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Intestazione

150 V 188


17. Auszug aus dem Urteil der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen AXA Versicherungen AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_434/2023 / 8C_436/2023 vom 10. April 2024

Regesto

Art. 3 cpv. 2, 3 e 5, art. 77 LAINF; art. 7 cpv. 1 lett. b, art. 100 cpv. 1 OAINF; reiterato infortunio; termine della copertura assicurativa in caso di sospensione retroattiva delle prestazioni.
La sospensione retroattiva delle prestazioni provvisorie non fa decadere il diritto alle prestazioni già corrisposte, in assenza di un titolo di riesame. Di conseguenza, la copertura assicurativa contro gli infortuni mantenuta attraverso i pagamenti delle indennità giornaliere permane nonostante la sospensione retroattiva delle prestazioni (consid. 7.3.5).

Fatti da pagina 189

BGE 150 V 188 S. 189

A. Die 1973 geborene A. (Versicherte) war seit dem 26. Oktober 2018 in ihrer angestammten Tätigkeit als Mitarbeiterin Service Restaurant zu 100 % arbeitsunfähig und bezog seit dem 25. November 2018 Taggeldleistungen der Krankentaggeldversicherung. Vom 15. Dezember 2020 bis zum 12. September 2021 war sie im Rahmen einer Integrationsmassnahme der Invalidenversicherung im Zentrum B. tätig und dadurch bei der AXA Versicherungen AG (im Folgenden: AXA) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Ab 1. November 2019 hatte sie zudem Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung und von Februar 2020 bis zum 15. Juli 2022 war sie im Rahmen einer Zwischenverdiensttätigkeit als Mitarbeiterin Mittagstisch bei der Privatschule C. angestellt (Pensum von 15 Stunden pro Woche). Als Arbeitslose war A. bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) und aufgrund der Tätigkeit bei der Privatschule bei der Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft AG (im Folgenden: Helvetia) obligatorisch unfallversichert.
Am 8. August 2021 stürzte A. bei einem Spaziergang mit ihrem Hund auf die rechte Schulter, als dieser ruckartig gezogen hatte. Im Spital D. wurde eine Schulterdistorsion rechts mit SLAP-II-Läsion diagnostiziert. Die AXA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Taggeld und Heilbehandlung). Ab 1. Oktober 2021 bestand eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit (letzter Arbeitstag bei der Privatschule C. am 30. September 2021). Aufgrund persistierender Beschwerden unterzog sich A. am 1. Februar 2022 einer Schulterarthroskopie mit Bizepstenotomie und subakromialer Dekompression mit Akromioplastik.
Am 9. März 2022 erlitt A. einen weiteren Unfall mit dem Auto, wobei die beteiligte E-Bike-Fahrerin verstarb. Dabei kam es zu einer Verschlimmerung der Schulterbeschwerden rechts sowie zu
BGE 150 V 188 S. 190
psychischen Problemen. Mit E-Mail vom 25. Mai 2022 teilte die AXA der Versicherten mit, dass sie für den neuen Unfall zuständig sei, da sie aufgrund des ersten Unfalls nach wie vor Taggelder ausrichte. Dies bestätigte sie gegenüber der Helvetia am 7. Juni 2022 telefonisch und per E-Mail.
Mit Verfügung vom 21. April 2022 teilte die AXA A. mit, dass für die vorbestehende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit aus der obligatorischen Unfallversicherung keine Taggelder erbracht würden. Es bestehe lediglich ein Anspruch im Umfang der Restarbeitsfähigkeit. Der UVG-Jahresverdienst werde per 1. April 2022 auf Fr. 56'698.- reduziert (exklusive des versicherten Verdienstes bei der Privatschule C. in der Höhe von Fr. 18'000.- pro Jahr). Dagegen liess die Versicherte Einsprache erheben.
Nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme des Dr. med. E., Facharzt für Orthopädische Chirurgie, medizinischer Dienst der AXA, vom 19. Juni 2022 stellte die AXA ihre Leistungen für das Ereignis vom 8. August 2021 infolge Erreichens des Status quo sine rückwirkend per 22. November 2021 ein (Verfügung vom 23. Juni 2022). Auf eine Rückforderung von zu viel erbrachten Leistungen verzichtete sie. Gleichzeitig verneinte sie ihre Zuständigkeit für den Unfall vom 9. März 2022. Dagegen erhoben sowohl A. als auch die Suva und die Helvetia Einsprache. In der Folge holte die AXA eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes, Dr. med. F., Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, vom 5. Oktober 2022 ein. Dieser zog seinerseits eine radiologische Beurteilung des Dr. med. G., Facharzt für Radiologie, vom 7. Oktober 2022 bei. Mit Einspracheentscheid vom 27. Oktober 2022 wies die AXA die Einsprachen der Versicherten gegen die Verfügungen vom 21. April und 23. Juni 2022 und diejenigen der Suva und der Helvetia gegen letztere Verfügung ab.

