Urteilskopf
130 III 49
8. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. A. gegen Versicherung X. AG (Berufung)
5C.153/2003 vom 4. Dezember 2003
Regeste
Anfechtung einer Entschädigungsvereinbarung.
Eine Entschädigungsvereinbarung kann nicht angefochten werden, wenn der Irrtum einen Punkt betrifft, der umstritten war und durch Vergleich beseitigt werden sollte (caput controversum). Sind die Parteien gestützt auf ein Gutachten von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, kann ein Grundlagenirrtum vorliegen. Die Teilanfechtung eines Vertrages ist möglich, wenn sein Inhalt subjektiv und objektiv teilbar ist, so dass der verbleibende Teil noch immer ein sinnvolles Vertragsganzes bildet.
Die Klägerin hat mit der Beklagten eine Zusatzversicherung für die Risiken Tod oder Invalidität durch Unfall abgeschlossen. Die versicherte Invaliditätssumme bei Unfall beträgt Fr. 400'000.-.
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Am 20. Juni 1993 verunfallte die Klägerin in Spanien als Insassin des von ihrem Freund gelenkten Fahrzeuges.
Im Hinblick auf die Verhandlungen über den Invaliditätsgrad und die auszurichtende Versicherungssumme beauftragte die Beklagte Prof. B., Spezialarzt Chirurgie FMH, mit der Untersuchung der Klägerin. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 4. September 1996 a) neuropsychologische Störungen im Sinne eines psychoorganischen Defizits mit Konzentrationsschwäche, Störungen der Merkfähigkeit und Vergesslichkeit, b) eine mittelstarke Beeinträchtigung der Kaufähigkeit, c) eine leichte Geschmacksstörung sowie d) geringe organische Restbeschwerden, eine kaum störende geringe Funktionseinbusse der linken Schulter und subjektiv störende, objektiv deutlich behindernde Narbenbildung am Gesäss und Oberschenkel fest. Auf Grund der Gliederskala von Art. 11 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Beklagten und unter Beizug der Tabelle der SUVA über Integritätsschäden bewertete er das psychoorganische Defizit mit 25%, die Beeinträchtigung der Kaufähigkeit mit 5-10%, die Geschmacksstörung mit 5%, die Funktionseinbusse im Bereich des Schultergelenks mit 0% sowie die Beeinträchtigung durch Narbenbildungen mit 5%.
Gestützt auf dieses Gutachten schlug die Beklagte der Klägerin eine Entschädigung von Fr. 180'000.- bei einem Invaliditätsgrad von 35% vor. Dabei nicht berücksichtigt sei der Invaliditätsgrad von 5% betreffend Narbenbildung, da hier noch das Resultat der Behandlung der rekonstruktiven Chirurgie abgewartet werde. Die Klägerin schlug bei grundsätzlichem Einverständnis vor, für die Beeinträchtigung der Kaufähigkeit im Sinn einer Mittellösung von einem Invaliditätsgrad von 7% auszugehen, was die Beklagte akzeptierte. In der Folge schlossen die Parteien am 28. Oktober 1996, ausgehend von einer Invalidität von 37% und in Anwendung der Entschädigungstabelle der beklagtischen AVB, eine Entschädigungsvereinbarung über Fr. 196'000.-.
Zu einem späteren Zeitpunkt liess sich die Klägerin neu untersuchen. Das Gutachten vom 4. Mai 1998 der neurologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich geht aus neurologischer Sicht von einem Integritätsschaden bei leichten bis mittelschweren Hirnfunktionsstörungen von 35% aus, unter Addition von je 5% für die Beeinträchtigung der Kaufunktion und des Geschmacksinns. Das Gutachten von Dr. C., Spezialarzt FMH für chirurgische Orthopädie, vom 11. Dezember 1998 stellt sodann diverse orthopädische
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Beeinträchtigungen fest, und zwar 25% als Folge der Wirbelsäulen- und 10% als Folge der Beckenfraktur, 5% wegen der Narbenbildung sowie 5-10% des Gesamtwertes des linken Armes für dessen Beeinträchtigung, Letzteres gemäss Klägerin ausmachend 3.5-7%.
Gestützt auf diese beiden Gutachten und damit insgesamt ausgehend von einer medizinisch-theoretischen Invalidität zwischen 88.5% und 92% bzw. gemittelt von 90%, verlangte die Klägerin mit Klage vom 14. Juni 1999 die Feststellung, dass die Entschädigungsvereinbarung vom 28. Oktober 1993 infolge Grundlagenirrtums ungültig sei, sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung von Fr. 584'000.- (Differenz zwischen Fr. 780'000.- und den geleisteten Fr. 196'000.-).
