Urteilskopf
150 III 34
4. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement gegen A.B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_391/2021 vom 8. Juni 2023
Regeste
Art. 32, 27 Abs. 1,
Art. 39, 40, 40a IPRG;
Art. 39 ZGB;
Art. 8 EMRK; Eintragung einer ausländischen Zivilstandsurkunde, Angabe des Geschlechts.
Die Angabe des Geschlechts im schweizerischen Personenstandsregister kann nicht gestützt auf eine in Deutschland abgegebene Erklärung über die Streichung der Geschlechtsangabe aufgehoben werden (E. 3).
A.a C.B., geboren 1989 in U./AG, mit Bürgerort V./AG, hat Wohnsitz in W./Deutschland.
A.b Am 30. April 2019 gab C.B. vor dem Standesamt W. die Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung gemäss § 45b des deutschen Personenstandsgesetzes vom 19. Februar 2007 (nachfolgend: dt. PStG) ab und legte dabei die ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Variante der Geschlechtsentwicklung vor (§ 45b Abs. 3 dt. PStG). C.B. erklärte die Streichung der Geschlechtsangabe (nach Erklärung: "leer") und die Änderung des Vornamens (nach Erklärung: "A."). Die Erklärung gemäss § 45b dt. PStG wurde am gleichen Tag vom Standesamt beurkundet.
BGE 150 III 34 S. 35
A.c Am 2. Juni 2020 gelangte A.B. an die Schweizerische Botschaft in W. und beantragte, dass die in Deutschland nach deutschem Recht vorgenommene Streichung des Geschlechtseintrages sowie der neue amtliche Vorname von der Schweiz anerkannt werde. Das Gesuch wurde an das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) des Kantons Aargau, als kantonale Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen, übermittelt.
A.d Am 18. November 2020 verfügte das DVI, dass die in Deutschland abgegebene Erklärung mit Bezug auf die Streichung der Geschlechtsangabe "nicht anerkannt und im schweizerischen Personenstands- sowie Geburtsregister nicht eingetragen bzw. gestrichen" wird (Dispositiv-Ziff. 1), d.h., dass die Geschlechtsangabe im schweizerischen Register nicht gestrichen wird. Hingegen wurde die Erklärung über die Änderung des Vornamens in "A." anerkannt und die entsprechende Eintragung im Personenstandsregister angeordnet (Dispositiv-Ziff. 2).
B.a A.B. erhob Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau und beantragte die Aufhebung der Dispositiv-Ziff. 1 der Verfügung des DVI und die Anerkennung und Eintragung gemäss Erklärung bzw. die Streichung der Geschlechtsangabe im schweizerischen Personenstands- und Geburtsregister.
B.b Mit Entscheid vom 29. März 2021 hiess das Obergericht die Beschwerde gut. Es hob die Dispositiv-Ziff. 1 der Verfügung des DVI vom 18. November 2020 auf und ordnete in Anerkennung der vor dem Standesamt W. abgegebenen Erklärung die Streichung der Geschlechtsangabe im schweizerischen Personenstands- und Geburtsregister an.
C. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), handelnd durch das Bundesamt für Justiz (BJ), hat mit Eingabe vom 11. Mai 2021 Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Das BJ verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und die Bestätigung von Dispositiv-Ziff. 1 der Verfügung des DVI vom 18. November 2020. Somit wird beantragt, dass die in Deutschland abgegebene Erklärung mit Bezug auf die Streichung der Geschlechtsangabe nicht anerkannt werde und im schweizerischen Personenstands- sowie Geburtsregister nicht eingetragen bzw. gestrichen werde (Dispositiv-Ziff. 1), d.h. die Geschlechtsangabe im schweizerischen Register nicht gestrichen werde.
(...)
BGE 150 III 34 S. 36
Über die vorliegende Beschwerde wurde an der öffentlichen Sitzung vom 8. Juni 2023 entschieden.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)
Aus den Erwägungen:
3. Anlass zur Beschwerde ist der Entscheid des Obergerichts, welches in Anerkennung einer vor dem Standesamt W. abgegebenen Erklärung die Streichung der Geschlechtsangabe im schweizerischen Personenstands- und Geburtsregister angeordnet hat.
3.1 Gemäss
Art. 32 IPRG (SR 291) wird eine ausländische Entscheidung oder Urkunde über den Zivilstand aufgrund einer Verfügung der kantonalen Aufsichtsbehörde in die Zivilstandsregister eingetragen (Abs. 1). Die Eintragung wird bewilligt, wenn die Voraussetzungen der
Art. 25-27 IPRG betreffend Anerkennung und Vollstreckbarerklärung erfüllt sind (Abs. 2).
