121 III 152
Urteilskopf
121 III 152
33. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. März 1995 i.S. Z.-S. gegen Z. (Berufung)
Regeste
Art. 204 Abs. 2 und 214 Abs. 1 ZGB; Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes und der Bewertung von Aktiven und Passiven im Scheidungsverfahren.
Der Wert eines kaufmännischen Unternehmens ist im Rahmen einer Gesamtbewertung von Aktiven und Passiven festzulegen. Welcher Vermögensmasse das kaufmännische Unternehmen mit Aktiven und Passiven zugehört, ist zurückbezogen auf den Zeitpunkt zu bestimmen, in dem die Scheidungsklage eingereicht worden ist. Dagegen erfolgt die Bewertung der Aktiven und Passiven erst im Zeitpunkt der Auseinandersetzung, das heisst bei einer Scheidungsklage am Tag der Urteilsfällung.
A.- Nachdem das Bezirksgericht See seine gegen Z.-S. eingereichte Scheidungsklage am 9. Juli/16. Dezember 1991 abgewiesen hatte, gelangte Z. an das Kantonsgericht St. Gallen. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens erteilte Z.-S. ihr Einverständnis zur Scheidung der Ehe, und die Parteien einigten sich über den nachehelichen Unterhalt. In dieser Teilkonvention vom 12. Juli 1993 vereinbarten Z. und Z.-S. überdies was folgt:
"Die Parteien beabsichtigen, voraussichtlich bis Ende 1993 auch eine
Konvention über die güterrechtliche Auseinandersetzung abzuschliessen. Für
die kommende Verhandlung ist von folgenden Werten auszugehen:
Aktiven
Unternehmenswert Firma Z. AG Fr. 106'000.--
Rückkaufswert Versicherungen Fr. 54'000.--
Flugzeug Cessna Fr. 40'000.--
Vorsorgekonto Privor Fr. 28'000.--
Sicherstellung Wertschriften Fr. 208'000.--
______________
total Fr. 436'000.--
Passiven
Persönliche Schuld Fr. 75'000.--
Geschäftsschuld X. Fr. 200'000.--
______________
total Fr. 275'000.--
Gegenstand der vorgesehenen Verhandlung werden insbesondere die Funktion
des klägerischen Eigengutes im Rahmen der Finanzierung des Bankkredites von
Fr. 200'000.-- zum Kauf der Firma Y. AG und der Ausgang des vom Kläger
geführten Prozesses aus diesem Geschäft sein (Berufungsverfahren vor
Kantonsgericht St. Gallen hängig)."
Eine Einigung über die güterrechtliche Auseinandersetzung konnte alsdann nicht erzielt werden. Z. beantragte daher dem Kantonsgericht St. Gallen die Feststellung, dass sein Vermögen keine Errungenschaft aufweise und Z.-S. demzufolge keine güterrechtlichen Ansprüche ihm gegenüber zustehen. Letztere forderte zur Abgeltung ihrer güterrechtlichen Ansprüche den Betrag von Fr. 300'000.--.
Mit Urteil vom 17. August 1994 (Ziff. 3) erkannte das Kantonsgericht St. Gallen die Parteien güterrechtlich als auseinandergesetzt.
B.- Z.-S. beantragt dem Bundesgericht mit Berufung vom 10. November 1994, Ziff. 3 des Urteils des Kantonsgerichts St. Gallen aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung ihrer güterrechtlichen Ansprüche an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Z. beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Aus den Erwägungen:
3. [Die Berufungsklägerin ist der Auffassung, dass die vom Berufungsbeklagten mit der Firma Y. erwirtschafteten Betriebsverluste sowie die Kosten, welche ihm aus dem Gerichtsfall mit Y. erwachsen sind, nicht der Errungenschaft belastet werden dürfen, weil es sich in beiden Fällen um Verpflichtungen handle, welche erst im Verlaufe des Scheidungsprozesses entstanden seien.]
a) Errungenschaft und Eigengut jedes Ehegatten werden nach ihrem Bestand bei der Auflösung des Güterstandes ausgeschieden. Was die Ehegatten in diesem Moment an Vermögen aufweisen, ist somit der einen oder andern Masse zuzuordnen (Art. 207 Abs. 1 ZGB; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Art. 207 ZGB N. 7, N. 10 und N. 12). Erfolgt die Auflösung des Güterstandes im Rahmen der Scheidung, wird sie auf den Tag zurückbezogen, an dem das Begehren eingereicht worden ist (Art. 204 Abs. 2 ZGB; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Art. 204 ZGB N. 7). Für die Bewertung der Aktiven und Passiven im Vermögen der Ehegatten ist hingegen der Zeitpunkt entscheidend, in welchem die güterrechtliche Auseinandersetzung vorgenommen wird. Erfolgt sie im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, so ist der Tag der Urteilsfällung massgebend (Art. 214 Abs. 1 ZGB; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Art. 214 ZGB N. 5 und N. 10).