Mit Urteilen vom 16. September 2002, resp. 30. Mai 2003 wiesen das Amtsgericht Luzern-Stadt, I. Abteilung, und das Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer, die Klage ab.
Gegen das Urteil des Obergerichts hat die Klägerin am 7. Juli 2003 Berufung eingereicht mit den Anträgen auf Feststellung der Ungültigkeit der Entschädigungsvereinbarung wegen Grundlagenirrtums sowie auf Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung von Fr. 584'000.-, eventualiter von Fr. 512'000.-.
Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und weist die Sache zur Sachverhaltsergänzung und neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurück.
Aus den Erwägungen:
1.1 Ein Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat (
Art. 23 OR). Als wesentlich gilt ein Irrtum namentlich, wenn er einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde (Grundlagenirrtum,
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR).
1.2 Mit dem Vergleichsvertrag legen die beteiligten Parteien einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis mit gegenseitigen Zugeständnissen bei (
BGE 105 II 273 E. 3a S. 277;
BGE 111 II 349 E. 1 S. 350;
BGE 121 III 397 E. 2c S. 404 f.). Auf den aussergerichtlichen Vergleich sind die Regeln über die Willensmängel anwendbar (
BGE 82 II 371 E. 2 S. 375 f.;
BGE 117 II 218 E. 4b S. 226), sofern sie nicht seiner besonderen Natur widersprechen
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(
BGE 111 II 349 E. 1 S. 350). Als nach
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR relevante Sachverhalte kommen folglich nur solche Umstände in Betracht, die von beiden Parteien oder von der einen für die andere erkennbar dem Vergleich als feststehende Tatsachen zu Grunde gelegt worden sind (
BGE 82 II 371 E. 2 S. 375 f.;
BGE 117 II 218 E. 4b S. 226). Betrifft der Irrtum demgegenüber einen zweifelhaften Punkt, der gerade verglichen und nach dem Willen der Parteien dadurch endgültig geregelt sein sollte (sog.
caput controversum), so ist die Irrtumsanfechtung ausgeschlossen; andernfalls würden eben diese Fragen wieder aufgerollt, derentwegen die Beteiligten den Vergleich geschlossen haben (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 359 zu Art. 23/ 24 OR).
1.3 Im medizinischen Bereich können sich feststehende Sachverhalte im erwähnten Sinn aus einem Gutachten ergeben, wenn eine Partei für die andere erkennbar oder beide Parteien gemeinsam von der Richtigkeit der darin enthaltenen Befunde ausgegangen sind (vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl., N. 939). Erweist sich das Gutachten im Nachhinein als falsch und hätten die Parteien in Kenntnis des richtigen Befundes den Vergleich nicht geschlossen, weil das Gutachten sowohl subjektiv als auch objektiv eine notwendige Grundlage des Vertrages war, können sie sich auf Grundlagenirrtum berufen. Bezweckte der Vergleich hingegen, eine aus unsicheren Befunden im Gutachten oder eine wegen divergierender Gutachten entstandene Ungewissheit zu beseitigen, können sich die Parteien nicht gestützt auf spätere, zu anderen Schlussfolgerungen gelangende Gutachten berufen (vgl.
BGE 101 II 17 E. 1c S. 19 f.).
2.1 Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, beruft sich die Klägerin nicht auf neue Beeinträchtigungen. Es geht folglich nicht um die so genannten Spätschäden und deren Vorhersehbarkeit sowie um die Folgefrage, ob deren Abgeltung bei einer Saldoklausel ausgeschlossen ist (verneinend
BGE 68 II 186 E. 1 S. 189;
100 II 42 E. 1 S. 45; vgl. demgegenüber HÜNERWADEL, Der aussergerichtliche Vergleich, Diss. St. Gallen 1989, S. 101, Fn. 492, mit weiteren Hinweisen). Dem Streitgegenstand liegt mit anderen Worten nicht eine von der Klägerin behauptete gutachterliche Fehl
prognose, sondern Fehl
diagnose zu Grunde.
Konkret ist strittig, ob die Parteien, ausgehend von der Richtigkeit des Gutachtens B. und in der Überzeugung, es seien keine
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organi schen Beschwerden zurückgeblieben, einem Grundlagenirrtum erlegen sind (Position der Klägerin) oder ob sie sämtliche Beschwerden bedacht und durch gegenseitige Zugeständnisse vergleichsweise geregelt haben, so dass diese in ihrer Gesamtheit das
caput controversum bilden und deshalb die Irrtumsanfechtung ausgeschlossen ist (mit den Vorinstanzen im Ergebnis übereinstimmende Position der Beklagten).
