Urteilskopf
137 III 217
35. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Eidg. Amt für das Handelsregister gegen Handelsregisteramt des Kantons Zürich und Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_578/2010 vom 11. April 2011
Regeste
Einstufiger kantonaler Rechtsmittelzug gegen Verfügungen der Handelsregisterbehörden (
Art. 165 Abs. 2 HRegV).
Art. 165 Abs. 2 HRegV kann sich auf die Delegationsnorm von Art. 929 Abs. 1 OR abstützen und steht im Einklang mit dem Prinzip der "double instance" gemäss Art. 75 Abs. 2 BGG (E. 2).
Aus den Erwägungen:
2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe Art. 165 Abs. 2 i.V.m. Art. 181 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV; SR 221.411) verletzt, indem sie die Justizdirektion zur Behandlung des Rekurses von A. gegen die Verfügung des Handelsregisteramts Zürich vom 22. Februar 2010 für zuständig erachtete. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hätte die Justizdirektion nicht auf das Rechtsmittel von A. eintreten dürfen, sondern dieses an das zuständige obere kantonale Gericht (vermutlich das Verwaltungsgericht) weiterleiten müssen.
BGE 137 III 217 S. 218
2.1.1 Im Rahmen der Teilrevision des Obligationenrechts, welche am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist (Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 [GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht], AS 2007 4791) wurden auch die Bestimmungen über das Handelsregister teilweise geändert. Dadurch entstand ein erheblicher Anpassungs- und Änderungsbedarf der Bestimmungen auf Verordnungsstufe (Begleitbericht zur Totalrevision der Handelsregisterverordnung, Vernehmlassungsentwurf vom 28. März 2008
[http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/1399/Bericht.pdf], S. 1), was den Bundesrat dazu veranlasste, die alte Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937 (aHRegV) total zu revidieren und durch die neue Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 zu ersetzen. Diese trat gemeinsam mit den revidierten Normen des OR am 1. Januar 2008 in Kraft.
Geändert wurden dabei u.a. die Regeln betreffend den Rechtsschutz gegen Verfügungen der kantonalen Handelsregisterbehörden. Die alte HRegV erlaubte den Kantonen, gegen Verfügungen der kantonalen Handelsregisterämter einen zweistufigen Rechtsschutz vorzusehen: Art. 3 Abs. 3 aHRegV schrieb vor, dass eine kantonale Aufsichtsbehörde über Beschwerden gegen Verfügungen des Registerführers zu entscheiden hatte. Handelte es sich dabei nicht um eine gerichtliche Instanz, so konnte gegen deren Entscheid gemäss Art. 3 Abs. 4
bis aHRegV beim zuständigen Gericht Beschwerde erhoben werden. Die Kantone hatten damit die Wahl zwischen einem einstufigen oder zweistufigen Rechtsschutz gegen Verfügungen ihrer Handelsregisterämter: Sie konnten entweder direkt ein Gericht mit der Aufgabe als kantonale Aufsichtsbehörde betrauen und dieses als einzige Beschwerdeinstanz bezeichnen; oder sie konnten eine Verwaltungsbehörde als kantonale Aufsichtsbehörde und erste (verwaltungsinterne) Beschwerdeinstanz einsetzen und gegen deren Entscheide eine Beschwerde an ein Gericht als zweite Beschwerdeinstanz vorsehen (zum Ganzen
BGE 124 III 259 E. 3b S. 263 f.).
Demgegenüber schreibt Art. 165 der neuen HRegV nunmehr einen lediglich einstufigen kantonalen Instanzenzug gegen Verfügungen der Handelsregisterämter vor. Danach können "Verfügungen der kantonalen Handelsregisterämter angefochten werden" (Abs. 1), wobei jeder Kanton "ein oberes Gericht als einzige Beschwerdeinstanz" bezeichnet (Abs. 2). Zwar können die Kantone als Aufsichtsbehörde über die kantonalen Handelsregisterämter nach wie vor eine
BGE 137 III 217 S. 219
Verwaltungsbehörde einsetzen; diese kann aber keine Rechtsprechungsfunktionen, sondern nur noch administrative Aufsichtsfunktionen wahrnehmen (vgl. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 HRegV; GUILLAUME VIANIN, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 20 zu
Art. 928 OR; MARTIN ECKERT, Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 13 f. zu
Art. 927 OR; MICHAEL GWELESSIANI, Praxiskommentar zur Handelsregisterverordnung, 2008, N. 15 zu
Art. 4 HRegV). Die Übergangsfrist zur Anpassung der kantonalen Rechtsmittelverfahren an die Vorgaben von
Art. 165 HRegV lief am 31. Dezember 2009 ab (
Art. 181 HRegV).
