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Urteilskopf

97 I 221


34. Auszug aus dem Urteil vom 2. Juni 1971 i.S. Neuapostolische Kirche in der Schweiz gegen Gemeinde Aarau und Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau.

Regeste

Glaubens- und Kultusfreiheit (Art. 49 und 50 BV). Gestaltung der Bestattungsfeier. Staatsrechtliche Beschwerde.
1. Unzuständigkeit des Bundesgerichts zur Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung von Art. 53 Abs. 2 BV (Erw. 1a).
2. Ausnahme vom Grundsatz der kassatorischen Funktion der staatsrechtlichen Beschwerde (Erw. 1b)
3. Voraussetzungen, unter denen mit dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz auch derjenige der untern Instanz angefochten werden kann (Erw. 3a).
4. Legitimation einer kirchliche Zwecke verfolgenden Körperschaft zur Beschwerde wegen Verletzung von Art. 50 BV. Wieweit kann sich eine solche Körperschaft auch auf Art. 49 BV berufen? (Erw. 3c).
5. Aus Art. 49 und 50 BV ergibt sich keine Pflicht der staatlichen Behörden, dafür zu sorgen, dass die Gestaltung der Bestattungsfeier dem letzten Willen des Verstorbenen entspricht (Erw. 4).

Sachverhalt ab Seite 222

BGE 97 I 221 S. 222
Aus dem Tatbestand:

A.- Die Art. 15 und 16 der Verordnung über das Bestattungs- und Friedhofwesen der Stadt Aarau vom 5. Februar 1965 (BestattungsVo) lauten:
"Art. 15. Bestattungsart. Es ist nur Erd- oder Feuerbestattung zulässig. Fehlt eine schriftliche Anordnung des Verstorbenen, so bestimmen die nächsten Angehörigen die Bestattungsart. Wird keine Erklärung beigebracht, so bezeichnet das Bestattungsamt die Art der Bestattung.
Art. 16. Bestattungsfeier. Die Bestattung ist grundsätzlich öffentlich. Ein Leichengeleit findet nicht statt.
Die Bestattungsfeier findet in der Abdankungshalle und am Grabe nach den konfessionellen Gewohnheiten statt. Wird eine Bestattungsfeier in der Stadtkirche gewünscht, so sind die entstehenden Kosten von den Angehörigen zu übernehmen.
Auf ausdrücklichen Wunsch kann das Bestattungsamt eine stille Bestattung bewilligen."
Frau Luise Sager in Aarau liess dem Zivilstandsamt der Stadt Aarau im Herbst 1965 durch den stellvertretenden Leiter der Neuapostolischen Kirche (NAK) Aarau eine maschinengeschriebene, eigenhändig unterzeichnete Erklärung zustellen, mit der sie den Wunsch zum Ausdruck brachte, als Angehörige der NAK von einem Seelsorger dieser Kirche beerdigt zu werden. Das Zivilstandsamt teilte dem Absender mit, dass
BGE 97 I 221 S. 223
solchen Gesuchen nicht entsprochen werden könne; nach der BestattungsVo sei es Sache der nächsten Angehörigen eines Verstorbenen, diejenige Person zu bezeichnen, welche die Ansprache bei der Abdankungsfeier zu halten habe. Nachdem Frau Sager am 10. Februar 1967 verstorben war, verlangten ihre Geschwister beim Zivilstands- bzw. Bestattungsamt Aarau die Kremation und die Abdankung in der Stadtkirche mit einer Ansprache des Stadtpfarrers. Diesem Begehren wurde in der Folge entsprochen; dagegen wurde ein Begehren des Leiters der NAK Aarau, es sei gemäss der Erklärung der Verstorbenen die Abdankung durch den Seelsorger der NAK vornehmen zu lassen, abgewiesen.
Im April 1967 verlangte die NAK der Schweiz vom Zivilstandsamt Aarau die Zusicherung, dass es letztwilligen Anordnungen von neuapostolischen Kirchengliedern über ihre künftige Bestattung bzw. Abdankung Folge geben werde. Das Zivilstandsamt antwortete, es werde auch weiterhin keine derartigen Willenserklärungen entgegennehmen, sondern auf die Anordnungen jener Angehörigen abstellen, die zur Anzeige des Todesfalles verpflichtet seien.