3.1.1 Gemäss
Art. 40a IPRG sind mit Bezug auf das Geschlecht die
Art. 37-40 IPRG, d.h. die Bestimmungen für den Namen, sinngemäss anwendbar. Massgebend ist daher
Art. 39 IPRG, welcher die Anerkennung der im Ausland erfolgten Geschlechtsänderungen regelt: Eine im Ausland erfolgte Geschlechtsänderung wird in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Wohnsitz- oder Heimatstaat des Gesuchstellers gültig ist. Sodann wird das Geschlecht nach den schweizerischen Grundsätzen über die Registerführung in die Zivilstandsregister eingetragen (
Art. 40 IPRG).
3.1.2 Das vorliegende Verfahren mit dem Begehren um Anerkennung und Eintragung der in Deutschland erfolgten Personenstandseintragung wurde vor dem 1. Januar 2022 hängig gemacht. Erst seit diesem Datum gilt die ausdrückliche gesetzliche Verweisung von
Art. 40a IPRG, welche durch die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 18. Dezember 2020 betreffend Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister eingefügt wurde (AS 2021 668) und keine besondere Übergangsregelung vorsieht (vgl. Botschaft vom 6. Dezember 2019 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister], BBl 2020 838 Ziff. 8.1.1, 845 Ziff. 8.2). Für Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung, die beim Inkrafttreten des IPRG oder einer IPRG-Revision (vgl.
BGE 145 III 109 E. 4.2) hängig waren, ist unabhängig vom Verfahrensstadium das neue Recht massgebend
BGE 150 III 34 S. 37
(
Art. 199 IPRG; GEISER/JAMETTI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2021, N. 1 und 5 f. zu
Art. 199 IPRG). Für die umstrittene Eintragung sind vorliegend
Art. 39 und Art. 40 IPRG sinngemäss anwendbar.
3.1.3 Nicht ersichtlich ist, dass die Anerkennung nach früherem Recht leichter war. Das Problem einer nachträglich weggefallenen Anerkennbarkeit (vgl.
BGE 145 III 109 E. 5.6) stellt sich nicht. Bereits vor der Einführung von
Art. 40a IPRG wurde betreffend Geschlecht die Anwendung von
Art. 39 IPRG vorgeschlagen (u.a. BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano [nachfolgend: Commentaire romand], 2011, N. 8 zu
Art. 33 IPRG). Der Vorschrift von
Art. 32 IPRG kommt im Übrigen seit jeher Rahmencharakter zu: Es sind die Zuständigkeitsvorschriften ausländischer Behörden zu beachten (
Art. 26 lit. a IPRG); der Ordre public ist vorbehalten (
Art. 27 Abs. 1 IPRG), und es sind die einschlägigen Vorschriften betreffend die Organisation und Führung der Zivilstandsregister (
Art. 40 IPRG) heranzuziehen (DÄPPEN/ MABILLARD, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2021, N. 1 zu
Art. 32 IPRG), woran die Bestimmung von
Art. 40a IPRG an sich nichts geändert hat.
3.2 Die in der Zivilstandsurkunde vom 30. April 2019 aufgrund einer Erklärung erwirkte Eintragungsverfügung des Standesamtes W. zur Geschlechtsangabe bzw. deren Streichung ist in Deutschland, dem Wohnsitzstaat der beschwerdegegnerischen Person, unbestrittenermassen gültig (Art. 39 i.V.m.
Art. 40a IPRG). Umstritten sind hingegen die Vereinbarkeit der Eintragung mit den schweizerischen Grundsätzen über die Registerführung (Art. 40 i.V.m.
Art. 40a IPRG) und der Einsatz des Ordre public-Vorbehalts (
Art. 27 Abs. 1 IPRG).
3.3 Mit der Frage der Änderung und Angabe des Geschlechts in internationalen Verhältnissen haben sich teilweise Rechtspraxis und Lehre befasst.
3.3.1 In
BGE 143 III 284 hat sich das Bundesgericht letztmals mit der Eintragung des Geschlechts in das Zivilstandsregister befasst, wobei es jedoch um eine Geschlechtsänderung (Eintragung weiblich statt männlich) ging. Bewilligungen zur Eintragung ausländischer Entscheidungen über ein drittes Geschlecht oder die Streichung der Angabe des Geschlechts - wie dies in einigen Staaten schon länger möglich ist - sind soweit ersichtlich weder vor Bundesgericht noch vor anderen kantonalen Instanzen zur Beurteilung gestanden. Eine
BGE 150 III 34 S. 38
eigentliche Praxis hat sich noch nicht herausgebildet (SIEGENTHALER, Das Personenstandsregister, 2013, S. 92 Rz. 277) bzw. ist nicht dokumentiert.