2.1.2 Die Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 stützt sich gemäss deren Ingress u.a. auf
Art. 929 OR.
Abs. 1 dieser Norm, welche unter dem Marginale "III. Verordnung des Bundesrates, 1. Im Allgemeinen" steht, lautet wie folgt: "Der Bundesrat erlässt die Vorschriften über die Einrichtung, die Führung und die Beaufsichtigung des Handelsregisters sowie über das Verfahren, die Anmeldung zur Eintragung, die einzureichenden Belege und deren Prüfung, den Inhalt der Eintragungen, die Gebühren und die Beschwerdeführung."
2.2 Die Vorinstanz führte aus, dass kantonale Gerichte und Behörden befugt seien, Verordnungen des Bundesrats auf ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit akzessorisch zu überprüfen. Bei unselbständigen Verordnungen sei insbesondere zu untersuchen, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten habe. Mit Blick auf die Regelung des einstufigen Rechtsmittelwegs in
Art. 165 HRegV sei damit zu prüfen, ob die Delegationsnorm des
Art. 929 Abs. 1 OR den Bundesrat dazu ermächtige, den innerkantonalen Instanzenzug auf eine einzige gerichtliche Rechtsmittelinstanz zu reduzieren.
Dabei erwog die Vorinstanz, dass sich dem Wortlaut von
Art. 929 Abs. 1 OR, gemäss welchem der Bundesrat zum Erlass von Vorschriften über die "Beschwerdeführung" ermächtigt ist, zwar nicht entnehmen lasse, ob damit nur das gerichtliche Verfahren gemeint sei oder auch die Regelung der Gerichtsorganisation. Die Norm sei aber im Kontext von
Art. 927 Abs. 3 OR, gemäss welchem die Kantone zur Bestimmung einer kantonalen Aufsichtsbehörde in Handelsregistersachen verpflichtet sind, und dem dazu ergangenen
BGE 124 III 259 zu lesen. In diesem Entscheid habe das Bundesgericht ausgeführt, dass
Art. 927 Abs. 3 OR den Kantonen die
BGE 137 III 217 S. 220
Möglichkeit einer zweistufigen kantonalen Rechtsmittelordnung offenlasse. Daran habe auch das Inkrafttreten von
Art. 98a OG (bzw.nunmehr
Art. 75 BGG) nichts geändert. Gemäss dem Bundesgericht habe diese Norm die Kantone zwar dazu verpflichtet, eine gerichtliche Kontrolle in Handelsregistersachen einzuführen, zwinge diese aber nicht dazu, die administrative Aufsicht einer richterlichen Behörde zu übertragen. Ein solcher Eingriff in die durch Art. 927Abs. 3 OR gewährleistete Organisationsautonomie verlange die bundesrechtlich beabsichtigte Vereinheitlichung der Rechtsanwendung nicht. Daraus schloss die Vorinstanz, dass es nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprochen haben könne, dem Bundesratin
Art. 929 Abs. 1 OR die Kompetenz zum Eingriff in ebendiese Organisationsautonomie zu verleihen.