b) Der kantonale Richter wird nun - neben allfälligen weitern Aktiven und Passiven - verbindlich festzustellen haben, in welcher Höhe sich die genannten Positionen bewegen und wann sie entstanden sind (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Art. 207 ZGB N. 13). Eine Verpflichtung belastet gemäss Art. 209 Abs. 2 ZGB diejenige Gütermasse, mit welcher sie sachlich zusammenhängt, zu der aufgrund ihres Ursprungs, Zwecks oder Inhalts eine Abhängigkeit besteht, im Zweifel aber die Errungenschaft. Anknüpfungspunkt für Schulden aus Investitionen bildet demnach die Massenzugehörigkeit des Investitionsobjektes; eine Ersatzforderung besteht aufgrund von Art. 209 Abs. 3 ZGB zudem nur, sofern und soweit Mittel der einen Gütermasse unter anderem zur Verbesserung von Gegenständen der andern Gütermasse beigetragen haben, mit andern Worten die Investition und das Objekt verschiedenen Gütermassen angehören (SPÜHLER/FREI-MAURER, Ergänzungsband, Art. 154 ZGB N. 48; (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Art. 209 ZGB N. 30 ff.; DESCHENAUX/STEINAUER,
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Le nouveau droit matrimonial, Bern 1987, S. 318 ff.; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 23. Februar 1994 i.S. K.). Damit wird im kantonalen Verfahren weiter abzuklären sein, inwieweit die von der Berufungsklägerin angeführten Verpflichtungen überhaupt dem Geschäftsbetrieb des Berufungsbeklagten entstammen und dessen Rechnung zu belasten sind.c) Nach welchem Massstab ein Gegenstand schliesslich zu bewerten ist, entscheidet der Richter und nicht der Experte; es handelt sich nämlich um eine Rechtsfrage. Sachfrage ist einzig die Schätzung des tatsächlichen Wertes (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Art. 211 ZGB N. 25). Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung sind alle Vermögensgegenstände, abgesehen von landwirtschaftlichen Gewerben, zu ihrem Verkehrswert einzusetzen (Art. 211 ZGB und Art. 212 f. ZGB). Ein Geschäftsbetrieb oder ein kaufmännisches Gewerbe ist nach anerkannten Grundsätzen der Betriebswirtschaftslehre zu bewerten. Der Fortführungswert eines Betriebes ist nicht durch die Erfassung der einzelnen Gegenstände im Unternehmen zu ermitteln, sondern immer nur im Rahmen einer Gesamtbewertung festzulegen; aufgrund einer vorangehenden Unternehmensanalyse sind zudem nicht betriebsnotwendige Bestandteile auszuscheiden und separat zu beurteilen. Wird der Betrieb hingegen nicht weitergeführt, so ist sein Liquidationswert festzustellen. Auf jeden Fall muss das Bewertungsobjekt eines Unternehmens immer seine rechtlich finanzielle Einheit sein (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Art. 211 ZGB N. 19; HELBLING, Unternehmensbewertung und Steuern, 5.A. Düsseldorf 1989, S. 51/52; zur Bewertungsproblematik bei Unternehmungen vergleiche auch: DRUEY, Die Bewertung von Vermögensobjekten im ehelichen Güterrecht und im Erbrecht, in Festschrift Hegnauer, Bern 1986, S. 28 ff.; zur Unternehmung aus güterrechtlicher Sicht: ESCHER, Wertveränderung und eheliches Güterrecht, Diss. Bern 1989, S. 100 ff.).
d) Stellt sich nun heraus, dass die zwei strittigen Positionen Verbindlichkeiten aus dem Geschäftsbetrieb des Berufungsbeklagten darstellen, so wirkt sich dieser Umstand zwangsläufig auf das Ergebnis der Unternehmensbewertung aus. Aufgrund der Gesamtbewertung werden sie als Bestandteil der Unternehmung miterfasst und nicht mehr als einzelne Schulden behandelt; ob sie allenfalls erst während der Dauer des Scheidungsverfahrens begründet wurden, wäre somit nicht mehr erheblich. Geht man davon aus, dass der Betrieb des Berufungsbeklagten in seine Errungenschaft gehört, wird sich je nach Schätzungsergebnis der Vorschlag
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vermindern oder muss gar ein Rückschlag in Kauf genommen werden. Beide Ehegatten haben auf diese Weise bis zur tatsächlichen Auseinandersetzung gleichermassen am Risiko einer Wertverminderung und am Nutzen einer Wertsteigerung der Unternehmung teil (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Art. 207 ZGB N. 23).Referenzen
Artikel: Art. 207 ZGB, Art. 211 ZGB, Art. 207 Abs. 1 ZGB, Art. 204 Abs. 2 ZGB mehr...