3.3.2 Nach Auffassung in der Lehre kann die Nachbeurkundung eines im Ausland gültig erfolgten Eintrages eines dritten Geschlechts oder einer Nichtangabe des Geschlechts nicht mit Hinweis auf die schweizerischen Grundsätze über die Registerführung (im Sinne von
Art. 40 IPRG) verweigert werden, da eigentliche registertechnische Hindernisse nicht bestehen würden. Der materielle schweizerische Ordre public (
Art. 27 Abs. 1 IPRG) stehe der Nichtangabe nicht entgegen, wenn eine ausländische Rechtsordnung bzw. Entscheidung mit Bezug auf das Geschlecht der "innerlich festen Überzeugung" - wie sie auch
Art. 30b ZGB bekannt sei - eine weitergehende Bedeutung zumesse (DUTOIT/BONOMI, Droit international privé suisse, 6. Aufl. 2022, N. 5 zu
Art. 40a IPRG; GROLIMUND/SCHNYDER, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2022, S. 68 f.; BUCHER, L'accueil du troisième sexe, Jusletter 24. Januar 2022 Rz. 43 ff.; LOACKER/ CAPAUL, Anmerkungen zur Verfügung des Departements Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau vom 18. November 2020, Z154/20.1686, sowie zum dazu ergangenen Entscheid des Obergerichts Aargau vom 29. März 2021, ZBE.2020.8, FamPra.ch 2021 S. 771 ff., insb. Ziff. 9 f., 13 f., 17; MONTINI, Garçon ou fille? Tertium non datur?, in: Brennpunkt Familienrecht, Festschrift für Thomas Geiser [...], Fankhauser/Reusser/Schwander [Hrsg.], 2017, S. 424-428).
3.4 Fest steht, dass die beschwerdegegnerische Person - in der Schweiz geboren und mit Schweizer Bürgerrecht - im schweizerischen Personenstandsregister mit dem Geschlecht "weiblich" eingetragen ist. Zu prüfen ist, ob die in der Zivilstandsurkunde vom 30. April 2019 aufgrund der Erklärung festgesetzte Entscheidung des Standesamtes W. über die Streichung der Geschlechtsangabe im Einklang mit den schweizerischen Grundsätzen über die Registerführung nachbeurkundet werden kann.
3.4.1 Art. 40 IPRG bezweckt die einheitliche Führung des schweizerischen Zivilstandsregisters; aus diesem Grund wird für alle Eintragungen in das schweizerische Zivilstandsregister die Anwendung der schweizerischen Grundsätze über die Registerführung vorbehalten (MÜLLER-CHEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 3. Aufl. 2018, N. 1 zu
Art. 40 IPRG; vgl. Botschaft vom 10. November 1982 zum
BGE 150 III 34 S. 39
Bundesgesetz über das internationale Privatrecht [IPR-Gesetz], BBl 1983 I 336 Ziff. 225.3). Korrekturen, die durch die Erfordernisse der Registerführung vorgenommen werden, müssen im Hinblick auf (1.) den Zweck der Eintragung definiert werden, wobei sich die Eintragung auf (2.) die Elemente des Personenstandes, wie sie sich aus dem Gesetz ergeben, beziehen muss (vgl. BUCHER, Commentaire romand, a.a.O., N. 3 ff. zu
Art. 40 IPRG).
