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Urteilskopf

142 II 128


10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.C., B.C. und Mitb. gegen Flughafen Zürich AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_232/2014 vom 18. März 2016

Regeste a

Enteignungsentschädigung wegen direkten Überflugs.
Die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für Fluglärm genügt für sich allein nicht, um einen direkten Eingriff in den Luftraum eines überflogenen Grundstücks zu begründen; entscheidend ist vielmehr, ob spezielle, für den Überflug typische Beeinträchtigungen physischer oder psychischer Art vorliegen (E. 2.2). Dies durften die Vorinstanzen hier (regelmässiger Überflug mit Grossraumflugzeugen im Landeanflug auf rund 350 m Höhe) aufgrund ihres Augenscheins verneinen (E. 2.4).

Regeste b

Entschädigung wegen Enteignung nachbarlicher Abwehransprüche gegen übermässigen Fluglärm; Kriterium der Nichtvorhersehbarkeit.
Festhalten am Stichtag des 1. Januar 1961 auch für die erst ab 2003 regelmässig durchgeführten Südanflüge auf den Flughafen Zürich. Daran ändert auch der Militärflugplatz Dübendorf nichts, der die Möglichkeit ziviler Südanflüge bis zur Einstellung des Militärjetbetriebs beschränkte (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 129

BGE 142 II 128 S. 129

A. K., L., M. und N. reichten 2004 bzw. 2005 je ein Entschädigungsbegehren für ihre Liegenschaften in Gockhausen (Gemeinde Dübendorf) bei der Flughafen Zürich AG ein. Diese überwies die Begehren am 10. Oktober 2005 an die Eidgenössische Schätzungskommission Kreis 10 (ESchK). Die ESchK wählte sie 2009 als Pilotfälle aus, anhand derer insbesondere das Vorliegen eines sogenannten "direkten Überflugs" beurteilt werden sollte. (...) Anfang Dezember 2011 nahm die ESchK die Entschädigungsbegehren von A.C. und B.C. sowie der Erbengemeinschaft D. vom 31. August 2004 ebenfalls ins Pilotverfahren auf. (...) Mit Schätzungsentscheid vom 25. Juni 2012 wies die ESchK die Entschädigungsbegehren von K., L., M., N., A.C. und B.C. sowie der Erbengemeinschaft D. ab.

B. Dagegen erhoben A.C. und B.C. sowie die Erbengemeinschaft D. einerseits und K., L., M. und N. andererseits in zwei Eingaben vom 13. September 2012 Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. (...)
Am 5. und 6. Juni 2013 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Zeit von 5.50 Uhr bis 6.45 Uhr morgens Augenscheine auf der Liegenschaft von L. in Gockhausen sowie - zwecks Vergleichs - an drei in 100 bis 130 m überflogenen Parzellen in Opfikon durch.
Am 13. März 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde von A.C. und B.C. ab. Die Beschwerde der übrigen Enteigneten hiess es betreffend der Enteignung nachbarlicher Abwehrrechte gut und wies die Sache zur Neubeurteilung der entsprechenden Voraussetzungen im Sinne der Erwägungen an die ESchK zurück; im Übrigen wies es die Beschwerden ab. (...)

C. Gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts haben A.C. und B.C. (Beschwerdeführer 1), die Erben des D. (Beschwerdeführer 2),
BGE 142 II 128 S. 130
K. (Beschwerdeführer 3), L. (Beschwerdeführerin 4), M. (Beschwerdeführer 5) und N. (Beschwerdeführerin 6) am 5. Mai 2014 gemeinsam Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Das Bundesverwaltungsgericht schützte den Entscheid der ESchK, keine Entschädigungen wegen direkten Überflugs zuzusprechen. Es stellte fest, dass die Grundstücke der Beschwerdeführer ca. 8 km vom Pistenrand entfernt liegen und regelmässig in rund 350 m von Grossraumflugzeugen mit einer Flügelspannweite von ca. 60 m im Landeanflug überflogen werden. An den Augenscheinen habe sich gezeigt, dass bei dieser Überflughöhe zwar Fluglärmimmissionen, aber keine weiteren physischen Einwirkungen wie Randwirbelschleppen, Kerosindämpfe, herunterfallende Gegenstände und Vibrationen entstünden. Die Silhouetten vor allem der Grossraumflugzeuge wirkten zwar eindrücklich, aber nicht bedrohlich. Die nicht lärmbezogenen Aspekte des Direktüberflugs seien demnach nicht bzw. (betreffend Lichtimmissionen der Landescheinwerfer) allenfalls marginal vorhanden. Eine erhebliche Bedrohlichkeit der Überflugsituation gehe damit nicht einher und die Wohnqualität, insbesondere die Nutzung des Aussenraums, werde nicht erheblich gemindert. Im Vergleich zu anderen in geringer Höhe überflogenen Grundstücken erscheine die Lärmeinwirkung insgesamt geringer und die nicht lärmbezogenen Aspekte vernachlässigbar. (...)