Die Vorinstanz wies weiter auf Art. 122 Abs. 2 BV hin, wonach die Zuständigkeit für die Organisation der Gerichte und die Rechtsprechung in Zivilsachen bei den Kantonen liegt, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht. Gestützt auf diese Norm sei der Bund zwar befugt, im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Zivil- oder Zivilprozessrechts in die kantonale Organisationseinheit einzugreifen. Der einheitlichen Rechtsanwendung stehe ein zweistufiger kantonaler Rechtsmittelzug aber nicht entgegen. Zudem könne von der in Art. 122 Abs. 2 BV festgelegten Zuständigkeitsordnung nur mittels eines formellen Bundesgesetzes abgewichen werden. Auch aus diesem Grund sei nicht davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber dem Bundesrat in Art. 929 Abs. 1 OR die Kompetenz habe erteilen wollen, in die kantonale Organisationsautonomie einzugreifen.
Aufgrund dieser Erwägungen kam die Vorinstanz zum Schluss, dass Art. 929 Abs. 1 OR keine genügende gesetzliche Grundlage darstelle, "um den innerkantonalen Instanzenzug in Handelsregistersachen per Bundesratsverordnung zu gestalten". Für die rechtsanwendenden Behörden sei Art. 165 Abs. 2 HRegV somit nicht massgebend.
2.3 Das Bundesgericht kann Verordnungen des Bundesrates vorfrageweise auf ihre Gesetz- und Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnung. Wird dem Bundesrat durch die
BGE 137 III 217 S. 221
gesetzliche Delegation ein sehr weiter Ermessensspielraum für die Regelung auf Verordnungsstufe eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach
Art. 190 BV für das Bundesgericht verbindlich; es setzt in diesem Falle bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates, sondern beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist (
BGE 136 II 337 E. 5.1 S. 348 f.;
BGE 131 II 13 E. 6.1 S. 25 f.,
BGE 129 II 162 E. 2.3 S. 166 f., 271 E. 4 S. 275 f., 735 E. 4.1 S. 740;
BGE 129 II 160 E. 2.3 S. 164,
BGE 129 II 249 E. 5.4 S. 263; je mit Hinweisen). Für die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahme trägt der Bundesrat die Verantwortung; es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, sich zu deren wirtschaftlichen oder politischen Sachgerechtigkeit zu äussern (
BGE 136 II 337 E. 5.1 S. 349;
BGE 133 V 569 E. 5.1 S. 571;
BGE 131 II 271 E. 4 S. 276;
BGE 130 I 26 E. 2.2.1 S. 32;
BGE 129 II 160 E. 2.3 S. 164;
BGE 128 II 34 E. 3b S. 41).
2.4 Unter den Verfahrensbeteiligten besteht Einigkeit, dass
Art. 929 Abs. 1 OR den Bundesrat zum Erlass von Verordnungsbestimmungen u.a. über das "Verfahren" ("procédure", "procedura") und die "Beschwerdeführung" ("les voies de recours", "le vie di ricorso") im Bereich des Handelsregisterrechts ermächtigt. Umstritten ist, ob diese Begriffe auch die Regelung des innerkantonalen Instanzenzugs in Handelsregistersachen umfassen, wie sie der Bundesrat in
Art. 165 HRegV umgesetzt hat.
2.4.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrundeliegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, den Sinn der Norm zu erkennen (
BGE 136 II 149 E. 3 S. 154;
BGE 131 II 562 E. 3.5;
BGE 129 II 114 E. 3.1 mit Hinweis). Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus ihrem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben
BGE 137 III 217 S. 222
(
BGE 136 III 373 E. 2.3 S. 376;
BGE 135 III 640 E. 2.3.1 S. 644;
BGE 135 V 249 E. 4.1 S. 252). Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben am besten entspricht (
BGE 136 II 149 E. 3 S. 154;
BGE 131 II 562 E. 3.5 S. 567 mit Hinweisen). Eine verfassungskonforme Auslegung findet dabei im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung ihre Schranken (
BGE 131 II 697 E. 4.1 S. 703 mit Hinweisen).