3.4.2 Die Elemente des Personenstandes werden im schweizerischen Recht in
Art. 39 ZGB ("Register") geregelt und in nicht abschliessender Form aufgezählt (Abs. 2): Dazu gehört neben Name, Angaben zu rechtlichen Beziehungen (wie Ehe, Kindesverhältnis) auch das Geschlecht, auch wenn es sich nicht ausdrücklich aus dem Gesetz ergibt (STEINAUER/FOUNTOULAKIS, Droit des personnes physiques et de la protection de l'adulte, 2014, S. 342 Rz. 767 f.; GRAF-GAISER/ MONTINI, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 7. Aufl. 2022, N. 2 zu
Art. 39 ZGB), sondern in
Art. 8 lit. d der Zivilstandsverordnung vom 28. April 2004 (ZStV; SR 211.112.2) genannt wird. Der Status einer Person ist ihre rechtliche Situation innerhalb der notwendigen Gemeinschaften - Familie und Staat - und der Zivilstand regelt verschiedene entscheidende Aspekte des Rechtslebens (STEINAUER/FOUNTOULAKIS, a.a.O.). Mit Bezug auf das Geschlecht wird dies für die Elternschaft deutlich (vgl. BÜCHLER/COTTIER, Transgender, Intersex und Elternschaft in der Schweiz und im Rechtsvergleich, FamPra.ch 2020 S. 886 f.), ebenso bei den Ausweisen für schweizerische Staatsangehörige, welche die Angabe des Geschlechts - gemäss Personenstandsregister - enthalten müssen (vgl. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 lit. c und Art. 11 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2001 über die Ausweise für Schweizer Staatsangehörige [AwG; SR 143.1]; Art. 10 Abs. 1 der Verordnung vom 20. September 2002 über die Ausweise für Schweizer Staatsangehörige [VAwG; SR 143.11]), oder mit Bezug auf die Pflicht zum Militär- oder Ersatzdienst (
Art. 59 Abs. 1 und 2 BV). Der Zweck der Angabe des Geschlechts erlaubt nach geltendem Recht weder die Eintragung eines dritten Geschlechts noch die Möglichkeit, auf einen Eintrag zu verzichten (BÜCHLER/ COTTIER, a.a.O., S. 877).
3.4.3 Mit der Einführung von
Art. 40a IPRG hat sich am geltenden Rechtszustand nichts geändert. In internationalen Verhältnissen wurde die Anerkennung eines dritten Geschlechts oder der Verzicht auf eine Geschlechtsangabe im Zivilstandsregister ausdrücklich nicht beabsichtigt, genauso wenig wie in Binnenverhältnissen mit Bezug
BGE 150 III 34 S. 40
auf
Art. 30b ZGB (Botschaft vom 6. Dezember 2019, a.a.O., BBl 2020 847 f. Ziff. 8.2, 811 Ziff. 2 und 814 Ziff. 3.2). In der Botschaft wird die Anwendung der schweizerischen Grundsätze der Registerführung in Bezug gesetzt zur Nachbeurkundung von Namen und dabei hervorgehoben, dass sich die betreffenden Grundsätze nicht bloss auf das Formale bzw. Technische, sondern auch auf das Objekt beziehen können. So wie nur bestimmte Kategorien von Namen (wie Familiennamen, Vornamen) einzutragen sind (Botschaft vom 6. Dezember 2019, a.a.O., BBl 2020 847 f. Ziff. 8.2), so sind in sinngemässer Anwendung lediglich bestimmte Kategorien von Geschlechtern einzutragen. Eine im Ausland erfolgte Änderung der Angabe zum Geschlecht soll nur im Rahmen der hier bekannten Geschlechterkategorien anerkannt werden können (Botschaft vom 6. Dezember 2019, a.a.O., BBl 2020 847 f. Ziff. 8.2).
3.4.4 Diese Sichtweise wird in der parlamentarischen Debatte bestätigt. Wohl wurde ein Minderheitsantrag, eine binäre Begrenzung (in
Art. 30b ZGB) aufzunehmen ("mit dem anderen Geschlecht einzutragen"), abgelehnt (AB 2020 N 1834), wie in der Beschwerdeantwort zu Recht erwähnt wird. Laut den Beratungen soll jedoch einstweilen die geltende Geschlechterordnung (männlich und weiblich) beibehalten werden und sei der Verzicht auf einen Geschlechtseintrag unzulässig; eine Änderung soll gerade den eidgenössischen Räten in einer späteren, entscheidenden Diskussion vorbehalten sein (Votum Bundesrätin Keller-Sutter, AB 2020 S 499, sowie Votum Rieder für die Kommission, AB 2020 S 495, 499; Votum Hurni für die Kommission, AB 2020 N 1822, 1832; Votum Walder, AB 2020 N 1824). Eine gesetzgeberische Entscheidung soll insbesondere nicht vor Verabschiedung des Berichts erfolgen, den der Bundesrat gestützt auf die Postulate 17.4121 Arslan (Drittes Geschlecht im Personenstandsregister) und 17.4185 Ruiz (Einführung einer dritten Geschlechtsidentität; Folgen für die Rechtsordnung und für Infostar) zu erstellen habe. Es ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Einführung von
Art. 30b ZGB und
Art. 40a IPRG - damit auch in internationalen Verhältnissen - vorerst am bestehenden binären Geschlechtermodell (Mann-Frau) festhalten wollte (GROLIMUND/ SCHNYDER, a.a.O., mit Kritik).