Nachdem der Gemeinderat der Stadt Aarau eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde abgewiesen hatte, wandte sich die NAK an die Direktion des Innern des Kantons Aargau. Diese hiess die Beschwerde teilweise gut und wies den Gemeinderat bzw. das Bestattungsamt an, bei der Bestimmung der Bestattungsart (Beerdigung oder Kremation) gemäss Art. 15 der BestattungsVo in erster Linie die allfälligen Anordnungen des Verstorbenen einzuhalten; im übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.
Mit Beschluss vom 13. Juni 1969 hiess der Regierungsrat des Kantons Aargau eine hiegegen erhobene Beschwerde der NAK teilweise gut und wies den Gemeinderat bzw. das Bestattungsamt der Stadt Aarau in Ergänzung des Entscheids der Direktion des Innern an, auch Anordnungen betreffend die Gestaltung der Bestattungsfeier entgegenzunehmen und im Sinne der Erwägungen zu behandeln. Zur Begründung führte der Regierungsrat u.a. aus: Die Möglichkeit, zu Lebzeiten gültig die Art der Bestattung (Beerdigung oder Kremation) festzulegen, sei in Literatur und Rechtsprechung überwiegend anerkannt und habe sich zu einer gewohnheitsrechtlich gesicherten Befugnis entwickelt. Dem entspreche auch Art. 15 der BestattungsVo,
BGE 97 I 221 S. 224
und die Direktion des Innern habe denn auch die Gemeindebehörde zu Recht angewiesen, bei der Bestimmung der Bestattungsart in erster Linie Anordnungen des jeweiligen Verstorbenen einzuhalten. Dagegen bestehe darüber, wer über die Gestaltung der Bestattungsfeier zu befinden habe, keine solche gewohnheitsrechtliche Regelung. Um zu einer sachgerechten Lösung zu kommen, seien im Einzelfall die Interessen des Verstorbenen und der Hinterbliebenen gegeneinander abzuwägen, wobei wohl in der Regel die Wünsche der Angehörigen gegenüber dem klar ausgesprochenen Willen des Verstorbenen zurücktreten müssten. Die Bestattungsämter seien die geeigneten Stellen, bei denen Anordnungen über die Abdankungsfeier hinterlegt werden könnten. Sie allein seien in der Lage, die Hinterbliebenen oder den Willensvollstrecker rechtzeitig über die Wünsche der Verstorbenen in Kenntnis zu setzen. In welcher Form solche Anordnungen zu treffen seien, damit sie nötigenfalls gegen den Willen der Angehörigen durchgesetzt werden könnten, sei eine zivilrechtliche Frage, die im Streitfall der Zivilrichter zu entscheiden hätte. Die mit einer solchen Auseinandersetzung verbundenen praktischen Schwierigkeiten seien freilich offensichtlich. Eine weitere Erörterung erübrige sich aber, da es hier nur darum gehe, die rechtzeitige Übermittlung entsprechender Anordnungen zu gewährleisten. Demnach sei das Bestattungsamt Aarau zu verpflichten, Anordnungen von Privaten über die Gestaltung ihrer Bestattungsfeier entgegenzunehmen, aufzubewahren und sie beim Tod des Betreffenden unverzüglich dem Adressaten mitzuteilen. Es habe indessen nicht für deren Durchsetzung gegenüber dem allenfalls abweichenden Willen der Angehörigen besorgt zu sein.

B.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates reichte die NAK beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde ein. Dieses prüfte den angefochtenen Entscheid lediglich auf das Vorhandensein einer formellen Rechtsverweigerung hin und wies die Beschwerde, soweit es darauf eintrat, mit Urteil vom 22. September 1970 ab.

C.- Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. September 1970 erhebt die NAK wegen Verletzung von Art. 4, 49, 50 und 53 BV und Art. 17 und 21 der aargauischen Kantonsverfassung (KV) staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei in teilweiser Abänderung und Ergänzung des Entscheides des Regierungsrates
BGE 97 I 221 S. 225
vom 13. Juni 1969 festzustellen, dass das Zivilstands- und Bestattungsamt der Stadt Aarau verpflichtet sei, Anordnungen von Kirchenangehörigen der NAK über ihre neuapostolische Abdankungsart entgegenzunehmen und in erster Linie (das heisst auch bei abweichendem Verlangen der Hinterbliebenen) einzuhalten, sowie das Abdankungsrecht der NAK zu respektieren und ihr rechtzeitig Mitteilung vom Ableben, Bestattungsort und -zeitpunkt zu machen. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.