2.1 Die Beschwerdeführer werfen dem Bundesverwaltungsgericht vor, die Störwirkung der Lärmimmissionen nicht beachtet bzw. unterschätzt zu haben. Das schutzwürdige Interesse der Eigentümer an der ungestörten Nutzung ihres Eigentums werde auch tangiert, wenn sie störenden Lärmimmissionen ausgesetzt werden. Dies müsse jedenfalls gelten, wenn von den Überflügen gesundheitsschädliche Aufwachreaktionen ausgingen, wie bei den frühmorgendlichen Südanflügen.
Weiter beanstanden sie, dass die Vorinstanz den von ihnen beantragten Silhouettenvergleich zwischen Grossraumflugzeugen auf 350 m Höhe (wie in Gockhausen) und Kleinflugzeugen auf 50 m Höhe (wie im Entscheid BGE 104 II 86 E. 2 S. 90) nicht vorgenommen (...) habe. (...)
BGE 142 II 128 S. 131
Schliesslich machen sie geltend, dass die psychologische Wirkung des Risikos herabfallender Gegenstände (Flugzeugteile, Eisbrocken) in den direkt überflogenen Ortsteilen von Dübendorf nicht wesentlich geringer sei als in den Anflugkorridoren von Opfikon-Glattbrugg und Kloten.