3.4.5 Die beschwerdegegnerische Person kann aus der Formulierung in der Botschaft vom 6. Dezember 2019 (a.a.O., S. 847 f. Ziff. 8.2), wonach Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit allenfalls ("in
BGE 150 III 34 S. 41
Zukunft", gestützt auf bloss "technische Anpassungen") ohne Geschlechtsangabe aufgenommen werden könnten, nichts für sich ableiten. Übergangen wird dabei, dass sie selber als Person mit schweizerischer Staatsangehörigkeit (und Geburtsort in der Schweiz) bereits aufgenommen wurde, und es hier nicht darum geht, dass eine ausländische Person im Zusammenhang mit einem in der Schweiz zu beurkundenden Zivilstandsereignis (wie aufgrund der Geburt eines Kindes) in das schweizerische Register neu aufzunehmen ist.
3.4.6 Das BJ beanstandet daher zu Recht, dass das Obergericht die Nachbeurkundung der im Ausland erfolgten Streichung der Geschlechtsangabe nicht abgelehnt hat. Entgegen der Auffassung der beschwerdegegnerischen Person leidet das Gesetz, auch wenn es nach der Lehre wenig überzeugend oder unbefriedigend erscheinen mag, in Art. 40 i.V.m.
Art. 40a IPRG nicht an einer eigentlichen Lücke, die das Bundesgericht zu füllen hätte. Wenn der Gesetzgeber sich entschlossen hat, dass die geltende Geschlechterordnung (männlich und weiblich) beizubehalten und auch der Verzicht auf einen Geschlechtseintrag im Register unzulässig sei, kann das Bundesgericht nicht ohne den Grundsatz der Gewaltenteilung zu verletzen von einer dem Willen des Gesetzgebers entsprechenden Auslegung abweichen und diese durch eine extensive Auslegung der fraglichen Bestimmung ersetzen (
BGE 146 III 169 E. 4.2.2.5). Es ist Sache des Gesetzgebers, die rechtliche Regelung zu ändern. Das Obergericht hat - wie sich aus der Einführung von
Art. 40a IPRG ergibt - den Zweck der Eintragung, die binäre Angabe des Geschlechts, und damit schweizerische Grundsätze der Registerführung unrichtig angewendet. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist die Weiterführung der bisherigen Geschlechtsangabe (Mann oder Frau) im Register einstweilen hinzunehmen.
3.5 Die beschwerdegegnerische Person macht geltend, dass eine derartige Durchsetzung der schweizerischen Grundsätze über die Registerführung sich mit dem Einsatz des Ordre public-Vorbehaltes überschneide (wie u.a. GROLIMUND/SCHNYDER, a.a.O., kritisch bemerken). Von einem offensichtlichen Verstoss gegen den Ordre public im Sinne von Art. 27 Abs. 1 (i.V.m. Art. 32 Abs. 2) IPRG könne indes nicht gesprochen werden. Demgegenüber hält das BJ fest, dass die Frage des Ordre public-Verstosses offenbleiben könne, weil die Anerkennung und Eintragung bzw. Streichung des Geschlechtseintrages gemäss
Art. 32 IPRG bereits aus anderen Gründen entfalle;
BGE 150 III 34 S. 42
in seiner Eventualbegründung besteht das BJ auf dem Ordre public-Charakter der Geschlechtsangabe.
3.5.1 Zutreffend ist, wenn das Obergericht festgehalten hat, dass die erwähnten Postulate 17.4121 Arslan und 17.4185 Ruiz vom Bundesrat am 14. Februar 2018 befürwortet und vom Nationalrat am 17. September 2018 angenommen wurden. Der Bundesrat hat mittlerweile einen Bericht zu den beiden Postulaten am 21. Dezember 2022 verabschiedet. Darin wird festgehalten, dass die Binarität der Geschlechter nicht nur ein rechtliches Konzept, sondern vor allem ein gesellschaftliches sei und der betreffende Grundsatz fest verankert sei; der Bundesrat erachtet die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Geschlechts oder die Einführung eines dritten Geschlechts heute für nicht gegeben (Einführung eines dritten Geschlechts oder Verzicht auf den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister - Voraussetzung und Auswirkungen auf die Rechtsordnung, Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Postulate 17.4121 Arslan vom 13.12.2017 und 17.4185 Ruiz vom 14.12.2017 [nachfolgend: Bericht des Bundesrates], S. 18 Ziff. 6).