D.- Der Gemeinderat der Stadt Aarau beantragt, es sei nicht auf die Beschwerde einzutreten; der Regierungsrat des Kantons Aargau stellt den Antrag, es sei nicht auf sie einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen; das Verwaltungsgericht beantragt sinngemäss, die Beschwerde sei, soweit darauf eingetreten werden könne, abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit es darauf eintritt, ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. a) Nach Art. 53 Abs. 2 BV steht die Verfügung über die Begräbnisplätze den bürgerlichen Behörden zu, welche dafür zu sorgen haben, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann. Gemäss Art. 73 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 beurteilt der Bundesrat Beschwerden wegen Verletzung des "Artikels 53, Absatz 2 über die Begräbnisplätze". Auch wenn in diesem Gesetzesartikel in abgekürzter Form nur von Verfügungen über die Begräbnisplätze die Rede ist, sind Beschwerden wegen Verletzung des Art. 53 Abs. 2 BV allgemein beim Bundesrat zu erheben. Das ergibt sich aus der bisherigen Praxis zu dem im wesentlichen gleichlautenden Art. 125 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 des früheren Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (BGE 82 I 220; VEBB 1955, Nr. 15, S. 43; SALIS/BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht, Bd. II, Nr. 515 und 516, S. 249 ff.). Soweit eine Verletzung des Art. 53 Abs. 2 BV gerügt wird, ist demnach nicht auf die staatsrechtliche Beschwerde einzutreten. Die Beschwerde ist zur Behandlung dieser Rüge dem Bundesrat zu übergeben (Art. 96 OG).
b) Mit der staatsrechtlichen Beschwerde kann in der Regel nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt
BGE 97 I 221 S. 226
werden (BGE 95 I 516 mit Hinweisen). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn die verfassungsmässige Lage nicht schon mit der Aufhebung des kantonalen Entscheides hergestellt würde, sondern dazu eine positive Anordnung des Bundesgerichtes notwendig wäre. Eine solche Ausnahme ist hier gegeben. Kommt nämlich das Bundesgericht zum Schluss, dass die Weisung, welche die kantonalen Behörden dem Bestattungsamt der Stadt Aarau erteilt haben, zur Wahrung der verfassungsmässigen Rechte nicht genügt, so könnte der verfassungswidrige Zustand nur durch eine ergänzende Weisung des Bundesgerichtes behoben werden. Es ist daher, unter Vorbehalt der übrigen Voraussetzungen, auf die Beschwerde auch soweit einzutreten, als die Beschwerdeführerin mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheides, nämlich eine Ergänzung der kantonalen Anweisung verlangt...

2. (Das Verwaltungsgericht konnte ohne Verletzung von Art. 4 BV seine Prüfungsbefugnis auf die Rüge der formellen Rechtsverweigerung beschränken und das Vorhandensein einer solchen verneinen).

3. a) Nachdem sich die Beschwerde im vorstehend behandelten Punkt als unbegründet erwiesen hat, stellt sich die Frage, ob auf sie einzutreten ist, soweit damit der Sachentscheid des Regierungsrates angefochten wird. Das Verwaltungsgericht hatte ihn, wie erwähnt, lediglich auf das Vorliegen einer formellen Rechtsverweigerung hin zu überprüfen. Soweit der Entscheid des Regierungsrates der Überprüfung durch das Verwaltungsgericht entzogen war, muss er unmittelbar mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtes, auf welche offenbar Verwaltungsgericht, Regierungsrat und Gemeinderat in ihren Vernehmlassungen Bezug nehmen, war in einem solchen Fall der Entscheid der unteren kantonalen Instanz sogleich innert der dreissigtägigen Frist beim Bundesgericht anzufechten, wenn Rügen erhoben werden wollten, die nicht mit einem kantonalen Rechtsmittel geltend gemacht werden konnten. Die neuere Rechtsprechung hat eine vereinfachte, für den Rechtsuchenden günstigere Lösung getroffen: Wer mit staatsrechtlicher Beschwerde einen Entscheid anficht, der von einer mit beschränkter Prüfungsbefugnis ausgestatteten Rechtsmittelinstanz ausgefällt wurde, kann gleichzeitig noch den Entscheid der unteren kantonalen Instanz anfechten, und zwar auch mit
BGE 97 I 221 S. 227
Rügen, die bei der kantonalen Rechtsmittelinstanz nicht erhoben werden konnten (BGE 94 I 459). Voraussetzung dafür, dass das Bundesgericht den Entscheid der untern Instanz prüfen kann, ist freilich, dass die Beschwerdeführerin gleichzeitig mit der Anfechtung des Urteils des Verwaltungsgerichts auch die gänzliche oder teilweise Aufhebung des Regierungsratsentscheides verlangt (BGE 94 I 463). Die Beschwerdeführerin hat ein solches Begehren in klarer, wenn auch nicht sehr glücklicher Form gestellt (Ziff. 2 des Beschwerdeantrages), und ihre Rügen betreffen denn auch zum grossen Teil den Entscheid des Regierungsrates. Es kann daher auch in dieser Richtung auf die Beschwerde eingetreten werden.
b) Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Art. 17 und 21 der aargauischen Kantonsverfassung. Diese Regeln gewährleisten die Rechtsgleichheit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Kultusfreiheit, und zwar in einer Weise, die nicht über den Rahmen der bundesrechtlichen Garantie hinausgeht. Bei dieser Rechtslage hat die Rüge der Verletzung des kantonalen Verfassungsrechts keine selbständige Bedeutung (BGE 96 I 355, BGE 94 I 610, BGE 93 I 137 E. 3). Sie fällt zusammen mit der Rüge der Verletzung der entsprechenden Vorschriften der Bundesverfassung, die allein geprüft werden muss.
c) Nach Ansicht der Beschwerdeführerin verstösst der Entscheid der kantonalen Behörde unter anderem gegen die Art. 49 und 50 BV. Die Neuapostolische Kirche kann sich als Religionsgemeinschaft auf die in Art. 50 BV gewährleistete Kultusfreiheit berufen. Die Bestattungvon Kirchenangehörigen ist ohne Zweifel auch bei der NAK eine Handlung, die nach der Kirchenorganisation von den Organen der Religionsgemeinschaft vorzunehmen ist. Die NAK wird daher, wenn sie eine Bestattungsfeier einer verfassungswidrigen Anordnung wegen nicht vornehmen kann, in ihrer rechtlichen Stellung unmittelbar betroffen und ist legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung der Kultusfreiheit geltend zu machen, wie das Bundesgericht schon vor langem entschieden hat (BGE 36 I 377).
Es bleibt zu prüfen, ob sich die NAK auch wegen Verletzung der in Art. 49 BV garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit beschweren kann. Vorweg ist zu beachten, dass nicht die Anordnung der Bestattung von Frau Sager durch die Aarauer Behörden Gegenstand des kantonalen Verfahrens war und der staatsrechtlichen Beschwerde ist. Vielmehr wird allgemein
BGE 97 I 221 S. 228
geltend gemacht, dass durch die Weigerung der staatlichen Behörden, letztwillige Anordnungen von Angehörigen der NAK über die Gestaltung der Bestattungsfeier auch gegen den Willen der Hinterbliebenen zu vollziehen, die Glaubensfreiheit der Kirchenglieder beeinträchtigt werde. Das Bundesgericht hat schon im Jahre 1878 entschieden, dass die Glaubens- und Gewissensfreiheit ihrer Natur nach nur den physischen, nicht auch den juristischen Personen zustehen könne, und an dieser Rechtsprechung ist seither grundsätzlich festgehalten worden (vgl. die Zitate in BGE 95 I 353). Indessen hat das Bundesgericht neuestens eine Ausnahme von diesem Grundsatz in dem Sinne gemacht, dass den juristischen Personen, die selber einen religiösen oder kirchlichen Zweck verfolgen, unter bestimmten Voraussetzungen die Berufung auf Art. 49 BV gestattet ist (BGE 95 I 355). Dieser Entscheid bezog sich aber auf eine Beschwerde wegen Verletzung des Art. 49 Abs. 6 BV, welche Vorschrift hier nicht in Frage ist, so dass sich die Legitimation nicht ohne weiteres aus der dem genannten Urteil zugrunde liegenden Erwägung herleiten lässt. Die Art der Bestattung berührt indessen unmittelbar die durch die Glaubensfreiheit geschützten Interessen der einzelnen Kirchenglieder (LAMPERT, Kirche und Staat in der Schweiz, Bd. II, S. 475 ff.), deren Wahrung im vorliegenden Fall zu den Aufgaben der kirchlichen Körperschaft gehört. Deshalb ist hier die Legitimation der NAK zur Rüge der Verletzung von Art. 49 zu bejahen (MARTI, Glaubens- und Kultusfreiheit, Sonderdruck SJK, S. 10; derselbe, Die staatsrechtliche Beschwerde, S. 112/13; BGE 94 I 4 E. 1; BGE 36 I 377).