Demgegenüber stellt die Beklagte nicht in Frage, dass die Entschädigungsvereinbarung vom 28. Oktober 1996 auf der Grundlage des von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens B. geschlossen worden ist. Das Gutachten ist denn in der Vereinbarung auch ausdrücklich erwähnt und die Parteien haben darüber Korrespondenz geführt. Des Weiteren war für die Parteien klar, dass die Entschädigungssumme auf Grund der Tabelle in den AVB der Beklagten zu berechnen ist.
2.2 Die Parteien haben lediglich hinsichtlich der im Gutachten (als einzige) nicht mit einem fixen Prozentsatz bewerteten Beeinträchtigung der Kaufähigkeit Vergleichsverhandlungen im eigentlichen Sinn geführt und sich diesbezüglich auf einen Mittelwert geeinigt.
Als caput controversum müssen jedoch auch das psychoorganische Defizit und die Geschmacksstörung gelten: Es liegt in der Natur von Schätzungen, dass diese nicht mathematisch exakt sind. Dies zeigt sich beispielhaft am psychoorganischen Defizit, das sowohl im Gutachten B. als auch in demjenigen der neurologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich auf Grund der Tabelle 8 der SUVA betreffend Integritätsentschädigung gemäss UVG (SR 832.20) bewertet worden ist. Leichte Störungen werden nach dieser Tabelle mit 20%, leichte bis mittelschwere mit 35% und mittelschwere Störungen mit 50% erfasst. Dies lässt darauf schliessen, dass Prof. B. das fragliche Defizit zwar etwas mehr als "leicht", aber doch näher bei "leicht" als bei "leicht bis mittelschwer" eingestuft hat (im Gutachten umschrieben mit: "vorwiegend leichte bis höchstens mittelschwere Funktionsstörung"), während die Gutachter des Universitätsspitals Zürich die Störung als "leicht bis mittelschwer" betrachtet haben. Im Übrigen zeigt auch die Beschreibung der Geschmacksstörung ("dürfte eine 5%ige IE gerechtfertigt sein") exemplarisch, dass die Prozentangaben im Gutachten B. als Schätzwerte zu betrachten sind.
Selbst wenn eine Versicherung und der Geschädigte gutachterliche Schätzwerte ohne Modifikation übernehmen, bilden diese mit Blick
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auf eine Entschädigungsvereinbarung
caput controversum, beseitigen doch die Parteien vergleichsweise die der Schätzung definitionsgemäss anhaftende Unsicherheit. Ein Grundlagenirrtum ist deshalb jedenfalls so lange ausgeschlossen, als die gutachterlichen Folgerungen - wie dies vorliegend für das psychoorganische Defizit sowie die Beeinträchtigung der Kaufähigkeit und des Geschmackssinns unstreitig der Fall ist - im Streubereich fachmännisch vorgenommener Schätzungen liegen.
2.3 Anders verhält es sich mit Bezug auf die von der Klägerin behaupteten orthopädischen Defizite: Explizit nicht von der Entschädigungsvereinbarung erfasst ist zunächst einmal die Narbenbildung; die Parteien haben diesbezüglich (Punkt 5 des Gutachtens B.) einen Vorbehalt aufgenommen, da sie zuerst das Resultat der Behandlung der rekonstruktiven Chirurgie abwarten wollten.
Sodann attestiert das orthopädische Gutachten C. der Klägerin eine Invalidität von total 35% als Folge der Wirbelsäulen- und Beckenfraktur sowie eine solche von 5-10% des Gesamtwertes des linken Armes für dessen Beeinträchtigung. Demgegenüber hat das Gutachten B. festgehalten, die geringgradige Funktionseinbusse im Bereich des Schultergelenks links lasse keine messbare entschädigungspflichtige Wertung zu, während die Wirbelsäulen- und Beckenfraktur nicht einmal erwähnt bzw. bemerkt worden ist, auf Grund der Röntgenbilder seien sämtliche Frakturen in guter Stellung konsolidiert.