3.5.2 Nach der Rechtsprechung können sich die schweizerischen Grundsätze über die Registerführung und der Ordre public-Vorbehalt überschneiden. So wird die Eintragung von Adelstiteln verweigert, weil deren Führung als mit dem schweizerischen Ordre public unvereinbar gilt (
BGE 102 Ib 245 E. 2;
BGE 120 II 276 E. 3b). Hingegen lässt sich nach der Rechtsprechung ein offensichtlicher Ordre public-Verstoss im Sinne von
Art. 27 Abs. 1 IPRG - Unvereinbarkeit mit den hiesigen rechtlichen und ethischen Werturteilen schlechthin (
BGE 141 III 328 E. 5.1) - nicht ohne weiteres begründen, wenn wie hier der Bundesrat durch die Annahme der erwähnten Postulate beauftragt wird, die umstrittene Frage zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob ein Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen ist (vgl.
BGE 141 III 312 E. 5.2).
3.5.3 Wie das BJ zutreffend festhält, ist die Frage des Ordre public-Verstosses nicht weiter zu erörtern, weil besondere - im Besonderen Teil des IPRG aufgestellte - Voraussetzungen für die Eintragung bzw. Streichung des Geschlechtseintrages nicht erfüllt sind.
Art. 40 IPRG konnte bereits früher als besonderer Vorbehalt verstanden werden (SANDOZ, Le diplôme de la baronne, in: Mélanges en l'honneur de Pierre Moor, Bovay/Nguyen [Hrsg.], 2005, S. 498 f., betreffend Name). Mit der Anwendung von
Art. 40 IPRG, wie sie
BGE 150 III 34 S. 43
der Gesetzgeber durch die Einführung von
Art. 40a IPRG nunmehr ausdrücklich vorgesehen hat (Botschaft vom 6. Dezember 2019, a.a.O., BBl 2020 848 Ziff. 8.2 a.E.), kommt ein besonderer Vorbehalt zum Zug, wenn es um die Anerkennung und Nachbeurkundung einer im Ausland erfolgten Änderung der Angaben zum Geschlecht geht (so auch die Weisung des Eidgenössischen Amtes für das Zivilstandswesen [EAZW] Nr. 10.22.01.01 vom 1. Januar 2022, Änderung des im Personenstandsregister eingetragenen Geschlechts, Ziff. 7). Der Verzicht einer Geschlechtsangabe ist nach der schweizerischen Rechtsordnung für eine in der Schweiz geborene Person mit schweizerischer Staatsangehörigkeit unbekannt und im Register nicht möglich. Es fehlt somit ein - gemäss Gesetzesentstehung - notwendiges registerrechtliches Objekt (E. 3.4.3) und damit an einer Voraussetzung, um den im Ausland erwirkten Verzicht der Geschlechtsangabe zu berücksichtigen. Es gibt daher keinen Anlass, den Ordre Public-Vorbehalt weiter zu erörtern.
3.6 Die beschwerdegegnerische Person beruft sich (wie im kantonalen Verfahren) auf
Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. ihren Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens und macht geltend, dass die staatliche Pflicht zur Eintragung als männlich oder weiblich gegen die von der Garantie geschützte geschlechtliche Identität und Selbstbestimmung verstosse.
3.6.1 In der Beschwerdeantwort wird auf verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hingewiesen, welche den Schutz der geschlechtlichen Identität und Selbstbestimmung betreffen. Laut den Vorbringen gebe es keinen hinreichenden Grund nach
Art. 8 Ziff. 2 EMRK, um den garantierten Anspruch auf individuelle Geschlechtsidentität durch die Pflicht zu einem binären Geschlechtseintrag einzuschränken. Die beschwerdegegnerische Person beruft sich insbesondere auf den - bereits von der Vorinstanz angeführten - Entscheid des österreichischen Verfassungsgerichtshofes (Entscheid G 77/2018-9 vom 15. Juni 2018 insb. Ziff. 4.3 und 6.3.1), welcher in der Pflicht zur Eintragung im Register als männlich oder weiblich eine Verletzung von
Art. 8 EMRK erblickt hat.
3.6.2 In den Konventionsstaaten bestehen verschiedene Regelungen und Gerichtsentscheidungen. Die überwiegende Mehrheit der ausländischen Rechtssysteme beruht - wie dasjenige der Schweiz - auf dem Grundsatz der binären Geschlechterordnung, wobei in jüngerer
BGE 150 III 34 S. 44
Zeit die Grundlage in verschiedenen Rechtsordnungen in Frage gestellt wird (vgl. u.a. Botschaft vom 6. Dezember 2019, a.a.O., BBl 2020 819 ff. Ziff. 4.2 und 4.3; Bericht des Bundesrates, a.a.O., Anhang 1, S. 19).
