. 10'000.-- auferlegt wurde. Geht man für einen möglichen künftigen Massnahmenvollzug von Tageskosten in der Höhe von Fr. 120.-- aus, ergibt dies pro Monat rund Fr. 3'600.--, während die Beklagten zusammen lediglich zu monatlichen Leistungen von Fr. 900.--, also bei weitem nicht zur Übernahme der vollen Kosten des Massnahmenvollzuges, verpflichtet wurden. Zu derartigen Leistungen hätten sie sodann aber auch herangezogen werden dürfen, wenn ihr Sohn ohne strafrechtliche Verurteilung sich einer Entwöhnungskur hätte unterziehen müssen.
Entgegen der Meinung der Beklagten ist es auch nicht in höchster Weise unbillig, dass sie zu Leistungen an den über ihren Sohn verhängten Massnahmenvollzug beigezogen werden.
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Nach dem Entscheid des Kriminalgerichts des Kantons Luzern vom 20. Dezember 1976 hat der Verurteilte wegen der Trunksucht und des autoritären Wesens seines Vaters eine getrübte Kindheit verlebt. Auch das Obergericht des Kantons Luzern hielt ihm strafmindernd seine unerfreuliche Jugendzeit zugut. Wenn die Eltern unter solchen Umständen zu Beitragsleistungen für ein auf Abwege geratenes Kind herangezogen werden, kann darin nichts Stossendes erblickt werden. Im übrigen besteht das Wesen der Verwandtenunterstützungspflicht gerade darin, dass Bedürftige in erster Linie nicht einfach von der Allgemeinheit, sondern von ihren Angehörigen unterstützt werden sollen, sofern diese dazu finanziell in der Lage sind. Die Berufung der Beklagten erweist sich somit auch in diesem Punkte als unbegründet.
4. a) Das Amtsgericht Luzern-Land hat in seinem Urteil vom 2. November 1979 die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten ausführlich und sorgfältig dargelegt. Es genügt, auf diese Erwägungen zu verweisen, welche von den Beklagten im Grunde nicht angefochten werden. Das Gericht gelangte zum Ergebnis, die Beklagten verdienten monatlich zusammen Fr. 6'327.--, d.h. Fr. 2'710.-- mehr, als ihr mit Fr. 3'617.-- grosszügig bemessener Notbedarf beträgt. Dass diese Berechnungen falsch seien, behaupten die Beklagten nicht.
b) Das monatliche Einkommen der Beklagten setzt sich zusammen aus dem Lohn des Beklagten 1 in der Höhe von Fr. 3'793.--, seiner Entschädigung für seine nebenberufliche Tätigkeit in der Höhe von Fr. 470.-- und dem Verdienst der Beklagten 2 in der Höhe von Fr. 2'064.--. Die Beklagten machen geltend, der Nebenerwerb des Ehemannes und die Erwerbstätigkeit der Ehefrau beruhten auf ausserordentlichen Anstrengungen, die sie an sich nicht erbringen müssten; wenn sie sie nicht erbrächten, könnte ihnen jedenfalls kein Vorwurf gemacht werden; bei der Festsetzung der Höhe ihrer Unterstützungsbeiträge dürfe demnach nur von jenem Einkommen ausgegangen werden, das der Beklagte 1 aus seiner hauptamtlichen Tätigkeit erziele; dieses Einkommen belaufe sich auf Fr. 3'793.-- und übersteige somit kaum den Notbedarf, so dass die von den Vorinstanzen festgesetzten Unterstützungsbeiträge übersetzt seien.
