118 IV 359
Urteilskopf
118 IV 359
62. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Oktober 1992 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste
Betrug (Art. 148 StGB). Arglist; Vorspiegelung des Erfüllungswillens.
Die Vortäuschung des Erfüllungswillens ist nicht in jedem Fall arglistig. Dieser lässt sich unter Umständen indirekt durch Nachforschungen über die Erfüllungsfähigkeit überprüfen. Auf mangelnden Erfüllungswillen lässt sich gegebenenfalls auch schliessen, wenn der Täuschende schon früher Verpflichtungen nicht nachgekommen ist (Präzisierung der Rechtsprechung).
A.- M. schloss am 10. Juni 1987 mit der Firma S., handelnd durch B., einen als "Beratungs- und Vermittlungsauftrag" bezeichneten Vertrag ab. Darin verpflichtete er sich, in bezug auf eine Kreditbeschaffung für die S. in der Höhe von 30 Mio. Franken tätig zu werden. Die S. zahlte M. in Erfüllung des Vertrages am 11. Juni 1987 den Betrag von Fr. 20'000.-- und am 24. Juli 1987, nachdem M. zugesichert hatte, die Auszahlung des Kredits stehe unmittelbar bevor, den Betrag von Fr. 12'500.--. M. erfüllte den Vertrag nicht. Er machte in der Folge geltend, er habe den Kredit deshalb nicht erhältlich machen können, weil die S. keine Bankgarantie beigebracht habe.
B.- Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich verurteilte M. am 9. Oktober 1991 wegen mehrfachen Betrugs zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 12 Monaten.
C.- Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Aus den Erwägungen:
2. Gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB macht sich des Betruges schuldig, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder den Irrtum eines andern arglistig benutzt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Arglist gegeben, wenn der Täter zur Täuschung eines andern ein ganzes Lügengebäude errichtet oder besondere Kniffe (manoeuvres frauduleuses) anwendet, aber auch dann, wenn er bloss falsche Angaben macht, deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht
BGE 118 IV 359 S. 361
zumutbar ist, sowie dann, wenn er den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde (BGE 110 IV 23 E. 4, BGE 107 IV 170 E. 2 mit Hinweisen).Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof verbindlich fest, dass der Beschwerdeführer von Anbeginn nicht gewillt war, seinerseits den Vertrag zu erfüllen.
Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Vorspiegelung des Leistungswillens arglistig im Sinne von Art. 148 StGB, weil sie eine innere Tatsache betrifft, die vom Vertragspartner ihrem Wesen nach nicht überprüft werden kann (BGE 73 IV 226, BGE 93 IV 15, BGE 101 Ia 613; nicht publizierte Urteile des Kassationshofes vom 30. September 1988 i.S. I., vom 26. April 1988 i.S. D. usw., vom 16. Juni 1987 i.S. B.; ARDINAY, Der Betrug nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch, ZStrR 86/1970 S. 236, 281).
Die Vortäuschung des Erfüllungswillens ist allerdings nicht in jedem Fall, eo ipso, arglistig. Vielmehr sind Ausnahmen möglich. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung bedarf insoweit einer Präzisierung. Das Argument, der Erfüllungswille sei als innere Tatsache wesensgemäss nicht überprüfbar und die Vortäuschung des Erfüllungswillens sei daher arglistig, erscheint als zu schematisch. Die Behauptung des Erfüllungswillens kann nämlich unter Umständen indirekt, mittels Nachforschungen über die Erfüllungsfähigkeit, überprüfbar sein. Wer zur Erfüllung ganz offensichtlich nicht fähig ist, kann auch keinen ernsthaften Erfüllungswillen haben. Die Unmöglichkeit einer direkten Überprüfung des Erfüllungswillens kann nicht zur Bejahung der Arglist führen, wenn sich aus der möglichen und zumutbaren Überprüfung der Erfüllungsfähigkeit ergeben hätte, dass der andere nicht erfüllungsfähig war (vgl. SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Art. 148 N 46). Auf das Fehlen des Erfüllungswillens des andern kann sodann unter Umständen auch dann geschlossen werden, wenn dieser in der Vergangenheit schon wiederholt die von ihm eingegangenen Pflichten nicht erfüllt hat, z.B. bei derselben Unternehmung mehrmals Waren bestellt hat, ohne je zu zahlen (TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 148 StGB N 9 mit Hinweis auf ein Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 18. September 1984, wiedergegeben in LGVE 1984 I Nr. 41).
Den Vertretern der S. war es indessen auch nicht möglich bzw. nicht zumutbar, Nachforschungen darüber anzustellen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich über die von ihm behaupteten engen
BGE 118 IV 359 S. 362
Kontakte zu finanzkräftigen, investitionswilligen arabischen Kreisen verfügte. Die Vertreter der S. musste es auch keineswegs stutzig machen, dass der Beschwerdeführer seine angeblichen Verbindungen geheimhielt, ist es nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil doch bei solchen Kreditgeschäften durchaus üblich, dass der Vermittler seine Beziehungen nicht offen darlegt, da er sonst befürchten muss, dass der Kreditsuchende direkten Kontakt mit dem Geldgeber aufnimmt. Das Verhalten der Vertreter der S. war entgegen den Einwänden in der Nichtigkeitsbeschwerde auch keineswegs derart leichtsinnig, dass von Arglist auf seiten des Beschwerdeführers nicht mehr gesprochen werden könnte. Die Besonderheit der Leistung, die der Beschwerdeführer zusicherte und sich durch Vorleistungen von seiten der S. vergüten liess, sollte ja gerade darin bestehen, dass er dank seiner angeblich ausgezeichneten Beziehungen zu finanzkräftigen, an Investitionen in Europa interessierten arabischen Kreisen der wenige Monate zuvor gegründeten S. auch ohne Vorlage einer Bankgarantie, allenfalls gegen Abtretung von (künftigen) Leasing- und Darlehensverträgen, einen Kredit über 30 Mio. Franken vermittle. Wohl hätten, wie in der Nichtigkeitsbeschwerde im weiteren eingewendet wird, die Vertreter der S. durch relativ einfache Nachforschungen allenfalls in Erfahrung bringen können, dass der Beschwerdeführer überschuldet war. Ob solche Nachforschungen Schlüsse in bezug auf den Willen und die Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Erfüllung des mit der S. abgeschlossenen Vertrages zugelassen bzw. aufgedrängt hätten, kann hier dahingestellt bleiben. Die Leistung, die der Beschwerdeführer zusicherte, war nicht derart aussergewöhnlich, dass sich Nachforschungen über dessen Seriosität geradezu aufgedrängt hätten.Die Arglist im Sinne von Art. 148 StGB, die der Beschwerdeführer in seiner Nichtigkeitsbeschwerde einzig mit hinreichend substantiierter Begründung bestreitet, ist somit nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz gegeben.
Referenzen
BGE: 110 IV 23, 107 IV 170, 93 IV 15, 101 IA 613
Artikel: Art. 148 StGB, Art. 148 Abs. 1 StGB, Art. 148 N 46