2.4.1.1 Der Wortlaut der Begriffe des "Verfahrens" und der "Beschwerdeführung" in
Art. 929 Abs. 1 OR eröffnet dem Bundesrat einen weiten Regelungsspielraum. Darunter kann das Rechtsmittelverfahren in all seinen Aspekten verstanden werden, d.h. die Regelung nicht nur der Funktion und Wirkung der Rechtsmittel, sondern etwa auch des Instanzenzugs. Die französischen bzw. italienischen Begriffe der "voies de recours" bzw. "vie di ricorso", welche am ehesten mit "Rechtsmittel" zu übersetzen sind, lassen ebenfalls ein weite Auslegung zu. Die Vorinstanz und die Justizdirektion des Kantons Zürich halten denn auch zu Recht nicht dafür, dass eine grammatikalische Auslegung des
Art. 929 Abs. 1 OR ausschlösse, die Regelung des Instanzenzugs unter die delegierten Materien zu subsumieren.
2.4.1.2 Die Delegationsnorm von
Art. 929 Abs. 1 OR geht auf Art. 893 des alten Obligationenrechts vom 14. Juni 1881 zurück, welcher bereits eine Rechtsetzungsdelegation u.a. über die "Beschwerdeführung" an den Bundesrat vorsah. Es handelt sich mithin um eine alte Bestimmung, für deren Auslegung die Gesetzesmaterialien keine vorrangige Bedeutung beanspruchen können. Dennoch erhellt aus der Entstehungsgeschichte, dass dem Bundesrat mit der Delegationsnorm "
weitester Spielraum" gewährt werden sollte, "da immer wieder neue Einzelfragen eine Lösung verlangen" (Botschaft vom 21. Februar 1928 zu einem Gesetzesentwurf über die Revision der Titel XXIV bis XXXIII des schweizerischen Obligationenrechts, BBl 1928 I 205, 304 [Hervorhebung hinzugefügt]; vgl. auch EDUARD HIS, Berner Kommentar, 1940, N. 3 zu
Art. 929 OR). Auch die im Zuge der Teilrevision des Obligationenrechts vom 16. Dezember 2005 erfolgte jüngste Modifikation von
Art. 929 Abs. 1 OR, anlässlich welcher die delegierten Regelungsgegenstände um die "Anmeldung zur Eintragung, die einzureichenden Belege und deren Prüfung" sowie den "Inhalt der Eintragungen" ergänzt wurden, änderte daran nichts. Denn nach der Botschaft handelte es sich dabei lediglich "um eine Klarstellung", welche "die
bisherige umfassende Delegation in keiner Weise einschränken" sollte (Botschaft vom
BGE 137 III 217 S. 223
19. Dezember 2001 zur Revision des Obligationenrechts, BBl 2001 3148, 3237 [Hervorhebung hinzugefügt]). Dies blieb während derparlamentarischen Debatte unbestritten (AB 2005, N 106 [Zustimmung des Nationalrats zum Entwurf des Bundesrats], AB 2005, S 623,633 [Zustimmung des Ständerats zum Beschluss des Nationalrats]).
2.4.1.3 In systematischer Hinsicht spricht sodann entgegen den Erwägungen der Vorinstanz auch
Art. 927 Abs. 3 OR, wonach die Kantone eine kantonale Aufsichtsbehörde zu bestellen haben, und der dazu ergangene Entscheid
BGE 124 III 259 nicht für eine einschränkende Auslegung des Begriffs der "Beschwerdeführung". Der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, dass der genannte Entscheid des Bundesgerichts lediglich die Frage betraf, ob bereits
Art. 927 Abs. 3 OR die Kantone zur Einführung eines einstufigen Instanzenzugs verpflichtet. Das Bundesgericht hat die Frage verneint und ausgeführt, dass
Art. 927 Abs. 3 OR einer Rechtsmittelordnung mit zunächst administrativer und nachgeschalteter richterlicher Aufsicht nicht entgegenstehe. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass
Art. 927 Abs. 3 OR einen zweistufigen Instanzenzug nicht nur erlaube, sondern gleichsam garantiere. Dass der Gesetzgeber in
Art. 927 Abs. 3 OR darauf verzichtet hat, die Kantone zur Einführung eines einstufigen Instanzenzugs anzuhalten, bedeutet nicht, dass der Bundesrat keine entsprechende Anordnung treffen darf. Über den Umfang der Delegation in
Art. 929 Abs. 1 OR sagt
Art. 927 Abs. 3 OR nichts aus, worauf der Beschwerdeführer in seiner Vernehmlassung zu Recht hinweist.