Die Beklagten berufen sich in diesem Zusammenhang auf
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EGGER, N. 32 zu Art. 328 ZGB, und auf BGE 101 II 21 ff. Der angeführten Stelle bei Egger ist aber gerade das Gegenteil von dem, was die Beklagten behaupten, zu entnehmen, nämlich dass sich die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nach dessen Einkünften aus dem Arbeitserwerb, unter Einrechnung von Nebeneinkünften, bestimme. In BGE 101 II 24 hielt das Bundesgericht sinngemäss fest, dass hinsichtlich der Leistungsfähigkeit eines Pflichtigen auf dessen üblicherweise erzielten oder erzielbaren Arbeitserwerb abzustellen sei und dass von einer Mutter, die zwei minderjährige Kinder zu erziehen habe, neben ihrer gewöhnlichen Berufsarbeit keine zusätzlichen Anstrengungen verlangt werden dürften. Zugunsten der Beklagten lässt sich aus diesem Urteil nichts ableiten.BANZER, a.a.O. S. 128/29, vertritt die Meinung, bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen sei auf sein effektives, angesichts seiner gesellschaftlichen und beruflichen Stellung und seiner Fähigkeiten ordentlicherweise erzielbares Einkommen abzustellen; dem Pflichtigen dürften nicht ausserordentliche Anstrengungen zugemutet werden, nur damit er in die Lage komme, Unterstützungsleistungen zu erbringen. Ob der letztgenannten Ansicht unter allen Umständen beizupflichten sei, kann offen bleiben, weil im vorliegenden Fall von den Beklagten nicht verlangt wird, sie müssten neben ihren bisher erbrachten Leistungen zusätzliche erbringen, um an den Massnahmenvollzug ihres Sohnes etwas beitragen zu können. Der Beklagte 1 übt seinen Nebenberuf und die Beklagte 2 ihre Erwerbstätigkeit offenbar schon seit längerer Zeit aus. Aufgrund der Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils muss davon ausgegangen werden, dass die beiden Beklagten diesen Erwerb nicht im Hinblick auf die Unterstützung des Verurteilten, sondern deshalb aufgenommen und längere Zeit weitergeführt haben, um sich einen höheren Lebensstandard (unter anderem die Anschaffung zweier Autos sowie grössere Reisen in ferne Länder) leisten zu können. Im Hinblick auf die Sicherung dieses Lebensstandards gehörten der Nebenerwerb des Beklagten 1 und die Erwerbstätigkeit der Beklagten 2 offenbar zu ihrer bisherigen regelmässig und freiwillig erbrachten gewöhnlichen Arbeitsleistung. Unter solchen Umständen durften die kantonalen Instanzen das Einkommen aus diesen Leistungen für die Berechnung der Höhe des Unterstützungsbeitrages mitberücksichtigen, ohne Bundesrecht zu verletzen.
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Wenn die beiden Beklagten ausführen lassen, sie seien auf die zusätzlichen Erwerbsquellen angewiesen, um ihren beiden noch minderjährigen Kindern eine bestmögliche Ausbildung und ein wohnliches Zuhause zu bieten, ist dies eine leere Behauptung, die weder bewiesen noch durch nähere Substantiierung glaubhaft gemacht worden ist. Nach den Ausführungen der ersten Instanz besucht die jüngste Tochter der Beklagten die siebte Klasse und der noch minderjährige Sohn hat eine 3 1/2-jährige Lehre als Bauschlosser begonnen. Dass die beiden Kinder infolge Krankheit oder geistiger oder körperlicher Gebrechen besonderer finanzieller Aufwendungen bedürfen oder dass für ihre Ausbildung sonstwie erhöhte Mittel erforderlich seien, behaupten die Beklagten nicht. Insbesondere haben sie die vom Amtsgericht vorgenommene Berechnung ihres Notbedarfs nicht angefochten und nicht dargetan, dass für die Ausbildung ihrer Kinder höhere als die vom Amtsgericht eingesetzten Beträge aufgewendet werden müssten. Es muss demnach mit den beiden Vorinstanzen davon ausgegangen werden, dass die beiden Beklagten zusammen monatlich Fr. 2'710.-- mehr verdienen, als ihr Notbedarf beträgt. Wenn sie bei dieser Sachlage verpflichtet wurden, für ihren Sohn an die bereits aufgelaufenen Kosten des Massnahmenvollzugs Fr. 10'000.-- und an allfällige künftige Kosten des Massnahmenvollzugs monatlich Fr. 900.-- beizutragen, stellt dies keine Verletzung von Bundesrecht dar.
Wohl besitzen die Beklagten nach dem erstinstanzlichen Entscheid nur wenig Ersparnisse; der Beklagte 1 soll nur über ein Lohnkonto von Fr. 10'000.-- und über eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von Fr. 1'536.-- verfügen, während die Beklagte 2 kein Vermögen besitzen soll. Angesichts ihrer finanziellen Verhältnisse wird es ihnen aber möglich sein, die bisher aufgelaufenen Kosten des Massnahmenvollzugs ratenweise abzuzahlen, zumal sie zurzeit keine Beiträge für einen laufenden Massnahmenvollzug zu erbringen haben. Wie das Amtsgericht zutreffend ausführte, werden sie trotz dieser Zahlungen noch Mittel zur Verfügung haben, um die Ausbildungskosten ihrer Kinder zu bestreiten und gewisse Rückstellungen zu machen. Sie behaupten denn auch selbst nicht, dass es ihnen nicht möglich sei, die von ihnen verlangten Beiträge zu leisten. Ihre Berufung erweist sich somit in allen Teilen als unbegründet.