2.2 Nach Art. 667 Abs. 1 ZGB erstreckt sich das Eigentum an Grund und Boden nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. Wie gross diese räumliche Ausdehnung ist, kann nicht in allgemeiner Weise umschrieben werden, sondern bestimmt sich von Fall zu Fall nach den konkreten Umständen und dem schutzwürdigen Interesse des Eigentümers, diesen Raum selbst zu beherrschen und das Eindringen anderer abzuwehren. Das Bundesgericht hat es daher sowohl in der zivilrechtlichen Praxis (BGE 104 II 86 E. 2 S. 90; Urteil 5C.22/1998 vom 7. Mai 1998 E. 4c; vgl. auch BGE 132 III 689 E. 4.2 S. 698 f. zur vertikalen Ausdehnung in den Untergrund) wie auch in seiner enteignungsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGE 134 II 49 E. 5.3 S. 60 mit zahlreichen Hinweisen) stets abgelehnt, generell zu bestimmen, auf welcher Höhe ein Flugzeug in die Interessensphäre der Grundeigentümer und damit in das Grundeigentum eindringe. Dies hänge von der Nutzung und Lage der konkret betroffenen Liegenschaft, aber auch von der Art und Grösse der Flugzeuge und den Auswirkungen des Überflugs ab.
In verschiedenen Fällen betreffend den Flughafen Genf bejahte es Eingriffe in das Grundeigentum bei Parzellen in 1 bis 2,5 km Entfernung vom Pistenrand, die regelmässig in 75-125 m Höhe von Grossflugzeugen mit Spannweiten von 40-60 m überflogen wurden (vgl. BGE 131 II 137 E. 3.1.2 S. 147 mit Hinweisen). Zur Begründung stellte es in erster Linie auf die bedrohliche Wirkung des Überflugs in dieser Tiefe von Flugzeugen, die grösser seien als die überflogenen Einfamilienhäuser (BGE 122 II 349 E. 4a/cc S. 355) sowie auf das erhöhte Risiko von Schäden durch Luftturbulenzen oder herabfallende Gegenstände ab (a.a.O., E. 4b S. 356). In BGE 129 II 72 (E. 2.6 S. 79) bestätigte es die Entschädigung von Eigentümern direkt überflogener Grundstücke unabhängig von den Voraussetzungen der Unvorhersehbarkeit, der Spezialität und der Schwere des Schadens aufgrund der ganz besonderen Auswirkungen des Überflugs ("nuisances si particulières"): intensiver Lärm bei jeder Landung, Luftturbulenzen, Geruchsimmissionen der Motoren und ein Gefühl
BGE 142 II 128 S. 132
der Angst oder des Unbehagens aufgrund der sich über die Köpfe hinweg bewegenden bedeutsamen Masse (E. 4 S. 81).
Dagegen verneinte es einen Eigentumseingriff beim Überflug in rund 600 m, weil bei einer solchen Überflughöhe keine physischen Einwirkungen zu erwarten seien und Überflüge in dieser Entfernung auch psychisch noch beeindruckend, aber nicht bedrohlich wirkten (BGE 123 II 481 E. 8 S. 495). Dem Fluglärm mass das Bundesgericht in seinen Erwägungen kein Gewicht zu, obwohl der Beurteilungspegel mit 70 dB deutlich über dem Immissionsgrenzwert der ES III für den Tag (65 dB) lag (E. 7c S. 494). In BGE 131 II 137 wurde eine Entschädigung bereits mangels genügender Regelmässigkeit des Überflugs durch startende Flugzeuge verneint. Ergänzend fügte das Bundesgericht hinzu, dass auch aufgrund der Überflughöhe von über 400 m offensichtlich kein Eingriff in den Luftraum des Grundstücks vorliege (E. 3.2.2 S. 150); dessen vertikale Begrenzung werde deutlich ("nettement") überschritten (E. 3.2.3 S. 151). Bei kleineren Maschinen (Geschäfts- oder Linienflugzeugen) begründeten auch Überflüge in 220 bis 250 m Höhe keinen Eigentumseingriff (E. 3.2.2 S. 150). Auch in diesem Urteil wurde der (unstreitigen) Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für Fluglärm keine Bedeutung für die Überflugsfrage beigemessen.
Die Analyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Überflugshöhe zeigt, dass die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für Lärm für sich allein nicht genügt, um einen direkten Eigentumseingriff zu bejahen, sondern zusätzlich spezielle, für den Überflug typische Beeinträchtigungen physischer und/oder psychischer Art verlangt werden. In BGE 121 II 317 E. 5b S. 332 wurde dazu ausgeführt, dass sich der lärmbedingte Schaden nicht wesentlich unterscheide, ob sich die Lärmquelle senkrecht über der Parzelle oder über einer Nachbarparzelle befinde.

2.3 Vorliegend hatte die ESchK festgestellt, dass die Grenzwerte des 16-Stunden-Leq auf den streitbetroffenen Parzellen bei Weitem nicht überschritten seien. [Zusammenfassung: Ob die geltenden Grenzwerte gemäss Anh. 5 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814. 41) der Störwirkung von frühmorgendlichen Südanflügen, insbesondere durch Aufwachreaktionen, ausreichend Rechnung tragen, kann für die Beurteilung der Überflugproblematik offenbleiben]. Auch wenn die Beschwerdeführer aufgrund von morgendlichen Aufweckreaktionen durch den Fluglärm gestört werden,
BGE 142 II 128 S. 133
d.h. übermässiger Fluglärm vorliegt, bedeutet dies nach dem oben Gesagten für sich allein nicht, dass ein direkter Eigentumseingriff zu bejahen wäre. Vielmehr befinden sich die Beschwerdeführer insoweit in der gleichen Lage wie andere Anwohner von Gockhausen, die in der Nähe (aber nicht senkrecht unter) der Anflugschneise wohnen. Sie haben in diesem Fall Anspruch auf passive Schallschutzmassnahmen, um Gesundheitsstörungen durch Aufweckreaktionen zu vermeiden (BGE 137 II 58 E. 7.4 S. 115 f.), auf eine Entschädigung dagegen nur unter den Voraussetzungen der Enteignung nachbarlicher Abwehrrechte.

