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Urteilskopf

99 IV 220


50. Urteil des Kassationshofes vom 19. Dezember 1973 i.S. B. gegen Generalprokurator des Kantons Bern.

Regeste

Art. 182 (Freiheitsberaubung) und Art. 183 StGB (Entführung).
Verhältnis der beiden Bestimmungen.

Sachverhalt ab Seite 220

BGE 99 IV 220 S. 220

A.- Am 1. November 1972 gegen 22.30 h war die Prostituierte Ruth zu Fuss unterwegs zwischen dem Café Shalimar und ihrem Standplatz im Monbijouquartier in Bern. Da hielt neben ihr ein Personenwagen, dem vier weitere Prostituierte, worunter Theresia, entstiegen. Sie warfen Ruth vor, sie bediene ihre Freier ohne Präservativ und unter dem üblichen Preis, und forderten sie auf, mit ihnen in die Polizeikaserne zu fahren. Ruth kam der Aufforderung nach, doch führten sie die vier Frauen in den Frienisbergwald. Auf deren Geheiss verliess sie dort den Wagen, worauf ihr Eva Tränengas in die Augen sprühte. Anschliessend wurde sie von den Frauen entkleidet, geschlagen und im Wald zurückgelassen.

B.- Am 19. Oktober 1973 erklärte das Obergericht des Kantons Bern Theresia der Freiheitsberaubung schuldig und verurteilte sie zu dreissig Tagen Gefängnis.

C.- Die Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
BGE 99 IV 220 S. 221

Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre Handlungen fielen nicht unter Art. 182 (Freiheitsberaubung), sondern unter Art. 183 StGB (Entführung).
Die Begründung, mit der im angefochtenen Urteil die Entführung verneint wird (Erw. III 2), überzeugt nicht. Dieses Vergehen, das auch von einer Frau verübt werden kann und dessen Begehung nicht an einen bestimmten Zweck gebunden ist (HAFTER, Bes. T. I S. 104, II 2), verlangt keineswegs die Schaffung einer persönlichen Beziehung zwischen dem Täter und dem Opfer.
Indem sie vortäuschten, sie führen zur Polizeikaserne, brachten Theresia und ihre Kumpaninnen Ruth durch Anwendung von List dazu, in das Auto zu steigen. Da sie sie darauf in den Frienisbergwald verbrachten, haben sie sie im Sinne von Art. 183 StGB entführt.

2. Doch sind auch alle Tatbestandselemente der Freiheitsberaubung gegeben. Gewiss setzt sie im Gegensatz zur Entführung nicht eine Ortsveränderung voraus. Hingegen schliesst ein Wegbringen des Opfers die Freiheitsberaubung nicht aus. Der Täter beschränkt sein Opfer auf einen bestimmten Raum (HAFTER, Bes. T. I S. 27). Dieser Raum kann aber ein sich fortbewegendes Fahrzeug sein. Freiheitsberaubung kann begangen werden durch Führen eines Automobils mit einer Geschwindigkeit, die das Opfer zwingt, im Fahrzeug zu verbleiben (LOGOZ, partie spéciale I S. 275 i.f.). Eine hohe Geschwindigkeit ist im übrigen nicht nötig, um einen Passagier am Verlassen eines in Bewegung befindlichen Fahrzeugs zu hindern. Es genügt, dass Passagiere in einem Auto, einem Flugzeug usw. festgehalten und so der Bewegungsfreiheit beraubt werden (THORMANN/OVERBECK, N 5 zu Art. 182; BGE 89 IV 87 E 1).
Ruth ist auf der Fahrt von Bern in den Wald ihrer Freiheit beraubt gewesen. Die Beschwerdeführerin macht mit Recht nicht geltend, zu ihrem Vorgehen berechtigt gewesen zu sein.

3. Auf die Frage des Verhältnisses zwischen Art. 182 und 183 StGB braucht im einzelnen nicht eingegangen zu werden, denn Ruth hat ausdrücklich auf die Stellung eines Strafantrags verzichtet. Art. 183 StGB fällt daher ausser Betracht. Somit hat die Vorinstanz Bundesrecht nicht verletzt, indem sie die Beschwerdeführerin gemäss Art. 182 StGB verurteilte (BGE 71 IV 93und 186,BGE 76 IV 127Nr. 24).
BGE 99 IV 220 S. 222

Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3

Dispositiv

Referenzen

BGE: 89 IV 87

Artikel: Art. 183 StGB, Art. 182 StGB