In diesem Zusammenhang mag zwar erstaunen, dass die Klägerin, die nunmehr organische Beschwerden von rund 40% behauptet, den Befund im Gutachten B. und insbesondere den Umstand, dass die Defizite im Bereich der Wirbelsäule und des Beckens dort überhaupt nicht erwähnt sind, kritiklos hingenommen hat. Entgegen den sinngemässen Ausführungen der Vorinstanz berührt indes Unsorgfalt bei Vertragsschluss den Grundlagenirrtum nicht; vielmehr kann sich auch der fahrlässig Irrende auf Grundlagenirrtum berufen (
BGE 117 II 218 E. 3b S. 223 f.; SCHMIDLIN, a.a.O., N. 5 zu
Art. 26 OR), freilich mit der Folge, dass er gegebenenfalls nach Massgabe von
Art. 26 OR schadenersatzpflichtig wird.
Offensichtlich sind die Parteien von der Richtigkeit der Bestandesaufnahme im Gutachten B. ausgegangen und waren insbesondere der übereinstimmenden Meinung, dass trotz der bekannten Frakturen aus orthopädischer Sicht kein Integritätsschaden
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zurückgeblie ben sei. Bestand diesbezüglich zwischen den Parteien weder eine Unsicherheit noch irgendein Streit und deshalb auch kein Anlass zu dessen Beilegung oder überhaupt zu gegenseitiger Annäherung, lässt sich nicht sagen, sie hätten mit Bezug auf allfällige orthopädische Defizite einen Vergleich geschlossen, dessen charakteristisches Merkmal die Streitbeilegung durch gegenseitige Zugeständnisse ist. Das Vorgehen der Parteien lässt sodann keinen anderen Schluss zu, als dass sie die Feststellungen im Gutachten (in Verbindung mit der Entschädigungstabelle in den AVB der Beklagten) subjektiv und objektiv als notwendige Grundlage der Entschädigungsvereinbarung betrachtet haben. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist deshalb auszuschliessen, dass die Parteien - oder jedenfalls die Klägerin für die Beklagte erkennbar - eine Vereinbarung auf der Basis von Fr. 196'000.- abgeschlossen hätten, wenn das Gutachten B. einen rund doppelt so hohen Invaliditätsgrad ergeben hätte, umso mehr als ein solcher Invaliditätswert auf Grund der progressiv ausgestalteten Entschädigungstabelle zu einer überproportional höheren Entschädigung führen würde.
2.4 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Parteien einem Grundlagenirrtum erlegen wären, wenn tatsächlich eine erhebliche orthopädische Invalidität vorliegen sollte. Die Beklagte hat jedoch das Resultat der neuen Gutachten angezweifelt und hält dasjenige von Prof. B. nach wie vor für richtig. Sodann hat die Vorinstanz entgegen der Behauptung der Klägerin lediglich die Parteistandpunkte wiedergegeben, ohne eigene Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Dies musste sie auch nicht, da sie die Möglichkeit der Klägerin, sich auf Grundlagenirrtum zu berufen, von vornherein verneint hat.
Bei dieser Sachlage ist es dem Bundesgericht nicht möglich, die vorliegende Streitsache materiell zu beurteilen. Das Obergericht wird abzuklären haben, ob die sich auf die neuen Gutachten stützenden Behauptungen der Klägerin zutreffen oder nicht. Hierfür wird es gegebenenfalls ein gerichtliches Gutachten in Auftrag geben müssen, wie dies von der Klägerin im kantonalen Verfahren offenbar auch verlangt worden ist. Die in diesem Zusammenhang gemachte oberinstanzliche Erwägung, mit einem gerichtlichen Gutachten lasse sich weder die Neuheit der Beschwerden noch die Kausalität mit dem Unfall im Jahr 1993 beweisen, geht an der Sache vorbei: Wohl bestreitet die Beklagte den nunmehr geltend gemachten Grad der Invalidität bzw. das Vorliegen bleibender
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ortho pädischer Beeinträchtigungen. Hingegen hat sie (zu Recht) nie bestritten, dass die Befunde bei der Klägerin, in welcher Höhe sie auch immer bewertet werden mögen, auf den Autounfall in Spanien zurückzuführen sind; entsprechend bedarf es hierüber keiner Beweisführung, zumal auch keine Anhaltspunkte für andere Invaliditätsursachen ersichtlich sind.
3.1 Zu klären bleibt, ob bei Bejahung eines Grundlagenirrtums hinsichtlich der orthopädischen Schäden die Entschädigungsvereinbarung insgesamt oder nur teilweise dahinfallen würde und ob das Obergericht deshalb über sämtliche Beschwerden der Klägerin oder nur für den orthopädischen Bereich ein Beweisverfahren durchzuführen hat.