B. Mit Entscheid vom 17. Mai 2023 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die von A. und von der Suva gegen den Einspracheentscheid der AXA vom 27. Oktober 2022 erhobenen Beschwerden ab, soweit es darauf eintrat.

C.

C.a Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, es sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 17. Mai 2023 aufzuheben und es seien ihr für die Folgen der beiden Unfälle vom 8. August 2021 und vom 9. März 2022 die
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gesetzlichen Leistungen nach UVG zuzusprechen (Verfahren 8C_434/2023). Eventualiter sei die Sache zu ergänzenden Abklärungen, namentlich zur Einholung eines versicherungsexternen medizinischen Gutachtens, an die Vorinstanz, subeventualiter an die AXA, zurückzuweisen.
Die AXA und die Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Beschwerde, letztere unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid. Die Suva macht unter Verweis auf ihre eigene Beschwerde eine Leistungspflicht der AXA geltend.

C.b Auch die Suva erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren 8C_436/2023). Sie beantragt, es sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die AXA in Abänderung deren Einspracheentscheids vom 27. Oktober 2022 zu verpflichten, A. für die Folgen des am 9. März 2022 erlittenen Unfalls die gesetzlichen Leistungen gemäss UVG zu erbringen. Eventualiter sei die Sache zur Koordination der Versicherungsleistungen an die AXA zurückzuweisen.
Die AXA und die Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Beschwerde, letztere unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerden teilweise gut und weist sie im Übrigen ab.

Considerandi

Aus den Erwägungen:

4.

4.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie die (rückwirkende) Leistungseinstellung der AXA per 22. November 2021 bestätigt und gleichzeitig entschieden hat, diese sei für den Unfall vom 9. März 2022 nicht leistungspflichtig.

4.2 Praxisgemäss entfällt die Leistungspflicht des Unfallversicherers bei einem durch den Unfall verschlimmerten oder überhaupt erst manifest gewordenen krankhaften Vorzustand erst dann, wenn der Unfall nicht mehr die natürliche und adäquate Ursache darstellt, der Gesundheitsschaden also nur noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Dies trifft zu, wenn entweder der (krankhafte) Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (Status quo ante), oder aber derjenige Zustand, wie er sich nach schicksalsmässigem Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine), erreicht ist (SVR 2011 UV Nr. 4 S. 12, 8C_901/2009 E. 3.2; RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328, U 180/93 E. 3b mit Hinweisen;
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Urteil 8C_379/2023 vom 9. Januar 2024 E. 2.2.3). Ebenso wie der leistungsbegründende natürliche Kausalzusammenhang muss das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen eines Gesundheitsschadens mit dem im Sozialversicherungsrecht allgemein üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Da es sich um eine anspruchsaufhebende Tatfrage handelt, liegt die Beweislast - anders als bei der Frage, ob ein leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist - nicht beim Versicherten, sondern beim Unfallversicherer (BGE 146 V 51 E. 5.1 mit Hinweis).
(...)