2.4 Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Augenschein am frühen Morgen durchgeführt und Feststellungen zu den Einwirkungen auf die Grundstücke der Beschwerdeführer getroffen. Diese decken sich im Wesentlichen mit denjenigen der ESchK: Danach sind die Flugzeuge zwar deutlich sichtbar; trotz ihrer Grösse entstehe aber nicht der bedrohliche Eindruck eines Eindringens in den dem Grundstück zuzurechnenden Luftraum; von mässigem Lärm abgesehen seien keine störenden Immissionen wie Kerosindämpfe, Randwirbelschleppen oder Erschütterungen bemerkt worden.
Aufgrund dieser Wahrnehmungen vor Ort durfte das Bundesverwaltungsgericht den verlangten Silhouettenvergleich mit tieferfliegenden Kleinflugzeugen in antizipierter Beweiswürdigung abweisen, zumal es keineswegs zwingend erscheint, allein aufgrund einer vergleichbaren Silhouette auf die gleiche Bedrohlichkeit eines Überflugs in 350 und in 50 m Höhe zu schliessen.
Gleiches gilt für das Risiko herabfallender Gegenstände: Je höher der Überflug, desto mehr nähert sich dieses Risiko - objektiv und subjektiv - demjenigen an, dem alle Anwohner in der Nähe einer An- oder Abflugsschneise ausgesetzt sind, auch ohne direkten Überflug. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz diesem Gesichtspunkt keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen hat. (...)

2.5 Nach dem Gesagten durfte das Bundesverwaltungsgericht Entschädigungsansprüche wegen direkten Überflugs verneinen, ohne Bundesrecht zu verletzen.

3. Streitig ist ferner die Nichtvorhersehbarkeit der Südanflüge als Voraussetzung für eine formelle Enteignung infolge Unterdrückung nachbarlicher Abwehrrechte gegenüber übermässigen Lärmimmissionen.

3.1 Das Bundesgericht hat den Stichtag für die Vorhersehbarkeit für Fluglärmimmissionen im Einzugsbereich der schweizerischen
BGE 142 II 128 S. 134
Landesflughäfen auf den 1. Januar 1961 festgesetzt (ständige Rechtsprechung seit BGE 121 II 317 E. 6b-c S. 334 ff.; vgl. die Hinweise in BGE 136 II 263 E. 7.1 S. 266). Es hat in der Folge mehrfach betont, dass es sich um eine allgemeingültige Regel handelt, die in allen Verfahren zur Anwendung gelangen müsse, in denen es um die Enteignung von Nachbarrechten wegen des Betriebs eines Landesflughafens gehe. Die Regel sei streng zu beachten und dürfe nicht von Fall zu Fall angepasst oder derogiert werden, etwa aufgrund der örtlichen und persönlichen Verhältnisse des Einzelfalls (BGE 131 II 137 E. 2.3 S. 144; BGE 134 II 49 E. 7 S. 63).
Es hielt an diesem Stichdatum auch im Hinblick auf gewisse einschneidende Änderungen des An- und Abflugbetriebs fest, deren konkrete Gründe für die Grundeigentümer nicht vorhersehbar waren, wie z.B. der sprunghafte Anstieg der Südabflüge durch die Einführung der "4. Welle" der Swissair im Herbst 1996 (BGE 130 II 394 E. 12.1 S. 415 und E. 12.3.1-12.3.3 S. 420 ff.) und die starke Zunahme der Ostanflüge seit 2001 aufgrund der Beschränkungen des deutschen Luftraums (BGE 136 II 263 E. 7.3-7.5 und 8 S. 268 ff.). Es ging davon aus, dass die Entwicklung des Flugverkehrs auf den Landesflughäfen von einer Vielzahl von Faktoren politischer, wirtschaftlicher, technischer und betrieblicher Art abhänge und deshalb damit gerechnet werden müsse, dass einmal festgelegte Start- und Landerichtungen wieder abgeändert werden könnten (BGE 136 II 263 E. 7.3 und 7.4 S. 268 f.). Solche Änderungen führten nicht zur Unvorhersehbarkeit der Immissionen. Vielmehr müsse durch raumplanerische und umweltschutzrechtliche Massnahmen dafür gesorgt werden, dass die Anwohner des Flughafens vor schädlichen und lästigen Fluglärmimmissionen geschützt werden; hierfür müssten mindestens passive Schallschutzmassnahmen angeordnet werden (BGE 136 II 263 E. 8.4 S. 273; BGE 137 II 58 E. 7.2-7.4 S. 113 ff.).

