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Urteilskopf

112 Ib 191


34. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Mai 1986 i.S. Zehnder gegen Generaldirektion PTT (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz (PVV) und zugehörige Ausführungsbestimmungen; Standort von Brief- und Ablagekästen.
Die in den Ausführungsbestimmungen zu Art. 156 Abs. 3 PVV 1 vorgesehene Pflicht zur Verschiebung der Brief- und Ablagekästen an die Grundstücksgrenze lässt sich nicht auf die PVV 1 abstützen und entbehrt somit der gesetzlichen Grundlage.

Sachverhalt ab Seite 191

BGE 112 Ib 191 S. 191
Am 1. Juni 1974 trat eine Änderung der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz in Kraft. In der seither geltenden Fassung vom 4. März 1974 lautet Art. 156 Abs. 3 folgendermassen:
Wer Anspruch auf Zustellung der Postsendungen nach Absatz 1 erhebt,
am Zustellort auf eigene Kosten einen Brief- und Ablagekasten
Bei Altbauten, bei denen Ablagekästen aus bau- oder feuerpolizeilichen
Gründen weder im Hauseingang noch an der Hausfront und
andern Gründen auch nicht im Freien angebracht werden können, kann von
Aufstellung solcher Kästen abgesehen werden. Über die Masse der Brief-
Ablagekästen sowie deren Standort können in den Ausführungsbestimmungen
Vorschriften erlassen werden.
Gemäss Art. 161 Abs. 4bis derselben Verordnung können die PTT-Betriebe die Postzustellung durch Verfügung einschränken
BGE 112 Ib 191 S. 192
oder aufheben, wenn die Brief- und Ablagekästen in bezug auf Standort und Masse den gestützt auf Art. 156 Abs. 3 erlassenen Ausführungsbestimmungen nicht entsprechen. Diese Bestimmungen wurden vom Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement ebenfalls am 4. März 1974 geändert. Danach sind bei alleinstehenden Ein- und Zweifamilienhäusern die Brief- und Ablagekästen grundsätzlich an der Strasse aufzustellen; bei Altbauten bestehende Kästen werden jedoch weiterhin toleriert, falls der Weg "bis zum Zugang zum Haus an der Strasse nicht mehr als 10 m beträgt oder nicht über mehr als 10 Treppenstufen führt".
Dr. Egon Zehnder bewohnt seit vielen Jahren ein alleinstehendes Einfamilienhaus an der Ränkestrasse 12 in Küsnacht (ZH). Der Briefkasten ist im Hauseingang integriert. Rechts davon befindet sich der gleichfalls in die Hausmauer eingelassene Ablagekasten. Der Weg von der Ränkestrasse zur Briefkastenanlage führt über eine ebene Vorfahrt und beträgt rund 30 Meter.
Seit Frühjahr 1982 bemühten sich die PTT in zahlreichen Besprechungen und Korrespondenzen, Dr. Zehnder zur Verlegung des Brief- und Ablagekastens an den Strassenrand zu bewegen, hatten damit jedoch keinen Erfolg. Die Kreispostdirektion verfügte daher am 4. Juli 1984 - nach vorhergehender Ankündigung - die Aufhebung der Hauszustellung. Gegen diese Verfügung erhob Dr. Zehnder Beschwerde bei der Generaldirektion der PTT. Diese wies die Beschwerde ab, da der Standort von Brief- und Ablagekasten den Vorschriften nicht entspreche.
Eine gegen diesen Entscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde heisst das Bundesgericht gut aus folgenden

Erwägungen

Erwägungen:

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die vom Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement gestützt auf Art. 156 Abs. 3 der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz (PVV; SR 783.01) erlassenen Ausführungsbestimmungen hätten keine genügende gesetzliche Grundlage. Es mangle schon an der Gesetzeskonformität von Art. 156 Abs. 3 PVV. Zudem würden die fraglichen Ausführungsbestimmungen über den Delegationsrahmen von Art. 156 Abs. 3 hinausgehen.
Im folgenden ist vorab dieser letztere Einwand zu untersuchen. Erweist er sich als zutreffend, erübrigt sich die Prüfung, ob Art. 156
BGE 112 Ib 191 S. 193
Abs. 3 PVV mit dem Postverkehrsgesetz (PVG; SR 783.0) vereinbar ist.
a) Der Beschwerdeführer behauptet zu Recht nicht, dem Eidgenössischen Energie- und Verkehrswirtschaftsdepartement fehle generell die Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen. Wie das Bundesgericht bereits in BGE 104 Ib 367 festgestellt hat, werden die zum Vollzug des Postverkehrsgesetzes erforderlichen Vorschriften gemäss Art. 67 Abs. 2 PVG in der Vollziehungsverordnung des Bundesrates und in den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen aufgestellt. Mit dem Hinweis auf die "zugehörigen Ausführungsbestimmungen" wird dem Bundesrat die Möglichkeit eingeräumt, gewisse Rechtssetzungsbefugnisse an die nachgeordneten Dienststellen weiterzudelegieren.
In Art. 233 Abs. 1 PVV hat der Bundesrat bestimmt, dass die in Art. 67 Abs. 2 PVG vorgesehenen allgemein verpflichtenden Ausführungsbestimmungen vom Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement erlassen werden, wogegen die Generaldirektion der PTT ermächtigt ist, zum Vollzug des PVG und der PVV nicht allgemein verpflichtende Ausführungsbestimmungen sowie die Verwaltungs- und Betriebsvorschriften zu erlassen. Gestützt auf diese Regelung in Verbindung mit Art. 156 Abs. 3 Satz 3 PVV war somit das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement befugt, generell-abstrakte Normen über den Standort von Brief- und Ablagekästen zu erlassen. Fraglich ist, ob es mit den hier zur Diskussion stehenden Regeln den Delegationsrahmen überschritten hat.
b) Satz 3 von Art. 156 Abs. PVV könnte nach seinem Wortlaut den Eindruck erwecken, der Bundesrat habe die Befugnis zum Erlass von Normen betreffend den Standort von Brief- und Ablagekästen gänzlich den zum Erlass von Ausführungsbestimmungen zuständigen Behörden delegieren wollen. Dies entspricht jedoch nicht dem Sinn der Bestimmung, wie sich namentlich aus Satz 2 von Art. 156 Abs. 3 PVV ergibt. Dort ist vorgesehen, dass bei Altbauten, bei denen Ablagekästen aus bau- oder feuerpolizeilichen Gründen weder im Hauseingang noch an der Hausfront und aus andern Gründen auch nicht im Freien angebracht werden können, von der Aufstellung solcher Kästen abgesehen werden kann. Dieser Regel liegt die Auffassung zugrunde, dass Ablagekästen im Hauseingang bzw. an der Hausfront angebracht werden können und zwar generell, nicht nur bei Altbauten, d.h. Bauten, die im Jahre 1974 bei Änderung der PVV bereits bestanden. Wenn
BGE 112 Ib 191 S. 194
auf später erstellte Bauten nicht Bezug genommen wird, so offenbar deshalb, weil für diese die Aufstellung von Ablagekästen bei entsprechender baulicher Gestaltung zum vornherein als möglich angesehen wurde.
Von den Briefkästen ist in Art. 156 Abs. 3 Satz 2 nicht die Rede. Daraus folgt aber nicht, dass diese nicht an die Hausfront bzw. in den Hauseingang gestellt werden dürfen. Wenn in der Bestimmung nur für Ablagekästen die Möglichkeit eines Verzichts auf die Aufstellung (bei Altbauten) vorgesehen ist, so einfach deshalb, weil bei Änderung der PVV im Jahre 1974 die bestehenden Bauten durchwegs bereits Briefkasten hatten; eine Regel, wonach auf die Aufstellung unter bestimmten Voraussetzungen verzichtet werden kann, hätte daher zum vornherein ins Leere gestossen. Dass Briefkästen ebenfalls an der Hausfront oder im Hauseingang angebracht werden dürfen, muss umso mehr gelten, als sie - jedenfalls zum grössten Teil - von jeher dort angebracht wurden. Das erklärt denn auch, warum der Bundesrat in Art. 156 Abs. 3 Satz 2 mit Selbstverständlichkeit davon ausgeht, Ablagekästen dürften an die Hausfront bzw. in den Hauseingang gestellt werden: Den Hauseigentümern sollte offenbar die Möglichkeit eingeräumt werden, die Ablagekästen dort aufzustellen, wo sich die Briefkästen von alters her befinden. Hätte der Bundesrat von dieser alteingesessenen Regelung abweichen wollen, würde sich in Art. 156 PVV wohl ein ausdrücklicher Hinweis finden. Mangels eines solchen kann nicht angenommen werden, das Departement sei befugt gewesen, grundsätzlich die Aufstellung der Briefkästen an der Grundstücksgrenze zu verlangen. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in Art. 156 Abs. 1 PVV. Wenn hier gesagt wird, Postsendungen würden dem Empfänger an dem in der Adresse angegebenen Ort (z.B. Wohnung, Geschäft, Atelier) zugestellt, so ist damit - wie in der PVV in der Fassung vom 23. Dezember 1955 noch ausdrücklich gesagt wurde und in Abs. 2 der heutigen Fassung von Art. 156 PVV immer noch gesagt wird - die Zustellung in die Wohnung etc. gemeint. Mit dem so verstandenen Art. 156 Abs. 1 PVV wäre eine Ordnung, wonach die Brief- (und Ablage-) Kästen grundsätzlich an die Grundstücksgrenze zu stellen sind, schwer vereinbar.
c) Der Beschwerdeführer ist somit bei der heutigen Rechtslage berechtigt, die Zustellung der Post in die bestehenden Brief- und Ablagekästen zu verlangen. Ob der Bundesrat befugt wäre, dieses Recht in der PVV zu beschneiden, ohne die im PVG vorgesehene
BGE 112 Ib 191 S. 195
Beförderungspflicht auf unzulässige Weise einzuschränken, braucht im vorliegenden Verfahren ebensowenig geprüft zu werden wie die Frage, ob die in Art. 156 Abs. 6 PVV für Grossüberbauungen bereits vorgesehene Möglichkeit der Ersetzung der Hauszustellung durch die Zustellung in eine zentral gelegene Postfachanlage mit der dem Postmonopol entsprechenden Beförderungspflicht vereinbar ist.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 2

Referenzen

BGE: 104 IB 367

Artikel: Art. 156 Abs. 3 PVV 1, Art. 67 Abs. 2 PVG