4.4 Nach Art. 77 UVG erbringt derjenige Versicherer die Leistungen, bei dem die Versicherung zur Zeit des Unfalls bestanden hat (Abs. 1 erster Satz; der zweite Satz betrifft die hier nicht interessierende Leistungspflicht bei Berufskrankheiten). Bei Nichtberufsunfällen erbringt derjenige Versicherer die Leistungen, bei dem der Verunfallte zuletzt auch gegen Berufsunfälle versichert war (Abs. 2). Der Bundesrat ordnet die Leistungspflicht und das Zusammenwirken der Versicherer u.a. bei einem erneuten Unfall (Art. 77 Abs. 3 UVG Ingress und lit. b am Anfang). Dazu hat er Art. 100 UVV (SR 832.202) erlassen. In der hier anwendbaren, ab 1. Januar 2017 geltenden Fassung lautet dessen hier einzig interessierender Abs. 1 wie folgt: "Verunfallt ein Versicherter, während aufgrund eines früheren versicherten Unfalles ein Anspruch auf Taggeld besteht, so erbringt der bisher leistungspflichtige Versicherer auch die Pflegeleistungen und Kostenvergütungen nach den Artikeln 10-13 UVG sowie die Taggelder für den neuen Unfall. Die beteiligten Versicherer können untereinander von dieser Regelung abweichende Vereinbarungen treffen, namentlich wenn der neue Unfall wesentlich schwerwiegendere Folgen hat als der frühere. Die Leistungspflicht des für den früheren Unfall leistungspflichtigen Versicherers endet, wenn der frühere Unfall für den weiterbestehenden Gesundheitsschaden nicht mehr ursächlich ist."
(...)

6. (...)

6.6 Zusammenfassend hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie gestützt auf die Beurteilungen der Dres. med. E. und F. vom Erreichen des Status quo sine spätestens am 22. November 2021 ausgegangen ist.
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7. Im Folgenden ist auf die Beschwerde der Suva einzugehen.

7.1 Die Suva macht geltend, die AXA habe ihre Unfalldeckung für das Ereignis vom 9. März 2022 anerkannt und bis 30. Juni 2022 entsprechende Versicherungsleistungen nach UVG erbracht. Die Versicherungsdeckung für diesen zweiten Unfall könne nicht rückwirkend entfallen. Denn dies hätte unter Umständen zur Folge, dass plötzlich gar keine Unfalldeckung mehr für einen weiteren Unfall bestehen resp. diese nachträglich verneint werden könnte. Dies liefe dem Vertrauensgrundsatz zuwider und würde den rechtzeitigen Abschluss einer Abredeversicherung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 UVG in Verbindung mit Art. 72 UVV verunmöglichen. Es könne nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass eine neue Versicherungsdeckung (aufgrund eines neuen Arbeitsverhältnisses oder aufgrund von Arbeitslosigkeit) vorliege. Im hier zu beurteilenden Fall sei eine UVG-Deckung bei der Suva fraglich, da die Arbeitslosenkasse die Anspruchsvoraussetzungen von Art. 8 AVIG (SR 837.0) lediglich für die Zeit vom 1. November 2019 bis zum 30. September 2021 bejaht habe. Auch aus den IV-Akten ergebe sich, dass die Versicherte ab 1. Oktober 2021 in sämtlichen Tätigkeiten zu 100 % arbeitsunfähig gewesen sei.