3.6.3 Nach der belgischen Cour constitutionelle (Urteil 99/2019 vom 19. Juni 2019 Ziff. B.6.6) ist im Lichte von
Art. 8 Ziff. 2 EMRK sachlich nicht gerechtfertigt, dass Personen mit einer nichtbinären Geschlechtsidentität im Gegensatz zu Personen mit einer binären Geschlechtsidentität verpflichtet werden, eine Registrierung in ihrer Geburtsurkunde hinzunehmen, die nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt (im gleichen Sinn bereits das Urteil 1 BvR 2019/ 16 des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017). Hingegen hat der Supreme Court des Vereinigten Königreichs (Urteil [2021] UKSC 56 vom 15. Dezember 2021 Ziff. 59 ff.) die Beschwerde einer Person ohne eindeutiges Geschlecht, die in Dokumenten (Reisepass) nicht als "männlich" oder "weiblich" eingestuft werden möchte, sondern den Eintrag "X" verlangte, nach Prüfung der Vereinbarkeit mit
Art. 8 EMRK abgewiesen. Ebenso kennt die Rechtsordnung Italiens weder die Eintragung eines dritten Geschlechts noch ein Offenlassen des Geschlechtseintrages (AZZARRI, Identità sessuale e stato civile, 2018, S. 442 ff.).
3.6.4 Der EGMR kam im Urteil
B. gegen Frankreich (Nr. 13343/87, vom 25. März 1992 § 63) in einem Fall hinsichtlich der Anerkennung der Transsexualität von Personen zum Schluss, dass eine Verletzung von
Art. 8 EMRK vorlag und die Behörden das Personenstandsregister ihren Wünschen entsprechend zu ändern hatten. Mit der Frage, ob die Pflicht zur binären Eintragung des Geschlechts im Register eine Konventionsverletzung darstellt, hat sich der EGMR vor Kurzem in einer Beschwerde gegen Frankreich befasst, nach dessen Cour de cassation (Urteil Nr. 16-17.189 vom 4. Mai 2017) nicht erlaubt ist, in den Zivilstandsurkunden ein anderes Geschlecht als das männliche oder weibliche auszuweisen. Im Urteil
Y. gegen Frankreich, Nr. 76888/17, vom 31. Januar 2023 hat der EGMR eine Verletzung von
Art. 8 EMRK verneint (§ 92). Wenn sich der EGMR mit rechtspolitischen Fragen befassen muss, orientiert er sich an einem Konsens der Konventionsstaaten und ist zurückhaltend, bevor er in Ermangelung eines solchen Konsenses eingreift (Urteil
Y., § 77; vgl. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 3. Aufl. 2020, Rz. 259 f.). Der staatliche Ermessensbereich ist einerseits enger im Bereich des individuellen
BGE 150 III 34 S. 45
Sexuallebens und andererseits grösser, wo ein gesellschaftlicher Wandel möglich ist (vgl. VILLIGER, a.a.O., Rz. 652; vgl. Urteil des EGMR
Goodwin gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 28957/95, vom 11. Juli 2002 § 91). Unabhängig davon, ob das Erfordernis der Angabe des Geschlechts als Eingriff zu rechtfertigen ist oder die Möglichkeit zur Streichung der Geschlechtsangabe als staatliche Pflicht gefordert wird, ist jedoch ein angemessener Ausgleich der Interessen vorzunehmen.
3.6.5 Im konkreten Fall geht es nicht um Transsexualität, sondern es steht fest, dass für die beschwerdegegnerische Person eine (gemäss § 45b Abs. 3 dt. PStG vor dem deutschen Standesamt nachgewiesene) Variante der Geschlechtsentwicklung (Intersexualität) vorliegt (vgl. Botschaft vom 6. Dezember 2019, a.a.O., BBl 2020 805 Ziff. 1.1).
Die personenstandsrechtliche Erfassung einer intersexuellen Person ist jedenfalls ein Aspekt von
Art. 8 Ziff. 1 EMRK. Im Urteil
Y. gegen Frankreich hält der EGMR fest, dass ein wesentlicher Aspekt der Intimsphäre der Person im Mittelpunkt steht, da es um die Geschlechtsidentität geht und - wie hier von der beschwerdegegnerischen Person - eine Diskrepanz zwischen der biologischen und rechtlichen Identität zum Vorwurf gemacht wird. Der EGMR erinnert daran, dass "der Begriff der persönlichen Autonomie einen wichtigen Grundsatz widerspiegelt, welcher der Auslegung der Garantien von
Art. 8 EMRK zugrunde liegt", und dass das Recht auf sexuelle Identität und persönliche Entfaltung ein grundlegender Aspekt des Rechts auf Achtung des Privatlebens ist (Urteil
Y., § 75). Sodann ist das Recht auf geschlechtliche Identität durch
Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 BV geschützt (BÜCHLER/COTTIER, a.a.O., S. 875; DIGGELMANN, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 14 zu
Art. 13 BV; TSCHENTSCHER, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 35 zu
Art. 10 BV; HERTIG RANDALL/MARQUIS, in: Commentaire romand, Constitution fédérale, 2021, N. 82 zu
Art. 10 BV, N. 21 zu
Art. 13 BV).