3.2 ESchK und Bundesverwaltungsgericht wandten diese Rechtsprechung auch auf die ab 2003 eingeführten regelmässigen morgendlichen Südanflüge an, d.h. sie wiesen Entschädigungsansprüche für nach diesem Datum erworbene Grundstücke bzw. errichtete Bauten ab.
Die Beschwerdeführer machen dagegen insbesondere geltend, der Militärflugplatz Dübendorf habe einen Sperrriegel für Zivilflugzeuge gebildet, der regelmässige Südanflüge auf den Flughafen Zürich verunmöglicht habe. Auch wenn sie seit Bestehen des Flughafens
BGE 142 II 128 S. 135
Zürich quasi mit Sicht auf denselben gelebt hätten, seien sie durch eine faktische militärische Sperrzone von ihm getrennt gewesen. (...)

3.3. Die Beschwerdegegnerin wendet ein, die Betriebszeiten der Militärjets hätten sich auf 8.15-12.00 und 13.30-17.15 Uhr konzentriert; der Flugbetrieb habe an den Wochenenden sowie in den frühen Morgen- und Abendstunden geruht. In den betriebsfreien Zeiten sei es immer möglich gewesen, den Luftraum auch für zivile Flugzeuge zu nutzen. Dies sei auch gelegentlich praktiziert worden, z.B. bei der Sanierung der Piste 10/28 im Sommer 2000. Auch nach Einführung der Südabflüge im Sommer 2000 bzw. der Südanflüge im Oktober 2003 habe es (bis 2005) noch jährlich über 5'000 Militärjet-Starts (d.h. 10'000 Flugbewegungen) auf dem Militärflugplatz Dübendorf gegeben.
Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, dass im Militärflugbetrieb immer mit ausserordentlichen Einsätzen in speziellen Situationen gerechnet werden müsse, weshalb Flüge nicht nur zu "Bürozeiten" stattfänden.

3.4 [Zusammenfassung: keine Verletzung der Begründungspflicht]

3.5 Die Begründung ist auch in der Sache nicht zu beanstanden: Zwar gingen die Zürcher Richt- und Zonenplanung und das Betriebsreglement des Flughafens bis 2003 von einer Nordausrichtung des Flugbetriebs aus; dennoch bestand von vornherein aufgrund der Pistenausrichtung die Möglichkeit von Anflügen und Landungen aus südlicher Richtung (vgl. oben E. 3.1).
Der Betrieb des Militärflugplatzes Dübendorf schränkte zwar die Möglichkeit regelmässiger Südanflüge ein, war aber selbst eine wichtige Quelle von Fluglärm: Aufgrund der sehr lauten Militärjets wurden in der näheren Umgebung des Flugplatzes (wenn auch nicht in Gockhausen) sogar die Alarmwerte für Fluglärm überschritten (vgl. Urteile 1A.135/2000 vom 1. Mai 2001, in: Pra 2001 Nr. 146 S. 879 und URP 2001 S. 454; 1A.146/2000 vom 1. Mai 2001, in: URP 2001 S. 454 und RDAF 2002 I S. 367). In BGE 126 II 522 (E. 48e S. 594 f.) entschied das Bundesgericht, dass es sich beim zivilen und militärischen Fluglärm um gleichartige Einwirkungen handle, die summiert werden müssten, weshalb bei der Neuerstellung des Schallschutzkonzepts für den Flughafen Zürich die aus dem Betrieb des Militärflugplatzes Dübendorf hervorgehenden Lärmimmissionen mitzuberücksichtigen seien. Für die Bewohner von Dübendorf und Umgebung war somit vorhersehbar, dass sie zunehmendem Fluglärm ausgesetzt
BGE 142 II 128 S. 136
sein könnten, sei es vom Militärflugplatz Dübendorf (im Fall einer Zunahme des Militärflugbetriebs zulasten der Zivilluftfahrt), sei es durch den Flughafen Zürich (bei der umgekehrten Entwicklung), sei es durch beide gemeinsam (wie in den Jahren 2003-2005, nach Einführung der Südanflüge und vor Einstellung des Militärjetbetriebs). Der Militärflugbetrieb rechtfertigt es daher nicht, für die Gemeinden im Süden des Flughafens die Vorhersehbarkeit von Fluglärmimmissionen zu verneinen, auch wenn die konkret eingetretene Entwicklung nicht vorhersehbar war. (...)

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Erwägungen 2 3

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