7.2 Wie das kantonale Gericht richtig dargelegt hat, darf der Unfallversicherer die durch Ausrichtung von Heilbehandlung (und allenfalls Taggeld) anerkannte Leistungspflicht mit Wirkung für die Zukunft ("ex nunc et pro futuro") ohne Berufung auf den Rückkommenstitel der Wiedererwägung oder der prozessualen Revision einstellen, etwa mit dem Argument, bei richtiger Betrachtung liege kein versichertes Ereignis vor oder der Kausalzusammenhang zwischen Unfall und leistungsbegründendem Gesundheitsschaden habe gar nie bestanden oder sei dahingefallen. Eine solche Einstellung kann grundsätzlich auch rückwirkend erfolgen, sofern der Unfallversicherer keine Leistungen zurückfordern will (Urteil 8C_22/2019 vom 24. September 2019 E. 3, nicht publ. in: BGE 146 V 51, aber in: SVR 2020 UV Nr. 8 S. 23; BGE 133 V 57 E. 6.8; BGE 130 V 380 E. 2.3.1; Urteil 8C_62/2023 vom 16. August 2023 E. 2.2).
Die Vorinstanz hat weiter erwogen, die Möglichkeit der rückwirkenden Leistungseinstellung bestehe auch dann, wenn der Versicherungsträger eine Leistungspflicht anerkannt und auch tatsächlich Leistungen ausgerichtet habe. Dass - wie die Suva geltend mache - die Leistungseinstellung erst für die Zukunft Wirkung entfalten dürfe,
BGE 150 V 188 S. 194
sei im Kontext des Vertrauensschutzes zugunsten der versicherten Person zu verstehen und soll diese vor Rückforderungen bewahren. Das bedeute aber nicht, dass ein Versicherungsträger für ein neues Unfallereignis aufkommen müsse, wenn zu diesem Zeitpunkt erwiesenermassen keine Leistungspflicht mehr bestanden habe. Dies würde nämlich dem Zweck der koordinationsrechtlichen Bestimmung von Art. 100 Abs. 1 UVV widersprechen. Ferner habe die AXA in ihrem Einspracheentscheid zutreffend auf Ziff. 2.4.2.4 der Ad-hoc-Empfehlung Nr. 01/2017 (Stand: 5. April 2019) hingewiesen, wonach bei Konkurrenz einer vorbestehenden Nachdeckung von 31 Tagen nach Art. 3 Abs. 2 UVG resp. einer Abredeversicherung gemäss Art. 3 Abs. 3 UVG und der nachträglichen Deckung aufgrund der Unfallversicherung bei Arbeitslosigkeit letztere vorgehe. Insoweit stehe auch die in Art. 72 UVV geregelte Pflicht zur Orientierung über die Möglichkeiten einer Abredeversicherung einer rückwirkenden Leistungseinstellung nicht entgegen.

7.3 Der Beurteilung der Vorinstanz kann aus nachstehenden Gründen nicht gefolgt werden.

7.3.1 Die AXA anerkannte ihre Leistungspflicht für den Unfall vom 8. August 2021 und erbrachte die gesetzlichen Leistungen in Form von Heilbehandlung und Taggeld. Namentlich übernahm sie die Kosten einer Schulteroperation vom 1. Februar 2022. Im Zeitpunkt des zweiten Unfalls vom 9. März 2022 richtete sie immer noch Taggelder für den ersten Unfall aus, weshalb sie der Versicherten, der Suva und der Helvetia mitteilte, sie sei gemäss Art. 100 Abs. 1 UVV auch für den zweiten Unfall zuständig. In der Folge erbrachte die AXA bis Ende Juni 2022 die gesetzlichen Leistungen für die beiden Unfälle. Erst mit Verfügung vom 23. Juni 2022 hielt sie fest, der Status quo sine sei in Bezug auf den Unfall vom 8. August 2021 schon am 22. November 2021 erreicht gewesen, weshalb sie gemäss Art. 100 Abs. 1 Satz 3 UVV auch für den zweiten Unfall vom 9. März 2022 nicht mehr zuständig sei.