4. a) Die Anweisung, welche die kantonalen Behörden dem Bestattungsamt der Stadt Aarau erteilt haben, gilt für die Angehörigen aller kirchlichen Gemeinschaften. Die NAK und ihre Mitglieder werden also gleich behandelt wie alle andern Religionsgemeinschaften und deren Glieder.
b) Das Bundesgericht hat sich in einer Beschwerdesache, die sich auf das Verbot der Feuerbestattung bezog, gestützt auf ein Gutachten Prof. Fleiners dahin ausgesprochen, die Verfügungsmacht des Lebenden über das Schicksal seines Leibes nach dem Tod, die Art der Bestattung, stelle sich als Ausfluss der individuellen Freiheit des Bürgers, der Persönlichkeit und ihres Rechts auf Geltung und Achtung durch die Allgemeinheit dar (BGE 45 I 132 /33, bestätigt in BGE 52 I 364). Der Entscheid ist
BGE 97 I 221 S. 229
kritisiert worden, und zwar nicht nur von LAMPERT (a.a.O., S. 491 ff,), sondern auch von BURCKHARDT (Kommentar zur BV, 3.A., S. 494), der ihn als "allzu naturrechtlich gedacht" bezeichnete und es ablehnte, die genannte Verfügungsmacht des Lebenden als Ausfluss eines verfassungsmässigen Rechts des Individuums zu betrachten. Es ist in der Rechtslehre umstritten, ob das Persönlichkeitsrecht über den Tod hinaus wirken kann (bejahend: PETER REMUND, Die rechtliche Organisation des Bestattungswesens im Aargau, Diss. Fribourg 1948, S. 147; JAEGGI, ZSR NF 79, S. 168 a, Anm. 52; HUBMANN, Das Persönlichkeitsrecht, 2. A., 1967, S. 268 und 342; verneinend: EGGER, Kommentar, 2. A., N 15 ff. zu Art. 31 ZGB; unklar: GROSSEN, Schweizerisches Privatrecht II, 1967, S. 304/5). Es rechtfertigt sich, vom Standpunkt der Bundesverfassung aus anzunehmen, dass ein mit der Gestaltung der Bestattung zusammenhängendes Persönlichkeitsrecht den Tod des Bürgers überdauern kann. Nach der Verfassung haben die staatlichen Behörden dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann, und in der Rechtslehre ist mit überzeugenden Gründen dargetan worden, dass damit ein vom Verfassungsgeber anerkanntes subjektives öffentliches Recht bestehe (SPÖNDLIN, Rechtsverhältnisse an Friedhöfen, Diss. Zürich 1910, S. 29/30; MÄCHLER, Das Begräbniswesen nach schweizerischen Bundesrecht, Diss. Bern ohne Datum, S. 73; vgl. auch FLEINER/GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 351, und VEBB 1955 Nr. 15). Enthält das in Art. 53 Abs. 2 BV enthaltene Gebot schicklicher Beerdigung ein seiner Natur nach über den Tod hinaus wirkendes verfassungsmässiges Recht, so steht an sich nichts entgegen, auch andere mit der Bestattung im Zusammenhang stehende Rechte als mit dem Tod nicht erlöschend zu betrachten, was mit der genannten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Feuerbestattung im Einklang zu stehen scheint.
Der Bundesrat wird darüber zu befinden haben, ob es mit dem Gebot schicklicher Beerdigung vereinbar ist, dass die bürgerlichen Behörden eine dem Wunsch der Angehörigen entsprechende Beerdigung zulassen, wenn eine Erklärung des Verstorbenen vorliegt, mit der eine andere Bestattungsfeier angeordnet wurde. Das Bundesgericht hat sich mit dieser Frage nicht zu beschäftigen; hingegen wird die Regel des Art. 53 Abs. 2 BV mit heranzuziehen sein bei der Erörterung der
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Frage, welche Aufgaben die staatlichen Behörden auf Grund der Art. 49 und 50 BV im Bereich des Bestattungswesens zu erfüllen haben.