Hierfür ist zunächst die Frage zu beantworten, ob das Obligationenrecht überhaupt eine Teilanfechtung kennt (dazu E. 3.2). Für den Fall der rechtlichen Zulässigkeit ist sodann die tatsächliche Möglichkeit einer Teilanfechtung zu prüfen. Weil allein der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag und nicht der diesem zu Grunde liegende Sachverhalt Objekt der Anfechtung ist, muss dazu die Entschädigungsvereinbarung als solche teilbar sein (dazu E. 3.3).
Das genannte Prüfungsprogramm ist deshalb erforderlich, weil sich die Beklagte bei rechtlicher Zulässigkeit und tatsächlicher Möglichkeit einer Teilanfechtung nicht das Dahinfallen der gesamten Vereinbarung und das erneute Aufrollen sämtlicher Sachverhaltsfragen gefallen lassen müsste: Auch wenn sie sich nicht explizit zur Teilanfechtung äussert, ist diese Beschränkung in maiore minus von ihrem Antrag auf Abweisung der Klage umfasst.
3.2 Das Gesetz regelt in
Art. 20 Abs. 2 OR den Fall der Teilnichtigkeit, während die Teilanfechtung in
Art. 23 und 31 OR unerwähnt bleibt. Die neuere Lehre und Rechtsprechung haben sich jedoch für eine analoge Anwendung von
Art. 20 Abs. 2 OR auf die Vertragsanfechtung ausgesprochen (erstmals
BGE 78 II 216 E. 5 S. 217 f.; nunmehr
BGE 107 II 419 E. 3a S. 423 f.;
BGE 123 III 292 E. 2 S. 294 ff.; anders noch
BGE 47 II 314 E. 1 S. 316).
Die Teilanfechtung eines Vertrages wegen Grundlagenirrtums setzt voraus, dass sein Inhalt in subjektiver wie objektiver Hinsicht teilbar ist, so dass der verbleibende Teil noch immer ein sinnvolles Vertragsganzes bildet, das für sich selbst bestehen kann. Subjektiv teilbar bedeutet, dass der irrige Sachverhalt nur als Vertragsteil n
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e ben anderen
conditio sine qua non des Vertragsabschlusses war. Objektiv teilbar bedeutet, dass diese Teile auch nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als für sich bestehend angesehen werden dürfen (SCHMIDLIN, a.a.O., N. 156 zu Art. 23/24 OR).
3.3 Auf den ersten Blick könnte die progressiv ausgestaltete Entschädigungstabelle gegen eine Teilanfechtung sprechen, weil eine Erhöhung des Invaliditätsgrades zu einer ungleich höheren Entschädigung führt. Dies macht denn die Klägerin sinngemäss auch geltend. Indes waren die Entschädigungstabelle und deren Anwendbarkeit nie
caput controversum : Zwischen den Parteien war zu keinem Zeitpunkt strittig, dass auf den durch Gutachten festgestellten bzw. den sich aus gegenseitigen Zugeständnissen schlussendlich ergebenden Invaliditätswert der entsprechende Faktor der Tabelle anzuwenden sei. Für die Beteiligten war somit von vornherein klar, dass beispielsweise ein doppelter Invaliditätsgrad zu mehr als der doppelten Entschädigung führen würde, und für jeden weiteren Invaliditätsanteil lässt sich auf den Franken genau die zusätzlich geschuldete Summe berechnen. In diesem Sinn ist nicht nur der der Vereinbarung zu Grunde liegende Sachverhalt, sondern auch der Inhalt der Entschädigungsvereinbarung teilbar.
Ebenso wenig steht der Teilbarkeit des Vertragsinhaltes das Faktum entgegen, dass sich physische und psychische Beeinträchtigungen allenfalls gegenseitig beeinflussen können (in diesem Sinn macht die Beklagte in der Berufungsantwort geltend, die Invaliditätswerte des neurologischen und des orthopädischen Gutachtens dürften nicht einfach unbesehen addiert werden, weil Letzteres stark auf die subjektiven Angaben der unter psychischen Beeinträchtigungen leidenden Klägerin abstelle): Auch ein allfälliges interdisziplinäres Gutachten müsste für jedes einzelne neurologische und organische Defizit einen prozentmässigen Invaliditätsgrad bezogen auf die gesamte körperliche Integrität festlegen, weshalb es ohne weiteres möglich wäre, die (gegenüber dem Gutachten B. höheren oder tieferen) neurologischen Werte ausser Acht zu lassen und einzig die allfälligen orthopädischen Beeinträchtigungen zu übernehmen. Im Übrigen dürfte es ohnehin genügen, das Gutachten C. mit Abklärungen zu verifizieren, die unter Einbezug der bereits festgelegten neurologischen Werte auf orthopädische Fragen beschränkt sind.