7.3.2 Diese Auffassung greift zu kurz. Indem die AXA ab 11. August 2021 (vgl. Art. 16 Abs. 2 UVG) Taggelder bei einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % ausrichtete, bestand bei ihr weiterhin eine Versicherungsdeckung für neue Unfälle. Denn nach Art. 3 Abs. 2 UVG endet die Versicherung erst mit dem 31. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört. Als Lohn im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UVG gelten unter anderem auch
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Taggelder der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 7 Abs. 1 lit. b UVV). Ab Januar 2022 leistete die AXA aufgrund einer vorbestehenden Krankheit lediglich noch Taggelder ausgehend von einer 60%igen Arbeitsunfähigkeit. Zusätzlich erbrachte sie ab Februar 2022 auf der Basis einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit auch noch Taggelder für den Lohnausfall bei der Privatschule. Weshalb erst ab Februar 2022 entsprechende Taggelder ausgerichtet wurden, erschliesst sich nicht. Aus den Akten ergibt sich einzig, dass sich die Arbeitgeberin (Privatschule) im Februar 2022 betreffend Taggeld bei der AXA meldete, da die Unfallversicherung der Privatschule nicht für deren Bezahlung zuständig sei. Dem vorinstanzlichen Entscheid sind keine Feststellungen zur Frage zu entnehmen, ob der Versicherten auch ab Januar 2022 weiterhin Taggelder in der Höhe von mindestens dem halben Lohn im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 5 UVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 lit. b UVV ausgerichtet wurden und es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die Akten nach entsprechenden Hinweisen zu durchforsten. Es bestehen aber jedenfalls zumindest Anhaltspunkte dafür, dass im Zeitpunkt des zweiten Unfalls vom 9. März 2022 aufgrund von Art. 3 Abs. 2 und 5 UVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 lit. b UVV noch eine Versicherungsdeckung bei der AXA bestanden haben könnte. Sollte ein entsprechender Versicherungsschutz vorgelegen haben, so wäre die AXA - sofern kein anderer leistungspflichtiger Unfallversicherer auf den Plan gerufen wird - auch für den zweiten Unfall zuständig.

7.3.3 Sollte die Versicherungsdeckung bei der AXA hingegen vor dem zweiten Unfall geendet haben, so wäre Folgendes zu berücksichtigen: Gemäss Art. 3 Abs. 3 UVG hat der Versicherer der versicherten Person die Möglichkeit zu bieten, die Versicherung durch besondere Abrede bis zu sechs Monaten zu verlängern (vgl. auch Art. 72 Abs. 2 UVV). Bei einer rückwirkenden Leistungseinstellung, wie sie vorliegend die AXA vorgenommen hat, liegt auf der Hand, dass der versicherten Person die Möglichkeit einer Abredeversicherung genommen wird. Gemäss der in BGE 135 V 412 nicht publizierten E. 5.4 (aber in: SVR 2010 UV Nr. 2 S. 7, 8C_784/2008) besteht eine natürliche Vermutung dafür, dass die versicherte Person bei erfolgter Information über die Möglichkeit der Abredeversicherung diese abschliesst. Das gilt jedenfalls dann, wenn die versicherte Person lediglich ein vorübergehendes berufliches Timeout ins Auge fasst (vgl. auch SVR 2022 UV Nr. 27 S. 109, 8C_325/2021 E. 5.2).
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7.3.4 So oder anders bestehen damit gewichtige Indizien dafür, dass die Versicherte im Zeitpunkt des Ereignisses vom 9. März 2022 bei der AXA gegen die Folgen von Nichtberufsunfällen versichert war. Ob daneben noch eine weitere Versicherungsdeckung für Nichtberufsunfälle bestand, ist noch offen. Insofern steht, anders als die Vorinstanz anzunehmen scheint, auch noch nicht fest, ob Art. 100 Abs. 1 UVV vorliegend überhaupt zur Anwendung kommt. Folglich kann die Zuständigkeit der AXA für den zweiten Unfall - zumindest vorerst - nicht gestützt auf diese Bestimmung verneint werden.