c) Wenn das Bundesgericht in der Frage der Feuerbestattung angenommen hat, es bestehe ein von der Verfassung gewährleistetes Individualrecht, eine solche Bestattungsart anzuordnen, so hat es daraus nicht die Folgerung gezogen, der Staat habe eine solche letztwillige Verfügung wenn nötig mit Zwang durchzusetzen. Vielmehr hat es bloss festgestellt, es läge darin allenfalls die Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts, wenn die staatlichen Behörden die Feuerbestattung allgemein untersagen würden. Im hier zu beurteilenden Fall handelt es sich demgegenüber nicht darum, dass die staatlichen Behörden Bestattungen nach dem Ritus der NAK oder anderer kirchlicher Gemeinschaften untersagen würden. Sie legen solchen Bestattungen kein Hindernis in den Weg, sondern lassen es zu, dass ein Verstorbener seinem Wunsch entsprechend nach dem Ritus seiner Religionsgemeinschaft bestattet wird. Sie nehmen sogar solche letztwillige Anordnungen entgegen, bewahren sie auf und leiten sie nach dem Tode des Ausstellers an die Angehörigen oder den Willensvollstrecker weiter. Sie leisten also ihre Hilfe, damit der Wunsch des Bürgers nach einer bestimmten Bestattungsfeier auch erfüllt werden kann. Von einem unmittelbaren staatlichen Eingriff in die Glaubens- und Kultusfreiheit kann bei dieser Sachlage nicht gesprochen werden, wie das der Regierungsrat zu Recht ausgeführt hat.
d) Glaubens- und Kultusfreiheit sind Freiheitsrechte mit negativer und positiver Funktion (FAVRE, Droit constitutionnel suisse, 2.A., S. 250: Limitation et protection juridiques). Als Schranke verbieten sie polizeilich nicht gerechtfertigte Eingriffe in den religiösen Bereich durch Gebote und Verbote. Darüber hinaus ist der Staat verpflichtet einzugreifen, wenn die religiöse Betätigung durch Dritte verunmöglicht wird, insbesondere wenn etwa eine Kultushandlung gestört wird. Unterlässt er dies, so verletzt er zwar nicht unmittelbar die Religionsfreiheit, denn nicht er greift in diesem Fall in die freie religiöse Betätigung ein; wohl aber verweigert er dem Betroffenen seinen Schutz und macht sich damit einer Rechtsverweigerung schuldig (MARTI, Glaubens- und Kultusfreiheit, S. 8/9; vgl. auch HANS HUBER, Die Grundrechte in der Schweiz, in: Die Grundrechte, Berlin 1966, S. 201 ff.). Es kann in diesem Sinn
BGE 97 I 221 S. 231
hier nur fraglich sein, ob das Bestattungsamt von Verfassungs wegen verpflichtet ist, für die Durchführung einer von einem Verstorbenen gewünschten Bestattungsfeier zu sorgen, wenn die Angehörigen eine andere Feier wünschen, und ob ihm eine Rechtsverweigerung zur Last fällt, wenn es die letztwillige Verfügung nicht durchsetzt. Hat es die Anordnung nicht gegen den entgegenstehenden Willen der Angehörigen zu vollziehen, so begeht es im übrigen auch keine Verfassungsverletzung, wenn es eine bei ihm hinterlegte Anordnung nicht der kirchlichen Gemeinschaft, sondern den Angehörigen übermittelt.
Wie weit die staatlichen Behörden ganz allgemein zur Wahrung der Religionsfreiheit ihre Mittel einzusetzen haben, ist hier nicht zu prüfen. Zu beachten ist jedoch, dass die Artikel der Bundesverfassung, welche sich auf die Religionsfreiheit beziehen, vor allem die Art. 49-54, ein in sich geschlossenes Ganzes bilden, weshalb bei der Auslegung der einzelnen Norm die übrigen Verfassungsartikel mitzuberücksichtigen sind. Die Bestattung stellt für die kirchlichen Gemeinschaften regelmässig eine wesentliche Kultushandlung dar, und für den Gläubigen ist es, von seinem Glauben her gesehen, im allgemeinen von Bedeutung, wie seine Bestattungsfeier gestaltet sein wird (LAMPERT, a.a.O., S. 475 ff.). Es ergibt sich indessen aus der Verfassung selbst, dass die Pflicht der staatlichen Behörde zum Einsatz der staatlichen Mittel (im Sinne der positiven Funktion der Freiheitsrechte) zum Schutz der Glaubens- und Kultusfreiheit bei einem Begräbnis nur eine beschränkte ist. Die staatliche Behörde hat, wie aus Art. 53 Abs. 2 BV hervorgeht, nur dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann; im übrigen ist sie nicht verpflichtet, eine bestimmte Art der Bestattungsfeier anzuordnen oder zu untersagen (ZBl 31, 1930, S. 174 und 176; BURCKHARDT, a.a.O., S. 492; FAVRE, a.a.O., S. 282 f.; SALIS/BURCKHARDT, a.a.O., Nr. 515, S. 249). Daraus folgt, dass die staatlichen Behörden von Verfassungs wegen nicht gehalten sind, dafür zu sorgen, dass eine von einem Verstorbenen gewünschte Bestattungsfeier auch gegen den Willen seiner Angehörigen abgehalten wird, es wäre denn, es hätte eine nicht der Anordnung des Verstorbenen entsprechende Feier als unschicklich zu gelten, worüber nicht das Bundesgericht zu befinden hat.