2.4.1.4 Auch eine verfassungskonforme Auslegung des
Art. 929 Abs. 1 OR schliesst nicht aus, unter die Begriffe des "Verfahrens" und der "Beschwerdeführung" die Regelung des Instanzenzugs zu subsumieren. Gemäss
Art. 122 Abs. 1 BV ist die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts Sache des Bundes. Dazu gehören auch die Registersachen (Handelsregister, Zivilstandsregister, Grundbuch), obwohl diese an sich öffentlich-rechtlicher Natur sind. Denn die Normen des Registerrechts stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Zivilrecht und dessen Verwirklichung, weshalb sie als "ergänzendes öffentliches Recht" bzw. "formelles Bundeszivilrecht" traditionellerweise zur Zivilrechtsgesetzgebung gezählt werden (CHRISTOPH LEUENBERGER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Ehrenzeller und andere [Hrsg.], Bd. II, 2. Aufl. 2008, N. 11 zu
Art. 122 BV; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, in: Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération Suisse, Aubert/Mahon [Hrsg.], 2003, N. 5 zu
Art. 122 BV).
BGE 137 III 217 S. 224
Zwar überlässt
Art. 122 Abs. 2 BV die Organisation der Gerichte und die Rechtsprechung in Zivilsachen den Kantonen, dies aber nur, "soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht". Sofern die Regelung des Instanzenzugs als Frage der Gerichtsorganisation zu betrachten ist (so etwa AUBERT, a.a.O., N. 12 zu
Art. 122 BV), ist im Begriff der "Beschwerdeführung" des
Art. 929 Abs. 1 OR ein solcher Gesetzesvorbehalt i.S. des
Art. 122 Abs. 2 BV zu sehen. Von einer eigentlichen "Organisationshoheit der Kantone" kann in diesem Bereich entgegen der Auffassung der Justizdirektion nicht die Rede sein, zumal der Bundesgesetzgeber im Kernbereich des Zivilprozessrechts die Regelung des Instanzenzugs nicht den Kantonen überlassen, sondern mit der Rechtsmittelordnung der Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO; SR 272) bundesrechtlich festgelegt hat (vgl. SUTTER-SOMM/KLINGLER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2010, N. 2 zu
Art. 3 ZPO). Dass dieses Gesetz bei Erlass des angefochtenen Entscheids noch nicht in Kraft stand, ändert daran nichts. Vor diesem Hintergrund ist nicht einzusehen, weshalb
Art. 122 Abs. 2 BV eine einschränkende Auslegung der Begriffe des "Verfahrens" und der "Beschwerdeführung" in
Art. 929 Abs. 1 OR gebieten sollte, so dass die Regelung des Instanzenzugs nicht darunter zu subsumieren wäre.
2.4.1.5 Schliesslich geht der sinngemäss vorgebrachte Einwand der Zürcher Justizdirektion, dass die Regelung von
Art. 165 Abs. 2 HRegV dem Prinzip der "double instance" gemäss
Art. 75 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGG entgegenstehe, fehl.
Gemäss diesem Prinzip hat als Vorinstanz des Bundesgerichts ein oberes kantonales Gericht auf ein Rechtsmittel gegen einen erstinstanzlichen Entscheid hin zu entscheiden (unter Vorbehalt der vorliegend nicht gegebenen Ausnahmen gemäss
Art. 75 Abs. 2 lit. a-c BGG).
Art. 75 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGG verlangt indessen weder, dass die erste Instanz ihrerseits als Rechtsmittelinstanz entscheiden noch dass es sich dabei um eine richterliche Behörde handeln muss. Gerade im Bereich der Verwaltungssachen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht stehen (
Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG), kann der erstinstanzliche Entscheid auch durch eine Verwaltungsbehörde getroffen werden. Das BGG verlangt nur, dass solche Entscheide bei einem oberen kantonalen Gericht angefochten werden können. Dieses braucht jedoch nicht zweite Rechtsmittelinstanz zu sein, sondern kann durchaus als erste und einzige kantonale
BGE 137 III 217 S. 225
Rechtsmittelinstanz entscheiden (vgl. Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001; BBl 2001 4202 ff., 4311, mit Hinweis auf die Registersachen gemäss
Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG).