Die in den schweizerischen Grundsätzen über die Registerführung verlangte Dualität der Angaben zum Geschlecht im Personenstandsregister ist jedoch im Gesetz vorgesehen und verfolgt ein erhebliches, im Allgemeininteresse stehendes Ziel, da sie insbesondere für die rechtliche Organisation notwendig ist und sie deren grundlegendes Element darstellt. Die Anerkennung und Eintragung eines dritten Geschlechts bzw. die Streichung der Geschlechtsangabe hätte weitreichende Auswirkungen auf die Regeln des schweizerischen Rechts,
BGE 150 III 34 S. 46
die auf der Binarität der Geschlechter aufgebaut sind (E. 3.4.2), und würde zahlreiche koordinierende Gesetzesänderungen erforderlich machen (vgl. Bericht des Bundesrates, a.a.O., S. 12 ff. Ziff. 4.2). Anders als mit Bezug auf die rechtliche Anerkennung der Transsexualität, wo ein Konsens in den Staaten in der europäischen Gesellschaft besteht (Urteil
Goodwin, § 84 f.), fehlt es mit Bezug auf die Einführung eines dritten Geschlechts oder zum Verzicht auf die Geschlechtsangabe - wie im Urteil
Y., § 77 dargelegt - an einem hinreichend klaren Konsens. Der EGMR hat unter Berücksichtigung der Allgemeininteressen und des Gewaltenteilungsprinzips eine Verletzung staatlicher Handlungspflichten zur Gewährleistung der Garantie von
Art. 8 EMRK verneint (Urteil
Y., § 89, 92). Vorliegend hat der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung (
Art. 30b ZGB) und der Einführung von
Art. 40a IPRG in internationalen Verhältnissen am bestehenden binären Geschlechtermodell (Mann-Frau) einstweilen festgehalten. Es ist nicht ersichtlich, dass mit
Art. 8 EMRK unvereinbar sein soll, wenn eine neue Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen dem Gesetzgeber vorbehalten wird.
3.7 Nach dem Dargelegten ist entgegen der Auffassung des Obergerichts mit Bundesrecht nicht vereinbar, wenn es die beantragte Nachbeurkundung der im Ausland erfolgten Streichung der Angabe des Geschlechts im schweizerischen Personenstands- und Geburtsregister erlaubt hat.
3.7.1 Diese Lösung ist für das Bundesgericht aufgrund von
Art. 190 BV verbindlich. Den Bundesgesetzen kann die Anwendung nicht versagt werden. Zwar handelt es sich dabei um ein Anwendungsgebot und kein Prüfungsverbot, und es kann sich rechtfertigen, vorfrageweise die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes zu prüfen. Wird eine solche festgestellt, muss das Gesetz dennoch angewendet werden, und das Bundesgericht kann lediglich den Gesetzgeber einladen, die fragliche Bestimmung zu ändern (
BGE 140 I 305 E. 5).
3.7.2 Ob ein wirksamer Schutz der (in E. 3.6.5) erwähnten Grundrechte (
Art. 35 Abs. 1 BV) voraussetzt, dass der Staat den Personen, welche sich - wie die beschwerdegegnerische Person (gestützt auf einen medizinischen Nachweis einer Variante der Geschlechtsentwicklung, vgl. E. 3.6.5) - nicht mit dem binären System identifizieren können, die Möglichkeit bieten muss, sich für eine andere Alternative zu entscheiden (in diesem Sinne HERTIG RANDALL/MARQUIS, a.a.O., N. 82 zu
Art. 10 BV, mit Hinweis auf die zitierte Rechtsprechung der Verfassungsgerichte Deutschlands, Österreichs
BGE 150 III 34 S. 47
und Belgiens), bedarf zur Zeit keiner Erörterung. Die Frage, ob das Bundesgericht den Gesetzgeber einzuladen hat, die fraglichen Bestimmungen zu ändern, könnte sich in einem künftigen Fall stellen. Der EGMR weist darauf hin, dass angesichts der schwierigen Lage der Betroffenen die Notwendigkeit angemessener gesetzlicher Massnahmen ständig zu überprüfen ist, insbesondere unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Entwicklung (Urteil
Y., § 91).