e) Verschiedene Gründe lassen diese Auslegung der Verfassung als richtig erscheinen. Sicher ist es durchaus wünschbar,
BGE 97 I 221 S. 232
dass eine letztwillige Anordnung über die Art der Bestattungsfeier respektiert und ausgeführt werde. Es darf indessen nicht ausser Acht bleiben, dass an der Bestattungsfeier vor allem die Angehörigen von dem Toten Abschied nehmen. Sie werden regelmässig in ihrem Empfinden mehr berührt als andere, und ihre Gefühle verdienen ebenfalls Schutz (ZBl 31, 1930, S. 176). Schon aus diesem Grund ist es angebracht, dass sich die staatliche Behörde mit der Bestattungsfeier nur unter dem Gesichtspunkt der Schicklichkeit beschäftigt und sich im übrigen nicht in die Entscheidungen der Angehörigen einmischt. Es kann allerdings dabei vorkommen, dass Angehörige den letzten Willen des Verstorbenen missachten und eine Bestattungsfeier anordnen, wie sie sich der Tote nicht gewünscht hatte. Vielfach besteht in solchen Fällen ein Widerstreit der Interessen. Unter dem Gesichtspunkt der Glaubensfreiheit mag es wünschbar erscheinen, dass die staatliche Behörde ihre Zwangsmittel einsetzen würde, um dem letzten Willen des Verstorbenen zum Durchbruch zu verhelfen. Anderseits könnte es den religiösen Frieden, den zu wahren ebenfalls Aufgabe des Staates ist, gefährden, wenn die Bestattungsämter hier eingreifen und damit die Angehörigen zur Teilnahme an einer Feier zwingen würden, die ihre religiösen Gefühle in einem Zeitpunkt verletzt, da sie durch den Tod ohnehin im allgemeinen schmerzlich betroffen sind. Es könnte sogar vorkommen, dass es die Angehörigen ablehnen, an der vom Verstorbenen angeordneten Bestattung teilzunehmen. Dass der Verfassungsgeber bei diesem Widerstreit der Interessen die Aufgabe der staatlichen Behörden darauf beschränkt, eine schickliche Beerdigung zu gewährleisten, ist durchaus sinnvoll. Die Behörde wäre vielfach gar nicht in der Lage, die Erfüllung letztwilliger Anordnungen über die Bestattungsfeier zu erzwingen. Es ist nämlich auch möglich, dass es eine Religionsgemeinschaft ablehnt, die vom Verstorbenen zu seinen Lebzeiten gewünschte Bestattungsfeier durchzuführen. Wie in Auslegung von Art. 53 Abs. 2 BV entschieden wurde, kann die staatliche Behörde den Seelsorger einer kirchlichen Gemeinschaft, wenigstens sofern diese keine öffentlichrechtliche Körperschaft ist, nicht dazu verhalten, eine Bestattung vorzunehmen (SALIS/BURCKHARDT, a.a.O., Nr. 515, III, S. 249; FLEINER/GIACOMETTI, a.a.O., S. 321/22). Das wäre offenbar schon praktisch nicht möglich, da ein positives Tun nicht erzwungen werden kann, und könnte zudem einen
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unzulässigen staatlichen Eingriff in die Kultusfreiheit bedeuten. Entspricht die von den Angehörigen angeordnete Bestattungsfeier offensichtlich nicht dem erklärten Willen des Verstorbenen, so wäre es vielleicht angezeigt, dass die Behörde dies dem von den Angehörigen mit der Durchführung der Abdankungsfeier beauftragten Geistlichen zur Kenntnis bringt. Nach der Bundesverfassung hat sie indessen nur dafür zu sorgen, dass das Begräbnis ein schickliches ist; ob es zur Schicklichkeit des Begräbnisses gehört, dass seine Gestaltung dem letzten Willen des Verstorbenen entspricht, ist hier, wie erwähnt, nicht zu entscheiden.