7.3.5 Es trifft nach dem oben Gesagten (vgl. E. 6.6 hiervor) zwar zu, dass der Status quo sine betreffend den ersten Unfall vom August 2021 am 22. November 2021 erreicht war. Gemäss Rechtsprechung kann sodann eine Einstellung der vorübergehenden Versicherungsleistungen auch rückwirkend erfolgen, sofern der Unfallversicherer keine Leistungen zurückfordern will (vgl. E. 7.2 hiervor). Letzteres zeigt, dass diese Möglichkeit dem Unfallversicherer nicht dazu dienen kann, einen Anspruch auf bereits ausgerichtete Leistungen nachträglich einfach hinfällig werden zu lassen, sondern bloss dazu, vom Erbringen der im Einstellungszeitpunkt noch nicht erfolgten Leistungen abzusehen. Auf die vorliegendenfalls über den 22. November 2021 hinaus ausgerichteten Leistungen könnte die AXA nur bei Vorliegen eines Rückkommenstitels zurückkommen (vgl. BGE 130 V 318 E. 5.2; BGE 129 V 110 E. 1.2.1; Urteil 8C_127/2012 vom 30. August 2012 E. 5.1). Fehlt ein solcher, so bleiben die mit den Taggeldzahlungen einhergehenden Folgen (wie etwa eine sich daraus ergebende Versicherungsdeckung, vgl. E. 7.3.2 hiervor) bestehen.

7.3.6 Aufgrund dieser unklaren Sach- und Rechtslage kann das Vorgehen der AXA und der Vorinstanz nicht geschützt werden. Würde man eine rückwirkende Leistungseinstellung in Konstellationen wie der vorliegenden als zulässig erachten, so liefe die versicherte Person nach dem Gesagten Gefahr, bei Fehlen einer Versicherungsdeckung bei einem anderen Unfallversicherer für einen weiteren Unfall ohne Versicherungsschutz dazustehen, obwohl sie nie die Gelegenheit zum Abschluss einer Abredeversicherung erhalten hat und sie aufgrund der vorbehaltlos ausgerichteten Taggelder mit einer entsprechenden Versicherungsdeckung rechnen durfte. Dies würde den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zuwiderlaufen.

7.4 Zusammenfassend lässt sich nicht allein aufgrund des Erreichens des Status quo sine per 22. November 2021 in Bezug auf den ersten
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Unfall vom August 2021 die Zuständigkeit der AXA für den zweiten Unfall vom 9. März 2022 verneinen. Wie die Suva zu Recht vorbringt, ist zuerst zu klären, ob aufgrund der bis zum zweiten Unfall ausgerichteten Taggelder nach wie vor eine Versicherungsdeckung aufgrund von Art. 3 Abs. 2 und 5 UVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 lit. b UVV besteht oder ob für den zweiten Unfall allenfalls ein anderer Unfallversicherer leistungspflichtig ist. Sollte im Zeitpunkt des zweiten Unfalls eine Versicherungsdeckung bei der AXA bestanden haben und ist kein anderer Unfallversicherer leistungspflichtig im Sinne der Koordinationsbestimmungen (vgl. etwa Art. 99 Abs. 2 UVV), so kann sich die AXA nicht nachträglich unter Berufung auf den Wegfall des natürlichen Kausalzusammenhangs bereits vor dem zweiten Ereignis ihrer Leistungspflicht entledigen. Hierzu bedürfte es vielmehr eines Rückkommenstitels, wobei sich ausserdem die Frage des Vertrauensschutzes im Zusammenhang mit der Möglichkeit zum Abschluss einer Abredeversicherung stellen würde (vgl. E. 7.3.3 f. hiervor).

7.5 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, indem sie trotz unklarer Sach- und Rechtslage die Zuständigkeit der AXA für den Unfall vom 9. März 2022 verneinte. Die Sache ist deshalb an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es die offenen Fragen kläre und danach neu entscheide. Dabei wird es nicht darum herum kommen, den Streitgegenstand - wohl unter Beiladung der Helvetia - auf die Frage der Unfalldeckung für das Ereignis vom 9. März 2022 auszudehnen. Die Beschwerde der Suva ist insofern begründet.

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Fatti

Considerandi 4 6 7

referenza

DTF: 146 V 51, 133 V 57, 130 V 380, 135 V 412 seguito...

Articolo: art. 7 cpv. 1 lett. b, art. 100 cpv. 1 OAINF, Art. 3 Abs. 3 UVG, Art. 100 Abs. 1 UVV, Art. 3 Abs. 2 UVG seguito...