2.4.2 Der Bundesrat hat somit mit der Regelung, wonach ein oberes kantonales Gericht als einzige kantonale Rechtsmittelinstanz über Beschwerden gegen Verfügungen der Handelsregisterämter zu entscheiden hat, weder seine ihm durch
Art. 929 Abs. 1 OR delegierten Rechtsetzungsbefugnisse überschritten noch gegen
Art. 75 Abs. 2 BGG verstossen.
Art. 165 Abs. 2 HRegV kann sich auf
Art. 929 Abs. 1 OR abstützen und steht auch im Einklang mit dem Prinzip der "double instance" gemäss
Art. 75 Abs. 2 BGG. Die Norm ist verbindlich und damit von den rechtsanwendenden Behörden der Kantone zu beachten.
Der in der Vernehmlassung geäusserte Einwand der Justizdirektion, wonach nicht ersichtlich sei, weshalb im Bereich des Handelsregisterrechts ein einstufiger kantonaler Rechtsmittelzug notwendig sein soll, beschlägt die Zweckmässigkeit von Art. 165 HRegV und damit die Ermessensausübung durch den Bundesrat bei der Umsetzung von Art. 929 Abs. 1 OR. Dazu hat sich das Bundesgericht im Rahmen einer akzessorischen Normenkontrolle nicht zu äussern (oben E. 2.3 in fine).
2.4.3 Die Vorinstanz hat
Art. 165 Abs. 2 HRegV zu Unrecht die Anwendung versagt. Damit erweist sich ihr Schluss, dass die Justizdirektion des Kantons Zürich zur Behandlung des Rekurses von A. zuständig sei, als bundesrechtswidrig, denn die Justizdirektion ist kein oberes kantonales Gericht i.S. von
Art. 165 Abs. 2 HRegV und damit weder sachlich noch funktionell zur Behandlung von Beschwerden gegen Verfügungen des Handelsregisteramts Zürich zuständig.
Der Entscheid einer sachlich und funktionell unzuständigen Behörde leidet an einem schwerwiegenden Mangel, der nach der Praxis einen Nichtigkeitsgrund darstellt, es sei denn, der verfügenden Behörde komme auf dem betreffenden Gebiet allgemeine Entscheidungsgewalt zu oder der Schluss auf Nichtigkeit vertrüge sich nicht mit der Rechtssicherheit (
BGE 127 II 32 E. 3g S. 47 f. mit Hinweisen;
BGE 136 II 489 E. 3.3 S. 495;
BGE 132 II 342 E. 2.1; für das Zürcher Verwaltungsverfahren sodann namentlich: VRG, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, KÖLZ UND ANDERE, 2. Aufl. 1999, N. 30 zu § 5 VRG).
BGE 137 III 217 S. 226
Der Justizdirektion des Kantons Zürich steht auf dem Gebiet des Handelsregisterrechts keine allgemeine Entscheidungsgewalt zu und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Nichtigkeitsfolge vorliegend die Rechtssicherheit gefährden sollte. Die Vorinstanz hätte deshalb die Verfügung der Justizdirektion vom 29. April 2010, mit welcher diese trotz sachlicher und funktioneller Unzuständigkeit über den Rekurs von A. entschieden hat, als nichtig feststellen müssen.
Die Nichtigkeit ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu beachten; sie kann auch im Rechtsmittelweg festgestellt werden (
BGE 132 II 342 E. 2.1 S. 346 mit Hinweisen), namentlich auch im Verfahren vor Bundesgericht (
BGE 132 II 342 E. 2.3 S. 349; vgl. auch Urteil 2C_522/2007 vom 28. April 2008 E. 2 und 3.6). Es ist somit vorliegend die Nichtigkeit der Verfügung der Justizdirektion des Kantons Zürich vom 29. April 2010 festzustellen und gleichzeitig der Entscheid der Vorinstanz aufzuheben.