Zu beachten ist weiter, dass eine letztwillige Verfügung über das Vermögen nicht ohne weiteres einer Begräbnisanordnung, wie sie hier in Frage steht, gleichgesetzt werden darf. Eine Verfügung von Todes wegen im Sinne des ZGB kann mit Klage angefochten werden, wenn sie z.B. vom Erblasser zu einer Zeit errichtet wurde, da er nicht verfügungsfähig war, oder wenn sie aus mangelhaftem Willen (Irrtum, Zwang, Drohung) hervorgegangen ist; es wird dabei in einem gründlichen Gerichtsverfahren entschieden, ob die Verfügung gültig ist oder nicht. Es ist denkbar, dass eine schriftliche Anordnung über die Bestattungsfeier ebenfalls an einem dieser Mängel leidet, dass etwa der Verstorbene dazu gedrängt wurde, die Anordnung gegen seinen Willen niederzuschreiben. Eine Abklärung bis zur Bestattung wird regelmässig nicht möglich und kann vor allem nicht Sache der Bestattungsbehörde sein. Würde die Behörde gegen den Einspruch der Angehörigen die Bestattung nach der Anordnung des Verstorbenen durchsetzen und würde sich später erweisen, dass diese, wie es die Angehörigen von Anfang an behaupteten, ungültig war, so wären auf Grund des staatlichen Eingriffs zugleich eine dem wahren Willen des Toten nicht entsprechende Feier durchgeführt und die Pietätsgefühle der Angehörigen verletzt worden. Es könnte ferner vorkommen, wenn in der von der Beschwerdeführerin verlangten Art vorgegangen werden müsste, dass jemand beim Zivilstandsamt eine an sich gültig zustandegekommene letztwillige Verfügung über die Bestattungsfeier hinterlegt, auf dem Sterbebett aber seinen Angehörigen gegenüber einen andern Wunsch zum Ausdruck bringt, zum Beispiel nach einem christlichen Ritus bestattet sein will, während er vorher in seiner schriftlichen Erklärung keine religiöse Feier wünschte. Auch
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unter diesen Gesichtspunkten rechtfertigt es sich, auf den Willen der Angehörigen abzustellen.
Die Rüge, der Entscheid des Regierungsrates vom 13. Juni 1969 verstosse gegen die Glaubens- und Kultusfreiheit, erweist sich somit als unbegründet.
f) Nimmt man an, es bestehe auf Grund des schweizerischen Privatrechts ein über den Tod hinaus wirkendes Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen, nach welchem die Durchführung einer von ihm angeordneten Bestattungsfeier verlangt werden kann, so müsste dieses Recht, wie die aargauischen Behörden zutreffend angenommen haben, beim Zivilrichter geltend gemacht werden. Nicht anders wäre es, wenn mit der NAK anzunehmen wäre, es könne im Sinne eines über den Tod hinaus wirkenden Auftrages eine religiöse Gemeinschaft mit der Bestattungsfeier betraut werden (Art. 405 OR). Praktisch ist allerdings kaum vorstellbar, dass in einem Zivilverfahren in der Zeit zwischen Tod und Bestattung ein Entscheid erwirkt werden könnte, mit dem die Durchführung der vom Verstorbenen gewünschten Bestattungsfeier angeordnet würde. Mit solchen zivilrechtlichen Fragen hat sich der Verfassungsgerichtshof nicht zu beschäftigen. Bestünde im Einzelfall eine vollstreckbare richterliche Anordnung, so müsste sie vollzogen werden. Die staatliche Behörde wäre aber nach dem Gesagten dazu nicht gestützt auf die Art. 49 und 50 BV verpflichtet, sondern deshalb, weil sie einen richterlichen Entscheid zu vollstrecken hat. Das scheint denn auch der deutschen Rechtsprechung zu entsprechen, wonach Streitigkeiten über die Gestaltung der Bestattung durch das Prozessgericht zu entscheiden sind und der Friedhofsverwaltung in keiner Weise Entscheidungsbefugnisse zukommen (PALANDT, Kommentar N 2 zu § 1968 BGB; JOSEF, Praktische Fragen des Totenrechts, in: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, NF 2, 1921, S. 304 ff., insbes. S. 315).

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